Libster R.
et al.
Early High-Titer Plasma Therapy to Prevent Severe COVID-19 in Older Adults.
N Engl J Med 2021;
DOI:
10.1056/NEJMoa2033700
Die Patienten waren ≥ 75 Jahre alt oder ≥ 65 Jahre alt mit mindestens 1 Begleiterkrankung
(arterielle Hypertonie, Diabetes, Übergewicht, chronische Niereninsuffizienz, kardiovaskuläre
Erkrankung und chronisch obstruktive Lungenerkrankung). Aufgenommen wurden ausschließlich
Patienten mit milden Symptomen wie Körpertemperatur ≥ 37,5 °C, Schwitzen, Schüttelfrost,
trockener Husten, Schnupfen, Anosmie. Die Senioren wurden in geriatrischen Einrichtungen/zu
Hause aufgesucht, wo ein RT‑PCR-Test erfolgte. Insgesamt 160 positive Patienten oder
ihre Vorsorgebevollmächtigten willigten in eine stationäre Aufnahme für die Übertragung
von 250 ml Rekonvaleszentenplasma (n = 80) oder Placebo (n = 80) ein. Der Titer gegen
SARS-CoV-2-Spike-Protein im Verum musste mindestens 1:1000 betragen. Von 479 potenziellen
Donatoren wiesen 135 (28 %) adäquate Titer auf und spendeten jeweils 750 ml Plasma.
Die Transfusionen erfolgten über 1,5–2 Stunden und verliefen komplikationslos. Primärer
Studienendpunkt waren schwere respiratorische COVID-19-Verläufe, die bei einer Atemfrequenz
≥ 30/min und/oder einer Sauerstoffsättigung < 93 % bei Raumluft vorlagen. Sekundäre
Endpunkte waren lebensbedrohliche Ateminsuffizienzen mit einer inspiratorischen Sauerstofffraktion
von 100 %, nichtinvasiver/invasiver Beatmung, Intensivbehandlung, kritische systemische
Verläufe und Tod.
45 % der Patienten waren 65–74 und 55 % ≥ 75 Jahre alt. 62 % waren Frauen. Die klinischen
und soziodemografischen Daten der Verum- und Placebogruppe unterschieden sich nicht
wesentlich. Vier (Plasma) und 2 Erkrankte (Placebo) erhielten die Behandlung nicht
oder erst nach Eintritt eines Endpunktes. Nach 15 Tagen waren 38 Patienten (24 %)
wegen anhaltender Symptome im Krankenhaus. An Tag 25 erhielten noch 2 Patienten Sauerstoff,
die sich wenige Tage später erholten. Verglichen mit Placebo reduzierte das Rekonvaleszentenplasma
signifikant die Progressionswahrscheinlichkeit:
-
schwere Ateminsuffizienz 16 vs. 31 % (RR 0,52 %; 95 %-KI 0,29–0,94; p = 0,03),
-
verzögerter Progressionseintritt nach 15 vs. 9–15 Tagen,
-
lebensbedrohliche Lungenerkrankung 5 vs. 12 %,
-
kritische Systemerkrankung 6 vs. 8 %,
-
2 vs. 4 Patienten starben.
In einer modifizierten Analyse nach Ausschluss der 6 Patienten mit zu später/keiner
Transfusion waren die positiven Antikörpereffekte akzentuiert. Die Plasmaspende reduzierte
das relative Progressionsrisiko um 60 % (12 vs. 29 %).
24 Stunden nach der Transfusion wiesen Erkrankte, die Antikörper erhalten hatten,
signifikant höhere Anti-SARS-CoV-2-S‑IgG-Titer auf. Die Ergebnisse unterschieden sich
bei leichten und schweren Verläufen nicht.
Ältere Menschen mit leichteren COVID-19-Erkrankungen profitierten von Rekonvaleszentenplasma,
wenn sie es frühzeitig im Krankheitsverlauf erhielten. Dabei spielte neben dem Zeitpunkt
der Antikörpertiter eine besondere Rolle. Bei einem medianen IgG von 1:3200 betrug
die relative Risikoreduktion für eine Progression 73,3 %. Plasma von „Super-Donatoren“
(IgG ≥ 1:12 800) könnte ein therapeutischer Baustein sein, so die Autoren. Stationäre
Patienten mit hohen Titern sollten ihrer Meinung nach für zukünftige Plasmaspenden
identifiziert werden.
Dr. med. Susanne Krome, Melle