Z Sex Forsch 2021; 34(02): 123
DOI: 10.1055/a-1476-9956
Buchbesprechungen

Wir reden zu wenig! Angebote zur sexuellen Bildung Erwachsener

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Ralf Pampel. Wir reden zu wenig! Angebote zur sexuellen Bildung Erwachsener. Gießen: Psychosozial 2019 (Reihe: Angewandte Sexualwissenschaft). 121 Seiten, EUR 16,90

Ralf Pampel hat mit diesem kleinen Bändchen zu einem großen Thema Pionierarbeit geleistet. Nicht etwa allein der Mangel an Kommunikation im Sexuellen steht im Fokus, wie der Titel vermuten lässt, sondern Angebote zur sexuellen Bildung Erwachsener, wie im kleineren Untertitel angekündigt wird.

Die ersten sechs Kapitel begründen und präsentieren auf knappen 64 Seiten die Notwendigkeit sexueller Erwachsenenbildung: Das Konzept der sexuellen Bildung schließt prinzipiell Erwachsene mit ein (Kapitel 2), das Angebot ist mager (Kapitel 3), Entwicklungspsychologie und Sexualmedizin des Erwachsenenalters liefern wertvolle Anregungen (Kapitel 4), die gesellschaftskritische Sexualwissenschaft beschreibt die Situation in der Postmoderne (Kapitel 5); und bevor sich der Autor konkreten Angeboten einer good practice zuwendet, werden alle theoretischen Befunde zur Erwachsenensexualität in Kapitel 6 zusammengefasst. In den drei folgenden Kapiteln werden die Konzepte „Make Love“ von Ann-Marlene Henning, „Frauen.Körper.Kultur“ von Julia Sparmann und „Other Nature“, ein Sexladen mit Bildungsanspruch, vorgestellt, ergänzt durch Interviewdaten der jeweiligen Hauptakteure (Kapitel 7). Kapitel 8 enthält die Zusammenfassung der drei Praxisbeispiele und ihre Analyse vor dem Hintergrund des theoretischen Teils und der Leitprinzipien sexueller Bildung. Die Ergebnisse der Praxisanalyse münden in einen konzeptionellen Ausblick für „Aufgaben und Angebote Sexueller Bildung mit Erwachsenen“ (Kapitel 9). Das Fazit fasst Intention, Aufbau und Haupterkenntnisse des gesamten Textes noch einmal zusammen (Kapitel 10).

Wie eingangs schon angedeutet, hat Ralf Pampel das erste Buch zur sexuellen Erwachsenenbildung im deutschsprachigen Raum vorgelegt – und das im Rahmen und mit den bescheidenen Mitteln (Erarbeitungskorridor, energetischer Einsatz) einer überarbeiteten Masterarbeit. Das Konzept der Reihe „Angewandte Sexualwissenschaft“ im Psychosozial-Verlag ist auf einen dialogischen Theorie-Praxis-Bezug angelegt und der ist mit diesem Text gelungen. Pampel referiert den konzeptionellen Rahmen sexueller Bildung sowie interdisziplinäre Grundlagen aus der Sexualwissenschaft und bezieht beides auf drei tatsächlich wegweisende Praxiskonzepte zur Erwachsenenbildung. Er dekonstruiert gängige Vorstellungen des sexuellen Erwachsenenlebens, entwirft eine Didaktik des freiwilligen, mainstreamkritischen und praktischen Lernens – und das unter Einbezug jener Akteure, die auf diesem Gebiet schon gestaltend „unterwegs sind“.

Der Horizont und die inhaltliche, institutionelle wie auch didaktische Ausdifferenzierung sind angesichts der Entstehungsbedingungen dieses Buches selbstverständlich begrenzt. So werden das späte Erwachsenenalter sowie besondere Lebensbedingungen Erwachsener ausdrücklich ausgenommen (S. 35). Andere Besonderheiten wie die virtuelle Welt des Online-Sex oder andere Formate sexueller Erwachsenenbildung, die über die drei vorgestellten hinausgehen – das Konzeptionskapitel als Ganzes – bleiben unterkomplex. Die Begriffe Sexualpädagogik und Sexualerziehung sowie Sexuelle Bildung werden trotz anderslautender Zitate (S. 17) durchgehend synonym verwendet. Trotz dieser Einschränkungen ist das Buch als kompakte Einführungslektüre in ein noch unterentwickelndes Handlungsfeld sexueller Bildung empfehlenswert.

Uwe Sielert (Kiel)



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Article published online:
09 June 2021

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