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DOI: 10.1055/a-1481-3421
COVID-19: Dexamethason-Behandlung überprüft
In der ersten Jahreshälfte 2020 starben im Vereinigten Königreich 26 % der aufgrund der Coronavirus-Erkrankung (COVID-19) hospitalisierten Patienten. Von denjenigen, die eine maschinelle Beatmung erhielten, starben 37 %. Das Virustatikum Remdesivir verkürzt nach bisherigem Stand die Erholungszeit hospitalisierter Patienten. Bislang gibt es jedoch kein Therapeutikum, das die Todesrate nachweislich senkt. Welche Rolle könnte Dexamethason einnehmen?
Glukokortikoide könnten entzündungsbedingte Lungenschäden modulieren und so das Fortschreiten der Erkrankung bis zum Lungenversagen oder Tod vermindern. In der ersten Jahreshälfte der Pandemie wurden Patienten um den Globus herum höchst unterschiedlich behandelt. Es wurde teilweise berichtet, dass 50 % der Patienten bereits Glukokortikoide erhielten. Nun liegen die Ergebnisse der kontrollierten, open-label randomisierten COVID-19 Therapie (RECOVERY)-Studie zu Dexamethason bei aufgrund von COVID-19 hospitalisierten Patienten vor.
In die Untersuchung flossen Daten aus 176 staatlichen Gesundheitsorganisationen im Vereinigten Königreich ein. Die wegen COVID-19 hospitalisierten Patienten wurden zufällig zugeordnet in eine Gruppe, die über 10 Tage oral oder intravenös Dexamethason (6 mg/Tag) erhielt, und eine Gruppe, die routinemäßig gepflegt wurde. Insgesamt 2104 Patienten erhielten Dexamethason, 4321 die übliche Behandlung. Zur Datenerfassung füllten die lokalen Studienmitarbeiter ein Formular mit verschiedenen Eckpunkten aus. Hauptergebnis war die Gesamtmortalität innerhalb von 28 Tagen nach Randomisierung. Das mittlere Alter der insgesamt 6425 Patienten betrug 66,1 Jahre (SD = 15,7), 36 % waren weiblich.
Ergebnisse
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Insgesamt starben 482 Patienten (22,9 %) in der Dexamethason-Gruppe und 1110 Patienten (25,7 %) in der Gruppe mit der üblichen Behandlung innerhalb von 28 Tagen nach Randomisierung (altersbereinigte Rate Ratio 0,83; 95 %-KI 0,75–0,93; P < 0,001).
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Die proportionalen und absoluten Unterschiede in der Sterblichkeit zwischen den Gruppen variierten beträchtlich je nach Grad der Beatmungsunterstützung, die die Patienten zum Zeitpunkt der Randomisierung erhielten.
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In der Dexamethason-Gruppe war die Sterblichkeitsrate niedriger als in der Gruppe der Patienten, die invasiv mechanisch beatmet wurden (29,3 % vs. 41,4 %; Rate Ratio 0,64; 95 %-KI 0,51–0,81), und als in der Patientengruppe, die Sauerstoff ohne invasive Beatmung bekamen (23,3 % vs. 26,2 %; Rate Ratio, 0,82; 95 %-KI 0,72–0,94). Nicht niedriger war die Mortalität jedoch bei jenen Patienten, die zum Zeitpunkt der Randomisierung keine Beatmungsunterstützung erhielten (17,8 % vs. 14,0 %; Rate Ratio 1,19; 95 %-KI 0,92–1,55).
Es sei wahrscheinlich, dass die günstige Wirkung von Glukokortikoiden bei schweren viralen Atemwegsinfektionen von der Wahl der richtigen Dosis zum richtigen Zeitpunkt und vom jeweiligen Patienten abhängt. Hohe Dosen könnten eher schädlich als hilfreich sein, ebenso wie eine Dexamethason-Behandlung zu einem Zeitpunkt, wenn die Kontrolle der viralen Replikation vorrangig und die Entzündung minimal sei.
Bislang erklärten viele COVID-19-Behandlungsrichtlinien den Einsatz von Glukokortikoiden entweder als kontraindiziert oder nicht empfohlen. Die Richtlinien empfehlen nun Glukokortikoide bei aufgrund von COVID-19 hospitalisierten Patienten, die Sauerstoff mit oder ohne Beatmungsunterstützung benötigen. Nach Ansicht der Autoren gibt es bei Patienten, die nicht beatmet werden, keine Hinweise für einen Nutzen von Dexamethason und sogar einen potenziellen Schaden.
Annkatrin Wagner, Stuttgart
Publication History
Article published online:
11 June 2021
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