Einleitung
Beginnend im Dezember 2019 in China, hat die rasche weltweite Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus
zu einer hohen Anzahl an teils schwer verlaufenden Infektionen geführt und stellt
für die Gesundheitssysteme weltweit eine nach wie vor große Herausforderung dar.
Die Diagnose oder der Ausschluss einer SARS-CoV-2-Infektion erfolgt primär meist mittels
PCR-Nasen-/Rachenabstrich. Das Verfahren ist zeitaufwendig, und die Sensitivität ist
v. a. in frühen Infektionsstadien eingeschränkt [1]
[2].
Daher kommen klinisch häufig (explizite oder implizite) Algorithmen zum Einsatz, die
Kontaktanamnese, Symptome, klinische Einschätzung, Testergebnisse und ggf. auch eine
Bildgebung miteinander kombinieren. Eine frühzeitige eindeutige Diagnosestellung bzw.
ein sicherer Ausschluss einer Infektion haben erhebliche Relevanz für das Patienten-
und Ressourcenmanagement, insbesondere wenn es sich um schwer erkrankte, stationär
behandlungsbedürftige Patienten handelt.
Als relevantes bildgebendes Verfahren wurde bereits frühzeitig das Thorax-CT beschrieben
[3]
[4], da die Lunge häufig die wichtigste Manifestation einer Infektion darstellt und
sich im Thorax-CT typische klinische Befunde zeigen, die im Nativ-Röntgen nicht mit
gleicher Sicherheit detektiert werden können.
Entsprechende Veränderungen sind auch sonografisch häufig gut nachweisbar. Grund hierfür
ist, dass die pulmonalen Veränderungen häufig peripher, d. h. an der Thoraxwand auftreten
und somit dem Ultraschall zugänglich sind [5]
[6]
[7]. Zum anderen sind die Veränderungen auch gerade bei hospitalisierten Patienten oft
so schwerwiegend, dass sie sonografisch gut darstellbar sind.
Typische thoraxsonografische Befunde bei COVID-19 wurden bereits in der Literatur
beschrieben [5]
[8]
[9], diese sind in [Abb. 1] exemplarisch dargestellt und umfassen
Abb. 1 Thoraxsonografische Befunde bei COVID-Patienten: a irreguläre/verdickte Pleuralinie, b vermehrte B-Linien, c subpleurale Konsolidierungen, d A-Linien (physiologisch, Wiederauftreten bei Rekonvaleszenz) (Quelle: Albertinen-Krankenhaus,
Erstveröffentlichung Hamburger Ärzteblatt, Ausgabe 05/20).
-
eine verdickte Pleuralinie,
-
vermehrte B-Linien,
-
subpleurale Konsolidierungen und
-
eine diffuse Verteilung der Veränderungen (multilobulär).
Bei rekonvaleszenten Patienten wurde über ein Wiederauftreten von A-Linien berichtet.
Pleuraergüsse treten selten auf.
Ähnliche thoraxsonografische Befunde wurden auch bereits zuvor als „interstitielles
Syndrom“ beschrieben [10]
[11], das u. a. bei der Influenza [12]
[13], der Lungenbeteiligung rheumatischer Erkrankungen [14]
[15] und bei der Lungenkontusion [16] auftreten kann.
Eine Standardisierung des Ausmaßes der Veränderungen findet sich im Lungenultraschall
(LUS)-Score wieder, bei dem die sonografischen Veränderungen je nach untersuchtem
Lungenabschnitt mit einem Punktwert versehen wurden. Am besten untersucht wurde der
LUS-Score bei respiratorisch kritisch kranken Patienten, es existieren z. B. Untersuchungen
zur Korrelation des LUS-Scores mit dem Ausmaß der Belüftung bei ARDS und Ventilator-assoziierter
Pneumonie sowie mit dem Outcome nach Extubation [17]
[18]
[19].
Weiterhin konnte bereits gezeigt werden, dass höhere LUS-Scores mit einer höheren
Wahrscheinlichkeit eines schweren COVID-Verlaufs einhergehen [20].
Von den deutschen Fachgesellschaften existiert inzwischen die Empfehlung, die Thoraxsonografie
als diagnostische Methode in verschiedenen Indikationen bei der SARS-CoV-2-Infektion
einzusetzen [21].
Bislang gibt es unseres Wissens keine Untersuchung, die den Stellenwert der Thoraxsonografie
in der frühen Diagnostik einer Infektion im Vergleich zwischen letztendlich gesicherten
COVID-19-Erkrankten und initialen, im weiteren Verlauf aber nicht bestätigten COVID-Verdachtsfällen
untersucht. Die hier vorgelegte Studie fokussiert sich auf die Untersuchung dieses
sich bei der stationären Aufnahme ergebenden differenzialdiagnostischen Aspektes.
Material und Methoden
Im Zuge der anlaufenden COVID-19-Pandemie wurde im März 2020 im Albertinen-Krankenhaus
Hamburg eine Isolierstation eingerichtet, auf der Patienten mit Verdacht auf eine
SARS-CoV-2-Infektion untergebracht wurden. Die Stellung der Verdachtsdiagnose und
die separate Unterbringung von Verdachtsfällen erfolgten entlang der vom Robert Koch-Institut
vorgegebenen Algorithmen bzw. Empfehlungen [22]
[23].
Maßgebend für die Verdachtsdiagnose waren im wesentlichen COVID-typische Symptome
(Fieber, respiratorische Symptome) ohne naheliegende andere Erklärung sowie symptomatische
Patienten mit Kontakt zu COVID-Erkrankten. Nur Patienten, die nach Einschätzung des
aufnehmenden Arztes einer stationären Behandlung oder Überwachung bedurften, wurden
auch aufgenommen.
Bei allen Patienten, bei denen sich eine Infektion bestätigte – gesichert durch einen
positiven PCR-Nachweis im Nasen-/Rachenabstrich – und die für eine Untersuchung zur
Verfügung standen, wurde sobald wie möglich eine Thoraxsonografie durch in der Methode
erfahrene Untersucher durchgeführt.
Die Untersuchung erfolgte unter Einhaltung der hygienischen Standards in der Versorgung
von COVID-Patienten (Einmalkittel, Handschuhe, Haarschutz, FFP2-Maske, Sichtschutz
bzw. Brille).
Eine zufällig ausgewählte, gleich große Gruppe von Patienten der COVID-Verdachtsstation,
bei denen eine Infektion entsprechend der klinikinternen Algorithmen im weiteren Verlauf
ausgeschlossen wurde, wurde ebenfalls auf gleiche Weise thoraxsonografisch untersucht.
Die Untersucher waren gegenüber den klinischen und virologischen Untersuchungsbefunden,
sofern sie bereits vorlagen, nicht verblindet.
Für die Untersuchung wurden folgende Ultraschallgeräte verwendet: Philips CX 50, Philips
iU22, Philips Envisor, Sonosite M-Turbo.
Eine schriftliche Einwilligung der Patienten in die Datenerhebung, Weiterverwertung
sowie wissenschaftliche Auswertung weiterer krankheitsbezogener Daten sowie die anonymisierte
Veröffentlichung wurde eingeholt.
Der Untersuchungsablauf folgte einem standardisierten Schema und umfasste die beidseitige
Untersuchung von jeweils 2 anterioren, lateralen und dorsalen Thoraxabschnitten. Für
jeden Bereich wurden pathologische Veränderungen erfasst und dokumentiert.
Als nichtpathologische Befunde galten hierbei:
-
das Vorhandensein einer glatten Pleuralinie
-
der Nachweis von A-Linien
-
geringe Anzahl von B-Linien (< 3/Gesichtsfeld)
Pathologische Befunde umfassten als COVID-typische Veränderungen:
-
eine unregelmäßige Pleuralinie
-
pleuraständige Konsolidierungen
-
eine Vermehrung von B-Linien, wobei diese letztere Erfassung semiquantitativ vorgenommen
wurde.
Ferner wurden auch nicht-COVID-typische pathologische Veränderungen wie das Vorhandensein
eines Pneumothorax oder eines Pleuraergusses erfasst.
Das von uns verwendete standardisierte Auswertungsschema findet sich in [Abb. 2].
Abb. 2 Verwendetes Auswertungsschema (nach Vorlage von Dr. James Rippey [24], mit freundlicher Genehmigung des Autors). [rerif]
Für die weitere Auswertung wurden folgende patientenbezogene Daten erfasst:
-
Befunde von zeitgleich durchgeführtem Röntgen-Thorax und CT-Thorax
-
Laborparameter: Blutbild mit Differenzierung, CRP, LDH, Ferritin
-
Vitalparameter: Sauerstoffbedarf, Sättigung, Atemfrequenz.
Anhand der erhobenen Daten wurde der LUS-Score bestimmt (siehe [Abb. 3]).
Abb. 3 Ermittlung des LUS-Scores. Der Wert wird für jedes untersuchte Segment einzeln bestimmt.
Für den Gesamtscore werden die einzelnen Lungenbereiche addiert (somit ergibt sich
ein Maximalwert von 36 Punkten).
Für die statistische Analyse wurden die einzelnen lungensonografischen Merkmale beider
Gruppen auf statistische Unterschiede geprüft. Hierzu wurden sowohl Verfahren zur
Prüfung bei metrischen Parametern (t-Test für unabhängige Stichproben) sowie für nominale
Merkmale (Chi-Quadrat; bei geringen Zell-Besetzungen: exakter Test nach Fisher) verwendet.
Ergebnisse
Zwischen April und Mai 2020 wurden im Rahmen der „ersten Welle“ der Pandemie in Deutschland
insgesamt 23 Patienten mit nachgewiesener SARS-Co-V2-Infektion (COVID-Gruppe) sowie
23 initiale Verdachtspatienten mit im weiteren Verlauf ausgeschlossener SARS-CoV-2-Infektion
(Kontrollgruppe) in die Studie eingeschlossen.
Die Eigenschaften der beiden Gruppen (COVID-Gruppe vs. Kontrollgruppe) sind in [Tab. 1] aufgeführt. Die erfassten klinischen Parameter und Laborwerte beziehen sich auf
den Zeitpunkt der sonografischen Untersuchung. Röntgen- und CT-Befunde wurden nur
einbezogen, wenn sie höchstens einen Tag vor oder nach der sonografischen Untersuchung
erhoben wurden.
Hauptsymptome in beiden Gruppen waren Schwäche, Dyspnoe, Husten und Fieber, die Dauer
der Symptomatik bei stationärer Aufnahme war in beiden Gruppen ähnlich und lag im
Mittelwert bei 7 Tagen.
In der COVID-Gruppe zeigte sich eine diskret niedrigere Sauerstoffsättigung (95 %
vs. 97 %, p < 0,05). Zudem zeigten sich signifikante Unterschiede in der Höhe der
LDH- und Ferritin-Werte (p < 0,05), beide waren in der COVID-Gruppe höher. Radiologisch
(Röntgen oder CT-Thorax) wurde der Verdacht auf eine COVID-Pneumonie bei 8 Patienten
in der COVID-Gruppe und bei einem Patienten in der Kontrollgruppe geäußert (p < 0,05).
Die weiteren erhobenen klinischen Variablen (Atemfrequenz, Sauerstoffbedarf) und Laborparameter
unterschieden sich nicht signifikant (vgl. [Tab. 1]).
Tab. 1
Patientencharakteristika.
|
COVID (n = 23)
|
COVID-negativ (n = 23)
|
Alter (Jahre), Mittelwert (Range)
|
69,4 (36–99)
|
69,9 (19–91)
|
Männliches Geschlecht, n (%)
|
15 (65 %)
|
13 (56 %)
|
Symptomatik, n (%)
|
|
19 (83 %)
|
14 (61 %)
|
|
15 (65 %)
|
15 (65 %)
|
|
15 (65 %)
|
12 (52 %)
|
|
10 (43 %)
|
5 (22 %)
|
|
6 (26 %)
|
5 (22 %)
|
|
6 (26 %)
|
1 (4 %)
|
|
5 (22 %)
|
3 (13 %)
|
|
4 (17 %)
|
2 (9 %)
|
|
2 (9 %)
|
1 (4 %)
|
|
2 (9 %)
|
1 (4 %)
|
|
1 (4 %)
|
2 (9 %)
|
|
1 (4 %)
|
2 (9 %)
|
|
0
|
2 (9 %)
|
|
0
|
2 (9 %)
|
|
0
|
2 (9 %)
|
Zeitdauer Symptomatik bei Aufnahme (Tage), Mittelwert (Range)
|
7,8 (0–21)
|
6 (0–20)
|
Klinische Parameter
|
|
11 (48 %)
|
15 (65 %)
|
p = 0,23[a]
|
|
95 % (90–99 %)
|
97 % (95–100 %)
|
p = 0,02[b]
|
|
17,6 (12–33)
|
15,2 (12–23)
|
p = 0,06[b]
|
Laborparameter
|
|
333,7 (158–671)
|
246 (142–433)
|
p = 0,02[b]
|
|
95,8 (1,5–277,1)
|
57,7 (0,4–222,9)
|
p = 0,07[b]
|
|
0,73 (0,05–5,91)
|
0,71(0,05–2,62)
|
p = 0,98[b]
|
|
1320 (39–3172)
|
289 (29–577)
|
p = 0,05[b]
|
|
2450 (575–5214)
|
6975 (35–41196)
|
p = 0,54[b]
|
Bildgebung
|
|
16 (70 %)
|
18 (78 %)
|
|
|
3 (13 %)
|
5 (22 %)
|
|
|
8 (35 %)
|
1 (4 %)
|
p = 0,04[a]
|
a Chi-Quadrat-Test
b T-Test für unabhängige Stichproben
6 der 23 COVID-Patienten mussten im weiteren Verlauf auf der Intensivstation behandelt
werden, 3 verstarben. In der Kontrollgruppe wurde ein Patient auf der Intensivstation
behandelt, 2 verstarben.
Die abschließenden Diagnosen der Nicht-COVID-Patienten zeigt [Tab. 2].
Tab. 2
Entlassungsdiagnosen der Nicht-COVID-Patienten.
Anzahl
|
Diagnose
|
6
|
Atemwegsinfekt, bakteriell
|
6
|
kardiale Dekompensation
|
2
|
COPD, exazerbiert
|
2
|
bakterieller Infekt, urogenital
|
1
|
Atemwegsinfekt, viral
|
1
|
Sarkoidose
|
1
|
Lungenarterienembolie
|
1
|
Perikarditis
|
1
|
somatoforme Störung
|
1
|
systemische virale Infektion (CMV)
|
1
|
Tumorerkrankung
|
Sonografisch zeigten sich folgende Veränderungen (vgl. [Tab. 3]):
Tab. 3
Häufigkeit der Lungenultraschallbefunde in den einzelnen Segmenten.
|
A-Linien
|
B-Linien
|
B-Linien
|
|
> 2 pro Gesichtsfeld
|
konfluierend
|
Segment
|
COVID (n = 23)
|
N-COVID (n = 23)
|
p[a]
|
COVID (n = 23)
|
N-COVID (n = 23)
|
p[a]
|
COVID (n = 23)
|
N-COVID (n = 23)
|
p[c]
|
R1
|
10 (43 %)
|
20 (87 %)
|
< 0,01
|
5 (22 %)
|
3 (13 %)
|
0,44
|
2 (9 %)
|
0 (0 %)
|
1,00
|
R2
|
7 (30 %)
|
19 (83 %)
|
< 0,01
|
4 (17 %)
|
5 (22 %)
|
0,71
|
3 (13 %)
|
2 (9 %)
|
0,19
|
R3
|
5 (22 %)
|
18 (78 %)
|
< 0,01
|
14 (61 %)
|
4 (17 %)
|
< 0,01
|
5 (22 %)
|
1 (4 %)
|
0,23
|
R4
|
2 (9 %)
|
19 (83 %)
|
< 0,01
|
12 (52 %)
|
7 (30 %)
|
0,13
|
3 (13 %)
|
0 (0 %)
|
0,23
|
R5
|
4 (17 %)
|
17 (74 %)
|
< 0,01
|
9 (39 %)
|
2 (9 %)
|
0,02
|
4 (17 %)
|
0 (0 %)
|
0,09
|
R6
|
0 (0 %)
|
12 (52 %)
|
< 0,01
|
13 (57 %)
|
7 (30 %)
|
0,07
|
9 (39 %)
|
3 (13 %)
|
0,35
|
L1
|
6 (26 %)
|
19 (83 %)
|
< 0,01
|
7 (30 %)
|
3 (13 %)
|
0,15
|
4 (17 %)
|
1 (4 %)
|
0,61
|
L2
|
2 (9 %)
|
18 (78 %)
|
< 0,01
|
4 (17 %)
|
1 (4 %)
|
0,16
|
3 (13 %)
|
1 (4 %)
|
0,49
|
L3
|
3 (13 %)
|
18 (78 %)
|
< 0,01
|
9 (39 %)
|
3 (13 %)
|
0,04
|
2 (9 %)
|
0 (0 %)
|
1,00
|
L4
|
3 (13 %)
|
17 (74 %)
|
< 0,01
|
10 (43 %)
|
6 (26 %)
|
0,22
|
2 (9 %)
|
3 (13 %)
|
0,61
|
L5
|
3 (13 %)
|
16 (70 %)
|
< 0,01
|
7 (30 %)
|
6 (26 %)
|
0,74
|
3 (13 %)
|
1 (4 %)
|
0,70
|
L6
|
0 (0 %)
|
14 (61 %)
|
< 0,01
|
11 (48 %)
|
7 (30 %)
|
0,23
|
5 (22 %)
|
3 (13 %)
|
0,61
|
Gesamt
|
3,75 (16,3 %)
|
17,25 (75,0 %)
|
< 0,01
[b]
|
8,75 (38,0 %)
|
4,5 (19,6 %)
|
< 0,01
[b]
|
3,75 (16,3 %)
|
1,25 (5,4 %)
|
< 0,01
[b]
|
|
Pleuralinie
|
Konsolidierungen
|
Konsolidierungen
|
|
verdickt, irregulär
|
vorhanden
|
nur > 5 mm
|
Segment
|
COVID (n = 23)
|
N-COVID (n = 23)
|
p[a]
|
COVID (n = 23)
|
N-COVID (n = 23)
|
p[c]
|
COVID (n = 23)
|
N-COVID (n = 23)
|
p[c]
|
R1
|
13 (57 %)
|
11 (48 %)
|
0,56
|
3 (13 %)
|
1 (4 %)
|
1,00
|
2 (9 %)
|
1 (4 %)
|
1,00
|
R2
|
9 (39 %)
|
5 (22 %)
|
0,20
|
4 (17 %)
|
3 (13 %)
|
1,00
|
3 (13 %)
|
1 (4 %)
|
1,00
|
R3
|
11 (48 %)
|
10 (43 %)
|
0,77
|
3 (13 %)
|
1 (4 %)
|
1,00
|
0 (0 %)
|
0 (0 %)
|
1,00
|
R4
|
8 (35 %)
|
9 (39 %)
|
0,76
|
7 (30 %)
|
3 (13 %)
|
0,28
|
5 (22 %)
|
1 (4 %)
|
0,19
|
R5
|
4 (17 %)
|
10 (43 %)
|
0,05
|
4 (17 %)
|
2 (9 %)
|
0,67
|
1 (4 %)
|
1 (4 %)
|
1,00
|
R6
|
5 (22 %)
|
8 (35 %)
|
0,33
|
8 (35 %)
|
3 (13 %)
|
0,17
|
5 (22 %)
|
1 (4 %)
|
0,19
|
L1
|
7 (30 %)
|
9 (39 %)
|
0,54
|
3 (13 %)
|
0 (0 %)
|
0,23
|
0 (0 %)
|
0 (0 %)
|
1,00
|
L2
|
6 (26 %)
|
9 (39 %)
|
0,35
|
2 (9 %)
|
2 (9 %)
|
1,00
|
2 (9 %)
|
1 (4 %)
|
1,00
|
L3
|
9 (39 %)
|
9 (39 %)
|
1,00
|
6 (26 %)
|
1 (4 %)
|
0,10
|
2 (9 %)
|
0 (0 %)
|
1,00
|
L4
|
10 (43 %)
|
11 (48 %)
|
0,77
|
9 (39 %)
|
3 (13 %)
|
0,09
|
7 (30 %)
|
2 (9 %)
|
0,13
|
L5
|
8 (35 %)
|
12 (52 %)
|
0,23
|
4 (17 %)
|
3 (13 %)
|
1,00
|
1 (4 %)
|
2 (9 %)
|
1,00
|
L6
|
4 (17 %)
|
5 (22 %)
|
0,71
|
12 (52 %)
|
8 (35 %)
|
0,37
|
10 (43 %)
|
2 (9 %)
|
0,02
|
Gesamt
|
7,83 (34,1 %)
|
9,00 (39,1 %)
|
0,27
|
5,41 (23,6 %)
|
2,50 (10,9 %)
|
0,01
|
3,17 (13,8 %)
|
1,00 (4,3 %)
|
0,02
|
fett wenn p < 0,05
a Chi-Quadrat-Test
b T-Test (zweiseitig, ungepaart)
c exakter Test nach Fisher
Bei den Patienten in der COVID-Gruppe zeigten sich im Vergleich zur Kontrollgruppe
signifikant weniger A-Linien, signifikant mehr pathologische B-Linien (mehr als 2
je Gesichtsfeld oder konfluierend) sowie signifikant mehr Konsolidierungen.
So fanden sich in der COVID-Gruppe in durchschnittlich 16,3 % der Fälle konfluierende
B-Linien, in der Kontrollgruppe lediglich in 5,4 %. Konsolidierungen sahen wir bei
23,6 % aller COVID-Patienten im Vergleich zu 10,9 % in der Kontrollgruppe.
Im direkten Vergleich der einzelnen untersuchten Lungenabschnitte zeigten sich signifikante
Unterschiede zwischen beiden Gruppen bei der Vermehrung von B-Linien v. a. in den
lateral gelegenen Lungenabschnitten, bei den Konsolidierungen nur in einem der basal
gelegenen Lungenabschnitte.
Ein Pleuraerguss fand sich bei 2 Patienten in der COVID-Gruppe und bei 8 Patienten
in der Kontrollgruppe (p < 0,05).
Ein Pneumothorax wurde bei keinem der Patienten diagnostiziert.
Wie in [Tab. 4] dargestellt, zeigte sich in der COVID-Gruppe ein signifikant höherer LUS-Score (11,4
vs. 5,5, p = 0,02). Dies konnte auch für den direkten Vergleich der einzelnen Segmente
gezeigt werden, signifikant war der Unterschied hier jedoch nur in 3 der 4 lateralen
Lungensegmente.
Tab. 4
Durchschnittlicher LUS-Score in den einzelnen Segmenten.
Segment
|
COVID (n = 23)
|
N-COVID (n = 23)
|
p[a]
|
R1
|
0,61
|
0,22
|
0,16
|
R2
|
0,65
|
0,57
|
0,8
|
R3
|
1,00
|
0,26
|
< 0,01
**
|
R4
|
1,22
|
0,57
|
0,07
|
R5
|
0,70
|
0,26
|
0,14
|
R6
|
1,35
|
0,70
|
0,08
|
L1
|
0,65
|
0,17
|
0,07
|
L2
|
0,48
|
0,26
|
0,43
|
L3
|
1,09
|
0,22
|
< 0,01
**
|
L4
|
1,48
|
0,57
|
0,01
**
|
L5
|
0,65
|
0,52
|
0,68
|
L6
|
1,52
|
1,22
|
0,47
|
Gesamt (Range)
|
11,39 (0–34)
|
5,52 (0–19)
|
0,02
*
|
a T-Test für unabhängige Stichproben
Allerdings fand sich in beiden Gruppen eine große Verteilungsbreite mit einem entsprechend
großen Überlappungsbereich, sodass eine Diskriminierung COVID vs. Nicht-COVID nur
anhand des LUS-Scores nicht möglich ist. Eine Kombination des LUS-Scores mit Sauerstoffbedarf
oder anderen klinischen oder Laborparametern ergab keinen statistischen Vorteil in
der Vorhersage einer Gruppenzugehörigkeit.
In einer Subgruppenanalyse der COVID-Gruppe konnte beobachtet werden, dass schwere
Verläufe (intensivstationärer Aufenthalt oder Tod) mit höheren LUS-Scores einhergingen.
Bei den Patienten mit schwerem Infektionsverlauf zeigte sich ein durchschnittlicher
LUS-Score von 20,1 (n = 7, Range: 2–34), in der Gruppe ohne schweren Verlauf von 7,6
(n = 16, Range 0–20), der Unterschied war signifikant (p = 0.018, T-Test).
Ein Cutoff von 12 Punkten als Prädiktor eines schweren Verlaufes zeigte nur bei einem
der 7 im weiteren Verlauf intensivpflichtigen und/oder verstorbenen Patienten ein
falsch-negatives Ergebnis. Bei 4 der 16 nicht-intensivpflichtigen Patienten lag ein
LUS-Score über 12 vor.
Für die COVID-Gruppe zeigte sich eine Korrelation zwischen dem LUS-Score und Ferritin
(r = 0,64, p = 0,03, n = 11), auch wenn dieser Zusammenhang aufgrund der geringen
Fallzahl vorsichtig zu interpretieren ist. Für weitere klinische oder laborchemische
Variablen (wie z. B. CRP, LDH, Dauer der Symptomatik) konnte ein solcher Zusammenhang
nicht beobachtet werden.
Diskussion
Die Daten unserer monozentrisch angelegten Pilotstudie zeigen, dass bei COVID-Patienten
typische thoraxsonografische Veränderungen vorhanden sind, die stärker ausgeprägt
sind als bei von der Symptomatik her vergleichbaren SARS-CoV-2-negativen Patienten.
Auch wenn sich statistisch teils signifikante Unterschiede in den Daten zeigen, ist
es dennoch nicht möglich, sonografische Kriterien zu definieren, anhand derer zwischen
beiden Gruppen klar getrennt werden kann. Dies betrifft sowohl die einzelnen erhobenen
Parameter als auch den ermittelten LUS-Score.
Als Limitationen der Untersuchung sind die geringe Zahl an rekrutierten Patienten
und die fehlende Verblindung der Untersucher aufzuführen. Es handelt sich um eine
explorative Studie zur Identifikation möglicher, in der Versorgungspraxis auftretender
Unterschiede bei beiden Patientenkollektiven. Daher wurde auf eine Adjustierung des
Signifikanzniveaus verzichtet. Insbesondere die multiple Testung potenzieller Unterschiede
in den einzelnen lungensonografischen und klinischen Parametern sollte in zukünftigen,
idealerweise prospektiven Studien mit einem entsprechend adjustierten Signifikanzniveau
durchgeführt werden.
Die Thoraxsonografie sollte in der hier beschriebenen Indikation als Erstuntersuchung
nur dann eingesetzt werden, wenn die Aussagekraft der Untersuchungsergebnisse den
Zeitaufwand und das nicht ganz auszuschließende Kontaminationsrisiko des Untersuchers
rechtfertigen. Nach den Ergebnissen unserer Untersuchung erscheint entgegen unserer
ursprünglichen Erwartungen ein früher Einsatz der Thoraxsonografie allerdings nicht
geeignet, um bei entsprechenden klinischen Verdachtsmomenten zwischen SARS-CoV-2-Infizierten
und Nicht-Infizierten mit hinreichender Sicherheit zu unterscheiden. Die Lungensonografie,
und das ist das wesentliche Ergebnis unserer Studie, ist also nicht dazu geeignet,
bspw. in der Notaufnahme die Wartezeit auf einen PCR-Test zu verkürzen.
Die beobachteten Unterschiede unterstreichen jedoch den Gesamtstellenwert der Thoraxsonografie
in der Behandlung von COVID-Patienten, z. B. zur Beurteilung des Schweregrades und
damit auch zur prognostischen Einschätzung der Erkrankung, wie die hier nachgewiesene
Assoziation zwischen LUS-Score und Intensivpflichtigkeit oder Tod gezeigt hat. Auch
können manche Komplikationen (Pneumothorax, Pleuraerguss) mittels Thoraxsonografie
rasch und unmittelbar erfasst werden. Eine weitere klinische Bedeutung kann die Thoraxsonografie
bei COVID-Patienten in der Verlaufsbeurteilung von Erkrankten haben, z. B. im Hinblick
auf eine Intensivierung oder Deeskalation der Behandlung [21]
[25]. Denkbar wäre z. B. ein routinemäßiger Einsatz zur Beatmungssteuerung intubierter
COVID-Patienten. Entsprechende Studienvorhaben sind von verschiedenen Forschungsgruppen
geplant [21]
[26]. Der LUS-Score scheint als bereits evaluierter und standardisiert erfassbarer Gesamtscore
dafür gut geeignet zu sein.
Die erst nach Durchführung unserer Untersuchung publizierten „Empfehlungen zur Lungen-
und Thoraxsonografie bei Patienten mit COVID-19-Erkrankung“[21] enthalten Hinweise zur Indikationsstellung, praktischen Durchführung und Auswertung.
Im Wesentlichen entsprechen die hier genannten Empfehlungen unserem Ansatz. Allerdings
sprechen unsere Untersuchungsergebnisse gegen den in diesen Empfehlungen formulierten
routinemäßigen Einsatz zur Primär- bzw. Differenzialdiagnose.