Einleitung
Der frühe vorzeitige Blasensprung (PPROM: Preterm Premature Rupture of Membranes)
ist definiert als spontaner Blasensprung vor Wehenbeginn vor der 37 + 0 SSW [1]. Seine Inzidenz wird mit insgesamt 3% angegeben [1], davon 0,5% vor der 27. SSW, 1% zwischen 27 + 0 und 33 + 6 SSW und 1,5% zwischen
34 + 0 und
36 + 6 SSW [2].
Der PPROM ist für 25 – 30% aller Frühgeburten verantwortlich und mit 18 – 20% an der
perinatalen Mortalität beteiligt [1].
Schwere geburtshilfliche Komplikationen sowie die neonatale Morbidität (z. B. Respiratory
Distress Syndrome, nekrotisierende Enterokolitis, intraventrikuläre Hirnblutungen,
neonatale Sepsis)
sind invers mit dem Gestationsalter zum Zeitpunkt des PPROM korreliert [3], [4].
Nach PPROM kommt es in Abhängigkeit vom Gestationsalter in 15 – 30% der Fälle zur
Chorioamnionitis [3], [5], in 4 – 12% zur
vorzeitigen Plazentalösung [2], [6], [7], bei bis zu 2% der Schwangeren zum IUFT, bedingt durch
Infektion/Nabelschnurvorfall [3], [4] und bei 15 – 20% der Betroffenen zu postpartalen Infektionen [4]. In 32 – 76% der Fälle muss in Abhängigkeit von der Fruchtwassermenge mit Nabelschnurkompressionen
und konsekutivem „fetal distress“ gerechnet werden [2], [3].
Nach einer retrospektiven Kohortenstudie (n = 234, PPROM zwischen 22 – 33. SSW) fand
sich eine Rate geburtshilflicher Komplikationen vor der 28. SSW in 64% und ≥ 28. SSW
in 11% der Fälle,
wobei sich diese bei 45% der Patientinnen innerhalb der ersten 3 Tage und bei
25% ≥ 12 Tage nach PPROM manifestieren [8].
Der klinische Verlauf nach PPROM wird zudem maßgeblich von der Latenzperiode (Intervall
zwischen PPROM und Geburt) bestimmt, die invers mit dem Gestationsalter korreliert
ist [7] und deren Dauer neben dem Gestationsalter bei Manifestation und der Parität [7] vor allem vom Vorliegen antepartaler Blutungen
[4], der Fruchtwassermenge [7], [9], [10], [11], dem klinisch-laborchemischen Hinweis auf eine Chorioamnionitis [12] sowie vom Grad der klinischen Zervixeröffnung (bei
Zervixeröffnung > 2 cm kürzere Latenzperiode als bei ≤ 2 cm) bzw. der sonografisch
gemessenen Zervixverkürzung (bei < 2 cm kürzere Latenzperiode als bei ≥ 2 cm) beeinflusst
wird [11], [13], [14], [15].
Im Median liegt die Latenzperiode zwischen 9 Tagen in der 24 + 0 und 5 Tagen in der
31 + 6 SSW [16] und zwischen 32 + 0 bis 36 + 6 SSW bei im Median 3,3 bis
4 Tagen [17].
Nach Mercer et al. [18] kommt es zwischen 24 + 0 bis 33 + 6 SSW bei 27% der Schwangeren mit PPROM innerhalb
von 48 Stunden, bei 56% innerhalb von 7 Tagen, bei
76% innerhalb von 14 und bei 86% innerhalb von 21 Tagen zur Geburt.
Basierend auf einem Cochrane Review 2017 [19] wird in aktuellen Leitlinien [4], [20], [21], [22] bei PPROM ein exspektatives Vorgehen empfohlen, sofern keine Kontraindikationen
für eine Verlängerung der Schwangerschaft
vorliegen.
Standard ist in Leitlinien die stationäre Überwachung der Schwangeren bis zur Geburt/Geburtseinleitung
ab 37 + 0 SSW [4], [20].
Angesichts einer steigenden Belastung geburtshilflicher Kliniken u. a. durch die Zunahme
der Geburtenzahl und eines steigenden Anteils an Risikoschwangeren sowie knapper personeller
und
finanzieller Ressourcen kommt der Verlagerung von traditionell stationären geburtshilflichen
Maßnahmen in die ambulante/häusliche Betreuung zunehmende Bedeutung zu [23]. Die aktuelle COVID-19-Pandemie hat diese Situation noch verschärft.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob auch bei PPROM ein häusliches Management
gerechtfertigt ist, ohne die Sicherheit von Mutter und Kind zu gefährden.
Seit 1942 ist dieses Vorgehen Gegenstand von Fallserien [24], [25], [26] mit unterschiedlichen
Empfehlungen [27], [28] und ist aktuell durch die Publikation neuer Studienergebnisse wieder in den Fokus
des klinischen
Interesses gerückt.
Ziel dieser systematischen Übersicht aus dem Zeitraum von 1993 bis Dezember 2020 (PubMed)
ist, die Datenlage zum häuslichen versus stationären Vorgehen bei PPROM < 37. SSW
unter
Evidenzkriterien zu evaluieren.
Ergebnisse aus retrospektiven Studien
Die Einschlusskriterien von Carlan et al. [29] für ein ambulantes Management bei PPROM ([Tab. 1]) wurden 2007 in einer
retrospektiven Auswertung von Schwangeren mit PPROM zwischen der 24 – 34. SSW
(n = 138) im Hinblick auf ihre klinische Anwendbarkeit überprüft [32]. Danach
kamen nur 32 Schwangere (23%) für dieses Vorgehen infrage, 12 mussten innerhalb
von 2 h aufgrund schwerer Komplikationen (z. B. akute klinische Chorioamnionitis,
Nabelschnurvorfall, vorzeitige
Plazentalösung) entbunden werden, sodass sich die Autoren selbst unter Berücksichtigung
strikter Einschlusskriterien gegen ein häusliches Vorgehen aussprachen.
Eine retrospektive Kohortenstudie aus Australien 2013 [33] schloss insgesamt 144 Schwangere mit PPROM zwischen 24 + 0 und 32 + 0 SSW, bei denen
es innerhalb
von 72 h nicht zur Geburt kam, ein, 53 wurden zu Hause und 91 Schwangere stationär
betreut (Einschlusskriterien [Tab. 1]). Aufgenommen in die Studie wurden
auch Mehrlingsschwangerschaften, Beckenendlagen und Schwangere mit Diabetes und
hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen. Alle Patientinnen erhielten bei Aufnahme
Betamethason zur
Lungenreifeinduktion, orales Nifedipin zur Tokolyse bis 12 h nach Abschluss der
Lungenreifeinduktion sowie orales Erythromycin über 10 Tage. Nach 72-stündiger stationärer
Beobachtung erfolgte
durch den jeweiligen Geburtshelfer die Entscheidung zum ambulanten oder stationären
Vorgehen.
Die ambulanten Überwachungsmodalitäten entsprachen den Kriterien der Studie von Dussaux
et al. [34]. Primäre Zielkriterien der Studie waren die mütterliche
Morbidität sowie die perinatale/neonatale Morbidität und Mortalität.
Bezüglich dieser Outcome-Kriterien ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen
den Untersuchungsgruppen, signifikant waren die Unterschiede hinsichtlich der mittleren
Latenzperiode, dem Gestationsalter bei Geburt, dem Geburtsgewicht sowie der Verweildauer
der Frühgeborenen auf der neonatalen Intensivstation (vgl. [Tab. 1]).
In der multivariaten Regressionsanalyse fanden sich keine Unterschiede zwischen den
Untersuchungsgruppen hinsichtlich der perinatalen Morbidität/Mortalität (56,6 vs.
68,1%, aOR 1,37; 95%-KI
0,55 – 3,47) und der mütterlichen Gesamtmorbidität (26,4 vs. 23,1%; aOR 1,62;
95%-KI 0,67 – 3,89).
Eine schlüssige Erklärung, warum bei den stationären Schwangeren das Gestationsalter
bei Geburt niedriger und die Latenzperiode kürzer waren, liefern die Autoren nicht,
ebenso geben sie keine
klinischen Empfehlungen für die eine oder andere Vorgehensweise ab.
Limitierend an dieser Untersuchung ist, dass es sich um eine retrospektive Beobachtungsstudie
auf der Grundlage einer elektronischen Datenauswertung handelt. Dies impliziert das
Problem von
Dateneingabefehlern und die nicht präzise Erfassung seltener klinischer Outcome-Parameter.
Die Kriterien, warum die Schwangeren ambulant oder stationär betreut wurden, wurden
nicht definiert
(mögliches Selektionsbias). Außerdem fehlen Daten, wie viele Schwangere für das
ambulante Vorgehen insgesamt rekrutiert wurden und wie viele dann tatsächlich in die
Studie eingeschlossen
wurden, ebenso Angaben zu anamnestischen Risikofaktoren für Frühgeburt (z. B.
vorangegangene spontane Frühgeburt, vorangegangener PPROM). Die statistische Power
für schwere Komplikationen
(z. B. Nabelschnurvorfall, vorzeitige Plazentalösung) war aufgrund der geringen
Fallzahl unzureichend.
Ziel zweier retrospektiver Kohortenstudien [35], [36], die in französischer Sprache publiziert wurden, war der Vergleich von
häuslicher vs. stationärer Vorgehensweise bei Schwangeren mit PPROM bezüglich
der Rate mütterlicher Komplikationen (z. B. Chorioamnionitis, vorzeitiger Blasensprung,
intrauteriner Fruchttod)
und im perinatalen/neonatalen Outcome. Die Einschlusskriterien der Studien sind
in [Tab. 1] dargestellt. Es zeigten sich hinsichtlich der mütterlichen und
neonatalen Morbidität keine signifikanten Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen,
die mediane Latenzperiode war bei häuslicher Überwachung signifikant länger und die
mediane
Aufenthaltsdauer der Frühgeborenen auf der neonatalen Intensivstation signifikant
kürzer als bei stationärem Management ([36], [Tab. 1]). Die Autoren beider Studien kamen zu dem Schluss, dass bei strikten Selektionskriterien
die ambulante Überwachung bei PPROM eine vielversprechende Alternative zur
kontinuierlichen stationären Behandlung darstellt.
In einer retrospektiven Kohortenstudie aus Australien [37] wurden 133 Schwangere mit PPROM zwischen der 20. – 34. SSW, die ambulant betreut
wurden, 122
Schwangeren vergleichbaren Gestationsalters und stationärem Vorgehen gegenübergestellt.
Obligat war in beiden Gruppen eine Antibiose mit Erythromycin/Ampicillin (Dauer und
Dosierung nicht
angegeben) sowie die fetale Lungenreifeinduktion mit Betamethason. Die Einschlusskriterien
sind in [Tab. 1] dargestellt. Primäres Zielkriterium der Studie war
die Latenzperiode (Intervall zwischen PPROM und Geburt). Das mittlere Gestationsalter
zum Zeitpunkt des PPROM lag bei 28,3 bzw. 28,6 SSW. Die mediane Latenzperiode war
bei den ambulant
überwachten Schwangeren mit 18 (7 – 77) Tage signifikant länger als bei den hospitalisierten
mit 11 Tagen (7 – 71 Tage, p < 0,001). Weitere signifikante Ergebnisse dieser Studie
sind in
[Tab. 1] dargestellt. Keine signifikanten Unterschiede fanden sich in der Häufigkeit an klinischer
Chorioamnionitis (5 vs. 11%), Nabelschnurvorfall (1 vs.
4%) und an vorzeitiger Plazentalösung (3 vs. 6%). Allerdings war die Rate an histologisch
verifizierter Chorioamnionitis bei den ambulanten Schwangeren signifikant niedriger
als bei den
stationären (47 vs. 64%, p = 0,008).
Als Schlussfolgerung wird bei Gewährleistung einer sorgfältigen Risikoabschätzung
und unter Berücksichtigung strikter Selektionskriterien auf die vergleichbare Sicherheit
beider
Vorgehensweisen hingewiesen. Allerdings schränkt das retrospektive Design die
Aussagekraft dieser Studie ein, wie auch ein Selektionsbias, da keine Randomisierung
erfolgte und die Zuweisung zu
den Untersuchungsgruppen subjektiv vom jeweiligen Geburtshelfer vorgenommen wurde.
Zudem fehlen detaillierte Angaben zum Entbindungsmodus, zu Komorbiditäten der Schwangeren
und zur neonatalen
Morbidität.
In einer ebenfalls retrospektiven ICD-basierten Datenanalyse aus Kanada [38] wurden 87 Schwangere mit PPROM zwischen 23 + 0 bis 34 + 0 SSW zu Hause und 89
stationär betreut (Einschlusskriterien s. [Tab. 1]). Alle Schwangeren erhielten nach stationärer Aufnahme über 3 Tage Antibiotika und
eine fetale
Lungenreifeinduktion mit Betamethason, dann erfolgte die Zuweisung in die beiden
Untersuchungsgruppen. Die Modalitäten der häuslichen Überwachung sind in [Tab. 2] zusammengefasst. Primäres Zielkriterium der Studie war die mütterliche Morbidität
sowie die neonatale Morbidität/Mortalität. Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede
in der mütterlichen Gesamtmorbidität (aOR 0,64; 95%-KI 0,35 – 1,17), einschließlich
der Rate an klinischer (11,5 vs. 20,2%) und histologisch gesicherter Chorioamnionitis
(29,1 vs. 39,3%).
Weitere signifikante Unterschiede zwischen beiden Untersuchungsgruppen (Latenzperiode,
Gestationsalter bei Geburt, Geburtsgewicht, stationäre Verweildauer, Aufenthalt auf
der neonatalen
Intensivstation) sind in [Tab. 1] dargestellt. Auch hinsichtlich der neonatalen Gesamtmorbidität/-mortalität ergaben
sich keine signifikanten Unterschiede
(aOR 0,63; 95%-KI 0,31 – 1,30).
Tab. 2 Management bei ambulantem (häuslichem) Vorgehen nach frühem vorzeitigem Blasensprung (aus Studien)*.
|
Autor/Jahr
|
Management
|
|
* sofern in Studie angegeben, nur englischsprachige Literatur
|
|
Carlan 1993
|
Körpertemperatur und Puls alle 6 h, Kindsbewegungen = 1×/d
CTG und Blutbild = 2×/Woche, Sonografie und Spekulumeinstellung = 1×/Woche
|
|
Beckmann 2013
|
klinische Symptome, abdominale Palpation, Puls/RR, fetale Herzfrequenz = 2×/Woche
Blutbild/CRP = 2×/Woche, Sonografie (fetales Wachstum, Fruchtwassermenge) = alle 2
Wochen
|
|
Palmer 2017
|
klinische Kontrolle durch Hebamme (Symptome, Temperatur, Puls, abdominale Palpation) = 1×/d
Auskultation der fetalen Herzfrequenz oder CTG im Wechsel = 3×/Woche
|
|
Dussaux 2018
|
klinische Kontrolle durch Hebamme = 1×/d, fetale Herzfrequenz
Blutbild/CRP und Vaginalabstrich (Bakteriologie) = 1- bis 2-mal/Woche, Sonografie = 1×/Woche
|
|
Petit 2018
|
klinische Kontrolle durch Hebamme (Symptome, abdominale Palpation, fetale Herzfrequenz) = 3×/Woche
Blutbild/CRP = 2×/Woche, bakt. Untersuchung (Vagina, Urin) = 1×/Woche
Sonografie (fetales Wachstum, Fruchtwassermenge) = alle 15 d
|
|
Bouchghoul 2019
|
CTG = 1×/d, Blutbild/CRP = 2×/Woche
klinische Untersuchung und Sonografie = 1×/Woche
|
|
Guckert 2020
|
Überwachungsmodalitäten wie Studie Petit et al. 2018
|
In der logistischen Regressionsanalyse fanden sich keine signifikanten Unterschiede
bezüglich der primären Outcome-Kriterien.
Die Autoren sehen die häusliche Überwachung von Schwangeren mit PPROM als vertretbare
Alternative zu einem kontinuierlichen Monitoring im Krankenhaus an.
Allerdings weist die Studie zahlreiche Limitationen auf: retrospektive Datenanalyse
mit niedriger Evidenz (Evidenzlevel IIIb), potenzielles Selektionsbias aufgrund fehlender
Randomisierung,
differentes geburtshilfliches Vorgehen in beiden teilnehmenden Kliniken, fehlende
Angaben zu Risikofaktoren für Frühgeburt, zur Dauer der Antibiotikagabe und zu geburtshilflichen
Komplikationen wie vorzeitige Plazentalösung, IUFT oder Nabelschnurvorfall.
In eine retrospektive Kohortenstudie an 3 französischen Perinatalzentren wurden 90
Schwangere mit häuslichem und 324 mit stationärem Vorgehen bei PPROM zwischen der
24 + 0 – 34 + 0 SSW
eingeschlossen [34]; bei denen es innerhalb von 24 h nach Blasensprung nicht zur Geburt kam. Die initiale
Behandlung bestand in einer Antibiotika-Gabe
(Amoxicillin 1 g alle 8 h über 2 – 5 Tage) sowie in der Gabe von Betamethason
zur fetalen Lungenreifeinduktion. Unter Berücksichtigung der Einschlusskriterien ([Tab. 1]) war nach einer stationären Beobachtungszeit von 72 h eine ambulante Überwachung
(vgl. [Tab. 2]) möglich.
Bei unkompliziertem Verlauf erfolgte in der 36/37. SSW die Geburtseinleitung. Bei
den stationären Schwangeren war das mediane Gestationsalter zum Zeitpunkt des PPROM
signifikant höher (30,3
vs. 28,8 Wochen, p < 0,01) und die sonografisch gemessene Zervixlänge signifikant
kürzer (24,3 vs. 31,7 mm, p = 0,01) als bei den ambulant Betreuten. Bei 14,4% der
ambulant und bei 31,8%
der stationären Schwangeren lagen zusätzliche Schwangerschaftsrisiken (z. B. Hypertonie,
Diabetes) vor (p < 0,01).
Zielkriterien der Studie waren das Gestationsalter bei Geburt, die mütterliche Morbidität,
die Rate geburtshilflicher Komplikationen sowie das perinatale/neonatale Outcome.
Keine der ambulanten Schwangeren wurde außerhalb der Klinik entbunden.
Die signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Untersuchungsgruppen (häusliche
vs. stationäre Versorgung) sind in [Tab. 1] zusammengefasst. Keine
signifikanten Unterschiede zeigten sich hinsichtlich der Häufigkeit an klinischer
Chorioamnionitis (8,9 vs. 9,6%) sowie an geburtshilflichen Komplikationen wie IUFT
(0 vs. 0,3%), vorzeitiger
Plazentalösung (2,2 vs. 2,2%) und Nabelschnurvorfall (1,1 vs. 1,9%) sowie im perinatalen
Outcome.
In der multivariaten Regressionsanalyse fanden sich keine signifikanten Unterschiede
hinsichtlich der neonatalen Morbidität und Mortalität.
Die Autoren führen das niedrigere Gestationsalter bei Geburt bei den hospitalisierten
Schwangeren auf das höhere Frühgeburtsrisiko in dieser Gruppe und auf das Risiko potenzieller
nosokomialer Infektionen zurück, ungeachtet einer vergleichbaren Rate an Chorioamnionitis.
Sie halten ein ambulantes Vorgehen bei PPROM zwischen der 24. – 34. SSW für eine Alternative
zur
stationären Betreuung bei selektierten Schwangeren.
Die wichtigsten Kritikpunkte an dieser Studie sind das retrospektive Design und das
potenzielle Selektionsbias bei unterschiedlichen Eingangskriterien (s. o.) sowie die
inadäquate
statistische Power für seltene geburtshilfliche und neonatale Komplikationen in
der ambulanten Untersuchungsgruppe. Außerdem wurden nur die neonatalen, nicht aber
die geburtshilflichen
Outcome-Parameter einer multivariaten Regressionsanalyse unterzogen. Eine Zufriedenheits-
und Kosteneffektivitätsanalyse wurde nicht durchgeführt.
Ziel einer retrospektiven Kohortenstudie [39] war die Evaluation prädiktiver Faktoren für Komplikationen bei häuslichem Management
von Schwangeren mit PPROM
zwischen der 24 + 0 und 35 + 0 SSW. Als Komplikationen wurden definiert: intrauteriner
Fruchttod, vorzeitige Plazentalösung, Nabelschnurvorfall, Geburt außerhalb der Klinik
und neonataler Tod.
Die Einschlusskriterien für eine ambulante Vorgehensweise waren: Einlingsschwangerschaft,
kein Anhalt für Chorioamnionitis, stabiler Zustand der Mutter bis zum 5. Tag nach
Blasensprung,
Zervixdilatation < 3 cm und Entfernung von der Klinik < 30 Minuten. Nach initialem
stationärem Aufenthalt von 5 – 7 Tagen mit fetaler Lungenreifeinduktion und prophylaktischer
Antibiotikagabe über 7 Tage erfolgte die Entlassung. Die häuslichen Überwachungsmodalitäten
dieser Studie sind in [Tab. 2] zusammengestellt. Ab der 36. SSW
wurde die Geburtseinleitung vorgenommen.
Die Untersuchungsgruppen wurden in Schwangere mit und ohne Komplikationen (s. o.)
unterteilt.
Bei vergleichbaren demografischen Charakteristika in beiden Gruppen traten bei 12
(6,4%) von 187 Schwangeren folgende Komplikationen auf (z. T. Mehrfachnennungen):
2 Fälle mit IUFT
(vorzeitige Plazentalösung, Chorioamnionitis), 4 mit neonatalem Tod (Chorioamnionitis,
2-mal Nabelschnurvorfall, Geburt außerhalb der Klinik) sowie Schwangere mit vorzeitiger
Plazentalösung
(n = 4), Geburt außerhalb der Klinik (n = 1) und Nabelschnurvorfall (n = 1). In
dieser „Komplikationsgruppe“ war das mediane Gestationsalter bei PPROM und bei Geburt
signifikant kürzer und die
Rate neonataler Komplikationen signifikant höher als in der Vergleichsgruppe ohne
Komplikationen. Gestationsalter bei Blasensprung < 26. SSW, Nichtschädellage und Oligohydramnion
(Amniotic
Fluid Index < 2 cm) bei Entlassung erwiesen sich mit OR zwischen 4,3 und 6,2 als
signifikante Risikofaktoren (p < 0,05) für das Auftreten von Komplikationen. Nach
logistischer
Regressionsanalyse erhöhte sich das Risiko bei 1 dieser Kriterien um das 1,6-Fache,
bei 2 um das 6,9-Fache und bei allen dreien um das 32,8-Fache. Die Autoren empfehlen
daher bei Kombination
dieser Risikokriterien die Hospitalisierung der Schwangeren, sehen ansonsten aber
das häusliche Management bei PPROM < 36. SSW als geeignete Alternative zum stationären
Vorgehen an.
Limitierend an dieser Analyse sind das retrospektive Design der Studie und die inadäquate
statistische Power hinsichtlich insgesamt seltener schwerer Komplikationen; eine multivariate
Regressionsanalyse war aufgrund der geringen Fallzahl nicht möglich.
In eine retrospektive Multicenterstudie aus Frankreich 2019 [40] wurden insgesamt 587 Schwangere mit PPROM zwischen der 24 + 0 und 33 + 6 SSW und
einer
Latenzperiode von ≥ 48 h aufgenommen, bei 246 Patientinnen erfolgte die Überwachung
stationär, bei 341 ambulant. Die Einschlusskriterien der Studie sind in [Tab. 1] dargestellt, die Überwachungsmodalitäten bei ambulanter Kontrolle in [Tab. 2].
Alle Patientinnen erhielten eine fetale Lungenreifeinduktion mit Betamethason, eine
Antibiose (Ampicillin, Cefuroxim) nach lokalem Protokoll sowie eine Tokolyse über
48 h nach Maßgabe des
Geburtshelfers. Das Vorgehen war exspektativ bis zum Auftreten spontaner Wehen
oder bis zur Manifestation von Komplikationen (z. B. pathologisches CTG), ab der 37 + 0 SSW
erfolgte die
Geburtseinleitung oder Sectio caesarea.
Primäre Zielkriterien der Studie waren die perinatale/neonatale Gesamtmorbidität,
sekundäre Zielkriterien u. a. die Latenzperiode, die Rate an Chorioamnionitis, vorzeitiger
Plazentalösung,
Nabelschnurvorfall sowie der Entbindungsmodus. Unter Berücksichtigung der Einschlusskriterien
war bei insgesamt 19,4% der Patientinnen ein ambulantes Vorgehen möglich. Es fanden
sich keine
signifikanten Unterschiede in folgenden Parametern: Latenzperiode, Gestationsalter
bei Geburt, Entbindungsmodus, neonatale Gesamtmorbidität (14,6 vs. 15,5%), Rate an
Chorioamnionitis (12,0 vs.
9,8%) sowie in der Häufigkeit an intrauterinem Fruchttod, vorzeitiger Plazentalösung,
maternaler Sepsis oder Endometritis. Die Frequenz an Nabelschnurvorfällen war bei
stationären Schwangeren
im Vergleich zu den ambulanten signifikant höher mit 4,5 vs. 1,8% (p = 0,03).
Die Rate an Geburten nach der 32. SSW war bei den stationären Schwangeren signifikant
niedriger als in der Vergleichsgruppe (47,3 vs. 55,4%, p = 0,05) und die Häufigkeit
an Geburten
< 28. SSW signifikant höher (18,0 vs. 12,9%, p = 0,01).
Unter Einbeziehung des Propensity-Score-Matchings zur Reduktion eines möglichen Selektionsbias
durch Confounder-Variable fanden sich in beiden Gruppen hinsichtlich aller Outcome-Kriterien
keine signifikanten Unterschiede. Nach Auffassung der Autoren ist nach ausführlicher
Aufklärung der Schwangeren das ambulante Vorgehen trotz bisher unzureichender Evidenz
bei unkompliziertem
PPROM < 34 + 0 SSW eine mögliche Alternative zur konventionellen stationären Behandlung
dieser Schwangeren.
Limitierend ist, dass es sich um eine retrospektive Beobachtungsstudie mit niedriger
Evidenz (Evidenzlevel IIIb) handelt. Die Entscheidung zum Vorgehen wurde subjektiv
vom Geburtshelfer
getroffen, eine Randomisierung erfolgte nicht (Selektionsbias). Hinzukommt das
unterschiedliche geburtshilfliche Vorgehen in den 3 Zentren mit ambulanter Vorgehensweise
(z. B. Tokolyse,
Antibiotikagabe). Letztlich konnten nur 66 von 341 Schwangeren (19,4%) in die
Studie eingeschlossen werden, eine Zufriedenheits- oder Kosteneffektivitätsanalyse
wurde nicht durchgeführt. Im
Hinblick auf die geburtshilflichen Komplikationen und die neonatale Morbidität
wies die Studie eine inadäquate statistische Power auf.
In einer retrospektiven monozentrischen Studie aus Frankreich 2020 [41] wurden bei Schwangeren mit PPROM zwischen der 24 + 0 und 35 + 6 SSW 2
Beobachtungszeiträume gegenübergestellt: In den Jahren 2002 – 2009 erfolgte die
Behandlung ausschließlich unter stationären Bedingungen bis zur Geburt (n = 204),
im weiteren
Beobachtungszeitraum bis 2015 ambulant (n = 191). Die Einschlusskriterien sind
in [Tab. 1], die ambulanten Überwachungsmodalitäten in [Tab. 2] dargestellt. Alle Schwangeren erhielten initial Steroide zur Lungenreifeinduktion
und eine Antibiotikabehandlung. Am 5. Tag nach Aufnahme erfolgte die
Entscheidung durch den jeweiligen Geburtshelfer zum weiteren Vorgehen. In beiden
Gruppen wurde ab der 36 + 0 SSW die Geburtseinleitung vorgenommen.
Primäres Zielkriterium der Studie war die Dauer der Latenzperiode, sekundäre Zielkriterien
die mütterliche Morbidität sowie die perinatale Morbidität und Mortalität. Die beiden
Untersuchungsgruppen waren hinsichtlich der demografischen Charakteristika vergleichbar.
Die Latenzperiode war für die ambulanten Schwangeren mit im Median 39 Tagen (20 – 66 Tage)
signifikant
länger als in der Vergleichsgruppe mit 21 Tagen (13 – 42 Tage; p < 0,01). Signifikante
Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen zeigten sich hinsichtlich des Gestationsalters
bei
Geburt, des Geburtsgewichts, der Rate an klinischer Chorioamnionitis und der Aufenthaltsdauer
der Frühgeborenen auf der neonatalen Intensivstation (vgl. [Tab. 1]). Signifikante Unterschiede zugunsten einer ambulanten Vorgehensweise ergaben sich
auch hinsichtlich der medianen Rate an RDS (29,4 vs. 47,5%; p < 0,001), an neonataler
Sepsis (13,9 vs. 22,1%; p = 0,037) und an intrazerebralen Blutungen (1,6 vs. 4,9%,
p = 0,04).
Die Häufigkeit an intrauterinem Fruchttod (1 vs. 0%), an vorzeitiger Plazentalösung
(2,0 vs. 1,5%) und an Nabelschnurvorfall (0,5 vs. 1,5%) waren nicht signifikant unterschiedlich
zwischen
beiden Untersuchungsgruppen.
Die Verlängerung der Latenzperiode bei den ambulanten Schwangeren korrelierte mit
der vergleichsweise niedrigeren neonatalen Morbidität. Die verkürzte Latenzperiode
bei den stationären
Schwangeren erklären die Autoren durch die Notwendigkeit zur früheren Entbindung
bei erhöhtem Risiko für nosokomiale Infektionen im Zusammenhang mit einer signifikant
höheren Rate an
Chorioamnionitis. Als weitere Gründe werden die erhöhte Stressbelastung bei langer
antenataler Hospitalisierung angegeben sowie die höhere Frequenz iatrogener Interventionen
(z. B. vaginale
Untersuchungen, Geburtseinleitung elektive Sectio). Trotz vielversprechender Ergebnisse
dieser bisher größten Vergleichsstudie zwischen ambulantem und stationärem Vorgehen
bei PPROM fordern
die Autoren die Bestätigung ihrer Ergebnisse durch randomisierte, kontrollierte
Studien, bevor ein ambulantes Vorgehen routinemäßig empfohlen werden kann.
Die Aussagekraft dieser Studie ist u. a. durch folgende Kritikpunkte eingeschränkt:
retrograde Beobachtungsstudie mit niedriger Evidenz, potenzielles Selektionsbias (keine
Randomisierung,
kein Ausschluss von Confoundern durch multivariate Regressionsanalyse), Nichtberücksichtigung
von Fortschritten in der Neonatologie über einen Beobachtungszeitraum von 15 Jahren,
fehlende
Angaben zu anamnestischen Risikofaktoren für Frühgeburt.
Diskussion
Vor dem Hintergrund einer steigenden personellen und finanziellen Belastung geburtshilflicher
Kliniken kommt dem ambulanten/häuslichen Management auch bei Risikoschwangerschaften
(z. B.
Geburtseinleitung, Überwachung hypertensiver Schwangerer) zunehmende Bedeutung
zu [23], [42]; eine Entwicklung, die durch
stetige Fortschritte in der Telemedizin (Telemonitoring) beschleunigt wird [43]. Ob auch Schwangere mit PPROM für dieses Vorgehen infrage kommen, ohne die
Sicherheit von Mutter und Kind zu gefährden, ist Gegenstand unserer Datenanalyse.
Bezieht man sich auf die IQTIG-(Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im
Gesundheitswesen-)Statistik
2019 [44] so waren es in Deutschland 750 996 Geburten, die Zahl der Schwangerschaften wird
nicht angegeben. Rechnet man im Mittel 3% mit PPROM, so sind das rund
22 530; kämen schätzungsweise laut Studien [29], [30], [32], [40] davon 20% für ein häusliches Vorgehen in Betracht, wären das ca. 4500 Schwangere
pro Jahr in Deutschland.
Die Risiken eines häuslichen Managements sind die unerwartete Geburt des Kindes außerhalb
der Klinik [34], [39] und das
unkalkulierbare Auftreten von Komplikationen (IUFT, vorzeitige Plazentalösung,
Nabelschnurvorfall, Chorioamnionitis), die eine zeitnahe geburtshilfliche Intervention
erfordern [32], [45]. Der Verlauf bei PPROM ist maßgeblich von der Latenzperiode und dem Gestationsalter
abhängig [7]; bei ca. 30% der Schwangeren kommt es innerhalb von 48 h zur Geburt [3]. Dies ist bei einer häuslichen Versorgung der Schwangeren zu berücksichtigen
und wegweisend für die Dauer der initialen stationären Überwachung, die in bisherigen
Studien unterschiedlich zwischen 48 h [40] und 7 d [35], [36], mehrheitlich bei 72 h lag. Diese Dauer der initialen Hospitalisierung beruht auf
klinisch-empirischen Empfehlungen [46] und ist nicht evidenzbasiert. Nach Bendix et al. [8] treten in 45% der Fälle innerhalb der ersten 3 Tage nach PPROM schwere
geburtshilfliche Komplikationen auf.
Eine besondere Herausforderung für den Geburtshelfer ist die Selektion der Schwangeren
mit PPROM, die für ein häusliches Management infrage kommen (vgl. [Tab. 1] und [3]).
Tab. 3 Voraussetzungen und Selektionskriterien für ambulantes (häusliches) Management bei frühem vorzeitigem Blasensprung – Zusammenstellung aus
Studien.
|
|
-
Aufklärungsgespräch: Wunsch der Schwangeren/Compliance, Risiken, Instruktionen für
rasche Wiedervorstellung in Klinik, Telefonkontakt zur Klinik
|
|
|
|
|
Unter Berücksichtigung dieser Selektionskriterien kamen in Studien nur 11% [30], 18% [29], 19,4% [40] bzw. 23% [32] für ein häusliches Vorgehen infrage.
Ziel der Überwachung (häuslich oder stationär) ist vor allem die möglichst frühzeitige
Erkennung einer Chorioamnionitis (vgl. [Tab. 2]). Ein Problem in
diesem Zusammenhang ist die bisher mangelnde Sensitivität der klinischen, laborchemischen
und apparativen (CTG) Diagnoseverfahren [21].
Die Evidenz der Überwachungsmodalitäten bei PPROM ist bisher unzureichend [47], sie basieren bei häuslichem Management auf klinisch empirischen Studien bzw.
auf der individuellen Entscheidung des Geburtshelfers [29], [46].
Ebenso unzureichend ist die Evidenz bezüglich der Sicherheit von Mutter und Kind beim
Vergleich zwischen häuslichem und stationärem Vorgehen bei PPROM.
Aus 2 RCTs mit geringer Fallzahl [29], [30] ließen sich diesbezüglich keine klinisch relevanten Rückschlüsse ziehen [31]. Zwischen den retrospektiven Studien besteht eine erhebliche Heterogenität u. a.
bezüglich des Studiendesigns (Kohorten-/Beobachtungsstudien, Fallserien:
Evidenzlevel IIb–IIIb), der Selektionskriterien, der häuslichen Überwachungsmodalitäten,
der geburtshilflichen Kriterien bei Aufnahme in die Studie (z. B. Einbeziehung von
Risikoschwangerschaften, Risikofaktoren für Frühgeburt, Zervixstatus), der primären
Zielkriterien und im geburtshilflichen Vorgehen in der Klinik. Hinzukommen ein Selektionsbias
durch die
fehlende Randomisierung (Zuordnung zu den Untersuchungsgruppen nach Ermessen des
jeweiligen Geburtshelfers) mit der Wahrscheinlichkeit, dass Schwangere mit hohem Risikoprofil
eher stationär
überwacht werden [33], [34], sowie die inadäquate statistische Power infolge niedriger Fallzahlen bezüglich
schwerer
Komplikationen und der neonatalen Morbidität/Mortalität.
Unabhängig davon fanden sich in bisherigen Studien keine statistisch signifikanten
Unterschiede zwischen beiden Vorgehensweisen in der mütterlichen sowie perinatalen/neonatalen
Morbidität
(vgl. [Tab. 1]).
Nahezu einheitlich wurde in Studien über eine signifikante Verlängerung der Latenzperiode
bei häuslichem Vorgehen im Vergleich zum stationären berichtet, assoziiert mit einem
signifikant
höheren Gestationsalter bei Geburt, einem höheren Geburtsgewicht der Kinder und
einem verkürzten Aufenthalt der Frühgeborenen auf der neonatalen Intensivstation ([Tab. 1]).
Als mögliche Gründe für diese verlängerte Latenzperiode wurde die Vermeidung nosokomialer
Infektionen, die eine vorzeitige Entbindung erforderlich machen können, die Verminderung
der
Stressbelastung und die Reduktion geburtshilflicher Interventionen im Vergleich
zu einer langdauernden Hospitalisierung angegeben [34], [41].
Die EPIPAGE-II-Studie zeigte, dass eine verlängerte Latenzperiode bei PPROM die neonatale
Prognose nicht verschlechtert. Die Zunahme des Gestationsalters bei Geburt führte
zu einer Erhöhung
der Überlebensrate/Überlebensrate ohne schwere Morbidität der Kinder [48], [49].
Argumente gegen ein häusliches und für ein stationäres Management ist das Risiko schwerer
Komplikationen, die prinzipiell bei beiden Vorgehensweisen auftreten, aber bei Hospitalisierung
der
Schwangeren rascher behandelt werden können. In der Studie von Ellestad et al.
[32] mussten 18% (12 von 65) der Schwangeren innerhalb von 2 h nach Manifestation
einer Komplikation entbunden werden.
Angaben zur Wiedervorstellung in der Klinik nach häuslicher Entlassung aufgrund von
„Symptomen oder Komplikationen“ sind spärlich. Lediglich Catt et al. [37]
berichteten über eine Rate von 22% häuslich überwachten Schwangeren, bei denen
eine stationäre Wiederaufnahme notwendig wurde (keine Angabe von Gründen).
Insgesamt zeigten sich in Vergleichsstudien keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich
der Häufigkeit schwerer Komplikationen einschließlich der an Chorioamnionitis zwischen
den
Untersuchungsgruppen [33], [34], [37], [38], [40], [41].
Nach Petit et al. [39] erwiesen sich Gestationsalter < 26. SSW, Nichtschädellage und Oligohydramnion bei
Entlassung (AFI < 2 cm) als signifikante
Risikofaktoren für das Auftreten geburtshilflicher Komplikationen (OR 4,3 – 6,4).
Eindeutige Vorteile des häuslichen Managements im Vergleich zum stationären ist die
signifikant geringere stationäre Verweildauer [30], [34], [38], [40], [50], die in Verbindung mit einem signifikant
kürzeren Aufenthalt der Frühgeborenen auf der neonatalen Intensivstation zu einer
erheblichen Einsparung von Behandlungs-(Krankenhaus-)Kosten führt [29], [30], [51].
Strukturierte Analysen zur Zufriedenheit der Schwangeren im Vergleich beider Vorgehensweisen
liegen bisher nicht vor, hier besteht eindeutig Nachholbedarf. Die Stressbelastung
der Schwangeren
dürfte aber bei häuslicher Versorgung geringer sein [52], [53], [54].
Auch ist individuell zu klären, ob eine häusliche Betreuung der Schwangeren einerseits
im Hinblick auf eine zu gewährleistende adäquate Überwachung und andererseits unter
Berücksichtigung der
häuslichen Verhältnisse (z. B. Unterstützung durch Partner/Familie) möglich ist.
Unverzichtbar ist auch die gute Kommunikationsfähigkeit und Compliance der Schwangeren,
die sich insbesondere auf das Verständnis möglicher Risiken/Komplikationen und die
Einsicht in Gründe,
wann eine rasche Wiedervorstellung in der Klinik unabdingbar ist, bezieht.
Die häusliche Überwachung kann – wie in anderen Ländern üblich – durch geschulte Hebammen
und in enger Anbindung an eine Frauenarztpraxis erfolgen, die Möglichkeit zu einer
Vorstellung in
einem Perinatalzentrum „rund um die Uhr“ sollte gegeben sein.
Bei Schwangeren mit PPROM stellt das häusliche Management eine mögliche Alternative
zum stationären im Sinne einer familienorientierten Geburtshilfe dar. Immerhin sprachen
sich in einer
US-nationenweiten Umfrage 43% der Geburtshelfer für ein häusliches Vorgehen bei
PPROM aus [55].
Eine diesbezügliche Entscheidung ist aber immer individuell im Konsens zwischen Geburtshelfer
und Schwangeren zu treffen.
Zur Beurteilung der Sicherheit einer häuslichen Vorgehensweise für Mutter und Kind
sind weitere Studien (Multicenterstudien) mit großen Fallzahlen erforderlich, da schwere
mütterliche und
neonatale Komplikationen eine niedrige Inzidenz aufweisen.
Problematisch dürfte auch die in Studien geforderte Durchführung von RCTs sein im
Hinblick auf die Frage, ob Schwangere in dieser für sie belastenden Situation eine
Randomisierung
akzeptieren.
In aktuellen Leitlinien wird bei Schwangeren mit PPROM derzeit ein häusliches Management
entweder aufgrund der unzureichenden Datenlage nicht empfohlen [4] oder
kann den Schwangeren bei niedriger Evidenz (Evidenzlevel III) unter Berücksichtigung
der Latenzperiode und des individuellen Risikoprofils angeboten werden [21].