1. Lymphologische Krankheitsbilder mit chirurgischer Therapiemöglichkeit
Das Lymphödem ist eine chronisch-progressive Erkrankung, die durch primäre oder sekundäre
Schädigung des Lymphsystems entsteht und im Verlauf mit irreversiblen Gewebsveränderungen
einhergeht. Während das primäre Lymphödem, dem eine fehlerhafte oder ausbleibende
Entwicklung des Lymphsystems zugrunde liegt, sporadisch auftritt oder genetisch bedingt
sein kann und in der westlichen Welt sehr selten ist, liegt die Inzidenz des sekundären
Lymphödems in den Industriestaaten zwischen 0,13 und 2 % und betrifft meist Frauen.
Ursächlich sind neben traumatischen oder iatrogenen Verletzungen und Infektionen des
Lymphsystems meist onkologische Therapien. So liegt die Inzidenz des sekundären Lymphödems
nach Mammakarzinom abhängig von der Therapie und der Entfernung der axillären Lymphknoten
im Abstromgebiet zwischen 4 und 49 % [1]
[2]. Auch bei anderen malignen Tumorentitäten kann es je nach Therapieverfahren und
Lokalisation zur Ausbildung von sekundären Lymphödemen kommen, Studien zufolge mit
einer Inzidenz von 16 % bei Melanomen, 20 % bei gynäkologischen Tumoren, 10 % bei
genitourethralen Tumoren, 4 % bei Tumoren im Kopf- und Nackenbereich und bis zu 30 %
bei Sarkomen [3].
Neben den bereits bekannten Risikofaktoren chronisch-venöse Insuffizienz, Adipositas
und Diabetes kann auch eine genetische Disposition mit ursächlich für die Entwicklung
eines sekundären Lymphödems sein [4]. Im frühen Stadium kommt es durch Unterbrechung der Lymphabstromwege zur Ansammlung
der Lymphflüssigkeit im Interstitium und zur Ausbildung eines weichen, eindrückbaren
Ödems. Der hohe Proteingehalt der Lymphflüssigkeit führt im Verlauf zu einer Entzündungsreaktion
mit verstärkter fibroblastischer Aktivität und trägt so neben der Ablagerung der in
der Lymphe enthaltenen Lipide zu Gewebsveränderungen bei, die charakteristisch für
die späteren Stadien des Lymphödems sind und durch fehlende Eindrückbarkeit aufgrund
des fibrotischen Umbaus und eine Fettgewebshypertrophie gekennzeichnet sind. Durch
die verminderte Durchblutung mit Verringerung der Abwehrfunktion kommt es zu wiederkehrenden
Infektionen und Entzündungen, die eine weitere Schädigung des Lymphsystems und eine
Aggravation der Erkrankung zur Folge haben. Typische klinische Anzeichen des Lymphödems
sind eine Verdickung der Haut, der Unterhaut und des Fettgewebes, die sich im Verlauf
auch auf das Bindegewebe ausbreitet. Betroffene klagen über Schmerzen, Schweregefühl
und Schwellung in der betroffenen Region, die langfristig mit einer Verminderung von
Beweglichkeit und Funktion und einer deutlichen Verringerung der Lebensqualität einhergehen
und neben irreversiblen Gewebsschäden, wiederkehrenden Infektionen und der Gefahr
der Entwicklung eines Lymphangiosarkoms auch zu psychischen Komorbiditäten führen
können [5].
Auch beim Lipödem handelt es sich um eine chronisch-progressive Erkrankung, die meist
Frauen betrifft und zu einer Umfangsvermehrung der betroffenen Region führt. Die Pathophysiologie,
die zur disproportionalen Zunahme des Fettgewebes führt, ist bislang nicht hinreichend
geklärt. Diskutiert wird eine Östrogen-vermittelte Störung, da der Krankheitsbeginn
oft in Phasen hormoneller Umstellung wie der Pubertät, Schwangerschaften oder der
Menopause liegt [6]. Ebenfalls beschrieben ist eine mikrovaskuläre Dysfunktion, deren Ursache in dem
durch das expandierende Fettgewebe ausgelösten Hypoxiereiz liegen kann und zu einer
dadurch gesteigerten Angiogenese führen soll [7]. Im Verlauf der Erkrankung kann es zur Überlastung des Lymphsystems mit Ausbildung
eines sekundären Ödems kommen.
2. Diagnosestellung durch klinische Untersuchung und bildgebende Verfahren
Die Basis der Diagnostik beim Lymphödem stellt neben der ausführlichen Anamnese und
Erhebung von Risikofaktoren die körperliche Untersuchung dar. Hierbei liegt der Fokus
auf der Abgrenzung des Lymphödems von anderen Erkrankungen, die zu einer Umfangsvermehrung
der betroffenen Region führen können, wie beispielsweise dem Lipödem oder dem venösen
Ödem. Als charakteristisch für das Lymphödem gilt hierbei in späteren Stadien die
verminderte Eindrückbarkeit, die meist harte Konsistenz und vergleichsweise geringe
Temperatur in der betroffenen Region. Das Stemmer-Zeichen ist als Folge des Gewebsumbaus
positiv. Eine Einteilung erfolgt in 4 Stadien von 0-III, wobei das Latenzstadium (Stadium
0) und Stadium I potenziell reversibel sind. Stadium II ist durch fibrosklerotische
Gewebsveränderungen und die Fettgewebshypertrophie gekennzeichnet und ebenso wie Stadium
III, auch als Elephantiasis bezeichnet, irreversibel. Die sichere Diagnose des Lymphödems
und die Abgrenzung anderer Erkrankungen ist aufgrund der sich ableitenden Therapieoptionen
von hoher klinischer Relevanz.
Die Diagnose des Lipödems erfolgt zumeist anhand klinischer Kriterien und berücksichtigt
die bilaterale symmetrische disproportionale Fettgewebsvermehrung unter Aussparung
von Händen und Füßen mit Verdickung der Unterhaut, eine starke Hämatomneigung und
einen Druck- und Berührungsschmerz in den betroffenen Regionen. Wie auch beim Lymphödem
beklagen die Betroffenen ein Schwere- und Spannungsgefühl, wobei hier jedoch das Stemmer-Zeichen
negativ ist [5]. Die Schweregradeinteilung erfolgt unter Berücksichtigung des Palpationsbefundes
und der Struktur der Hautoberfläche mit zunächst kleinen palpablen Knötchen und einer
glatten Oberfläche im Stadium I bis hin zu großen, schmerzhaften Knoten und der Ausbildung
sogenannter „Wammen“ im Stadium III. Zudem unterscheidet man 5 verschiedene Typen
anhand des Verteilungsmusters [8] ([Abb. 1]).
Abb. 1 a Lymphödem Stadium 2 nach Sarkomentfernung/Leistenlymphknotendissektion. Quelle: Uniklinik
RWTH Aachen. b Lipödem Stadium II. Quelle: Uniklinik RWTH Aachen. c Lipödem Stadium III. Quelle: Uniklinik RWTH Aachen.
2.1. Bildgebende Verfahren zur Diagnosestellung, Stadieneinteilung und Therapieplanung
Im Anschluss an die klinische Untersuchung und Erhebung der Krankengeschichte erfolgt
in der Diagnostik des Lymphödems, seltener beim Lipödem, die Bildgebung, bei der die
sonografische Darstellung und Beurteilung sowie die Diagnostik des Venensystems im
Regelfall am Anfang stehen. Mittels Lymphszintigrafie können funktionelle Störungen
des Lymphgefäßsystems diagnostiziert werden, die sich unter anderem durch ein verändertes
Verteilungsmuster und einen verlangsamten Transport des Radiopharmakons mit der Lymphe
in die Lymphknoten äußern [9]. Zur Beurteilung der Haut- und Unterhautgewebsveränderungen, welche für die Stadieneinteilung
und insbesondere für die Therapieplanung erforderlich ist, kann eine MR-Lymphografie
durchgeführt werden. Eine weitere Möglichkeit der Untersuchung des Lymphabflusses
und der Durchblutung der betroffenen Region stellt die Injektion des fluoreszierenden
Farbstoffs Indocyaningrün (ICG) dar, die sowohl prä- als auch intraoperativ mittels
Infrarotkamera dargestellt werden kann und anhand der Verteilungsmuster eine Stadieneinteilung
ermöglicht [10]. Die bildgebende Diagnostik kommt insbesondere bei der Planung operativer Therapiemethoden
zum Einsatz ([Abb. 2], [3]).
Abb. 2 a Lymphszintigrafie – seitendifferenter Abfluss bei Lipödem Stadium II. Quelle: Uniklinik
RWTH Aachen. b Lymphszintigrafie – seitendifferenter Abfluss bei Lymphangiom/Lymphödem Stadium 2.
Quelle: Uniklinik RWTH Aachen. c MRT T2 – Lymphangiom Oberschenkel/Lymphödem Stadium 2. Quelle: Uniklinik RWTH Aachen.
Abb. 3 ICG-Lymphografie. a regelrechter Abfluss. Quelle: Uniklinik RWTH Aachen. b Austritt von Flüssigkeit ins Gewebe. Quelle: Uniklinik RWTH Aachen.
3. Konservative und operative Therapiemöglichkeiten
Die Wahl der geeigneten Therapie richtet sich nach Art und Ausmaß der Schädigung,
patientenindividuellen Faktoren sowie dem Stadium der Erkrankung und umfasst sowohl
konservative als auch operative Therapieansätze. Das Ziel stellt dabei die Verbesserung
der Lebensqualität der Patienten, die Verringerung von Funktionseinschränkungen und
das Verhindern von Komplikationen sowie des fortschreitenden Gewebsumbaus dar. Die
verschiedenen Verfahren sind daher auf eine Verbesserung des Lymphabflusses, die Erweichung
des verhärteten Bindegewebes und eine Reduktion der Bindegewebsvermehrung ausgerichtet.
3.1. Konservative Verfahren als Basis der lymphologischen Therapie
Die komplexe physikalische Entstauungstherapie bildet die Basis der Behandlung des
Lip- und Lymphödems und beinhaltet manuelle Lymphdrainage, Kompressionstherapie, Hautpflege,
Bewegungsübungen sowie das Selbstmanagement und die Aufklärung der Patienten. Einer
ersten Entstauungsphase, die dem Abtransport der angestauten Flüssigkeit dient und
die Schwellung verringern soll, schließt sich nach Wochen bis Monaten die Erhaltungsphase
an, in der das in Phase I erreichte Ergebnis erhalten und weiter verbessert werden
soll. Eine zeitliche Begrenzung der Therapie ist in der Regel nicht möglich, da mit
einer Behandlungsunterbrechung die Gefahr eines Rezidivs und der Verlust der bereits
erzielten Therapieergebnisse verbunden wäre. Aufgrund des hohen zeitlichen Aufwands,
der Limitationen im Alltag und der oftmals dennoch nicht ausbleibenden Progression
stellt diese Form der Behandlung langfristig für viele Patienten keine zufriedenstellende
Option dar [11].
Die Effektivität der komplexen physikalischen Entstauungstherapie ist beim Lipödem
im ambulanten Setting oft begrenzt und auch in der stationären Behandlung steht einer
nachgewiesenen Verringerung des Spannungs- und Druckschmerzes eine nur sehr geringe
Volumenreduktion gegenüber. Für den Einsatz verschiedener Pharmaka mit unterschiedlichen
Wirkmechanismen, wie beispielsweise Diuretika, Steroide und nichtsteroidalen Antirheumatika,
konnte ein Nutzen in der Behandlung des Lymphödems nicht belegt werden [10]. Bei ausbleibendem Erfolg der konservativen Therapie über 6 Monate hinaus ist, sofern
dem Patientenwunsch entsprechend, sowohl für das Lymph- als auch für das Lipödem eine
operative Behandlung möglich.
3.2. Operative Behandlungsoptionen lymphologischer Krankheitsbilder
Die operativen Behandlungsoptionen des Lymphödems lassen sich grundsätzlich in rekonstruktive
und reduzierende Verfahren unterteilen. Während bei den rekonstruktiven Methoden eine
Ursachenbehebung im Sinne einer Rekonstruktion des unterbrochenen Lymphabflusses im
Fokus der Behandlung steht, zielen die reduzierenden Verfahren auf eine Linderung
der Symptome, die durch eine rein konservative Therapie nicht zu erreichen wäre, ab.
Im fortgeschrittenen Stadium mit fibrotischem Gewebsumbau und Akkumulation von Fettgewebe
in der betroffenen Region kann auch eine Kombination beider Ansätze von Nutzen für
den Patienten sein. Ein starrer Algorithmus für die operative Behandlung des Lymphödems
existiert derzeit nicht; vielmehr gilt es, bei der Auswahl des geeigneten Verfahrens
sowohl die Lokalisation, das Ausmaß und die Art der Schädigung, das Stadium der sekundären
Gewebsveränderung als auch weitere patientenindividuelle Faktoren und das Therapieziel
der Patienten zu berücksichtigen.
Da dem reinen Lipödem keine anatomischen Ursachen zugrunde liegen, die durch eine
operative Korrektur kausal zur Heilung beitragen könnten, ist hier die Therapie auf
die reine Symptomkontrolle und Linderung der Beschwerden durch Volumenreduktion mittels
Liposuktion begrenzt.
3.2.1. Rekonstruktive Verfahren zur Therapie des Lymphödems
Die rekonstruktiven Verfahren zur Therapie des Lymphödems beinhalten verschiedene
Methoden zur Wiederherstellung des Lymphsystems mittels mikrochirurgischer Techniken.
Dank des Einsatzes hochauflösender Mikroskope und der stetigen Weiterentwicklung der
Mikrochirurgie ist es möglich, selbst kleine Lymphgefäße zu anastomosieren. Durch
lymphovenöse Anastomosen gelingt die Ableitung der gestauten Lymphflüssigkeit in das
venöse System, während sowohl die Lymphgefäßtransplantation als auch die Transplantation
vaskularisierter Lymphknoten die Ausbildung neuer Lymphabflusswege ermöglichen. Bei
allen Verfahren stellt sich der Therapierfolg im Regelfall nicht unmittelbar nach
der Operation ein, sondern muss sich über Monate hinweg etablieren. Eine langsame
Reduktion der konservativen Therapie zur Entstauung ist daher auch in der postoperativen
Phase häufig notwendig [12]. Die bereits entstandenen Gewebsveränderungen können, sofern postoperativ nicht
rückläufig, nach Reduktion des Ödems in einem zweiten Schritt operativ therapiert
werden. Aufgrund der besonderen Anforderungen dieser Methoden mit Einsatz verschiedener
spezieller Bildgebungsverfahren und dem mikrovaskulären Anschluss von Lymph- und Blutgefäßen
mit sehr geringem Durchmesser unter Einsatz der sogenannten „Supermikrochirugie“ sollten
diese Eingriffe in spezialisierten operativen Zentren durchgeführt werden [13].
3.2.1.1. Lymphovenöse Anastomosen
Durch die mikrochirurgisch geschaffene Verbindung eines funktionierenden Lymphgefäßes
oder auch eines Lymphknotens mit einer Vene gelingt der Abtransport der Lymphe aus
der betroffenen Region. Dieses Verfahren eignet sich zur Umgehung einer proximal gelegenen
Störung im Lymphsystem bei klinisch intaktem distalem Lymphtransport, beispielsweise
bei pathologischen Veränderungen der iliakalen und axillären Lymphknoten nach onkologischer
Therapie. Bei kurzstreckigen Störungen im Lymphgefäßsystem stellt ein Veneninterponat
zur Überbrückung des Hindernisses eine weitere Alternative dar. Vor Durchführung sollte
mittels Bildgebung, zum Beispiel mit ICG, der Lymphabfluss von distal nach proximal
überprüft werden. Neben dem in Teilen noch funktionierenden peripheren Lymphsystem
ist eine Untersuchung des Gefäßsystems zum Ausschluss einer zusätzlichen venösen Abflussbehinderung
erforderlich, da venöse Pathologien eine Kontraindikation darstellen können [12]. Intraoperativ werden im Regelfall mehrere gesund erscheinende Lymphgefäße direkt
in eine ausgewählte, in der Nähe liegende Vene eingenäht bzw. ein Veneninterponat
aus dem Operationsgebiet oder der gesunden Extremität gewonnen und zur Überbrückung
anastomosiert.
Der Vorteil liegt in der geringen Invasivität dieses Verfahrens, das bei entsprechenden
Komorbiditäten mit Erhöhung des Narkoserisikos sogar in Lokalanästhesie durchgeführt
werden kann. Die Patienten profitieren zudem von einer kurzen Erholungszeit, geringen
postoperativen Einschränkungen und der Reduktion von Donor-Site-Morbiditäten [10].
Lymphovenöse Anastomosen sind insbesondere für Patienten in einem frühen Stadium der
Erkrankung eine sinnvolle Therapieoption, bei denen es noch nicht zur Fibrose und
Fettgewebshypertrophie gekommen ist, während in späteren Stadien dieses Verfahren
allein meist nicht mehr ausreicht, um die bereits entstandenen Gewebsveränderungen
zu therapieren [14]. Bereits 1–2 funktionelle lymphovenöse Anastomosen können ausreichen, um die Ableitung
der Lymphe zu verbessern, je nach Lokalisation und Ausmaß sollten jedoch weitere Anastomosen
auf verschiedenen Höhen durchgeführt werden. In einer Studie von Campisi et al., die
die postoperative Entwicklung von 2600 Patienten über 5–25 Jahre nach lymphovenöser
Anastomose oder Veneninterponat untersuchte, konnte eine Umfangsverringerung bei 84 %
der Patienten gezeigt werden. Bei Patienten mit Lymphödemen in frühen Stadien war
bei 84 % im postoperativen Verlauf keine Fortsetzung der konservativen Therapie notwendig,
und auch in höheren Stadien konnte die konservative Therapie bei 42 % verringert werden
[12]. Eine weitere Einsatzmöglichkeit der lymphovenösen Anastomosen stellt die sogenannte
LYMPHA (Lymphatic Microsurgical Preventive Healing Approach) -Technik dar, bei der
die Verbindung zwischen lymphatischem und venösem System präventiv in einer Operation
mit der Entfernung der Lymphknoten durchgeführt wird. Ziel ist es, der Entstehung
von Lymphödemen vorzubeugen und die Anzahl der notwendigen operativen Eingriffe zu
verringern [15].
3.2.1.2. Lymphbahntransposition bzw. -transplantation
Unterbrechungen im Lymphsystem, die den gerichteten Abtransport der Lymphe verhindern,
können mittels lymphatischen Interponaten überbrückt werden. Trotz des geringen Durchmessers
der transplantierten Lymphgefäße ermöglichen sie dank ihrer muskulären Wand und den
zwischengeschalteten Klappen den Abtransport der Lymphe aus der betroffenen Region.
Zudem konnte gezeigt werden, dass es, unter anderem durch die Freisetzung von Wachstumsfaktoren
wie VEGF C und D (Vascular Endothelial Growth Factor), zur spontanen Ausbildung von
Querverbindungen kommt, die ebenfalls zu einer Verbesserung des Lymphflusses beitragen
[16]
[17]. Ähnlich wie bei den lymphovenösen Anastomosen ist es auch bei diesem Verfahren
das Ziel, bei funktionierendem distalem und proximalem Lymphsystem Abflusshindernisse
zu umgehen. Dafür ist sowohl eine genaue Lokalisation der Schädigung als auch das
Aufsuchen möglicher Spender-Lymphgefäße, beispielsweise an der Innenseite des Oberschenkels,
notwendig. Für die intraoperative Darstellung der zu transplantierenden Lymphbahnen
eignet sich unter anderem Patentblau, welches in den ersten Zwischenfinger- bzw. Zwischenzehenraum
der Spenderextremität injiziert wird. Unter sorgsamer Aussparung des Lymphsystems
am Knie und in der Leiste sowie unter Belassung ausreichender markierter Lymphbahnen
zur Prävention eines sekundären Lymphödems können Lymphbahnen mit einer Länge von
bis zu 30 cm entnommen werden. Baumeister et al. konnten in einer Studie mit Lymphbahntransplantation
vom Oberschenkel zum Arm zeigen, dass eine Rekonstruktion des Lymphabflusses auch
im Langzeitverlauf ohne relevante Hebemorbidität möglich ist [16].
3.2.1.3. Lymphknotentransplantation
Eine weitere Möglichkeit der regionalen Rekonstruktion des Lymphsystems stellt die
Transplantation vaskularisierten Gewebes mit Lymphknoten dar, die mikrochirurgisch
anastomosiert werden. Eine Indikation ergibt sich aus dem Fehlen der drainierenden
Lymphknoten in der diagnostischen Bildgebung oder einem ausbleibenden Erfolg anderer
Therapieoptionen einschließlich der lymphovenösen Anastomosen. Neben der sofortigen
Ableitung der angestauten Lymphflüssigkeit über intranoduläre lymphovenöse Verbindungen
induzieren freigesetzte Wachstumsfaktoren die Lymphangiogenese, wodurch es postoperativ
zu einer weiteren Ausbildung von Lymphgefäßen und gegebenenfalls zur Verbindung des
funktionierenden distalen und proximalen Lymphsystems kommt. Ein weiterer Vorteil
dieses Verfahrens stellt die Narbenlösung in der voroperierten Region bei Einsatz
des Fett-Lymphknoten-Lappens dar, durch die es ebenfalls zu einer Verbesserung des
Lymphtransportes kommen kann [18]. Mögliche Entnahmestellen sind die Submental-, Supraklavikulär-, Thorakodorsal-
und die Leistenregion. Wichtig ist bei der Entnahme das Belassen einer ausreichenden
Anzahl funktionierender Lymphknoten, um das Risiko eines sekundären Lymphödems an
der Entnahmestelle zu verhindern. Durch Darstellung der zu hebenden Lymphknoten durch
Patentblau, ICG oder Technetium können die Sicherheit der Lymphknotenhebung und Vermeidung
einer Hebemorbidität weiter verbessert werden.
Die Entnahme mesenterialer vaskularisierter Lymphknoten z. B. aus dem Jejunum oder
aus dem Omentum majus stellen eine weitere Möglichkeit dar, die aufgrund der immunologischen
und angiogenen Eigenschaften, der geringeren Hebemorbidität sowie bei Mangel an alternativen
Spenderarealen von einigen Autoren favorisiert wird [19]
[20]. Ein Risiko stellt jedoch durch die anatomische Nähe zu den Bauchorganen die Gefahr
für Verletzungen dar; zudem ist die Hebung bei am Abdomen voroperierten Patienten
oder nach Bestrahlung in dieser Region nicht geeignet.
Auch bei der Empfänger-Lokalisation existieren verschiedene angewandte Verfahren.
Die Lymphknotenpakete können sowohl an der Defektstelle eingesetzt werden, um die
geschädigten oder entfernten Lymphknoten zu ersetzen, oder peripher, wo sie als „Pumpe“
fungieren und die Lymphe an der Stelle der größten Ansammlung mobilisieren [21]. Ciudad et al. beschreiben den kombinierten Einsatz des lymphatischen Lappens im
Zentrum der Extremität und am distalen Ende, um die Pumpfunktion an mehreren Stellen
nutzen zu können und die Lymphangiogenese so breit wie möglich anzuregen [22]. Einen weiteren Vorteil der Transplantation vaskularisierter Lymphknoten stellt
die mögliche Mitnahme einer Hautweichteilinsel dar, die an der Empfängerstelle verwendet
werden kann, um geschädigtes und vernarbtes Gewebe zu ersetzen und Spannungen zu reduzieren.
Dies bietet sich insbesondere bei Patienten nach Brustkrebs zusammen mit der autologen
Mammarekonstruktion mit Gewebe vom Abdomen im Sinne eines DIEP (Deep Inferior Epigastric
Perforator) oder TRAM (Transversus Rectus Abdominis Muscle) -Lappens an. Hierbei können
in einer ein- oder 2-zeitigen Operation inguinale Lymphknoten entnommen und in die
Axilla der Patienten verpflanzt werden [23]. Auch eine Kombination des Lymphknotentransfers mit der Anlage lymphovenöser Anastomosen
in einem ein- oder 2-zeitigen Eingriff ist möglich [10]. Eine Überlegenheit der Lymphknotentransplantation gegenüber lymphovenösen Anastomosen
konnte in Studien belegt werden, allerdings sollten auch die geringe Invasivität der
Anastomosen, die geringe Erholungszeit der Patienten und das Risiko eines sekundären
Lymphödems nach Lymphknotenentnahme nicht außer Acht gelassen und bei Auswahl der
geeigneten Stadien- und patientenindividuellen Therapieempfehlung berücksichtigt werden
[24].
3.2.2. Resezierende Verfahren zur Therapie des Lymph- und Lipödems
3.2.2.1. Liposuktion zur Entfernung hypertrophen Fettgewebes
Die unter anderem durch Ablagerung der in der Lymphe enthaltenen Lipide entstandene
Fettgewebshypertrophie ist neben der Lymphflüssigkeit und dem fibrotischen Gewebsumbau
mitursächlich für die Umfangsvermehrung und die damit einhergehenden Spannungsgefühle
und Schmerzen in der betroffenen Region. In fortgeschrittenen Stadien kann die Gewebsveränderung
weder durch konservative Behandlung noch durch rekonstruktive Therapieverfahren mit
Wiederherstellung des Lymphabflusses revidiert werden. Bei Patienten, bei denen die
Lymphödeme trotz Anwendung konservativer Maßnahmen oder operativer Wiederherstellung
der Lymphabflusswege eine derbe Konsistenz aufweisen und nicht eindrückbar sind bzw.
bereits bestmöglich entstaut wurden, bietet sich daher eine Liposuktion z. B. mittels
Wasserstrahl-assistierter Methode an, um das abgelagerte Fettgewebe zu reduzieren
[5].
Beim Lipödem stellt die Liposuktion die bislang einzige Therapieoption zur Volumenreduktion
dar und konnte in Studien zu einer dauerhaften Verminderung des Fettgewebes mit deutlicher
Symptomlinderung führen [25]. Mittels ICG-Injektion ist es möglich, das Lymphsystem intraoperativ darzustellen
und zu schonen, wobei in Studien gezeigt werden konnte, dass ein bereits verringerter
Lymphfluss durch die Liposuktion nicht weiter beeinträchtigt wird [26]. Auch bei Patienten mit metastasierenden Erkrankungen, einer positiven Familienanamnese
für Gerinnungsstörungen oder Einnahme von Gerinnungshemmern stellt die Liposuktion
eine mögliche Therapieoption dar, wenngleich eine besondere Sorgfalt bei Auswahl und
Planung und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Anästhesie erforderlich
sein kann. Obwohl dieses Verfahren keinen Ersatz für rekonstruktive Verfahren darstellt
und eine lebenslange Kompressionstherapie bei Lymphödempatienten auch nach durchgeführter
Liposuktion erforderlich ist, konnte eine Verbesserung der Lebensqualität durch Verringerung
der Beschwerden belegt werden [5].
3.2.2.2. Resektionsoperationen
Ein weitaus seltener angewandtes Verfahren wurde erstmalig von Charles et al. 1912
beschrieben und ist Patienten mit Elephantiasis oder ausgeprägter lokalisierter Fettgewebshypertrophie
vorbehalten. Dabei wird das überschüssige, durch Fibrose und Fettgewebshypertrophie
veränderte Gewebe offenchirurgisch, gegebenenfalls auch unter Mitnahme der Kutis,
bis zur Faszie reseziert und die Resektionsflächen werden anschließend mit Spalthaut
gedeckt. Da dieses Verfahren zu ästhetisch ungünstigen Ergebnissen führt, mit einem
Risiko für die Entwicklung von Lymphzysten und Aggravierung des Lymphödems distal
der Operationszone einhergeht und die Kompressionstherapie postoperativ notwendig
bleibt, sollte die Anwendung gut abgewogen und Extremfällen vorbehalten werden.
3.3. Therapie der Zukunft durch regenerative Therapieverfahren mithilfe von Stammzellen
und Wachstumsfaktoren
Eine verbesserte Bildgebung, die die genaue Untersuchung und Darstellung des Lymphsystems
möglich macht, ebenso wie die neuesten Erkenntnisse im Bereich der Lymphangiogenese
und der dazu beitragenden Wachstumsfaktoren ermöglichen den Fortschritt in der Behandlung
des Lymphödems und geben Hoffnung auf weitere Behandlungsansätze. Ein Einsatz von
VEGF-C und -D in Kombination mit dem Transfer vaskularisierter Lymphknoten konnte
im Großtierversuch bereits erste Erfolge verzeichnen und ist neben der Züchtung von
Lymphgefäßen- und knoten mithilfe von Stammzellen im Bereich des Tissue Engineering
einer der vielversprechendsten Ansätze [27]
[28].