CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2021; 81(11): 1224-1237
DOI: 10.1055/a-1524-5155
GebFra Science
Review/Übersicht

Einfluss pränataler E-Zigaretten-Exposition auf die fetale Entwicklung: ein Überblick

Article in several languages: English | deutsch
Pia Römer
Bremer Initiative to Foster Early Child Development, Department 11, University of Bremen, Germany
,
Amanda Goméz Putzer
Bremer Initiative to Foster Early Child Development, Department 11, University of Bremen, Germany
,
Robin Kemmerich
Bremer Initiative to Foster Early Child Development, Department 11, University of Bremen, Germany
,
Birgit Mathes
Bremer Initiative to Foster Early Child Development, Department 11, University of Bremen, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Seit der Markteinführung im Jahr 2007 gewannen E-Zigaretten an Popularität und galten als vergleichsweise sichere Alternative zu konventionellen Zigaretten. Insbesondere bei Schwangeren und bei Frauen im gebärfähigen Alter werden vermehrt E-Zigaretten konsumiert. Zu Auswirkungen pränataler Exposition auf den betroffenen Fetus ist bisher wenig bekannt. Das Ziel ist es, eine Übersicht zur aktuellen Forschungslage zum Thema Auswirkungen pränataler E-Zigaretten-Exposition auf den Fetus zu geben. Aufgrund bisher fehlender Humanstudien bezieht sich diese Übersicht ausschließlich auf Tier- und In-vitro-Analysen. Für eine umfangreiche Literaturrecherche wurden die Datenbanken PubMed und Web of Science verwendet. Die Recherche resultierte in N = 17 relevanten Forschungsarbeiten. Folgeschäden, die durch die pränatale Exposition konventioneller Zigaretten entstehen können, zeigten sich auch bei pränataler E-Zigaretten-Exposition. Es konnte eine Assoziation zwischen pränataler E-Zigaretten-Exposition und einer global gesteigerten DNA-Methylierung festgestellt werden, was in einer geringeren Genexpression resultiert. Dies könnte besonders bei entwicklungsrelevanten Genen zu negativen Folgen für entsprechende Entwicklungsbereiche betroffener Kinder führen. So kam es bei Mäusen zu einer stark verminderten Zellvitalität von neuronalen und Stammzellen und zu vermehrtem Zelltod. Weiter führte die pränatale Exposition von E-Zigaretten zu einer Vielzahl von Entwicklungsstörungen, wie Fehlbildungen der Gesichtsmorphologie oder geringeres Geburtsgewicht. Zudem konnte im Tierexperiment eine Verschlechterung des Kurzzeitgedächtnisses bei den Tieren festgestellt werden. Aktivität und kognitive Flexibilität waren gesteigert, Angstverhalten vermindert. Es wird deutlich, dass mehr Forschungsarbeiten und insbesondere Humanstudien zu diesem Thema benötigt werden. Zudem bedarf es einer intensiveren Aufklärung des Fachpersonals der Schwangerschaftsbetreuung sowie der Frauen im gebärfähigen Alter und während der Schwangerschaft.


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Abkürzungen

CDC: Centers for Disease Control and Prevention
CH3 : Methylgruppe
DNA: Deoxyribonucleic Acid (Desoxyribonukleinsäure)
E-Liquid: Elektro-Liquid
ENDS: Electronic Delivery Systems (elektronische Zigaretten)
E-Zigarette: elektronische Zigarette
Iba-1: Ionized Calcium-binding-Adapter Molecule 1
IFN-gamma: Interferon-gamma
IL: Interleukin
NHS: National Health Service
+Nik: nikotinhaltig
−Nik: nikotinlos
NPY: Neuropeptid Y
SIMH: stressinduzierte mitochondriale Hyperfusion
TNF-alpha: Tumornekrosefaktor-alpha
WHO: World Health Organization (Weltgesundheitsorganisation)
ZNS: Zentralnervensystem
 

Einleitung

Die elektronische Zigarette (E-Zigarette) ist seit dem Jahr 2007 durch die Patentierung des chinesischen Pharmazeuten Hon Lik auf dem Markt erhältlich [1]. Sie ist ein batteriebetriebenes Gerät, das ein meist nikotinhaltiges Liquid erhitzt und vaporisiert, sodass es vom Konsumenten inhaliert werden kann. Weitere Zusatzstoffe können dabei Aromen und Trägerstoffe umfassen [2]. Die Folgen von pränataler E-Zigaretten-Exposition sind noch unzureichend erforscht. Primär fehlt es der aktuellen Literatur an Humanstudien, sodass Auswirkungen auf menschliche Nachkommen noch unbekannt sind.

Vergleichsweise sind Auswirkungen konventioneller Zigaretten in Form von Fehlgeburten, Totgeburten, späteren Erkrankungen der Atemwege, des kardiovaskulären Systems und Verhaltensauffälligkeiten anhand von Humanstudien belegt und bekannt [3]. Um diese Folgeschäden zu reduzieren, wurde die E-Zigarette ursprünglich als Übergangslösung und Ersatzprodukt konzipiert, um den Prozess der Entwöhnung konventioneller Zigaretten zu erleichtern [1].

Etwa 14% von 2020 befragten Bürgern der Europäischen Union haben mindestens einmal in ihrem Leben E-Zigaretten probiert. Insgesamt 2% konsumierten regelmäßig E-Zigaretten. Die Nutzung von E-Zigaretten scheint, insbesondere unter jungen Menschen, zuzunehmen [4]. Vergleichsweise dazu haben 22% der Bürger bereits konventionelle Zigaretten in ihrem Leben konsumiert und 23% konsumierten diese regelmäßig. Die durchschnittliche Anzahl an konsumierten Zigaretten steigt hingegen mit zunehmendem Alter [4]. Die Mehrheit der weiblichen Konsumenten von E-Zigaretten befindet sich im gebärfähigen Alter [5]. Internationale Studien schätzen die Prävalenz von E-Zigaretten-Konsum während der Schwangerschaft aktuell auf 0,5 – 15% [6], [7], [8]. Schwangere begründen den Konsum von E-Zigaretten durch das Ziel, mit dem Rauchen konventioneller Zigaretten aufzuhören. Dieser Effekt ist allerdings nicht nachweisbar [9].

Im Vergleich dazu werden die Prävalenzen des Konsums konventioneller Zigaretten während der Schwangerschaft global auf 1,7% geschätzt [10]. Anhand der steigenden Nutzung von E-Zigaretten unter Jugendlichen lässt sich vermuten, dass die Zahl der Konsumenten weiter ansteigen wird [4].

Dessen ungeachtet wird im Rahmen ärztlicher Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft der Konsum von E-Zigaretten seltener abgefragt als der von konventionellen Zigaretten. Zudem fördern öffentliche Werbekampagnen den Konsum. Dies verhindert nicht nur eine optimale Prävention zur Substanzreduktion, sondern trägt auch dazu bei, dass E-Zigaretten gesellschaftlich als sicherer eingestuft werden [8]. Dazu passend ergaben auch Analysen von Onlineforen, speziell für Schwangere, dass sich der Großteil der Nutzerinnen über Risiken bewusst war und generell gute Kenntnisse über die Funktionsweise von E-Zigaretten hatte, aber insgesamt E-Zigaretten als sicherer als herkömmliche Zigaretten eingestuft wurden [5], [11]. Das staatliche Gesundheitssystem Großbritanniens empfiehlt aktuell Raucherinnen, während der Schwangerschaft auf E-Zigaretten umzusteigen. Begründet wird dies mit dem Wegfall der teratogenen Stoffe Teer und Kohlendioxid beim Konsum von E-Zigaretten im Vergleich zu herkömmlichen Zigaretten [12]. Dieser Ansatz ist jedoch unter Fachleuten sowohl in Deutschland als auch international umstritten. In früheren Studien wurde E-Zigaretten-Konsum während der Schwangerschaft als besonders gefährlich eingestuft, da der Fetus nicht nur das Nikotin, sondern auch Schwermetalle und potenziell schädigende Chemikalien über den maternalen Blutkreislauf aufnimmt [13]. Ebenso wie bei dem Konsum konventioneller Zigaretten wirken sich die inhalierten Stoffe über die Plazenta direkt auf den Fetus aus [14]. International anerkannte Institutionen zur Förderung der öffentlichen Gesundheit, darunter die Weltgesundheitsorganisation (WHO), sprechen sich daher gegen den Konsum von E-Zigaretten während der Schwangerschaft aus [15]. Da die E-Zigarette ein relativ neues Produkt ist, sind die Auswirkungen der Nutzung während der Schwangerschaft auf das Ungeborene nur unzureichend untersucht. Vorherige Übersichtsarbeiten verdeutlichten die Notwendigkeit von Humanstudien, um Ergebnisse zu generieren, welche die genauen gesundheitlichen Folgeschäden pränataler E-Zigaretten-Exposition repräsentieren [7], [16], [17], [18]. Die steigende Nutzerzahl zeigt ebenfalls, dass ein genaueres Verständnis der Auswirkungen von E-Zigaretten auf die humane fetale Entwicklung weiterhin nötig und wichtig ist, um Schwangere besser informieren und Risiken für betroffene Ungeborene einschätzen zu können. Die folgende Arbeit gibt einen Überblick über die Auswirkungen pränataler E-Zigaretten-Exposition auf die fetale und postnatale Entwicklung anhand von Tiermodellen. Dadurch wird der aktuelle Stand der Forschung präsentiert, dieses Thema bleibt im Fokus und es wird weiter auf das Fehlen von Humanstudien aufmerksam gemacht.


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Übersicht

Methodik

Strategie der Literatursuche

Für die Literaturrecherche zum Thema der Einflüsse pränataler E-Zigaretten-Exposition auf die fetale Entwicklung wurden die Meta-Datenbanken PubMed und Web of Science genutzt. Diese Datenbanken wurden aufgrund ihrer Breite an Publikationen mit hoher wissenschaftlicher Relevanz sowie dem Fokus auf medizinische und biologische Inhalte ausgewählt. Durchgeführt wurde die Suche im Juni 2020 und aktualisiert im November 2020. Da ein Großteil der Publikationen zu dem adressierten Thema in englischer Sprache verfasst sind, wurden für die Suche ausschließlich englische Suchwörter genutzt.

Die Einschlusskriterien umfassten empirische Forschungsarbeiten die zwischen Januar 2010 und November 2020 publiziert wurden. Ausgeschlossen wurden Übersichtsarbeiten und Studien, die vor 2010 veröffentlicht wurden. Da die Markteinführung der E-Zigaretten auf das Jahr 2007 datiert wird, sind Veröffentlichungen vor 2010 nicht an die Funktionsweise der modernen Geräte angepasst und damit für diese Arbeit wenig aussagekräftig. Gleichzeitig wurde ein Zeitraum von 10 Jahren gewählt, um einen umfangreichen Überblick zu generieren.

Für die Suche wurde jeweils eine Kombination aus den folgenden 4 Suchwortkategorien (A – D) verwendet: A: Pregnancy, maternal, prenatal, offspring, fetal. B: E-cigarette, electronic cigarette, e-vapour, aerosol, electronic nicotine delivery systems, ENDS. C: Consumption, exposure. D: Development, effects, impact, growth, neurological, brain, cognitive, pulmonary, lung, respiratory. Nach Durchführung der Literatursuche und der Entfernung von Duplikaten wurden zuerst Titel und Zusammenfassungen aller gefundenen Artikel gelesen. Dadurch wurden Artikel ausgeschlossen, die offensichtlich nicht relevant für die aktuelle Fragestellung waren. Anschließend wurden die Volltexte der verbliebenen Artikel geprüft.


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Extraktion der Daten

Insgesamt wurden 17 Studien identifiziert, die Auswirkungen pränataler E-Zigaretten-Exposition auf den Fetus untersuchten. Die Informationen der einzelnen Studien wurde von einer Autorin (AGP) extrahiert und daraufhin durch eine weitere Autorin (PR) auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft. Minimale Unstimmigkeiten wurden unter den Autorinnen diskutiert und gelöst. Die [Tab. 1] bis [4] fassen die relevanten Informationen der einzelnen Studien zusammen. Alle 4 Tabellen geben Auskunft zu folgenden Aspekten der eingeschlossenen Studien: die Autoren, das Jahr der Veröffentlichung und die Region, in der die Forschungsarbeit durchgeführt wurde, die Art der Studie hinsichtlich der Modellorganismen (z. B. Versuchstiere), die Gesamtanzahl (N) der untersuchten Organismen, der Wirkstoff der Exposition sowie der Expositionszeitraum, untersuchte Messzeitpunkte, gemessene Outcomes und Hauptergebnisse.

Tab. 1 Tierexperimentelle Forschungsarbeiten zu den Auswirkungen von pränataler E-Zigaretten-Exposition auf neurobiologische Marker.

Autor, Jahr (Region)

Art der Studie

N

Wirkstoff

Expositionszeitraum

Messzeitpunkt

Messungen

Ergebnisse

PN = postnatal; ST = Schwangerschaftstag; kZ = konventionelle Zigaretten; DNA = Desoxyribonukleinsäure; KZG = Kurzzeitgedächtnis; k. A. = keine Angabe

Zahedi et al., 2019 (USA)

in vitro

48 000 neuronale Stammzellen

E-Zigaretten-Liquide mit Tabak- und Mentholaroma mit Nikotin

Mauszellen wurden dem Aerosol für 2 – 24 Stunden ausgesetzt

k. A.

mitochondriale Anpassungsreaktionen als Reaktion auf oxidativen Stress

zellulärer Stress durch E-Zigretten-Exposition

Sifat et al., 2020 (USA)

Tierversuche (Mäuse)

121 Jungtiere

E-Liquid mit 24 mg/ml Nikotin

ST 5 bis PN Tag 7

PN Tag 8 – 9 und 40 – 45

Auswirkungen auf kortikale Zellen

Zellvitalität vermindert. Verschlechterung von Gedächtnis, Lernen, motorischer Koordination

Zelikoff et al., 2017 (USA)

Tierversuche (Mäuse)

k. A.

E-Liquid mit Tabak- und Mentholaromen und ohne Nikotin (13 mg/ml)

6 Wochen vor Befruchtung bis PN Tag 20

PN Tag 28

Auswirkungen auf Zellen der Hippocampusregion

verringerte Zellvitalität und erhöhtes Entzündungsgeschehen

Nguyen et al., 2018 (Australien)

Tierversuche (Mäuse)

24 Muttertiere

E-Liquid mit und ohne Nikotin (18 mg/ml)

6 Wochen vor Befruchtung bis PN Tag 20

PN Tag 1, 20 und 84

neuroepigenetische und kognitive Veränderungen

verstärkte DNA-Methylierung

Nguyen et al., 2019 (Australien)

Tierversuche (Mäuse)

24 Muttertiere

E-Liquid mit Tabakaroma und 18 mg/ml Nikotin

Gruppe A: kZ 9 Wochen vor Befruchtung, E-Liquid bis PN Tag 20

Gruppe B: E-Liquid Befruchtung bis PN Tag 20

PN Tag 1, 20, 84 und 91

neuroepigenetische Veränderungen und Auswirkungen auf Gedächtnis und Verhalten

veränderte Genexpression und eingeschränktes KZG; erhöhtes Explorationsverhalten

Lauterstein et al., 2016 (USA)

Tierversuche (Mäuse)

36 Jungtiere

E-Liquid mit und ohne Nikotin (13 – 16 mg/ml)

Befruchtung bis PN Tag 25 – 27

PN Tag 25 – 31

Auswirkungen auf Zellen des Frontalkortexes

Veränderung des Transkriptoms im Frontalkortex

Church et al., 2020 (USA)

Tierversuche (Mäuse)

135 Jungtiere

E-Liquid mit und ohne Nikotin (16 mg/ml)

Befruchtung bis ST 17

PN Tag 21, 56 und 84

Auswirkungen auf Neuroinflammation und Kognition

erhöhte Inflammationswerte in einzelnen Hirnregionen sowie Veränderungen der kognitiven Fähigkeiten

Chen et al., 2018 (Australien)

Tierversuche (Mäuse)

8 Muttertiere

E-Liquid mit Tabakaroma mit und ohne Nikotin (18 mg/ml)

6 Wochen vor Befruchtung bis PN Tag 20

PN Tag 20

Auswirkungen auf Neuroinflammation und Neurometabolismus

erhöhte Inflammationswerte sowie erhöhte metabolische Prozesse

Tab. 4 Tierexperimentelle Forschungsarbeiten zu den Auswirkungen von pränataler E-Zigaretten-Exposition auf Kognition und Verhalten.

Autor, Jahr (Region)

Art der Studie

N

Wirkstoff

Expositionszeitraum

Messzeitpunkt

Messungen

Ergebnisse

PN = postnataler Tag; ST = Schwangerschaftstag; kZ = konventionelle Zigaretten; KZG = Kurzzeitgedächtnis; k. A.= keine Angabe

Sifat et al., 2020 (USA)

Tierversuche (Mäuse)

121 Jungtiere

E-Liquid mit 24 mg/ml Nikotin

ST 5 bis PN Tag 7

PN Tag 8 – 9 und 40 – 45

Auswirkungen auf kortikale Zellen

Verschlechterung von Gedächtnis, Lernen, motorischer Koordination.

Zellvitalität vermindert.

Nguyen et al., 2018 (Australien)

Tierversuche (Mäuse)

24 Muttertiere

E-Liquid mit und ohne Nikotin (18 mg/ml)

6 Wochen vor Befruchtung bis PN Tag 20

PN Tag 1, 20 und 84

kognitive und neuroepigenetische Veränderungen

Gesteigertes Neugierdeverhalten. Verminderte Objektwiedererkennung.

Nguyen et al., 2019 (Australien)

Tierversuche (Mäuse)

24 Muttertiere

E-Liquid mit Tabakaroma und 18 mg/ml Nikotin

Gruppe A: kZ 9 Wochen vor Befruchtung, E-Liquid bis PN Tag 20

Gruppe B: E-Liquid Befruchtung bis PN Tag 20

PN Tag 1, 20, 84 und 91

Auswirkungen auf Gedächtnis und Verhalten und neuroepigenetische Veränderungen

Erhöhtes Explorationsverhalten. Teilweise geringe neuroepigenetische Veränderungen und eingeschränktes KZG.

Church et al., 2020 (USA)

Tierversuche (Mäuse)

135 Jungtiere

E-Liquid mit und ohne Nikotin (16 mg/ml)

Befruchtung bis ST 17

PN Tag 21, 56 und 84

Auswirkungen auf Kognition und Neuroinflammation

Veränderungen der kognitiven Fähigkeiten. Erhöhte Inflammationswerte in einzelnen Hirnregionen

Smith et al., 2015 (USA)

Tierversuche (Mäuse)

28 Jungtiere

E-Liquid mit und ohne Nikotin (24 mg/ml)

ST 15 – 19 und PN Tag 2 – 16

PN Tag 98

kognitive Auswirkungen

erhöhte motorische Aktivität und vermindertes Angstverhalten


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Erfassung der Qualität und des Risikos für Bias

Die Qualität und die Bias-Bewertung für alle 17 Studien gemäß dem „OHAT Risk of Bias Rating Tool for Human and Animal Studies“ [19] ist in Tab. S1 zusammengefasst. Dieses Tool wurde auf der Grundlage der neusten Leitlinien der Agentur für Forschung und Qualität im Gesundheitswesen [20] entwickelt und auf jede eingeschlossene Studie angewendet. Es wurde genutzt, um Aspekte wie die Randomisierung, Verblindung oder die selektive Berichterstattung der Ergebnisse zu bewerten (Tab. S1). Entlang von 8 Fragen wurden die Studien 4-stufig eingeschätzt: „Definitely low risk of bias“, „Probably low risk of bias“, „Probably high risk of bias“, „Definitely high risk of bias“. Die Bewertung wurde von einem Autor (RK) durchgeführt und anschließend von einer weiteren Autorin (PR) auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft. Im Folgenden werden die Bezeichnungen „+Nik“ und „−Nik“ verwendet, um anzuzeigen, ob ein verabreichtes Expositionsmedium Nikotin enthält (+Nik) oder kein Nikotin enthält (−Nik). Eine Bezeichnung von +/−Nik umfasst beide Gruppen. Diese Bezeichnungen erfolgen unabhängig von möglichen weiteren Zusatzstoffen, deren Auswirkungen in Abhängigkeit von +/−Nik untersucht werden können. Bei Kontrollgruppen handelt es sich um Tiere, die Raumluft ausgesetzt waren und keine der Bestandteile der E-Zigaretten inhalierten. Generell wird die Exposition der E-Zigaretten und deren Bestandteile in den aufgenommenen Studien über verschiedene, speziell dafür vorgesehene Boxen, in denen sich die Versuchstiere befinden, durchgeführt (siehe z. B. [12], [13]).

Aufgrund fehlender Humanstudien umfasst diese Übersichtsarbeit ausschließlich Ergebnisse, die auf tierexperimentellen Untersuchungen basieren.


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Ergebnisse

Im Rahmen der Literaturrecherche wurde festgestellt, dass zu den Auswirkungen pränataler E-Zigaretten-Exposition auf die fetale Entwicklung bisher ausschließlich auf tierexperimenteller Ebene geforscht wurde. Von den insgesamt eingeschlossenen Studien (N = 17) richtete der Großteil der Forschung den Fokus auf neurobiologische Auswirkungen (n = 8 Studien, [Tab. 1]) und auf Auswirkungen auf die Lunge und weitere Organsysteme (n = 8, [Tab. 2]). Letztere umfassen, neben Studien zu pulmonalen Folgen (n = 4 Studien), Studien zu kardiovaskulären Folgen (n = 2 Studien), gesichtsmorphologischen Folgen (n = 1 Studie) und renalen, die Niere betreffenden Folgen (n = 1 Studie). Von den insgesamt 17 Studien haben einige Studien zusätzlich über Ergebnisse hinsichtlich verschiedener Geburtsparameter (n = 12 Studien, [Tab. 3]) und Auswirkungen auf Kognition und Verhalten berichtet (n = 5 Studien, [Tab. 4]).

Tab. 2 Tierexperimentelle Forschungsarbeiten zu den Auswirkungen pränataler E-Zigaretten-Exposition auf die Lunge und weitere Organsysteme.

Autor, Jahr (Region)

Art der Studie

N

Wirkstoff

Expositionszeitraum

Messzeitpunkt

Messungen

Ergebnisse

PN = postnataler Tag; ST = Schwangerschaftstag; kZ = konventionelle Zigaretten; k. A.= keine Angabe

Nöel et al., 2020 (USA)

Tierversuche (Mäuse)

183 Jungtiere

E-Liquid mit Zimtaroma und 36 mg/ml Nikotin

Gruppe A:12 Tage vor der Befruchtung bis ST 19

Gruppe B: Befruchtung bis ST19

PN Tag 1 und 28

Auswirkungen auf Lungengewebe und -funktion

veränderte Lungenstruktur und Dysregulation des Wnt-Signalwegs

Chen et al., 2017 (Australien)

Tierversuche (Mäuse)

k. A.

E-Liquid mit und ohne Nikotin (18 mg/ml)

6 Wochen vor Befruchtung bis PN20

PN Tag 1, 20 und 91

Auswirkungen auf epigenetische Prozesse im Lungengewebe

veränderte DNA-Methylierung und proinflammatorische Zytokine in der Lunge unabhängig vom Nikotingehalt

McAlinden et al., 2017 (Australien)

Tierversuche (Mäuse)

k. A.

Gruppe A: kZ und E-Liquid +Nik; Gruppe B: E-Liquid mit und ohne Nikotin

Gruppe A: kZ bis Befruchtung E-Liquid bis Geburt

Gruppe B: E-Liquid Befruchtung bis PN1

k. A.

Auswirkungen auf Lungengewebe und -funktion

E-Zigaretten +Nik verstärkt allergisches Asthma.

Berkelhammer et al., 2019 (USA)

in vitro

Probe von pulmonalen Muskelzellen

aromatisierte E-Liquide

Exposition 1 h

nach 24 h Inkubation

Auswirkungen auf Muskelzellen der Lunge

Neonatale Zellen zeigen starke Sensibilität für Toxizität der E-Liquide. Aromen führen vermehrt zum Zelltod.

Kennedy et al., 2017 (USA)

Tierversuch (Krallfrösche)

k. A.

E-Liquide mit und ohne Aroma und Nikotin

Zeitraum der embryonalen Entwicklung

PN Tag 1

Auswirkungen auf Gesichtsmorphologie

E-Liquid-Konsum führt zu kraniofazialer Deformation. Verstärkt wird diese durch Nikotin und Aromen.

Orbazal et al., 2019 (USA)

Tierversuch (Mäuse)

k. A.

E-Liquid mit und ohne Nikotin (100 mg/ml)

ST 5 – PN10

PN Tag 10

Auswirkungen auf Geburtsparameter

E-Liquid +Nik führt zu eingeschränktem Wachstum und verminderter Blutversorgung.

Palpant et al., 2015 (USA)

Tierversuch (Zebrafische)

k. A.

E-Liquid +Nik

3 Tage pränatal

nach der Exposition

Auswirkungen auf das kardiovaskuläre System

Herzfehlbildungen, verminderte Herzfunktion und Perikardergüsse

Li et al., 2019 (Australien)

Tierversuch (Mäuse)

143

E-Liquid mit und ohne Nikotin (18 mg/ml)

Gruppe A: E-Liquid 6 Wochen vor Befruchtung bis PN Tag 20

Gruppe B: kZ 6 Wochen vor Befruchtung, dann E-Liquid bis PN Tag 20

PN Tag 1 und 20

Auswirkungen auf das Nierengewebe

Dauerhafte Exposition von E-Liquid führt unabhängig vom Nikotingehalt zu oxidativem Stress, Inflammation sowie Fibrosierung im Nierengewebe.

Tab. 3 Tierexperimentelle Forschungsarbeiten zu den Auswirkungen von pränataler E-Zigaretten-Exposition auf Geburtsparameter.

Autor, Jahr (Region)

Art der Studie

N

Wirkstoff

Expositionszeitraum

Messzeitpunkt

Messungen

Ergebnisse

PN = postnataler Tag; ST = Schwangerschaftstag; kZ = konventionelle Zigaretten; k. A.= keine Angabe

Church et al., 2020 (USA)

Tierversuche (Mäuse)

135 Jungtiere

E-Liquid mit und ohne Nikotin (16 mg/ml)

Befruchtung bis ST 17

PN Tag 21, 56 und 84

Auswirkungen auf Geburtsparameter

keine Auswirkungen auf Wurfgröße und Geburtsgewicht

Nguyen et al., 2019 (Australien)

Tierversuche (Mäuse)

24 Muttertiere

E-Liquid mit Tabakaroma und 18 mg/ml Nikotin

kZ 9 Wochen vor Befruchtung, E-Liquid bis PN Tag 20

PN Tag 1, 20, 84 und 91

Auswirkungen auf Geburtsparameter

Keine Auswirkungen auf Wurfgröße, Überlebensfähigkeit. Reduziertes Geburtsgewicht.

Nöel et al., 2020 (USA)

Tierversuche (Mäuse)

183 Jungtiere

E-Liquid mit Zimtaroma und 36 mg/ml Nikotin

Gruppe A:12 Tage vor Befruchtung bis ST 19; Gruppe B: Befruchtung bis ST19

PN Tag1 und 28

Auswirkungen auf Geburtsparameter

keine Auswirkungen auf Wurfgröße, E-Liquid +Nik führt zu verringerter Körpergröße und Geburtsgewicht

Sifat et al., 2020 (USA)

Tierversuche (Mäuse)

121 Jungtiere

E-Liquid mit 24 mg/ml Nikotin

ST 5 bis PN Tag 7

PN Tag 8 – 9 und 40 – 45

Auswirkungen auf Geburtsparameter

keine Auswirkungen auf Wurfgröße, E-Liquid +Nik führt zu verringertem Geburtsgewicht

Palpant et al., 2015 (USA)

Tierversuch (Zebrafische)

k. A.

E-Liquid +Nik

3 Tage pränatal

PN Tag 1 – 3

Auswirkungen auf Geburtsparameter

E-Liquid +Nik verringert die Überlebensfähigkeit der Neugeborenen

Nguyen et al., 2018 (Australien)

Tierversuche (Mäuse)

24 Muttertiere

E-Liquid mit und ohne Nikotin (18 mg/ml)

6 Wochen vor Befruchtung bis PN Tag 20

PN Tag 1, 20 und 84

Auswirkungen auf Geburtsparameter

keine Auswirkungen von E-Zigaretten-Konsum auf das Gewicht oder die Sterblichkeit

Chen et al., 2017 (Australien)

Tierversuche (Mäuse)

k. A.

E-Liquid mit und ohne Nikotin (18 mg/ml)

6 Wochen vor Befruchtung bis PN Tag 20

PN Tag 1, 20, 91

Auswirkungen auf Geburtsparameter

keine Auswirkungen auf Geburtsgewicht und Organgewicht, Veränderung der Fettverteilung

Chen et al., 2018 (Australien)

Tierversuche (Mäuse)

8 Muttertiere

E-Liquid mit Tabakaroma mit und ohne Nikotin (18 mg/ml)

6 Wochen vor Befruchtung bis PN Tag 20

PN Tag 20

Auswirkungen auf Geburtsparameter

Veränderung der Fettverteilung, keine Veränderungen des Geburtsgewichts

Lauterstein et al., 2016 (USA)

Tierversuche (Mäuse)

36 Jungtiere

E-Liquid mit und ohne Nikotin (13 – 16 mg/ml)

Befruchtung bis PN Tag 25 – 27

PN Tag 25 – 31

Auswirkungen auf Geburtsparameter

keine Auswirkungen von E-Zigaretten-Konsum wurden beobachtet.

Li et al., 2019 (Australien)

Tierversuch (Mäuse)

143 Jungtiere

E-Liquid mit und ohne Nikotin (18 mg/ml)

Gruppe A: E-Liquid 6 Wochen vor Befruchtung bis PN Tag 20

Gruppe B: kZ 6 Wochen vor Befruchtung, dann E-Liquid bis PN Tag 20

PN Tag 1, PN Tag 20

Auswirkungen auf Geburtsparameter

E-Liquid führt zu verringertem Geburtsgewicht und zu keinen Veränderungen des Nierengewichts.

Smith et al., 2015 (USA)

Tierversuche (Mäuse)

28 Jungtiere

E-Liquid mit und ohne Nikotin (24 mg/ml)

ST 15 – 19 und PN Tag 2 – 16

PN Tag 98

Auswirkungen auf Geburtsparameter

verringertes Geburtsgewicht (E-Liquid-Nik < E-Liquid+Nik < Kontrollgruppe)

Orbazal et al., 2019 (USA)

Tierversuch (Mäuse)

k. A.

E-Liquid mit und ohne Nikotin (100 mg/ml)

ST 5 – PN10

PN Tag 10

Auswirkungen auf Geburtsparameter

verringertes Geburtsgewicht und Körpergröße bei E-Liquid +Nik

Die eingeschlossenen Studien waren insgesamt von ausreichender Qualität, und das Bias-Risiko war gering. Von N = 17 Studien ist bei n = 10 Studien definitiv und bei n = 6 Studien wahrscheinlich davon auszugehen, dass die pränatale Exposition ausreichend randomisiert stattfand. Nur 1 Studie wies hinsichtlich dieses Aspektes ein wahrscheinlich hohes Bias-Risiko auf, was bei der Interpretation der Ergebnisse entsprechender Berücksichtigung bedarf. Bezüglich des Aspektes, dass die experimentellen Bedingungen in allen Studiengruppen identisch waren, wiesen n = 14 Studien ein definitiv geringes und 3 Studien ein wahrscheinlich geringes Bias-Risiko auf. In allen 17 Studien wurde ein definitiv geringes Bias-Risiko hinsichtlich der angemessenen Berichterstattung der Resultate gewertet. Weitere Aspekte und detailliertere Informationen sind Tab. S1 zu entnehmen. Unterschiede in der Studienqualität und dem Bias-Risiko können z. B. durch Unterschiede im Studiendesign oder unterschiedliche Erhebungsmethoden erklärt werden.

Neurobiologische Marker

Die aus [Tab. 1] zu entnehmenden Veröffentlichungen zu den Auswirkungen auf neurobiologische Marker betreffen die neuronale Zellvitalität, neuroepigenetische Veränderungen, Neuroinflammation und Neurometabolismus.

In den In-vitro-Untersuchungen von Zahedi et al. (2019) wurden neuronale Stammzellen von Mäusen 24 Stunden dem Aerosol von E-Zigaretten +Nik mit unterschiedlichen Aromen ausgesetzt. Stammzellen können sich in jeden Zelltyp entwickeln [24] und sind elementar für die Erneuerung und Reparatur von Geweben, die Organbildung oder den Erhalt der Homöostase [23]. Neuronale Stammzellen sind nachweislich empfindlich gegenüber toxischen Stoffen, wie z. B. dem Nikotin. Sie sind deshalb gut geeignet, um die Sicherheit von Stoffen wie E-Liquid zu testen [23]. Die nikotinhaltigen Aerosole führten zu stressinduzierter mitochondrialer Hyperfusion (SIMH [23]). Hierbei schwellen die Mitochondrien der neuronalen Stammzellen an und fusionieren zu langen fadenförmigen Mitochondrien. Durch den hohen Nikotinspiegel werden Ionenkanäle in der Membran neuronaler Stammzellen verstärkt geöffnet und Kalzium sowie andere Ionen strömen in großer Menge in die Zellen ein. Der hohe intrazelluläre Kalziumspiegel führt zu einem Kalziumeinstrom in die Mitochondrien. In den Mitochondrien wirkt zu viel Kalzium toxisch. Die SIMH kann als ein Schutzmechanismus als Antwort auf den durch den hohen Nikotinspiegel herbeigeführten zellulären Stress gesehen werden [25]. Außerdem führte der Versuch von Zahedi et al. zu mitochondrialem oxidativem Stress [23]. Oxidativer Stress kann u. a. zu Desoxyribonukleinsäure-(DNA-)Strangbrüchen, zur Inaktivierung von Enzymen und zur Schädigung vulnerabler Nervenzellen führen [26]. Mitochondriale Matrixproteine sind besonders anfällig für oxidativen Stress. Ihre Reaktion hat negative Auswirkungen auf die Atmungskette und daher lassen die Ergebnisse die Gefahr eines Energiemangels bei Feten, deren Mütter E-Zigaretten nutzen, vermuten [27]. Weiterhin konnte in der Studie von Zahedi et al. (2019) gezeigt werden, dass das Nikotin einen intrazellulären Kalziumüberschuss hervorruft, der zu schwerwiegenden Folgen, wie dem Riss der Zellmembranen, führen kann [23]. Die Auswirkungen des E-Liquid-Aerosols auf die neuronalen Stammzellen scheinen daher durch das Nikotin und nicht durch die Aromen oder die Trägerstoffe des E-Liquids bedingt zu sein [23]. Sifat et al. (2019) untersuchten die Auswirkungen von E-Zigaretten-Aerosol +Nik auf kortikale Zellen in Mäusen. Insgesamt wurde ein verminderter neuronaler Stoffwechsel festgestellt. Dies zeigte sich anhand einer verminderten Glukoseaufnahme, einer verminderten Expression von Glukosetransportern, einem verminderten Adenosintriphosphat-Gehalt sowie einem geringeren mitochondrialen Membranpotenzial [22]. Die E-Zigaretten-Exposition führte zudem zu einer verminderten Zellvitalität und einer erhöhten DNA-Schädigung [22]. Weiter zeigten die Forscher eine durch pränatale E-Zigaretten-Exposition +Nik bedingte, erhöhte Sensibilität der Mäuse für postnatale hypoxisch-ischämische Hirnverletzungen, die auch bei Neugeborenen durch eine unzureichende Sauerstoffversorgung entsteht. Auch im Hippocampus wurden Auswirkungen auf die Zellvitalität festgestellt. Bestimmte Nervenwachstumsfaktoren waren nach pränatalem E-Zigaretten-Konsum +Nik sowie −Nik gesenkt. Dies kann zu Wachstumsstörungen und einer eingeschränkten Funktionsweise des Hippocampus führen [22]. Dazu passend traten vermehrt langfristige Defizite der räumlichen Aneignung und des Referenzgedächtnisses auf [22]. Die Epigenetik beschreibt Modifikationen der Genaktivität, die u. a. durch Umwelteinflüsse, wie z. B. der Konsum toxischer Substanzen, entstehen und zu einer Änderung des Phänotyps führen können [28]. Die DNA-Methylierung ist ein epigenetischer Mechanismus, bei dem durch DNA-Methyltransferasen eine Methylgruppe (CH3) an die Cytosin-Base eines DNA-Nukleotids angehängt wird. Methylierte Cytosine führen zur Inaktivierung des Gens. Betrachtet man die neuronale Entwicklung, hat die DNA-Methylierung Einfluss darauf, wann welche Gene exprimiert oder stillgelegt werden. Eine verstärkte Methylierung kann beispielsweise dazu führen, dass bestimmte Gene nicht exprimiert werden und dadurch die Hirnentwicklung beeinflusst wird [28]. An Mäusen konnte gezeigt werden, dass pränatale E-Zigaretten-Exposition +/−Nik vorübergehend zu einer signifikant verstärkten DNA-Methylierung in den Hirnzellen führten [29]. Im Vergleich zur Exposition mit konventionellem Zigarettenrauch zeigte sich in Mäusen, deren Exposition intrauterin von Zigarettenrauch auf E-Zigaretten +Nik wechselte, jedoch ein deutlich geringerer Grad an DNA-Methylierung. Es scheint, dass DNA-Methylierung stark mit der Exposition von konventionellem Zigarettenrauch korreliert [21]. Zudem wurde auch die Expression der Gene untersucht, die für die Enzyme kodieren, welche die DNA-Methylierung regulieren. Dabei wurde festgestellt, dass diese Gene unter dem Einfluss von E-Zigaretten −Nik ein Abweichungsmuster gegenüber der Kontrollgruppe aufzeigten, das größer ist als das gegenüber den E-Zigaretten +Nik [29]. Die unterschiedliche Genexpression betraf darüber hinaus auch Gene, die für mitotische Kinasen kodieren und eine wichtige Rolle beim Zellwachstum spielen. Auch in diesen beiden Fällen war die Abweichung kleiner als unter konventioneller Nikotinexposition [21]. Ein weiterer Ansatz zu epigenetischen Auswirkungen von E-Zigaretten ist die Analyse des Transkriptoms. Unter dem Transkriptom versteht man die Gesamtheit der Gene, die zu einem gegebenen Zeitpunkt in der Zelle transkribiert werden [28]. Die Transkription ist ein wichtiger Teilprozess der Genexpression, die den Einfluss des Genoms auf den Phänotyp bestimmt. Lauterstein et al. (2016) konnte anhand eines Mausmodells zeigen, dass pränatale E-Zigaretten-Aerosol-Exposition sowohl +Nik als auch −Nik zu Veränderungen des Zentralnervensystem-(ZNS-)Transkriptoms führt. Dies betraf primär Zellen des frontalen Kortexes im Vergleich zu Mäusen der Kontrollgruppe, die nur Luft inhalierten [30]. Mithilfe von Datenbanken ist es möglich, die Genveränderungen mit Genprofilen, die mit einzelnen Krankheiten, Entwicklungsstörungen oder allgemeinen Funktionseinschränkungen korrelieren, zu vergleichen. Diese Analyse ergab, dass vermutlich Verminderungen der Merkfähigkeit, der Kognition, der Lernfähigkeit sowie eine schlechtere Neurotransmission aus den oben genannten Veränderungen resultieren können. Zudem konnten nach der Geburt Korrelationen zwischen der Aerosolexposition und erhöhter Hyperaktivität, vermehrter Emotionalität sowie Krampfanfällen beobachtet werden. Auch neuronale Wachstumsstörungen konnten mit dem veränderten ZNS-Transkriptom in Verbindung gebracht werden. Besonders auffällig waren hier Einschränkungen des Dendritenwachstum, der Neuronendichte und ein verstärkter Zelltod [30].

Unter Neuroinflammation versteht man die Entzündung von Nervengewebe. In der Regel wird damit eine chronische Entzündung des ZNS beschrieben. Entzündungen entstehen als Immunreaktion auf einen schädigenden Reiz, mit dem Ziel, diesen zu beseitigen. Auf molekularer Ebene spielen bei Entzündungsreaktionen sogenannte Entzündungsmediatoren eine große Rolle. Sie können inflammatorische Prozesse einleiten, verstärken und aufrechterhalten, um so einem schädigenden Reiz wie E-Zigaretten-Aerosol oder Nikotin entgegenzuwirken. Sie wirken also proinflammatorisch [31]. Je nach Lage können Entzündungsprozesse eine Vielzahl von psychologischen, immunologischen, physiologischen oder biochemischen Folgen haben [31]. Im Hippocampus und im Diencephalon konnten einzelne Veränderungen der Entzündungsmediatoren durch pränatale E-Zigaretten-Exposition +Nik detektiert werden [32]. Im Vergleich zur Kontrollgruppe konnte eine Senkung des Interferon-gamma-Wertes (IFN-gamma) im Hippocampus weiblicher Nachkommen festgestellt werden. Des Weiteren wurde eine Senkung von IFN-gamma und dem Zytokin der Interleukinfamilie IL-4 im Diencephalon in Nachkommen beider Geschlechter gefunden [32]. Es wird angenommen, dass diese Verringerung der Immunsignale auf die gut dokumentierten immunsuppressiven Wirkungen von Nikotin auf das Zentralnervensystem zurückzuführen ist [33]. Außerdem könnte dies die Fähigkeit von Nikotin widerspiegeln, die Reifung und Funktion von T-Lymphozyten durch Aktivierung des Acetylcholin-Rezeptors zu hemmen. T-Zellen sind spezielle Lymphozyten, die eine wichtige Rolle bei der Induktion der Immunantwort spielen, wobei deren Differenzierung u. a. durch IL-4-Zytokine induziert wird [32]. Im Hippocampus und im frontalen Kortex konnte darüber hinaus eine Erhöhung des sogenannten „ionized calcium-binding-adapter molecule 1“ (Iba-1) für die Gruppe der pränatalen E-Zigaretten-−Nik-Exposition beobachtet werden [34]. Dabei handelt es sich um ein Protein, das nach Nervenverletzungen, neuronalen Ischämien und Hirnverletzungen hochreguliert ist. Als bemerkenswert angesehen wurde, dass die Senkung von Iba-1 nur für die Gruppe −Nik galt. Dies implizierte, dass in der Gruppe −Nik erhöhte Entzündungswerte vorlagen, die im weiteren Verlauf zu Schäden der neuronalen Entwicklung führen können [34]. Regionsunspezifisch konnte festgestellt werden, dass die pränatale Exposition gegenüber E-Zigaretten −Nik die Konzentration von induzierbarer Stickstoffmonoxid-Synthase (NO-Synthase) bei betroffenen Nachkommen steigerte. Eine gesteigerte NO-Synthase kann zur Dysregulation von Gehirnregulationswegen in Form von oxidativem Stress führen, wodurch es zu Schädigungen des ZNS kommen kann [35].

Ein Aspekt, der mit Tabakkonsum häufig in Verbindung gebracht wird, ist die Appetithemmung. Kinder, die pränatal Tabak ausgesetzt wurden, zeigten eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, während der Kindheit Übergewicht zu entwickeln, was auf die Effekte des Tabakentzugs zurückgeführt werden könnte [36]. In einer Studie wurde untersucht, ob sich diese Ergebnisse auch auf den Konsum von E-Zigaretten übertragen lassen. In Mäusen konnte ein erhöhtes Auftreten des Neuropeptids Y (NPY) durch mütterliche Exposition von E-Liquid −Nik beobachtet werden [35]. NPY wird im Hypothalamus produziert und gilt als Appetitstimulator. Ein erhöhtes Auftreten bei betroffenen Nachkommen kann also zu Gewichtszunahme, gegebenenfalls sogar zu Adipositas führen. Die Einnahme von Aerosol +Nik wirkte diesem Effekt entgegen. In den Nachkommen dieser Testgruppe konnten im Vergleich zu der Testgruppe, die Aerosol −Nik verabreicht bekam, postnatal keine Veränderungen der Hunger-Reaktionswege festgestellt werden. Nachkommen, die pränatal −Nik Aerosolen ausgesetzt waren, zeigten hingegen Adiposität [35]. Diese Ergebnisse deuten an, dass Aerosol und dessen chemische Bestandteile Auswirkungen auf zerebrale metabolische Prozesse zu haben scheinen. E-Zigaretten-Exposition −Nik scheint somit nicht risikofrei zu sein.


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Lunge und weitere Organsysteme

Veröffentlichungen zu den Auswirkungen auf die Lunge und weiterer Organsysteme sind [Tab. 2] zu entnehmen. Zu den Auswirkungen auf die Lunge konnten 4 Studien gefunden werden. Diese beziehen sich auf anatomische und funktionale Auswirkungen, Entzündungsprozesse und Epigenetik des Lungengewebes. Weitere Auswirkungen umfassen Ergebnisse zu kardiovaskulären sowie renalen Folgen und gesichtsmorphologischen Veränderungen.

Eine Studie zeigte, dass physiologische Prozesse, welche die Entwicklung der Lunge steuern, bei Nachkommen von Tieren, die E-Zigaretten +Nik vor der Befruchtung und ab der Befruchtung, ausgesetzt waren, herunterreguliert waren [37]. Es ist bekannt, dass dies dazu führen kann, dass sich die Lunge weniger differenziert entwickelt und ein höherer Anteil an Bindegewebe entsteht. Dies führt zu einer Einschränkung der Lungenfunktion [38]. Des Weiteren zeigte sich in Nachkommen, deren Mütter vor der Befruchtung E-Zigaretten +Nik ausgesetzt waren, zusätzlich eine erhöhte Elastizität der Lunge im Vergleich zur Kontrollgruppe. Abweichungen der Elastizität und somit die hier beobachtete erhöhte Elastizität führen zu einer erschwerten Atemtätigkeit und können Folgeerkrankungen der Lunge begünstigen [37]. Die Ergebnisse einer weiteren Studie zeigen, dass sowohl bei E-Zigaretten-Exposition +Nik als auch −Nik bestimmte Wachstumsfaktoren im Lungengewebe betroffener Nachkommen erhöht sind und DNA-Methylierungsprozesse Veränderungen aufweisen [39]. Morphometrische Analysen zeigten außerdem, dass pränatale E-Zigaretten-Exposition +Nik in der neonatalen Lunge zu vermehrten Rissen des Lungengewebes führt [37]. In-vitro-Analysen zu den Auswirkungen von verschiedenen aromatisierten E-Liquiden auf fetale und neonatale Lungenzellen der Maus zeigten, dass unterschiedliche Aromen stark variierende Zellreaktionen hervorrufen. Während die reinen Trägerstoffe keine Auswirkungen auf die Zellen zeigten, wurde in Verbindung mit Menthol- und Erdbeeraroma ein erhöhter Zelltod beobachtet [40]. Menthol verursachte zudem eine Erweiterung der Bronchien [40]. Die Erweiterung der Bronchien bedingt bei Tieren und Menschen eine insgesamt angenehmere Wahrnehmung von Atemvorgängen, sodass Symptome von Lungenerkrankungen deutlich verzögert wahrgenommen werden können [41]. Durch die Erweiterung der Bronchien wird zudem der Effekt des Passivrauchens für Neugeborene und Kleinkinder in der Nähe von E-Zigarettendämpfen verstärkt. Dies führt zu einer höheren Konzentration der Aromen, Trägerstoffen und ggf. Nikotin in der jungen, sich noch entwickelnden Lunge [40].

Weitere Ergebnisse zeigten Anzeichen, dass sowohl bei Jungtieren, deren Muttertiere pränatal als auch bereits vor der Befruchtung E-Zigaretten +Nik exponiert worden waren, mehrere inflammationsregulierende Gene verändert waren [37]. Diese Ergebnisse zeigten Anzeichen auf eine antiinflammatorische Wirkung von E-Zigaretten +Nik. Ebenso zeigten die Ergebnisse, dass auch die Exposition von E-Zigaretten +Nik vor der Befruchtung Auswirkungen auf den Nachwuchs haben können. Diese zeigten sich sowohl auf molokularer als auch auf anatomischer Ebene in Form von herunterregulierten Genen, welche die Funktion der Lunge unterstützen, und einer Erhöhung des Lungengewebes. Dies kann zu Lungenunreife und späteren Lungenerkrankungen führen [37]. Es ist bekannt, dass bestimmte proinflammatorische Zytokine bei Asthmapatienten und Patienten mit chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen erhöht auftreten. Hierzu gehören die Interleukine 1β, 3, 4, 5, 6, 13 sowie der Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-alpha [39]). Messungen direkt nach der Geburt konnten zeigen, dass Jungtiere nach pränataler E-Zigaretten-Exposition −Nik eine erhöhte Expression der Interleukine 5 und 13 sowie von TNF-alpha zeigten [39], was auf eine erhöhte Neigung zu asthmatischen Störungen hindeuten könnte. Dazu passend wurde in einer weiteren Studie getestet, inwieweit pränatale E-Zigaretten-Exposition Asthma auslöst [42]. Jungtiere, die prä- und postnatal E-Zigaretten-Aerosol +/−Nik ausgesetzt waren, wurden innerhalb eines Allergieexpositionsmodells auf ihre Lungenfunktionen und den Grad der Entzündungsreaktion getestet. Dabei wurde bei der +Nik Gruppe eine besonders hohe Empfindlichkeit auf Allergene und ein erhöhter Atemwegswiderstand gemessen. Beides kann eine Asthmasymptomatik provozieren. Die gleichen Ergebnisse konnten bei Jungtieren gemessen werden, deren Mütter vor der Befruchtung konventionellen Zigaretten und nach der Befruchtung E-Zigaretten +Nik ausgesetzt waren. Als Ursache dafür wurde ein erhöhter mitochondrialer Sauerstoffverbrauch vermutet. Dies deutet auf geschädigte Mitochondrien mit resultierendem Gewebsuntergang hin, der zu erhöhter Fibrosierung führt [42].

Bei den Untersuchungen von Chen et al. (2017) konnte an Tag 1 nach der Geburt bei Mäusen der Gruppe −Nik eine 3-mal höhere DNA-Methylierung festgestellt werden als in der Kontrollgruppe. Die Gruppe +Nik zeigte ebenfalls eine Erhöhung der DNA-Methylierung im Vergleich zur Kontrollgruppe, die jedoch weniger ausgeprägt war als die der Gruppe −Nik. Dies spricht für eine Veränderung der Genaktivität, wobei weitere Studien zeigen müssen, welche Gene betroffen sind [39].


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Kardiovaskuläres Organsystem

Untersuchungen an Nachkommen von Tieren, die von der Befruchtung bis zum Ende der Stillzeit E-Zigaretten-Aerosolen mit oder ohne Nikotin ausgesetzt waren, zeigten keine Veränderungen der Herzfrequenz. In der Gruppe mit E-Zigaretten +Nik wurde jedoch ein verminderter Blutfluss durch 2 Arterien, die den Fetus mit sauerstoffreichem Blut versorgen, festgestellt [43]. In neugeborenen Zebrafischen führte pränatale Exposition gegenüber E-Liquid +Nik zu schweren Herzfehlbildungen, verminderter Herzfunktion sowie zu Perikardergüssen [44]. Letzteres umfasst eine Flüssigkeitsansammlung im Herzbeutel, die zu der Reduktion des Herzminutenvolumens führt [45]. Es wurde zudem eine verminderte Expression kardialer Transkriptionsfaktoren gefunden. Dies führt zu einer verzögerten Differenzierung und Entwicklung der Herzzellen, wodurch es zu Herzfehlern kommen kann. In den Herzmuskelzellen wurde zusätzlich eine reduzierte Expression der Gene, die Muskelbestandteile kodieren, festgestellt [46]. Dies resultiert in einer verringerten Anzahl an kontraktilen Einheiten des Muskels. In der Folge können sich die Herzmuskelzellen nur eingeschränkt entwickeln und der Herzmuskel wird weniger leistungsfähig [47].


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Renales Organsystem

Pränatale E-Zigaretten-Exposition führte laut einer Analyse mit Mäusen zu einer geringeren Dichte an Nierenkörperchen bei betroffenen Nachkommen. Dieser Befund indiziert, dass die Niere weniger weit entwickelt ist und die Nierenfunktionen, darunter die Filterfunktion, die Regulation von Wasser-, Nährstoff- und Elektrolythaushalt sowie des Blutdrucks, eingeschränkt sind [48]. Das oxidative Stresslevel in Zellen der Niere war nur bei Jungtieren, deren Mütter E-Zigaretten −Nik ausgesetzt waren, erhöht [48]. Darüber hinaus war das Entzündungsgeschehen in der Niere in allen Jungtieren, die pränatal E-Zigaretten ausgesetzt waren, erhöht. Eine anhaltende Entzündungsreaktion führt zu zunehmender Vernarbung und Fibrosierung, also dem Ersatz von funktionellem Gewebe durch Bindegewebe. Trotz der erhöhten Expression auf Genebene war insgesamt jedoch kein verstärktes Auftreten von Bindegewebe feststellbar. Allerdings gilt dies nur für die Jungtiere und verhält sich in weiter fortgeschrittenen Entwicklungsphasen gegebenenfalls anders [48].


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Gesichtsmorphologische Veränderungen

Eine Forschungsarbeit analysierte Auswirkungen von pränataler E-Zigaretten-Exposition auf die kraniofaziale Morphologie von Krallenfröschen. Getestet wurden reine E-Liquide mit unterschiedlich hohen Nikotinkonzentrationen und 6 im Handel erhältliche aromatisierte E-Liquide mit untereinander vergleichbarer Nikotinkonzentration [49]. Die Analyse zeigte, dass die Exposition des reinen E-Liquids mit allen Nikotinkonzentrationen zu Veränderungen führte. Beobachtet werden konnten rundere Münder sowie enger zusammenliegende Augen. Die Veränderungen waren deutlicher in der Gruppe, deren Müttern das E-Liquid mit der höchsten Nikotinkonzentration (24 mg/ml) verabreicht wurde [49]. Vier der 6 handelsüblichen Liquide führten vergleichbar zu unbedeutsamen Veränderungen der Gesichtsmorphologie. Zwei E-Liquide führten jedoch zu signifikanten Veränderungen hinsichtlich hervorstehender Augen, einem schmaleren Mittelgesicht und einem runderen, schmaleren Mund mit einer dreiecksförmigen Oberlippe. Die signifikanten Unterschiede können nicht durch einen höheren Nikotingehalt erklärt werden, da alle 6 Liquide einen vergleichbaren Nikotingehalt hatten [49]. Auch die Exposition mit diesen 2 Liquiden −Nik führte zu einer signifikanten Gesichtsdeformation, wenn auch geringfügiger als durch die Exposition zu einem Liquid mit einem hohem Nikotingehalt [49].


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Geburtsparameter

Im Folgenden werden die Auswirkungen pränataler Exposition von E-Zigaretten auf Geburtsparameter wie das Geburtsgewicht oder die Wurfgröße betroffener Nachkommen angegeben. Von den insgesamt 17 untersuchten Veröffentlichungen haben 12 Hinweise zu diesen Parametern gegeben, die [Tab. 3] zu entnehmen sind.

In 4 der 17 untersuchten Studien konnten weder Totgeburten noch eine erhöhte infantile Sterblichkeit beobachtet werden [21], [22], [29], [32], [37]. Dies bezieht sich sowohl auf maternale pränatale E-Zigaretten-Exposition ab dem Zeitpunkt der Befruchtung als auch auf die beider Elternteile Wochen vor der Befruchtung. Untersuchungen beim Zebrafisch konnten in der Gruppe E-Liquid +Nik allerdings eine verminderte Überlebensrate innerhalb der ersten 72 Stunden feststellen [46].

Mehrmals wurde ein reduziertes Geburtsgewicht in Verbindung mit +Nik pränataler E-Zigaretten-Exposition gebracht [21], [22], [37], [43], [48]. In einer Studie waren die Muttertiere vor der Geburt konventionellem Tabak ausgesetzt [21]. Gegen die Vermutung, dass das Geburtsgewicht vor allem durch einen hohen Nikotingehalt gesenkt wird, sprechen die Ergebnisse von Smith et al. (2015). In dieser Studie führte die pränatale Exposition von +Nik und −Nik zu einer Reduktion des Geburtsgewichts, wobei dieser Effekt für −Nik gegenüber +Nik sogar verstärkt war [21]. Gewichtsmessungen im Erwachsenenalter ergaben jedoch einheitlich, dass sich jegliche Geburtsgewichtsunterschiede im späteren Leben normalisieren [21], [22], [32], [39]. Neben dem Körpergewicht wurde auch das Gewicht der Leber und Nieren gemessen. Die Messung 1 Tag nach der Geburt ergab keine Unterschiede des Lebergewichts zwischen den Testgruppen. Im Alter von 20 Tagen ergaben Messungen, dass passive prä- und postnatale E-Zigaretten-+Nik-Aerosol-Exposition mit einem höheren Lebergewicht, prozentual zum Körpergewicht, korrelierten. Im Erwachsenenalter wurde bei den Nachkommen der Gruppe mit E-Liquid −Nik, verglichen mit der Kontroll- und E-Liquid-+Nik-Gruppe, ein signifikant vermindertes Lebergewicht festgestellt [35]. Pränatale Exposition gegenüber E-Zigaretten +Nik zeigte zu keinem Zeitpunkt eine Veränderung des Nierengewichts [48].

Die Verteilung der Fettspeicher wird in Tierstudien oft untersucht, da sie Auskunft über Anzeichen von Adiposität gibt [48]. Messungen im Alter von 1 Tag ergaben keine Unterschiede der Fettverteilung zwischen den Testgruppen [50]. Bei 20 Tage alten Mäusen, die pränatal der E-Liquid-Gruppe −Nik zugeordnet wurden, ergaben Messungen einen erhöhten Abdominalfettwert [39]. Die gleiche Testgruppe zeigte in einer weiteren Studie einen erhöhten Wert der Fettgewebe in der Region des Epididymis [35]. Die Epididymis-Region erstreckt sich in Mäusen seitlich von den Hoden bis zum Diaphragma [39]. Unabhängig des Nikotingehalts konnte pränatale E-Zigaretten-Exposition zudem mit einer erhöhten Fettmasse in der Bauchhöhle in Verbindung gebracht werden. Im Erwachsenenalter normalisierten sich diese Befunde, jedoch konnte die Erhöhung der Fettmasse in der Bauchhöhle bei Nachkommen, die pränatal +Nik oder −Nik E-Zigaretten-Aerosolen ausgesetzt waren, beobachtet werden [50].

Messungen der Körperlänge an postnatal Tag 1 zeigte in 2 Studien eine signifikante Reduktion der Körpergröße nach pränataler E-Zigaretten-Exposition +Nik [39]. Die Ergebnisse von Nöel et al. (2020) zeigten keine signifikanten Unterschiede nach pränataler Exposition ab der Befruchtung sowie nach 12 Tagen vor der Befruchtung.


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Kognition und Verhalten

In dem folgenden Abschnitt werden die Auswirkungen pränataler E-Zigaretten-Exposition auf Kognition und Verhalten betroffener Nachkommen angegeben. Von den insgesamt 17 untersuchten Studien haben 5 hierzu Hinweise gegeben. Diese sind [Tab. 4] zu entnehmen.

Veränderungen des Kurzzeitgedächtnisses bei Mäusen können durch den Novel-Object-Recognition-Test gemessen werden. Hierbei wird das Testobjekt in eine Box mit 2 identischen Blöcken platziert. Nach einer Gewöhnungsphase wird einer der Blöcke durch einen Block mit unterschiedlicher Form und Farbe ersetzt. Gemessen wird die Explorationszeit des neuen Blockes. Grundlage des Tests ist die Annahme, dass Einschränkungen des Kurzzeitgedächtnisses, wodurch der alte Block nicht als bekannt erinnert wird, dazu führen, dass nach dem Wechsel beide Blöcke gleich lang exploriert werden [35]. Adoleszente Mäuse, die pränatal E-Zigaretten-Dampf ausgesetzt waren, zeigten bei der Testung eine signifikante Verschlechterung der Objektwiedererkennung [22]. Dies zeigt sich für die +Nik und −Nik im Vergleich zur Kontrollgruppe [22] und konnte im Erwachsenenalter der Tiere [32] repliziert werden. Weiterhin wurden Mäuse untersucht, die bis zur Befruchtung konventionellen Zigaretten exponiert waren und dann, weitergehend ab der Befruchtung, E-Zigaretten +Nik exponiert waren. Beobachtet wurde hier eine deutlich eingeschränkte Objektwiedererkennung im Erwachsenenalter [29]. Unter Anwendung des Open-Field-Tests, durch den die Bewegungsaktivität gemessen wird, konnte in einer Studie, im Vergleich zu der Kontrollgruppe, eine deutlich erhöhte Aktivität in Nachkommen festgestellt werden, die pränatal E-Zigaretten-Rauch +Nik ausgesetzt waren [22]. Hinsichtlich der Übertragung auf den Menschen könnten diese Ergebnisse Hinweise darauf geben, dass im weiteren Entwicklungsverlauf die Entstehung von Störungsbildern wie ADHS begünstigen werden könnten. Dies bleibt jedoch unklar und bedarf weiterer Forschung [22]. Unter Anwendung des Elevated-Plus-Maze-Tests legten Mäuse, die pränatal E-Liquid +Nik sowie E-Liquid −Nik ausgesetzt waren, eine signifikant weitere Distanz zurück als die Kontrollgruppe [21]. Der gleiche Effekt konnte auch für Mäuse in der Adoleszenz festgestellt werden [51]. Der Elevated-Plus-Maze-Test besteht aus einer Box mit 4 Gängen, die aus der Vogelperspektive einem Plus-Zeichen gleicht. Die Hälfte der Gänge ist von Wänden umgeben, die andere Hälfte besteht nur aus Boden. Ausschlaggebend für die Testung von Angstverhalten ist, dass ein längerer Aufenthalt in den offenen Gängen und das Zurücklegen einer weiteren Distanz als ein niedriges Angstverhalten interpretiert wird [32].Eine weitere Studie bestätigte diese Ergebnisse. Mäuse, die pränatal sowohl E-Liquid +Nik als auch −Nik exponiert waren, zeigten einen längeren Aufenthalt in den Gängen. Dieses Verhalten kann darauf hindeuten, dass pränatale E-Zigaretten-Exposition das Angstverhalten von Mäusen unabhängig des Nikotingehalts vermindert [29]. Ein signifikant längerer Aufenthalt in den offenen Gängen konnte bei Tieren im Jugendalter, die pränatal E-Liquid +Nik exponiert waren, festgestellt werden [51]. Der gleiche Effekt zeigte sich bei Mäusen, deren Mütter ab der Befruchtung von konventionellem Tabak auf E-Liquid-+Nik-Exposition umgestellt wurden [21]. Die Ergebnisse von Nguyen et al., 2019, und Smith et al., 2015, weisen somit darauf hin, dass die Nachkommen, die pränatal E-Zigaretten-typischen Aerosolen mit oder ohne Nikotin ausgesetzt waren, aktiver und weniger ängstlich sind und mit größerer Wahrscheinlichkeit unterschiedliche Umgebungen erkunden. Weitere Messwerte verringerten Angstverhaltens werden in der Literatur in Form von Verhaltensweisen wie Körperdehnungen, das Aufstellen auf die Hinterpfoten sowie das Stupsen des Kopfes beschrieben [32], [51]. Stupsbewegungen des Kopfes konnten vermehrt bei Jungtieren beobachtet werden, die pränatal E-Liquid +Nik ausgesetzt waren [21]. Ergebnisse über das Auftreten von Körperdehnungen im Rahmen des Elevated-Plus-Tests unterschieden sich bei offenen und geschlossenen Gängen. Während die Bewegungen in den geschlossenen Gängen bei allen Versuchsgruppen gleich oft beobachtet werden konnten, führten Tiere der Versuchsgruppe pränataler E-Liquid-Exposition −Nik die Bewegung in offenen Gänge signifikant öfter aus [21], [51]. Ergebnisse zu den Auswirkungen hinsichtlich der Angstsymptomatik scheinen im weiteren Entwicklungsverlauf nicht eindeutig. Ein verringertes Angstverhalten, gemessen an der gesteigerten Dauer des Aufenthaltes in offenen gegenüber geschlossenen Gängen, konnte in der Adoleszenz nach pränataler E-Liquid-Exposition unabhängig vom Nikotingehalt erneut gemessen werden. Der 2. Messwert ergab bei pränataler Nikotinexposition ein vermehrtes Auftreten explorativer Stupsbewegungen des Kopfes. Zudem wurde die Körperdehnung bei pränataler E-Liquid-Exposition −Nik sowie Tabakexposition gefördert. Bezüglich des Verhaltens zeigten die aufgeführten Studien, dass dieses durch pränatale E-Liquid-Exposition zwar beeinflussbar zu seien scheint, diese Veränderungen jedoch insgesamt unabhängig vom Nikotingehalt zu bemerken waren.


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Diskussion

Diese Arbeit diskutiert 17 Forschungsarbeiten zu den Auswirkungen von pränataler E-Zigaretten-Exposition der letzten 10 Jahre. Darunter wurden Forschungsarbeiten zu neurobiologischen Auswirkungen (n = 8) und Forschungsarbeiten zu den Auswirkungen auf die Lunge und weitere Organsysteme gefunden (n = 8). Einige der insgesamt 17 Studien gaben zusätzlich Auskunft über Auswirkungen auf Geburtsparameter (n = 12) und Auswirkungen auf Kognition und Verhalten (n = 5). Bei allen Forschungsarbeiten handelte es sich um Tierversuche oder In-vitro-Studien. Humanstudien fanden sich in der aktuellen Literatur bisher nicht wieder.

Vergleich zu Auswirkungen konventioneller Zigaretten

Ein konkreter Vergleich der Auswirkungen von pränataler Exposition gegenüber E-Zigaretten und konventionellen Zigaretten ist aktuell aufgrund fehlender Humanstudien limitiert. Bisherige Ergebnisse pränataler E-Zigaretten-Exposition, die auf In-vitro- und Tierstudien basieren, sind nicht vollständig auf den menschlichen Organismus übertragbar und dementsprechend nicht direkt mit denen von konventionellen Zigaretten zu vergleichen [52], [53]. Die geringe Anzahl der gefundenen Studien und die nicht vorhandenen Humanstudien könnten sich durch die Tatsache erklären lassen, dass E-Zigaretten erst seit 2007 als Produkt auf dem Markt erhältlich sind und erst in den letzten Jahren an Popularität gewonnen haben [54]. Die meisten In-vitro- und Tierstudien deuten auf eine potenzielle Gefahr für den sich entwickelnden Fetus hin, primär aufgrund des konsumierten Nikotins [7], [16]. Diese Substanz ist ebenso wie bei konventionellen Zigaretten ein Hauptbestandteil der E-Zigarette. Somit könnten Folgeschäden, die anhand von Humanstudien durch pränatale Exposition konventioneller Zigaretten und nikotinhaltiger Tabakprodukte bekannt sind, auch durch nikotinhaltige E-Zigaretten verursacht werden.

Nikotin passiert die Plazenta und verteilt sich so im fetalen Organismus. Daraufhin kann es durch den Fetus nur langsam eliminiert werden, was zu einer höheren Exposition führt [55]. Humanstudien belegen, dass Nikotinexposition eine der Hauptursachen für ein breites Spektrum negativer und pathologischer Geburtsergebnisse wie ein niedriges Geburtsgewicht, Fehl- und Totgeburten ist [3], [55]. Weiterhin wird in der Literatur über ein signifikant erhöhtes Risiko für plötzlichen Kindstod, Fettleibigkeit, Typ-2-Diabetes [3], [56] und eine Verringerung der männlichen Reproduktionsfähigkeit [57] und früheren Menarche bei Mädchen [56] berichtet. Nikotinkonsum während der Schwangerschaft beeinflusst verschiedene physiologische Parameter bei Schwangeren, was zu einem Sauerstoffmangel beim Fetus führt. Es reduziert dessen Nährstoffversorgung durch eine nikotinbedingte uteroplazentare Durchblutungsstörung [56]. Infolgedessen kann ein breites Spektrum von Atemwegserkrankungen wie Bronchitis oder Asthma auftreten [3], [56]. Durch das Überqueren der Plazentaschranke beeinflusst Nikotin außerdem die neuronale Entwicklung über das Neurotransmittersystem [56]. Aufgrund der hohen Ähnlichkeit von Nikotin zu dem Neurotransmitter Acetylcholin wird angenommen, dass Nikotin an seine Rezeptoren bindet [58], [59]. Nikotinacetylcholinrezeptoren sind an der Entwicklung verschiedener Neurotransmittersysteme beteiligt, die durch Nikotinkonsum dysreguliert werden [59]. Dadurch kann es zu Fehlern in der Verarbeitung grundlegender kognitiver Prozesse wie Lernen, Gedächtnis und Aufmerksamkeit kommen [60]. Weitere Effekte, die sich in späteren Entwicklungsstadien bemerkbar machen können, sind Verhaltensauffälligkeiten wie eine geringere globale Intelligenz [56], oder Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen (ADHS). Allein durch die bekannten Auswirkungen des Nikotins wird deutlich, dass der Konsum nikotinhaltiger E-Zigaretten weniger einer alternativ-sicheren Möglichkeit zur Entwöhnung konventioneller Zigaretten dient, sondern vielmehr zu genannten Folgeschäden bei betroffenen Nachkommen führen kann.

Tabakrauch konventioneller Zigaretten enthält neben Nikotin zahlreiche weitere Schadstoffe. Etwa 40 von diesen sind fetotoxisch, einschließlich Teer und Kohlenmonoxid [61]. Elektronische Nikotinabgabesysteme sind nicht brennbar und es wird angenommen, dass sie im Vergleich zu konventionellen Zigaretten entsprechend weniger Toxine wie Kohlenmonoxid enthalten [62]. Allerdings sind neben dem Nikotingehalt auch weiteren Inhaltstoffe der E-Zigarette und deren Wirkungsweise zu beachten. Viele der Untersuchungen über die Auswirkungen von pränataler E-Zigaretten-Exposition auf den Fetus beziehen sich lediglich auf die Auswirkungen von reinem Nikotin und nicht auf das E-Zigaretten-Aerosol als Ganzes. Dennoch gibt es auch Hinweise auf Folgeschäden, die nicht auf das Nikotin, sondern auf die weiteren Bestandteile von E-Zigaretten wie Aromen und Trägerstoffe zurückzuführen sind [22], [48]. Neben Nikotin enthalten die zu konsumierenden Liquide der E-Zigaretten Trägerstoffe wie Propylenglykol und Glycerin sowie verschiedene Aromen. Propylenglykol und Glycerin sind farblose viskose Flüssigkeiten süßen Geschmacks. Die Effekte, die durch das Einatmen dieser Trägerstoffe hervorgerufen werden, sind noch unbekannt, weshalb ein negativer Effekt nicht auszuschließen ist. Einige der aromatisierten „Säfte“ können zudem noch reizender für die Lunge sein als die Inhaltsstoffe konventioneller Zigaretten. Außerdem scheinen Aromen sich unterschiedlich auszuwirken. Dies zeigte sich anhand von Untersuchungen des Lungengewebes betroffener Nachkommen, wobei zwar Menthol- und Erdbeeraroma, nicht aber Tabak- oder Vanillearoma einen erhöhten Zelltod verursachten [40]. Am gesundheitsschädlichsten scheint das Kirscharoma zu sein, da es Benzaldehyde enthält, die fetotoxisch wirken [63]. Bisherige Erkenntnisse sind noch durch weitere Forschung anhand von Humanstudien zu ergänzen. Jedoch lässt sich die Annahme, dass die E-Zigarette als sicherere Alternative gegenüber herkömmlichen Zigaretten einzuordnen ist, ausschließen.


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Methodische Limitationen

Die vorliegende Übersichtsarbeit weist im Hinblick aktueller Forschungsergebnisse einige Limitationen auf. Studien zu Untersuchungen von Auswirkungen pränataler E-Zigaretten-Exposition zeigen eine methodische Heterogenität hinsichtlich bestimmter Aspekte. Beispielsweise werden verschieden lange Expositionszeiträume angewandt, bei denen die tragenden Tiere dem Liquid der E-Zigarette ausgesetzt werden. Hierdurch variiert die Intensität der Exposition, die sich dementsprechend auch auf das Ausmaß der zu beobachtenden Effekte bei den Nachkommen auswirkt. Hinzu kommt eine bisher unzureichende Erforschung der Trägerstoffe und Aromen der Liquide der E-Zigarette. Während der Vergleich zu konventionellen Zigaretten bisher primär hinsichtlich der Substanz Nikotin gezogen werden kann, fehlt es an ausreichend Studien, welche die Auswirkungen von Trägerstoffen und verschiedenen Aromen untersuchen. In der bisherigen Literatur gibt es bereits Hinweise darauf, dass es zu negativen Auswirkungen, bedingt durch Trägerstoffe und Aromen, kommen kann [22], [40], [48]. Hierzu ist jedoch noch wenig bekannt.

Zudem fehlt es der aktuellen Literatur eindeutig an Humanstudien. Durch noch unzureichend dokumentierte Prävalenzen von E-Zigaretten-Konsum allgemein und während der Schwangerschaft ist ein konsistenter, globaler Vergleich nicht möglich. Dies erschwert adäquate Präventionsansätze betreffend entsprechender Zielgruppen. Darüber hinaus lassen sich noch keine eindeutigen Aussagen zu den Effekten pränataler E-Zigaretten-Exposition auf betroffene Nachkommen tätigen.

Die Transferierbarkeit von Ergebnissen aus Tierstudien auf den menschlichen Körper sowie zwischen verschiedenen Tierarten ist umstritten. Mäuse und Affen ähneln dem Menschen aufgrund einer vergleichbaren evolutionären Entwicklung [52]. Zudem besitzen Mäuse die gleichen Organe sowie ähnlich funktionierende Kreislauf-, Fortpflanzungs-, Verdauungs-, Hormon- und Nervensysteme wie der Mensch. Durch diese Ähnlichkeiten kann es dazu kommen, dass speziell Mäuse Krankheiten entwickeln, die dem äquivalenten Krankheitsbild der Menschen sehr nah kommen. Somit lassen sich die Ergebnisse aus Mausmodellen teilweise auf den Menschen übertragen [53]. Im Rahmen von Tiermodellen ist es möglich, experimentell vielseitig zu arbeiten, trotzdem ist es wichtig, Humanstudien zu den Auswirkungen von E-Zigaretten auf die frühe Entwicklung anzustreben. Das bisherige Fehlen von Humanstudien mag damit zusammenhängen, dass der Konsum von E-Zigaretten noch nicht flächendeckend als unsichere und potenziell schädliche Alternative zu herkömmlichen Zigaretten gesehen wird und dieser Ansatz medizinisch vertreten wird.

Insbesondere in Bezug auf die E-Zigaretten-Exposition lassen sich auch methodische Limitationen in den Tierversuchsmodellen feststellen. Im Gegensatz zu Menschen werden Versuchstiere dem E-Zigaretten-Aerosol, während sie sich in einer dafür vorgesehenen Apparatur befinden, in Form eines Passivkonsums ausgesetzt. Bei der nasalen Inhalation werden zusätzliche Luftpartikel eingeatmet, die die Ergebnisse beeinflussen können. Obwohl nicht ausreichend untersucht ist, inwiefern dies von Bedeutung ist, scheint darin ein methodischer Nachteil der Tierstudien im Vergleich zu Humanstudien zu liegen [32]. Ein weiterer Aspekt, der bei Untersuchungen anhand von Tiermodellen beachtet werden sollte, ist, dass sich die Entwicklung des Gehirns von der des humanen Organismus unterscheidet. Die Entwicklungsphase, die im menschlichen Fetus im 3. Trimenon abgeschlossen wird, dauert bei Mäusen bis in die postnatale Zeit an. Übertragen auf den humanen Organismus handelt es sich bei Ergebnissen von Tierexperimenten bezüglich früher postnataler Phasen somit noch um den vorgeburtlichen Zeitraum bei humanen Organismen [32].


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Implikationen für weitere Forschung und klinische Praxis

Eine zunehmend angeglichene methodische Vorgehensweise mit beispielsweise kohärenten Expositionszeiträumen von E-Liquiden könnte zu einer besseren Vergleichbarkeit der Studien untereinander führen. Primär bei Tiermodellstudien ließen sich methodische Verfahren vereinheitlichen, da Expositionszeiträume und auch -medien einheitlich angewandt werden können. Bei humanen Stichproben ist dies hingegen limitiert. Hier könnte für zukünftige Forschung darauf geachtet werden, Prävalenzen des Konsums von E-Zigaretten sowie Auswirkungen auf betroffene Nachkommen einheitlich zu erfassen. Zur Erfassung der genauen Prävalenzen bedürfe es einheitlicher Definitionen von Konsummengen wie geringe, moderate oder große Mengen und bestenfalls Messungen des Gehalts der toxischen Substanzen durch Biomarker. Anhand von Fragebögen ließe sich, wie in aktuellen Untersuchungen von Schilling et al. [5], die Risikoeinschätzung des E-Zigaretten-Konsums untersuchen. Dies könnte zu der Entwicklung adäquater Präventionsmaßnahmen beitragen.

Des Weiteren ist es essenziell, Humanstudien zu etablieren, um die bisherigen Erkenntnisse der In-vitro- und Tierstudien zu überprüfen. Dies würde die Vergleichbarkeit zu konventionellen Zigaretten hinsichtlich der Auswirkungen auf humane Nachkommen vereinfachen, und die Auswirkungen der E-Zigaretten-Exposition könnten entsprechend eindeutiger in den Forschungskontext eingeordnet werden.

Primär bildet die aktuelle Literatur negative Einflüsse des Nikotins als Bestandteil von E-Zigaretten ab (z. B. [23]). Aufgrund der zusätzlich enthaltenen Trägerstoffe und Aromen wäre es ebenfalls essenziell, die Auswirkungen dieser weiter zu beforschen. Dies ist besonders wichtig für eine hinreichende Risikobewertung des E-Zigaretten-Konsums während der Schwangerschaft.

In der klinischen Praxis sollte basierend auf aktuellen Forschungsergebnissen präventiv über mögliche zahlreiche Folgeschäden aufgeklärt werden. Bei einer Abfrage der Risikoeinschätzung und entsprechender Beratung der Schwangeren können auch Parallelen zu konventionellen Zigaretten aufgezählt werden, die hinsichtlich des Nikotins bereits als fetotoxische Substanz bekannt sind. Hier könnte verdeutlicht werden, dass die E-Zigarette nicht mehr als eine zu Beginn angegebene sichere Alternative konsumiert werden kann, sondern dies bereits durch aktuelle Forschungsergebnisse widerlegt ist. Dies könnte unterstützt werden, indem darauf aufmerksam gemacht wird, dass auch gesundheitsbezogene Institutionen wie die WHO die Empfehlung aussprechen, keine E-Zigaretten während der Schwangerschaft zu konsumieren. Auch sollte darüber aufgeklärt werden, dass der Konsum bei der Planung oder Möglichkeit einer Schwangerschaft bereits eingestellt werden sollte, um frühe Schwangerschaftsabbrüche oder Folgeschäden betroffener Nachkommen zu vermeiden. Dies könnte im Rahmen gynäkologischer Vorsorgeuntersuchungen und Schwangerschaftsscreenings durch Hebammen und Gynäkologen sowie in der Praxis weiterer Berufsgruppen sozialer und medizinischer Bereiche realisiert werden.


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Schlussfolgerung

Die Analyse des aktuellen Forschungsstandes verdeutlicht, dass eine Vielzahl von Auswirkungen von E-Zigaretten und deren Inhaltstoffen auf die fetale Entwicklung bekannt ist. Bisherige Ergebnisse basieren jedoch ausschließlich auf In-vitro- und Tiermodellen, von deren Übertragbarkeit auf den Menschen nicht vollständig auszugehen ist. Humanstudien sind anzustreben, um fundierte Schlussfolgerungen für humane Organismen zu etablieren. Neben einer studienübergreifenden, kohärenten methodischen Vorgehensweise sollte die Erforschung von im Liquid der E-Zigaretten enthaltenden Trägerstoffe und Aromen weiter angestrebt werden, um deren Wirkungsweise zu kennen. Hierzu existieren bereits Ergebnisse, welche die pränatale Exposition von Trägerstoffen oder Aromen auch ohne Nikotin als schädlich bestätigen. Auf der Grundlage bereits vorhandener Übersichtsarbeiten in Kombination mit den recherchierten Ergebnissen ist schlussfolgernd von einem negativen und vielseitigen Einfluss pränataler E-Zigaretten-Exposition auszugehen. Diese Arbeit ergänzt vorherige Übersichtsarbeiten durch eine deutschsprachige Version, die ein breites Spektrum relevanter Berufsgruppen anspricht. Bisher ist der Konsum von E-Zigaretten und damit verbundene Folgen kein Bestandteil der Schwangerschaftsberatung. Es ist von zentraler Bedeutung, Berufsgruppen, die in der Begleitung von Schwangeren tätig sind, darunter Hebammen, Psychologen und Ärzte, fundierter über aktuelle Ergebnisse aufzuklären. Diese sollten an die Allgemeinheit weitergegeben werden. Dadurch kann sichergestellt werden, dass Schwangere umfassend in Bezug auf den Konsum von E-Zigaretten und mögliche Risiken beraten werden.


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Conflict of Interest/Interessenkonflikt

The authors declare that they have no conflict of interest./Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

Das dieser Übersichtsarbeit zugrunde liegende Projekt wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01NV1601C gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autor/-innen. Kofinanziert wird das Projekt von der Stadtgemeinde Bremen und der Jacobs Foundation. Wir danken Prof. Dr. Michael Koch für wichtige Hinweise zum Manuskript.

Supporting Information


Correspondence/Korrespondenzadresse

Pia Römer
University of Bremen
Bremer Initiative to Foster Early Child Development
Department 11
Mary-Somerville-Straße 3
28359 Bremen
Germany   

Publication History

Received: 22 February 2021

Accepted after revision: 08 June 2021

Article published online:
04 November 2021

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