Die Wirbelsäule 2023; 07(02): 66-68
DOI: 10.1055/a-1536-9000
Referiert und kommentiert

Kommentar zu: Thorakolumbale Anlage von Pedikelschrauben im Hybrid-Operationssaal

Cornelius Jacobs
1   Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, St. Remigius Krankenhaus Opladen, Leverkusen, Deutschland
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In der Studie wird ein Operationsalgorithmus beschrieben, mit dem in 99% eine korrekte Pedikelschraubenplatzierung erreicht wurde. Es kommt bei dem Algorithmus zunächst die fluoroskopische (ap Strahlengang) 2D Technik zur Anwendung. Bei schlechter Sichtbarkeit wird die Navigation basierend auf einem intraoperativen 3D Scan zur Hilfe genommen.

Bei der Auswertung wurde die K-Draht-Lage (1,45mm) analysiert. Die Tabelle 1 und der Absatz K-Wire correction führen allerdings zu einem Missverständnis. Es wurde nicht jeder Draht einzeln analysiert, auch wenn der Satz: „63 out of 326 k-wires needed correction like shown in table1.” dies suggeriert. Gemeint ist, dass bei 63 von 326 Patienten mindestens einer der Drähte korrigiert wurde. Es kommen bei jedem Patienten jedoch mindestens 4 Drähte zur Anwendung. Die wirkliche Anzahl korrigierter Drähte dürfte somit deutlich über n=63 liegen. Wieso hier nur pauschal pro Patient und nicht jeder Draht einzeln ausgewertet wurde, ist unklar. Schließlich wird bereits im Titel von n=1745 Pedikelschrauben gesprochen.

Dass die Navigation vermehrt im oberen BWS Bereich eingesetzt wurde und sich dort Drahtfehllagen häufen, ist aufgrund der enger werdenden Anatomie logisch. Umso interessanter wäre eine Aufarbeitung der einzelnen Pedikeldurchmessser und tatsächlichen Anzahl von K-Draht Fehllagen. Durch genaue Messung der Pedikelbreite in Korrelation zur Drahtlage nach Gertzbein und Robbins ließe sich ein Schwellenwert berechnen, unterhalb welchem das Risiko einer Fehlplatzierung mit Auftreten einer Pedikelperforation signifikant steigt (z.B. in Millimetern). Dieser Schwellenwert könnte bei zukünftigen Operationen als Risikofaktor mit in Erwägung gezogen werden, um sich bereits präoperativ dem Risiko einer wahrscheinlichen Fehllage mit Verletzung der Pedikelwand bewusst zu werden.

Durch den Algorithmus gelang es eine der geringsten Raten an Pedikelschraubenfehllagen (in 0,9% <2mm Perforation) zu erreichen. Wieso allerdings 19.3% der initialen K-Drähte (mit Fluoroskopie bei gut sichtbaren Pedikeln oder mit Navigation) korrigiert werden mussten, wird nicht erläutert. Durch den ersten 3D Scan wurden die Fehllagen erkannt und ohne Nennung der weiteren OP-Technik korrigiert (navigiert, fluoroskopisch assistiert?). Daher ist nicht klar, wie es nach dem Scan von dem initial hohen Anteil an Fehllagen zu dem Wert von nur noch 0.9% Fehllagen kommt. Wieso gelang beim 2. Ansatz die korrekte Positionierung? Was wurde geändert?

Die Studie hatte nicht zum Ziel Schraubenlagen nach navigierter oder fluoroskopischer Technik miteinander zu vergleichen. Die Aussage der Tabelle 2 (Comparison of navigated and non-navigated procedures) führt zu dem Eindruck, dass die Navigation zu schlechterer Präzision führt. Die Navigation wurde allerdings erst in Fällen (16.9%) mit fluoroskopisch nicht mehr darstellbaren Pedikeln hinzugezogen. Hier ist also von erschwerten anatomischen Verhältnissen auszugehen. Die Ergebnisse, dass unter Navigation (18/55=32.7%) signifikant vermehrte Fehllagen als bei nicht navigierten Verfahren (45/271=16.6%) entstehen würden, führen zu einer Fehlinterpretation. Vielmehr war es nur mit Hilfe der Navigation möglich in 16.9.% schwierigen Fällen noch K-Drähte korrekt zu platzieren, wenn auch mit etwas geringerer Trefferquote. In der Diskussion wird dieser Sachverhalt zwar angesprochen, der Fehleindruck sollte jedoch gar nicht erst erzeugt werden. Das Studiendesign ist nicht für einen Vergleich Navigation vs. Fluoroskopie ausgelegt.

Es könnten auch technische Fehler wie gelockerte Referenzklemmen bei der Navigation oder ein erhöhter BMI die Operationsbedingungen beeinflussen. Eine Auswertung dieser Daten wäre sehr interessant.

Fast ein Fünftel der Patienten (n=63) haben mindestens 2 intraoperative 3D Scans und ein postoperatives CT erhalten. Die angegebene Strahlenbelastung von durchschnittlich 13.3mSv betrifft nur die intraoperativ entstandene Belastung. Zur Berechnung der gesamten Strahlendosis muss die der postoperativen CT mit einberechnet werden. Die Gesamtbelastung wird ansonsten unterschätzt. Meines Erachtens sollte durch die intraoperative 3D Bildgebung ein postoperatives CT verzichtbar sein. In der Ersparnis einer postoperativen CT liegt einer der wesentlichen Vorteile der intraoperativen 3D Bildgebung. Zudem werden Revisionsoperationen vermieden. Daher wäre im Algorithmus zu überlegen, ob ein intraoperativer 3D Scan nach der Pedikelschraubenimplantation erfolgen sollte. Dessen Strahlendosis ist geringer als die einer postoperativen CT und es kann nicht nur der Draht, sondern die tatsächliche Schraubenlage intraoperativ beurteilt werden.

In der Studie wird ein Algorithmus vorgestellt, mit dem in einem Hybrid OP in 99,1% eine korrekte Pedikelschraubenlage erzielt werden konnte. Dieses Ergebnis ist vor allem der Navigation in schwierigen Fällen zu verdanken. Diese Perfektion rechtfertigt die hohe Strahlenbelastung und vermeidet Revisionsoperationen. Dass die Anwendung einer intraoperativen Navigation und 3D Bildgebung sich nicht erlössteigernd auswirken, ist aufgrund der hohen Anschaffungskosten weiterhin sehr bedauerlich. Durch einen intraoperativen 3D Scan nach Schraubenplatzierung könnte ggf. auf eine postoperative CT verzichtet werden, um die Strahlendosis weiter zu reduzieren.



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Article published online:
02 May 2023

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