Der Doppellumentubus kommt besonders häufig bei thoraxchirurgischen Eingriffen zum
Einsatz und ermöglicht u. a. eine perioperative Lungenisolation. Eine der gefährlichsten
Komplikationen dieser Tuben sind Atemwegsrupturen, die zwar sehr selten sind, aber
für den betroffenen Patienten lebensgefährlich werden können. Obgleich es bereits
eine Metaanalyse über Charakteristika und Häufigkeit dieser Komplikationen aus den
1990er-Jahren gibt, sind seitdem insbesondere Kasuistiken und Fallserien in der Literatur
hinzugekommen.
Vor diesem Hintergrund haben Liu et al. eine aktuelle systematische Literaturrecherche
durchgeführt, alle verfügbaren Fallberichte und Fallserien zusammengetragen und ausgewertet.
Neben der Suche nach entsprechenden Publikationen lag der Fokus auf der Identifikation
von möglichen Risikofaktoren, auf der Analyse des Outcomes sowie auf der Mortalitätsrate
und etwaigen Einflussfaktoren.
Auf methodischer Ebene orientierten sich die Autorinnen und Autoren an dem PRISMA-Statement
und den Vorgaben des Prospero-Registers. Die Literaturrecherche erfolgte im März 2016
in folgenden Datenbanken:
Die Einschlusskriterien waren:
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Kasuistiken oder Fallserien,
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Publikation in Englisch, Chinesisch oder Russisch
-
und die Verfügbarkeit von Daten über Atemwegsrupturen als Komplikation von Doppellumentuben.
Trachea-Ruptur am häufigsten
Die Literaturrecherche ergab zunächst 144 Publikationen; 105 Kasuistiken und 22 Fallserien
mit insgesamt 187 Patienten konnten bei der Auswertung berücksichtigt werden. Sie
waren im Durchschnitt 63 Jahre alt, 36,9 % von ihnen männlich. Die häufigste Indikation
war mit 62 % eine Lungenoperation, gefolgt von Eingriffen am Ösophagus mit 25,7 %.
Für 163 Fälle war der Typ des Tubus bekannt: 33-mal kam ein Red Rubber Carlens-Tubus
zum Einsatz, in 128 Fällen handelte es sich um einen Polyvinylchlorid-Doppellumentubus.
52,4 % aller Rupturen ereigneten sich in der Trachea, in 37,4 % aller Fälle wurde
die Verletzung im linken Hauptbronchus festgestellt. Als Risikofaktoren identifizierten
die Forscherinnen und Forscher
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eine Überdehnung des Cuffs,
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mehrere Versuche zur Positionierung des Tubus,
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eine schwierige Intubation
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sowie einen zu großen Tubus.
Weitere relevante Faktoren waren das Bestehen einer COPD sowie die Langzeittherapie
mit Kortikosteroiden.
Bei 82,7 % aller Patienten konnte die Diagnose der Ruptur intraoperativ gestellt werden,
24,5 % der Patienten waren asymptomatisch. Die häufigsten Manifestationen waren ein
Pneumomediastinum, Hypoxämie sowie Hautemphyseme. Schließlich konnten 78,6 % der Betroffenen
chirurgisch behandelt werden, bei 13,4 % verlief die Therapie konservativ. 91,2 %
überlebten die Komplikationen, 8,8 % verstarben. Die Arbeitsgruppe konnte keinen Zusammenhang
zwischen Mortalität und klinischen Charakteristika wie Alter, Geschlecht, Seite der
Ruptur, Zeitpunkt der Diagnose oder Behandlungsmethode feststellen. Sie ziehen das
Fazit, dass sowohl Faktoren aufseiten der Patienten als auch operationsbedingte Faktoren
das Risiko für eine Ruptur der Atemwege beim Einsatz von Doppellumentuben beeinflussen
könnten.
In dieser Analyse von Kasuistiken und Fallserien von Atemwegsrupturen bei Einsatz
von Doppellumentuben trat die lebensgefährliche Komplikation überwiegend in der Trachea
und im linken Hauptbronchus auf. Die Sterblichkeit bei den untersuchten Fällen konnte
auf 8,8 % beziffert werden. Alter, Geschlecht, Seite der Ruptur, Zeitpunkt der Diagnose
und Behandlungsmethode hatten keinen Einfluss auf das Outcome.
Dipl.-Psych. Annika Simon, Hannover