Aktuelle Rheumatologie 2021; 46(06): 500-502
DOI: 10.1055/a-1547-2153
Für Sie notiert

RA im Frühstadium: Welche Faktoren begünstigen langfristig inakzeptable Schmerzen?

Contributor(s):
Judith Lorenz
Eberhard A. et al.
Predictors of unacceptable pain with and without low infl ammation over 5 years in early rheumatoid arthritis-an inception cohort study.

Arthritis Res Ther 2021;
23: 169
DOI: 10.1186/s13075-021-02550-7.
 

Trotz der modernen Pharmakotherapien leidet ein erheblicher Anteil der Patientinnen und Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis (RA) an Schmerzen – und zwar selbst dann, wenn die Entzündung durch die Medikamente unter Kontrolle gebracht wurde. Welchen Verlauf nimmt die Schmerzbelastung in den ersten 5 Jahren? Und welche Faktoren prädisponieren für inakzeptabel starke Schmerzen?


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Diesen Fragen gingen schwedische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anhand von Daten einer zwischen 1995 und 2005 gestarteten Kohortenstudie nach. Sie interessierte dabei besonders, wie viele Betroffene in den ersten Erkrankungsjahren unter inakzeptablen Schmerzen leiden, welche Faktoren die Veränderung der Schmerzen vorhersagen und welche Prädiktoren für inakzeptable Schmerzen insgesamt bzw. im Kollektiv der Personen mit geringer inflammatorischer Aktivität existieren. Das Studienkollektiv bildeten 232 Patientinnen und Patienten, die seit höchstens 12 Monaten an einer RA litten und über die folgenden 5 Jahre an einem strukturierten Beobachtungsprogramm teilnahmen. Außer einer klinischen Untersuchung erhoben die Forscherinnen und Forscher in regelmäßigen Intervallen die medikamentöse Therapie und die Krankheitsaktivität, bestimmten zahlreiche Laborparameter und unterzogen die Betroffenen bildgebenden Verfahren sowie funktionellen Tests. Die Schmerzbelastung objektivierten sie mithilfe einer visuellen Analogskala (VAS/Variationsbreite 0 bis 100 mm). Inakzeptabel starke Schmerzen definierten sie als VAS>40 mm auf der Basis des PASS (Patient Acceptable Symptom State). Eine niedrige inflammatorische Aktivität bestand per Definition bei einem CRP<10 mg/l.

Ergebnisse

Die Studienteilnehmenden litten im Median seit 7 Monaten an der RA. Den 5-Jahres-Kontrolltermin nahmen 179 Personen wahr. Die Mehrzahl der Patientinnen und Patienten wurde mit Methotrexat behandelt. 17% erhielten im Verlauf der fünfjährigen Beobachtungsphase zu irgendeinem Zeitpunkt biologische DMARDs (disease-modifying drugs). Der VAS-Score betrug bei Studieneinschluss durchschnittlich 41,2 und sank bis zum Nachbeobachtungszeitpunkt nach 6 Monaten signifikant auf 32,3 ab. Anschließend beobachtete die Arbeitsgruppe allerdings keine wesentlichen Veränderungen der Schmerzintensität. Initial litten 49,1% der Betroffenen unter inakzeptabel starken Schmerzen. Innerhalb des ersten Jahres sank ihr Anteil auf 30,1%, blieb im weiteren Studienzeitraum jedoch ebenfalls im Wesentlichen unverändert. 20,2% der Patientinnen und Patienten mit einer niedrigen inflammatorischen Aktivität litten initial an inakzeptablen Schmerzen. Dieser Anteil veränderte sich im Zeitverlauf ebenfalls kaum. 5 Jahre nach Studieneinschluss litten 34,1% der Betroffenen unter inakzeptablen Schmerzen. Als Basisprädiktoren bezüglich inakzeptabler Schmerzen nach 5 Jahren identifizierte das Team den niedrigeren SJC28 (Swollen Joint Count/Odds Ratio 0,71 pro Standardabweichung; 95% KI 0,51–0,99), die höhere VAS für Schmerz (Odds Ratio 1,40; 95% KI 1,02–1,91) sowie die VAS bezüglich des PGA der Krankheitsaktivität (Patient Global Assessment/Odds Ratio 1,60; 95% KI 1,16–2,21). 5 Jahre nach Studieneinschluss litten 22,5% der Patientinnen und Patienten mit einer niedrigen Entzündungsaktivität unter inakzeptablen Schmerzen. Als einzigen signifikanten und unabhängigen Risikofaktor diesbezüglich identifizierte das Forscherteam die Seropositivität für Antikörper gegen das zyklische citrullinierte Peptid (Anti-CCP/Odds Ratio 0,50; 95% KI 0,22–0,98).

Fazit

Etwa ein Drittel der Personen mit einer neu diagnostizierten RA, so das Autorenteam, leidet über einen Zeitraum von bis zu 5 Jahren nach der Diagnose unter inakzeptabel starken Schmerzen – und das obwohl in der Mehrzahl der Fälle nur eine geringe Entzündungsaktivität besteht. Offensichtlich unterhalten nicht-inflammatorische Mechanismen die Schmerzen. Chronische starke Schmerzen trotz geringer Entzündungsaktivität scheinen dabei insbesondere bei Anti-CCP-negativen Personen ein Problem zu sein.

Dr. med. Judith Lorenz, Künzell


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Publication History

Article published online:
02 December 2021

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