Aktuelle Rheumatologie 2022; 47(01): 18
DOI: 10.1055/a-1550-8784
Für Sie notiert

Kniearthrose: Risikofaktoren für eine Gangstörung

Sun R. et al.
Physical activity thresholds for predicting longitudinal gait decline in adults with knee osteoarthritis.

Osteoarthritis and Cartilage 2021;
29: 965-972
DOI: 10.1016/j.joca.2021.04.002.
 

Kniearthrose (KA) beeinträchtigt die Mobilität sowie Lebensqualität und betrifft ca. 12% der Erwachsenen in den USA. Bislang gilt die Ganggeschwindigkeit in Bezug auf die Gesundheit und das Sterberisiko als Schlüsselindikator – auch weil sie eine objektive Messung der körperlichen Aktivität im realen Leben ermöglicht. Welche Risikofaktoren dabei eine Gangstörung vorhersagen, fand nun eine Studie heraus.


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Wissenschaftler*innen untersuchten dafür die longitudinale Beziehung zwischen der körperlichen Leistungsfähigkeit (mittels Echtzeit-Beschleunigungsmessung) und der körperlichen Kapazität (mittels Labormessung der Ganggeschwindigkeit) bei Patient*innen mit KA. Außerdem wurden aus den Messungen Schwellenwerte abgeleitet, die mit einer Abnahme der Ganggeschwindigkeit assoziiert sind. Dazu verwendeten sie Daten aus der Osteoarthritis-Initiative-Beschleunigungsmesser-Substudie (OAI-Studie) von 1229 Teilnehmern, die im Abstand von 2 Jahren untersucht wurden. Die Daten umfassten die funktionelle Kapazität, demografische und anthropometrische Merkmale (Schweregrad der KA gemessen mit Kellegren-Lawrence (KL)-Grad), patientenbezogene Ergebnismessungen (Western Ontario and McMaster University Osteoarthritis Index (WOMAC) und Physical Activity Scale for Elderly (PASE)) sowie Beschleunigungssensor-basierte Messungen der körperlichen Aktivität. Die laborbasierten Bewertungen der körperlichen Kapazität umfassten den 20-m-Gehtest und den 5-maligen Sit-to-stand-Test.

Bei der Echtzeit-Beschleunigungsmessung waren folgende körperliche Leistungsintervalle definiert: Leistung sitzend (LS)<190 count/min, Leistung leicht 1 (LL1) 190–349 count/min, Leistung leicht 2 (LL2) 350–799 count/min, Leistung leicht 3 (LL3) 800–2499 count/min und Leistung mäßig bis stark (LMS) 2500+count/min. Die Zahlen geben die Anzahl an wöchentlichen Minuten an, die in diesem Intervall verbracht wurden.

Basierend auf den Messungen der Ganggeschwindigkeit teilten die Forschenden die Patienten je nach körperlicher Kapazität in 5 Gruppen ein (Q1 bezeichnete die niedrigste Ganggeschwindigkeit, Q5 die höchste). Eine Abnahme der Ganggeschwindigkeit wurde als Abnahme um mindestens 1 Quintil vom Ausgangswert zum Follow-up-Wert definiert.

Ein Random-Forest-Klassifikator wurde trainiert, um den Kapazitätsstatus der Patienten zu erkennen. Der Einfluss der betrachteten Risikofaktoren auf den longitudinalen Rückgang der körperlichen Kapazität wurde mit einem neuartigen Algorithmus für maschinelles Lernen analysiert.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 1198 Teilnehmer (53,1% weiblich) aus der OAI-Studie eingeschlossen.

Bei der Follow-up-Untersuchung befanden sich 242 Teilnehmer in der Q1-Gruppe, bei 64 Teilnehmern verschlechterte sich die Ganggeschwindigkeit im Vergleich zum Ausgangswert.

  • Das aussagekräftigste Merkmal zur Vorhersage einer Gangstörung war eine geringe Anzahl an Minuten im PMS-Intervall, gefolgt vom Sit-to-Stand-Test.

  • Eine langsamere Sit-to-stand-Leistungszeit, ein höheres Alter, ein höherer KL-Grad, ein höherer WOMAC-Index, ein niedriger PASE-Score und eine geringe Anzahl an Minuten im LL2 und LL3-Intervall trugen zur Vorhersage eines schlechten Kapazitätsstatus bei.

  • Die funktionelle Verschlechterung des Gangbildes konnte mit einer Genauigkeit von 76,3% vorhergesagt werden (75,4% Sensitivität; 76,5% Spezifität).

  • Schwellenwerte für Faktoren, die mit der Wahrscheinlichkeit eines schlechten Kapazitätsstatus assoziiert sind:

  1. Eine LMS-Zeit>100 min zu Studienbeginn reduzierte die Wahrscheinlichkeit um etwa 10%.

  2. Eine LMS-Zeit<50 min zu Studienbeginn erhöhte die Wahrscheinlichkeit um 5%.

  3. Ein WOMAC Score von≥4 erhöhte die Wahrscheinlichkeit um bis zu 4%.

  4. Eine LL3-Zeit≤300min erhöhte Wahrscheinlichkeit um 7,5%.

  5. Eine LL2-Zeit≤465min erhöhte die Wahrscheinlichkeit um 5%.

  6. Ein PASE-Score<90 erhöhte die Wahrscheinlichkeit um 2–6%.

Fazit

Die Studie identifizierte Faktoren und wichtige Schwellenwerte für die körperliche Kapazität, die die Wahrscheinlichkeit einer Gangstörung erhöhen können. Die Autor*innen gehen davon aus, dass diese Ergebnisse aussagekräftige Informationen zur Erstellung krankheitsspezifischer Richtlinien für die körperliche Aktivität bei KA-Patient*innen liefern und so eine präzise Intervention bei einer Gangstörung ermöglichen.

Leandra Metzger, Stuttgart


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Publication History

Article published online:
10 February 2022

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