ergopraxis 2022; 15(01): 42-44
DOI: 10.1055/a-1576-8945
Perspektiven

Barrierefreier Internetauftritt – Praxiswebsite ohne Hürden

Ann-Kathrin Gräfe
 

Das Internet ist für alle da – theoretisch. Die eigene Website auch Menschen mit Beeinträchtigungen zugänglich zu machen, kann aber eine Herausforderung sein. Die folgenden Tipps zeigen, worauf es ankommt.


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Einfache Sprache, Texte, die vorgelesen oder Fotos, die beschrieben werden – mit ein paar einfachen Mitteln gestalten Sie die Website Ihrer Praxis so, dass auch beeinträchtigte Menschen sie uneingeschränkt nutzen können. Quelle: © S. Schaaf/Thieme

Eine Website gilt als barrierefrei, wenn es allen Menschen möglich ist, ihre Angebote uneingeschränkt zu nutzen. Dafür ist es nötig, die Bedürfnisse ganz verschiedener Personengruppen zu berücksichtigen. Gehörlose Menschen können beispielsweise Videos auf Websites nicht nutzen, wenn diese keine Untertitel haben. Nutzer*innen mit einer Sehbehinderung können Texte schlecht lesen, wenn sich diese farblich kaum vom Hintergrund abheben oder die gewählte Schrift viel zu klein ist. Und schlussendlich wird für Menschen mit kognitiven Einschränkungen die komplette Website unbrauchbar, wenn sie deren Bedienweise nicht nachvollziehen können.

In Deutschland haben mehr als 7,5 Millionen Menschen eine anerkannte Schwerbehinderung; nicht eingerechnet sind leichtere Beeinträchtigungen. Dementsprechend dürfte die Zahl derjenigen, die keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu Websites haben, noch höher liegen. So verbreitet, wie sie es sein sollten, sind barrierefreie Websites noch längst nicht. Dabei lassen sich mit vergleichsweise einfachen Mitteln große Hürden abbauen.

Barrierefreiheit konkret umsetzen

Eine reine Tastatursteuerung, Sprachausgabe, Joysticks oder Braille-Zeilen sind einige der Hilfsmittel, mit denen sich Menschen mit einer Behinderung im Internet frei bewegen können. Wer den Zugang zu den eigenen Angeboten nicht verwehren will, muss seine Website also darauf abstimmen. Eine einhundertprozentige Barrierefreiheit ist schwer zu erreichen und auch nicht immer notwendig – mit den folgenden Tipps ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung aber bereits gemacht.

7,5 Millionen Menschen haben in Deutschland eine anerkannte Schwerbehinderung.


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Gut zugängliche Informationen

Bei einem barrierefreien Internetauftritt helfen gut zugängliche Informationen und klare Strukturen beim Zurechtfinden. Das beginnt bereits beim Namen der Website: Je aussagekräftiger er ist, desto weniger Anschlussrecherchen sind nötig. Therapiepraxen können beispielsweise ihren Standort direkt in die Internetadresse aufnehmen und potenziellen Patient*innen die Suche nach dieser Information ersparen. Möglich ist das in dieser Form: www.physiopraxis-meier-hamburg.de; es geht aber auch kürzer: www.physiopraxis-meier.hamburg. Seit 2014 gibt es Internet-Endungen, die statt auf .de oder .com auf dem Namen einer Stadt oder Region enden – neben .hamburg sind das in Deutschland bisher .berlin, .koeln, .bayern, .nrw, .ruhr und .saarland.

Nicht nur der Internetadresse, vor allem auch der Website kommt eine zentrale Bedeutung für die Barrierefreiheit zu. Das Menü der Website sollte übersichtlich sein und mit möglichst wenig Menüpunkten auskommen. Die Inhalte der Website sollten klar strukturiert sein. Website-Besucher*innen finden sich leichter zurecht, wenn die verschiedenen Seiten immer gleich aufgebaut und in Überschriften, Zwischenüberschriften, Absätze und Aufzählungen unterteilt sind. Für die Texte der Website gilt, dass sie kurz und gut verständlich formuliert sein sollen. Verzichten sollte man auf Tabellen. Sie führen immer wieder zu Problemen in der Darstellung und erschweren damit die Bedienbarkeit der Website.


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Leichte oder Einfache Sprache

Damit Website-Besucher*innen entscheiden können, ob ein Internetauftritt ihre gesuchten Informationen enthält, müssen sie dessen Inhalte verstehen. Allerdings kann es auch hier Barrieren geben: Jeder siebte Erwachsene in Deutschland ist funktionaler Analphabet – kann also einzelne Wörter und Sätze lesen und schreiben, aber nicht immer verstehen. Diesen und anderen Personengruppen, zum Beispiel Demenz-Erkrankten, Menschen mit Problemen mit dem Sprachverständnis oder wenig Deutschkenntnissen hilft die sogenannte Leichte Sprache für ein besseres Verständnis.

Texte, die die Leichte Sprache berücksichtigen, enthalten unter anderem keine Fachwörter, Fremdwörter oder komplizierte Satzkonstruktionen. Besonders im medizinischen Bereich mit seinen vielen Fachbegriffen kann die Umsetzung der Leichten Sprache eine Herausforderung sein. Dafür gibt es Unterstützung: Das „Netzwerk Leichte Sprache“ hat ein Regelwerk herausgegeben, das neben den Anforderungen an die Leichte Sprache auch viele hilfreiche Tipps zur Umsetzung gibt.

Etwas weniger herausfordernd ist es, die eigene Website in Einfacher Sprache zu gestalten. Hierfür gibt es keine festen Regeln, allerdings sollen ebenfalls komplizierte Wörter oder endlose Schachtelsätze vermieden werden, um die Verständlichkeit von Texten zu erhöhen. Auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung gibt es unter der Stichwortsuche „Einfache Sprache“ dazu viele Beispiele, die Orientierung bieten und bei der Gestaltung der Texte helfen.


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Hohe Farbkontraste

Die auf einer Website verwendeten Schriften sollten sich vom Hintergrund deutlich abheben. Wer sich für eine rote Schrift auf grünem Hintergrund entscheidet, muss in Kauf nehmen, dass bereitgestellte Informationen aufgrund der schwachen Farbkontraste verloren gehen. Besser ist es, wenn die Schrift einen starken Kontrast zum Hintergrund aufweist. So ist sie auch für Menschen mit einer Sehbehinderung gut lesbar. Auch Menschen ohne Einschränkungen profitieren von kontrastreichen Farben: Selbst bei einem schlecht eingestellten Computerbildschirm oder Gegenlicht können sie die Texte der Website noch lesen.


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Alternativ-Texte bei Bildern

Mithilfe von Screenreadern bekommen Menschen mit einer Sehbehinderung Zugang zu den visuellen Inhalten einer Website. Ähnlich wie Suchmaschinen können Screenreader allerdings nur „lesen“ und nicht „sehen“ – und die Bilder einer Website deshalb nur dann erkennen, wenn sie mit einem sogenannten Alternativ-Text (oder kurz: Alt-Text) versehen sind. Der Alt-Text wird auf der Website nicht sichtbar ausgegeben, aber von den Screenreadern erfasst und als Seiteninhalt vorgelesen. Enthalten die Bilder einer Website also kurze Beschreibungen dessen, was auf ihnen zu sehen ist, werden sie auch Menschen mit einer Sehbehinderung zugänglich gemacht.

In jedem Content-Management-System befindet sich bei den Bildangaben auch der Alt-Text. Eine zusätzliche Beschreibung einzugeben, ist also kaum mit Aufwand verbunden. Außerdem hat der Alt-Text weitere Vorteile: Er ist ein wichtiger Indikator für Suchmaschinen, die Bilder ebenfalls nicht „sehen“ können und daher auf einen beschreibenden Alt-Text angewiesen sind. Können die Bilder einer Website außerdem einmal nicht oder nur verzögert geladen werden – zum Beispiel weil die Internetverbindung schwach ist –, werden an ihrer Stelle die Alt-Texte ausgegeben, sodass die Informationen nicht verloren gehen.

Bei einer barrierefreien Website spielen unter anderem Sprache und Farben eine große Rolle.


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Barrierefreie Videos

Auch Videos bringen nur eingeschränkt Mehrwert, wenn sie auf spezielle Bedürfnisse keine Rücksicht nehmen. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, Videos barrierefrei zu gestalten: Eine Variante sind Untertitel, bei denen das Gesprochene am unteren Bildrand als Schrift angezeigt wird. Möglich ist auch eine Übersetzung in Gebärdensprache, die sich als extra Film zum Video hinzuschalten lässt. Ein Gebärdensprachedolmetscher übersetzt den gesamten Videoinhalt und vermittelt so Informationen an Menschen, die nicht gut oder gar nicht lesen können, aber die Gebärdensprache beherrschen. Für blinde Menschen oder Menschen mit einer Sehbehinderung gibt es die Audiodeskription. Dabei handelt es sich um eine Tonspur, die sich ebenfalls zum Video dazuschalten lässt und alles, was derjenige nicht oder nur schlecht sehen kann, mit Worten beschreibt.

Die Website von Menschen mit Einschränkungen selbst testen zu lassen, gibt Sicherheit.


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Barrierefreiheit überprüfen

Es gibt im Internet eine Reihe von Prüf-Tools, mit deren Hilfe die Barrierefreiheit einer Website getestet werden kann. Eines davon ist Lighthouse von Google. Mithilfe der Browser-Erweiterung können Website-Besitzer*innen schnell und unkompliziert testen, wie inklusiv ihre Website ist. Lighthouse bewertet dies mit einer Punktzahl zwischen 0 und 100 und zeigt außerdem technische Möglichkeiten auf, mit denen die Punktzahl verbessert werden kann.

Automatisierte Tests können allerdings nur gewisse Aspekte der Barrierefreiheit beleuchten. Noch empfehlenswerter ist es, den Internetauftritt von Menschen testen zu lassen, die auf barrierefreie Zugangsmöglichkeiten tatsächlich angewiesen sind. Ihre Erfahrungen sind von großem Wert, wenn es darum geht, Probleme zu erkennen, die sonst vielleicht unbemerkt bleiben. Praxisinhaber*innen können so sicherstellen, dass sich auf ihrer Website nicht doch noch Hürden verstecken, die die Nutzung erschweren.

Allerdings ist bei der manuellen Überprüfung einer Website eine gute Planung nötig, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten. Wer einen Nutzertest durchführen möchte, sollte folgende Punkte beachten:

  • Ein klarer Rahmen sowie Ziele dafür, welche Erkenntnisse gewonnen werden sollen, sind nötig, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten.

  • Die Testleiter*innen sollten alle Testmaterialien vorbereiten und sicherstellen, dass funktionierende unterstützende Technologien – etwa eine Screenreader-Software – zur Verfügung stehen.

  • Während des Tests sollte eine angenehme und ruhige Atmosphäre herrschen, damit es keine Unterbrechungen gibt.

  • Die Testleiter*innen sollten während des Tests genau beobachten und sämtliches Feedback berücksichtigen. Sie sollten allerdings nicht davon ausgehen, dass das Feedback einer Person für alle betroffenen Personengruppen gilt.

  • Um die Ergebnisse besser auswerten und Fortschritte verfolgen zu können, kann es von Vorteil sein, die Tests aufzuzeichnen.

Insgesamt sollten Website-Besitzer*innen beachten, dass Nutzertests ihnen in jedem Fall effektive Einblicke in Probleme mit der digitalen Barrierefreiheit liefern können. Eine Garantie, dass wirklich alle Fehler gefunden werden, geben sie nicht – in jedem Fall unterstützen sie aber dabei, auch Besucher*innen mit besonderen Bedürfnissen ein positives Nutzenerlebnis anzubieten.

Eine barrierefreie Website nützt auch Menschen ohne Behinderung und verleiht ein positives Praxis-Image.


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Auch Menschen ohne Behinderung profitieren

Nicht nur Menschen mit einer Behinderung, auch Nichtbehinderte profitieren von einem Internetauftritt, der etwa auch bei schwierigen Lichtverhältnissen gut lesbar ist oder mithilfe von Alternativ-Texten auch dann Informationen bereitstellt, wenn dazugehörige Grafiken gerade nicht geladen werden können. Vorteile ergeben sich auch für die Website-Betreiber*innen selbst: Eine barrierefreie Servicekette verschafft ein positives Image – denn die Zahl der Websites, die besondere Bedürfnisse berücksichtigen, sind noch immer in der Minderheit. Außerdem erreichen Besitzer*innen barrierefreier Websites einen Personenkreis, der von anderen Anbieter*innen ausgeschlossen wird – und das ist ein echter Wettbewerbsvorteil.


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Autorin

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Ann-Kathrin Gräfe
studierte Anglistik und Literaturwissenschaften und landete anschließend beim Thema Internet: Sie arbeitet bei dotBERLIN, der Betreiberin der Top-Level-Domain .berlin, die seit 2014 gemeinsam mit über 1000 weiteren Domain-Endungen das Internet bereichert. Regelmäßig schreibt sie Fachbeiträge rund um Internetadressen und Websitegestaltung.

Publication History

Article published online:
04 January 2022

© 2022. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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Ann-Kathrin Gräfe
studierte Anglistik und Literaturwissenschaften und landete anschließend beim Thema Internet: Sie arbeitet bei dotBERLIN, der Betreiberin der Top-Level-Domain .berlin, die seit 2014 gemeinsam mit über 1000 weiteren Domain-Endungen das Internet bereichert. Regelmäßig schreibt sie Fachbeiträge rund um Internetadressen und Websitegestaltung.
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Einfache Sprache, Texte, die vorgelesen oder Fotos, die beschrieben werden – mit ein paar einfachen Mitteln gestalten Sie die Website Ihrer Praxis so, dass auch beeinträchtigte Menschen sie uneingeschränkt nutzen können. Quelle: © S. Schaaf/Thieme