Schlüsselwörter
Krankenhauswahl - Innere Medizin - Querschnittstudie - Deutschland
Key words
hospital choice - inpatient - internal medicine - cross-sectional study - Germany
Einleitung
In der Inneren Medizin werden jährlich über 7 Millionen Patienten auf allen Krankenhaus-Versorgungsstufen
behandelt und damit täglich durchschnittlich 20 000 Patienten in den 1998 Fachabteilungen
aufgenommen [1]. So versorgt die Innere Medizin 37 % aller vollstationären Patienten in Deutschland
und ist in der Hinsicht das größte Fachgebiet und überall im Land präsent.
Eine der gesundheitspolitischen Anforderungen an die Krankenhäuser ist, mit guter
Qualität um die Patienten zu werben. Patienten wiederum werden ermuntert, ihr Krankenhaus
selbst auszusuchen und dabei „auch objektive Kriterien einzubeziehen“, wie sie beispielsweise
die Qualitätsberichte der Krankenhäuser enthalten [2].
Studien zur Krankenhauswahl erheben das Entscheidungsverhalten teils an Patienten
vor oder nach einem Krankenhausaufenthalt, teils hypothetisch an gesunden Personen
wie an Krankenversicherten, Studenten oder der Allgemeinbevölkerung [3]
[4]. Patienten werden überwiegend zu spezifischen, elektiven operativen Eingriffen befragt,
vor allem zu Gelenkersatz, onkologisch-chirurgischen Operationen, herzchirurgischen
Eingriffen, kardiologischen oder anderen Katheter-Interventionen [3]
[4]. Hierbei geben Patienten vor allem und über die Jahre stabil an, ihre Entscheidung
in Absprache mit ihren Angehörigen und ambulanten Ärzten zu treffen. Damit folgen
sie nicht den Empfehlungen und Hinweisen der Gesundheitspolitik: „Denn persönliche
Einschätzungen ermöglichen keine zuverlässige Aussage über die wirkliche Qualität
eines Krankenhauses. Hier lohnt sich ein Blick in die Qualitätsberichte, ...“ [2]. Doch dieses gesundheitspolitische Bemühen, wissenschaftlich basierte Qualitätskennziffern
in der öffentlichen Qualitätsberichterstattung den Patienten zur Verfügung zu stellen,
greifen Patienten selten für ihre Krankenhauswahl auf [5]
[6]
[7]
[8]. Marshall bilanziert, dass Patienten sich bei medizinischen Entscheidungen nicht
gemäß ökonomischer Theorien zu idealen Konsumenten verhalten, sondern solche Entscheidungen
ein sozialer Prozess sind. Patienten entscheiden in ihrer Krankheitssituation emotional
und sozial verbunden zusammen mit den ihnen wichtigen Vertrauenspersonen [9].
Doch wie viele Patienten entscheiden selbst über das Krankenhaus und wie viel Zeit
bleibt ihnen bis zu ihrer Aufnahme? Und wie gehen sie dabei vor, wo informieren sie
sich und was sind in der konkreten Aufnahmesituation ihre praktisch wichtigen Entscheidungskriterien?
Gerade für Patienten der Inneren Medizin ist dies nicht bekannt, und zwar eingriffsunabhängig.
Diese Fragen sollen mit Daten einer Studie zur Krankenhauswahl an einer repräsentativen
Stichprobe aller vollstationär aufgenommenen Patienten in der Inneren Medizin beantwortet
werden.
Material und Methoden
Die vorliegende Untersuchung basiert auf einer Querschnittstudie mit multizentrisch
per Fragebogen von Krankenhauspatienten erhobenen, quantitativen Primärdaten. Die
Studienstichprobe ist eine nach Fachgebieten und Krankenhaus-Versorgungsstufen geschichtete
Zufallsstichprobe von je durchschnittlich 50 konsekutiv vollstationär aufgenommenen
Patienten aus 46 Fachabteilungen in 17 Krankenhäusern sowie aus 15 Städten und Gemeinden
Nordrhein-Westfalens. Die Stichprobe schließt 11 aufnahmestarke Fachgebiete (Innere
Medizin, Chirurgie, Gynäkologie, Geburtshilfe, Pädiatrie, Psychiatrie, Orthopädie,
Neurologie, Urologie, HNO und Geriatrie) ein, die im Erhebungsjahr 2012 91,9 % aller
Aufnahmen in Deutschland ausmachten [10]. Die Versorgungsstufe berücksichtigt 3 Ebenen, definiert nach Bettengröße-Klassen:
Grundversorgung (< 200 Betten), Schwerpunktversorgung (200–499 Betten) und Maximalversorgung
(> 499 Betten). Je Fachgebiet sind 2 Fachabteilungen unterschiedlicher Krankenhäuser
der Schwerpunkt- und 2 der Maximalversorgung eingeschlossen, die HNO ist nur auf der
Maximalversorgerebene berücksichtigt. Die Grundversorgerebene umfasst die Innere Medizin
und Chirurgie aus je 2 Krankenhäusern. Die Innere Medizin umfasst damit 6 Abteilungen
unterschiedlicher Krankenhäuser, jeweils 2 jeder Versorgungsstufe. Die Auswertung
erfolgte anhand der bundesweiten Patientenverteilung nach Fachgebieten gewichtet;
die Verteilung nach Versorgungsstufe entspricht annähernd der bundesweiten Verteilung.
Die statistische Auswertung gibt deskriptiv die Häufigkeit der Merkmale zur Krankenhauswahl
an und vergleicht die Patienten der Inneren Medizin mit den anderen 10 Fachgebieten
bei kategorialen Merkmalen mittels Chi-Quadrat-Tests nach Pearson und t-Test für die
in Minuten erfragte Wohnortnähe und das Alter in Jahren. Die berichteten p-Werte der
statistischen Tests sind 2-seitige p-Werte. Die statistischen Tests dienen einem explorativen
Vergleich der beiden Gruppen. Signifikante Unterschiede bei einem Signifikanzniveau
von 0,05 sind daher nur hypothesengenerierend und müssen zur Bestätigung an anderen
Stichproben überprüft werden. Da insgesamt 35 statistische Tests an der Stichprobe
durchgeführt wurden, liegt multiples Testen vor und damit die Möglichkeit einer Kumulierung
des Alphafehlers. Eine Adjustierung des Signifikanzniveaus von 0,05 mit der konservativen
Bonferroni-Korrektur ergibt ein adjustiertes Signifikanzniveau von 0,0014, berechnet
aus 0,05/35 statistische Tests. Die in den Tabellen berichteten p-Werte sind nicht
auf das multiple Testen adjustiert. Darauf haben wir wegen des rein explorativen Charakters
der Gruppenvergleiche verzichtet. Bei kleinen Fallzahlen erfolgte kein statistischer
Test. In den Tabellen sind für jede Variable die Gesamtzahl auswertbarer Teilnehmerantworten
als Absolutwert (n = ) angegeben, die Variablenausprägungen dann als prozentuale Verteilung.
Der eingesetzte Fragebogen ist die Weiterentwicklung eines Erhebungsbogens aus einer
vorhergehenden Studie [4] und erhebt soziodemografische Angaben, Merkmale zur Aufnahmesituation und Krankenhauserfahrung
([Tab. 1]), Informationsquellen ([Tab. 2]) und Entscheidungskriterien ([Tab. 3]) der Krankenhauswahl aus Patientensicht [10]. Patienten können den Bogen selbst oder zusammen mit einem Interviewer ausfüllen.
Sie sollen die für sie zutreffenden Items in den beiden Fragen zu Informationsquellen
und den Entscheidungskriterien ankreuzen, müssen aber nicht jedes nichtzutreffende
Item als „nichtzutreffend“ markieren. Der Sozialstatus berechnet sich aus Berufsabschluss,
Berufsposition, Haushaltsgröße und -einkommen [11]; der Migrationshintergrund entspricht der Definition des Statistischen Bundesamtes
beim Zensus 2011. Chronische Erkrankung ist definiert als eine mehr als 6 Monate behandlungsbedürftige
Erkrankung, erhoben aus Patienten- und Stationsarztsicht. Die Erhebung führten 2 geschulte
Interviewer auf den Stationen durch.
Tab. 1
Soziodemografie, Aufnahmesituation und Krankenhaus-Vorerfahrung im Vergleich zwischen
Innerer Medizin und den anderen 10 Fachgebieten.
|
Innere Medizin
|
10 andere Fachgebiete
|
p-Wert[*]
|
Gesamtteilnehmer n =
|
758
|
1168
|
|
soziodemografische Angaben
|
Alter in Jahren n =
|
758
|
1167
|
|
Mittelwert (Jahre)
|
67,7
|
52,5
|
< 0,001
|
Standardabweichung
|
15,6
|
23,5
|
Aufteilung nach Jahreskategorien
|
|
|
|
|
0,8 %
|
14,2 %
|
|
|
1,2 %
|
5,2 %
|
|
|
4,9 %
|
9,9 %
|
|
|
6,1 %
|
11,7 %
|
|
|
15,2 %
|
14,7 %
|
|
|
16,8 %
|
13,5 %
|
|
|
31,1 %
|
19,8 %
|
|
|
19,8 %
|
9,3 %
|
|
|
4,2 %
|
1,8 %
|
|
Geschlecht n =
|
758
|
1167
|
|
männlich
|
52,1 %
|
40,4 %
|
< 0,001
|
weiblich
|
47,9 %
|
59,6 %
|
Migrationsstatus n =
|
758
|
1147
|
|
ohne Migrationshintergrund
|
86,7 %
|
78,4 %
|
< 0,001
|
mit Migrationshintergrund
|
13,3 %
|
21,6 %
|
sozioökonomischer Status n =
|
743
|
1101
|
|
Oberschicht
|
9,3 %
|
11,3 %
|
0,127
|
Mittelschicht
|
41,0 %
|
40,5 %
|
Unterschicht
|
49,7 %
|
47,2 %
|
Krankenversicherung n =
|
758
|
1162
|
|
gesetzlich versichert
|
92,7 %
|
87,7 %
|
0,004
|
gesetzlich und privat zusatzversichert
|
3,4 %
|
5,9 %
|
privat vollversichert
|
3,4 %
|
5,3 %
|
Beihilfe
|
0,4 %
|
1,0 %
|
Aufnahmesituation
|
Krankenhausversorgungsstufe n =
|
758
|
1168
|
|
Grundversorger (< 200 Betten)
|
31,6 %
|
11,0 %
|
< 0,001
|
Schwerpunktversorger (200–499 Betten)
|
37,6 %
|
43,0 %
|
Maximalversorger (> 499 Betten)
|
30,8 %
|
46,0 %
|
Entscheider über das Krankenhaus n =
|
758
|
1161
|
|
Patient
|
57,8 %
|
66,3 %
|
< 0,001
|
andere Person
|
42,2 %
|
33,7 %
|
davon:
|
|
|
|
|
16,0 %
|
10,0 %
|
|
|
12,2 %
|
6,2 %
|
|
|
5,7 %
|
8,7 %
|
|
|
1,9 %
|
4,1 %
|
|
|
3,4 %
|
2,1 %
|
|
|
3,0 %
|
2,6 %
|
|
Zeit vor Aufnahme n =
|
757
|
1163
|
|
Aufnahme am gleichen Tag
|
63,1 %
|
43,2 %
|
< 0,001
|
Aufnahme am nächsten Tag
|
4,2 %
|
5,1 %
|
2–7 Tage
|
24,3 %
|
21,6 %
|
7–28 Tage
|
7,9 %
|
20,4 %
|
mehr als 4 Wochen
|
0,0 %
|
9,3 %
|
ich weiß nicht
|
0,4 %
|
0,5 %
|
Wochentag der Aufnahme n =
|
758
|
1161
|
|
Montag
|
22,4 %
|
21,3 %
|
0,581
|
Dienstag
|
17,4 %
|
18,6 %
|
Mittwoch
|
17,2 %
|
17,7 %
|
Donnerstag
|
16,4 %
|
15,3 %
|
Freitag
|
11,7 %
|
13,0 %
|
Samstag
|
7,7 %
|
5,8 %
|
Sonntag
|
7,3 %
|
8,3 %
|
Entfernung vom Zuhause bis zum Krankenhaus in Fahrminuten n =
|
754
|
1145
|
|
Mittelwert (Minuten)
|
19,9
|
22,3
|
0,002
|
Standardabweichung
|
15,4
|
17,4
|
Aufnahmesituation n =
|
757
|
1168
|
|
akut
|
65,4 %
|
50,4 %
|
< 0,001
|
elektiv
|
34,6 %
|
49,6 %
|
chronische Erkrankung n =
|
758
|
1168
|
|
ja
|
92,3 %
|
67,2 %
|
< 0,001
|
nein
|
7,7 %
|
32,8 %
|
Krankenhausvorerfahrung
|
Anzahl vorheriger KH-Aufenthalte n =
|
758
|
1167
|
|
noch nie
|
1,8 %
|
9,3 %
|
< 0,001
|
1- bis 5-mal
|
33,2 %
|
47,5 %
|
öfter als 5-mal
|
65,0 %
|
43,2 %
|
Zeitpunkt des letzten KH-Aufenthalts n =
|
754
|
1156
|
|
in den letzten 12 Monaten
|
50,8 %
|
45,3 %
|
0,019
|
nie oder vor mehr als 12 Monaten
|
49,2 %
|
54,7 %
|
Voraufenthalt in diesem Krankenhaus n =
|
758
|
1167
|
|
ja
|
70,7 %
|
60,5 %
|
< 0,001
|
nein
|
29,3 %
|
39,5 %
|
Voraufenthalt in dieser Fachabteilung (bei Voraufenthalt in diesem Krankenhaus) n =
|
530
|
684
|
|
ja
|
69,6 %
|
66,2 %
|
0,210
|
nein
|
30,4 %
|
33,8 %
|
Zufriedenheit mit diesem Krankenhaus beim letzten Aufenthalt n =
|
527
|
692
|
|
sehr zufrieden
|
44,8 %
|
37,1 %
|
0,061
|
zufrieden
|
50,3 %
|
56,8 %
|
weniger zufrieden
|
4,4 %
|
5,3 %
|
nicht zufrieden
|
0,6 %
|
0,7 %
|
* 2-seitig, t-Test bei ‚Alter in Jahren‘ und ‚Entfernung vom Zuhause zum Krankenhaus‘,
übrige Variablen mit Chi-Quadrat-Test.
Tab. 2
Vergleich der von Patienten über Krankenhäuser genutzten Informationsquellen zwischen
Innerer Medizin und den anderen 10 Fachgebieten.
|
Innere Medizin
|
10 andere Fachgebiete
|
p-Wert[*]
|
|
n = 757
|
n = 1168
|
genutzte Informationsquelle
|
%
|
%
|
nirgendwo informiert
|
29,3
|
22,9
|
0,002
|
ausschließlich eigene Kenntnis des Krankenhauses (keine Angabe externer Informationsquellen)
|
48,7
|
41,1
|
0,001
|
eine oder mehrere externe Informationsquellen
|
22,0
|
36,0
|
< 0,001
|
externe Informationsquellen, aufgeschlüsselt (Mehrfachangaben):
|
% von 757
|
% von 1168
|
|
Angehörige
|
10,3
|
16,8
|
< 0,001
|
Facharzt
|
7,3
|
14,6
|
< 0,001
|
Hausarzt
|
10,7
|
10,2
|
0,731
|
Internet
|
6,1
|
11,1
|
< 0,001
|
Krankenhausambulanz
|
2,6
|
5,9
|
0,001
|
Krankenhausbesichtigung
|
0,0
|
2,8
|
|
Informationsveranstaltung des Krankenhauses
|
0,4
|
2,1
|
|
andere Informationsquellen
|
0,8
|
1,5
|
|
Informationsbroschüren
|
0,4
|
1,5
|
|
Tageszeitungen
|
0,4
|
0,3
|
|
Krankenkassen
|
0,4
|
0,2
|
|
Patientenverbände
|
0,0
|
0,1
|
|
Selbsthilfegruppen
|
0,0
|
0,1
|
|
Verbraucherberatungen
|
0,0
|
0,0
|
|
* 2-seitig, Chi-Quadrat-Test.
Tab. 3
Vergleich der wichtigen Entscheidungskriterien der Patienten, die selbst über das
Krankenhaus entscheiden, zwischen Innerer Medizin und den anderen 10 Fachgebieten.
|
Innere Medizin
|
10 andere Fachgebiete
|
p-Wert[*]
|
|
n = 438
|
n = 770
|
Entscheidungskriterium
|
%
|
%
|
keine Kriterien angegeben
|
0,7
|
1,6
|
0,188
|
ausschließlich eigene Erfahrung ohne Angabe weiterer Kriterien
|
37,4
|
31,2
|
0,027
|
eine oder mehrere Angaben zu weiteren Kriterien
|
61,9
|
67,2
|
0,064
|
weitere Kriterien, aufgeschlüsselt (Mehrfachnennung):
|
% von 438
|
% von 770
|
|
guter
Ruf
des
Krankenhauses
|
30,9
|
29,7
|
0,675
|
Empfehlung der ambulant
behandelnden Ärzte
(Hausarzt, Facharzt)
|
25,6
|
31,9
|
0,023
|
Entfernung
des Krankenhauses von zu Hause
|
23,7
|
25,7
|
0,447
|
Empfehlung von
Angehörigen
|
16,4
|
23,4
|
0,004
|
ob
Ärzte
sich
für die Patienten genug Zeit nehmen
|
10,5
|
15,3
|
0,018
|
andere Gründe
|
17,1
|
9,2
|
< 0,001
|
ob
Patienten bei Entscheidungen
zur Behandlung mit
einbezogen
werden
|
8,5
|
10,3
|
0,310
|
ob die
medizinisch-technische Ausstattung
des Krankenhauses auf dem neuesten Stand ist
|
2,1
|
8,8
|
|
wie die
Behandlungserfolge
des Krankenhauses bei der für mich notwendigen Behandlung sind
|
0,7
|
5,6
|
|
wie das Krankenhaus
mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar
ist
|
1,4
|
4,8
|
|
ob das Krankenhaus alle
hygienischen Regeln einhält
|
0,0
|
4,8
|
|
wie lang die
Wartezeiten
bis zur Aufnahme sind
|
0,7
|
4,2
|
|
wie oft
das Krankenhaus die für mich nötige
Behandlung durchführt
|
0,0
|
4,2
|
|
wie
andere Patienten
das Krankenhaus in einer
Zufriedenheitsbefragung
bewerten
|
1,4
|
2,3
|
|
wie häufig Komplikationen
nach der für mich nötigen Behandlung auftreten
|
0,7
|
2,1
|
|
ob das Krankenhaus
nach
medizinischen
Leitlinien behandelt
|
0,7
|
2,1
|
|
wie häufig Entzündungen
bei Patienten im Krankenhaus auftreten
|
0,7
|
1,7
|
|
wie viele Patienten
bei der für mich nötigen Behandlung
versterben
|
0,0
|
0,9
|
|
* 2-seitig, Chi-Quadrat-Test.
Ergebnisse
Stichprobe
Von den 2368 im Erhebungszeitraum aufgenommenen Patienten sind 1925 Patienten Teilnehmer
der Studienstichprobe (Gesamt-Teilnahmerate 81,3 %). In der Inneren Medizin beträgt
die Teilnahmerate 75,0 %, in den anderen Fachgebieten zusammen 83,8 %. Die häufigsten
Gründe für eine Nichtteilnahme in der Inneren Medizin sind eine dauerhafte (44,6 %)
oder momentane (18,0 %) Beeinträchtigung der Patienten; in den anderen Fächern umfassen
diese beiden Gründe 48,9 %. Weitere Gründe sind in der Inneren Medizin (andere Fachgebiete):
19,3 % (21,5 %) Entlassung bevor kontaktierbar, 6,9 % (9,4 %) Patienten wegen Erhebungsende
nicht kontaktiert, 5,6 % (6,0 %) Ablehnung der Teilnahme, 3,4 % (9,0 %) Fragebogen
nicht abgegeben und 2,1 % (5,2 %) zu geringe Deutschkenntnisse. Die gewichtete Stichprobe
der 1925 Teilnehmer umfasst 758 Patienten der Inneren Medizin bzw. rundungsbedingt
aufgrund der Gewichtung teilweise 757 Patienten, deren Ergebnisse nachfolgend berichtet
werden.
Soziodemografie, Aufnahmekontext, Krankenhauserfahrung
Patienten der Inneren Medizin sind im Vergleich zu denen anderer Fachgebiete älter,
häufiger Männer, ohne Migrationshintergrund und chronisch krank ([Tab. 1]). Die Verteilung nach Versorgungsstufe unterscheidet sich erwartungsgemäß, da nur
noch die Chirurgie zur Regelversorgung zählt. 57,8 % der internistischen Patienten
entscheiden selbst über das Krankenhaus, signifikant weniger als die 66,3 % der anderen
Fächer. Berücksichtigt man auch die Nichtteilnehmer und geht realistisch davon aus,
dass bei dauerhaft Beeinträchtigten andere entscheiden, und unterstellt bei allen
anderen Nichtteilnehmern die gleiche Verteilung wie bei den Teilnehmern, dann sinkt
der Anteil der Selbst-Entscheider auf 51,3 %. Patienten der Inneren Medizin werden
mit 63,1 % häufiger als andere Patienten am selben Tag aufgenommen. Sie sind auch
krankenhauserfahrener, 65 % geben mehr als 5 frühere Krankenhausaufenthalte an und
70,7 % kennen das Krankenhaus durch einen Voraufenthalt, 69,6 % davon sogar die Fachabteilung.
Informationsquellen und Entscheidungskriterien
29,3 % der Patienten informieren sich nirgendwo und 48,7 % beziehen sich nur auf ihre
eigene Vorerfahrung mit dem Krankenhaus, lediglich 22,0 % informieren sich irgendwo
anders ([Tab. 2]). Hausärzte (10,7 %) und Angehörige (10,3 %) sind die wichtigsten externen Informationsquellen,
gefolgt vom ambulanten Facharzt (7,3 %) und dem Internet (6,1 %). Von den Patienten,
die selbst das Krankenhaus wählen, entscheiden 37,4 % nur nach der eigenen Vorerfahrung
mit dem Krankenhaus bzw. der Fachabteilung ([Tab. 3]). 61,9 % geben auch andere Kriterien an, die für sie bei der Entscheidung wichtig
sind. Der gute Ruf des Krankenhauses (30,9 %), die Empfehlung ihrer ambulanten Behandler
(25,6 %) und die Wohnortnähe (23,7 %) sind die 3 wichtigsten Entscheidungskriterien,
gefolgt von anderen individuellen, nicht näher angegebenen Gründen (17,1 %), den Angehörigenempfehlungen
(16,4 %) und der Frage, ob sich die Krankenhausärzte genug Zeit für Patienten nehmen
(8,5 %). Einzelne operationalisierte Qualitätskennziffern nennen nur je 1 % bis 2 %.
Zeit vor Aufnahme
Die Differenzierung nach der verfügbaren Zeit vor Aufnahme (Online-Supplement Tab. S 1, Tab. S 2, Tab. S 3) zeigt folgende Ergebnisse für die Patienten der Inneren Medizin: Die 8,1 % Patienten
(n = 61) mit mehr als einer Woche Zeit vor Aufnahme sind jünger, vor allem zwischen
40 und 69 Jahren, mit 61,7 % öfter männlich, sie gehören zu 38,3 % der Oberschicht
an und 90,2 % entscheiden selbst über das Krankenhaus. 71,4 % werden von Schwerpunkt-
und 28,6 % von Maximalversorgern elektiv behandelt. Die durchschnittliche Entfernung
vom Zuhause ist mit 32 Fahrminuten deutlich weiter. Für 10,0 % ist es der erste Krankenhausaufenthalt,
nur 42,6 % waren zuvor bereits im selben Krankenhaus und nur 30,4 % in der Fachabteilung.
Von diesen aber gibt keiner eine unzufriedene Bewertung des Voraufenthaltes an. Diese
Patienten informieren sich vor allem beim ambulanten Facharzt (47,5 %) und Hausarzt
(23,3 %), aber auch zu 28,3 % im Internet und zu 19,7 % bei Angehörigen. Die ihnen
wichtigen Entscheidungskriterien sind die Empfehlung der eigenen ambulanten Behandler
(63,6 %), der gute Ruf des Krankenhauses (52,7 %), und 2 Aspekte der Arzt-Patienten-Beziehung
im Krankenhaus, nämlich, ob sich die Ärzte dort genug Zeit für Patienten nehmen und
diese in Entscheidungen einbeziehen, mit jeweils 21,8 %.
Diskussion
In der Inneren Medizin werden nicht nur die meisten vollstationären Patienten behandelt,
diese sind auch älter, öfter chronisch erkrankt und werden viel öfter akut aufgenommen.
Zudem waren sie bereits häufiger in stationärer Behandlung als Patienten der anderen
Fachgebiete und kennen zu 70 % das Krankenhaus schon durch mindestens einen Voraufenthalt
und von diesen kennen ebenso viele auch die internistische Abteilung, Entsprechend
dem höheren Alter und der häufigeren akuten Aufnahmesituation entscheiden nur 58 %
selbst über das Krankenhaus und damit deutlich weniger als die zwei Drittel in den
anderen Fachgebieten. Bei diesem Ergebnis sollte aber auch der in der Inneren Medizin
mit 25 % höchste Anteil an Nichtstudien-Teilnehmern mitbetrachtet werden, denn dann
reduziert sich die Zahl selbst entscheidender Patienten auf knapp die Hälfte.
Bereits dieses Aufnahmeprofil der internistischen Patienten kennzeichnet ihr Vorgehen
bei der Krankenhauswahl. Zentral als Informationsquelle ist die eigene Vorkenntnis
über Krankenhäuser, ergänzt um ihre ambulanten Behandler, den Hausarzt und den spezialisierten
Facharzt. Die wichtigsten, praktisch entscheidungsrelevanten Kriterien sind für Patienten
die eigene Vorerfahrung mit dem Krankenhaus und die Empfehlungen der Angehörigen sowie
ihres Haus- und spezialisierten Facharztes als Vertrauenspersonen, zudem der Ruf des
Krankenhauses und die Wohnortnähe. Damit entsprechen die Ergebnisse zur Krankenhauswahl
den häufig gefundenen Studienergebnissen [3] und bestärken den von Marshall in seiner Übersicht resümierten [9] sozialen Prozesscharakter, der das Entscheidungsverhalten der Patienten kennzeichnet.
Gleichzeitig verdeutlichen die Ergebnisse, dass Patienten die gesundheitspolitisch
ihnen anempfohlene Orientierung an „objektiven Kriterien“, wie sie die Qualitätsberichtsangaben
enthalten, kaum befolgen [2]. Doch ein kleinerer Anteil von 8 % der Patienten sticht beim Entscheidungsverhalten
hervor. Diese Patienten kommen zu elektiven Eingriffen in die internistischen Fachabteilungen
der Schwerpunkt- und Maximalversorgung. Sie sind im Alter von 40 bis Ende Sechzig
jünger, öfter männlich und gehören häufiger der Oberschicht an. Zudem waren sie seltener
oder zuvor gar nicht in stationärer Behandlung und kennen das Krankenhaus bzw. die
Fachabteilung seltener, doch wenn, dann war niemand von ihnen mit dem Voraufenthalt
unzufrieden. Gemäß diesem Aufnahmeprofil informieren sich diese Patienten vor dem
anstehenden Eingriff in einer eher früheren Krankheitsphase häufiger bei externen
Informationsquellen, vor allem ihrem spezialisierten Facharzt, im Internet, beim Hausarzt
und auch in der Krankenhausambulanz. Entscheidungsrelevant sind für sie die professionelle
Empfehlung ihrer Behandler, der Ruf des Krankenhauses und 2 Kriterien der antizipierten
Arzt-Patienten-Beziehung im Krankenhaus, nämlich einmal, dass sich die Ärzte dort
genug Zeit für die Patienten nehmen und zum anderen, dass sie diese in die Behandlungsentscheidungen
einbeziehen. Einige von ihnen geben zudem objektive Qualitätskriterien als relevant
an. Somit befolgt diese Teilgruppe ein klein wenig das gesundheitspolitisch empfohlene,
wissenschaftlich basierte Vorgehen, objektive Qualitätskriterien bei der Krankenhauswahl
zu berücksichtigen. Doch passt dieses Vorgehen der jüngeren und gebildeteren Patienten
in einer eher frühen Krankheitsphase auch zu einem – mangels eigener Vorerfahrung
– aktiveren Suchverhalten in alle Informationsrichtungen, wobei beziehungsvermittelte
Informationen klar entscheidend sind.
Aus Krankenhaus- und Abteilungssicht sind somit in der Inneren Medizin 3 Patientengruppen
im Hinblick auf die Krankenhauswahl unterscheidbar: Knapp die Hälfte der Patienten
entscheidet nicht selbst, sondern das tun die Notfallrettung oder ambulante Behandler
als Einweiser. Dann folgt eine größere Gruppe von gut 40 %, die sich ganz überwiegend
nach der eigenen Vorerfahrung mit dem Krankenhaus bzw. der Fachabteilung für die erneute
Behandlung im selben Krankenhaus entscheidet und schließlich gibt es noch eine kleinere
Patientengruppe von knapp 10 % mit mehr Zeit vor der Aufnahme, die sich aktiver und
umfänglicher entscheidet.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse, wie stark die Patienten in der Inneren Medizin mit
ihrem Behandlungsort und ihren stationären Behandlern verbunden sind. Die hohe Anzahl
älterer Patienten mit chronischen Erkrankungen und zahlreichen Krankenhaus-Voraufenthalten
verdeutlicht, dass Patienten im Krankheitsverlauf immer wieder stationärer Behandlung
bedürfen, diese oft akut oder mit sehr kurzem Zeitvorlauf aufgenommen werden und dann
in das ihnen vorbekannte Krankenhaus gehen.
Für die internistischen Abteilungen bedeutet dies: Zu einem großen Teil kommen Patienten
bei einer erneut nötigen Behandlung bei eigener Entscheidung oder der ihrer Einweiser
dort wieder zur Aufnahme, wo sie mit ihrem individuellen Krankheitsverlauf bekannt
sind und wo sie auch die ärztlichen und pflegerischen Behandler kennen und sich somit
eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut hat.
Der Erfahrung, die Patienten im Verlaufe ihrer Behandlung gemacht haben, kommt in
mehrfacher Hinsicht eine wichtige Bedeutung zu. Patienten nehmen diese nicht nur als
Krankenhaus-Vorerfahrung für eigene zukünftige Entscheidungen mit. Sie ist auch das,
was über Angehörige und ambulante Behandler im sozialen Prozess der Krankenhausentscheidung
dann auch für Angehörige im Falle einer bevorstehenden Krankenhausaufnahme entscheidungswirksam
wird -dies insbesondere bei denen, die jünger sind und noch in der diagnostischen
Abklärungsphase oder der ersten Therapiephase ihres Krankheitsverlaufs stehen. Und
letztlich formt der Austausch über die gemachten Erfahrungen dann auch den Ruf eines
Krankenhauses.
In der Behandlungserfahrung verbinden sich somit sowohl die medizinische Qualität
der Behandlung, die Zufriedenheit der einzelnen Patienten, als auch der soziale Austausch
über das Krankenhaus und formen zusammen die Entscheidung der Patienten, sich dort
in Behandlung zu begeben.
Limitationen
Die Studienstichprobe besteht aus zufallsgezogenen Patienten aus 6 internistischen
Fachabteilungen, doch kann die Patientenzusammensetzung in internistischen Fachabteilungen
mit eingriffsspezifischen Schwerpunkten und einem höheren Anteil elektiver Patienten
andere Verteilungsmuster der Patientengruppen und damit der Krankenhauswahl bedingen.
Die Studie ist eine Beobachtungsstudie und die vorgestellten Ergebnisse einschließlich
der statistischen Testergebnisse sind als explorativ anzusehen, und müssen durch weitere
Untersuchungen bestätigt werden.
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Patienten in der Inneren Medizin sind älter, öfter chronisch krank und kommen häufiger
akut zur Aufnahme als Patienten der anderen Fachgebiete.
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Etwas mehr als die Hälfte der Patienten entscheidet selbst über das Krankenhaus, das
ist damit deutlich weniger als in den anderen Fachgebieten.
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Die eigene Kenntnis des Krankenhauses ist für die Hälfte der Patienten die wichtigste
Informationsquelle, für 18 % auch ihre Haus- und anderen Fachärzte.
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Für die meisten Patienten, die selbst entscheiden, ist ihre eigene Krankenhaus-Vorerfahrung
das wichtigste Entscheidungskriterium, gefolgt vom Ruf des Krankenhauses, den Empfehlungen
der Behandler und der Wohnortnähe.
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Etwa 10 % der Patienten haben mehr als eine Woche Zeit vor Aufnahme und kommen auf
der Schwerpunkt- und Maximalversorgerebene zur elektiven Behandlung; sie sind jünger,
häufiger männlich, gehören öfter der Oberschicht an und entscheiden nach einem aktiveren
Wahlverhalten selbst über das Krankenhaus.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Die Studie erhielt am 18.10.2011 ein positives Votum der Ethikkommission der Universität
Witten/Herdecke (Nr. 95/2010). Die Studie wurde gemäß der Deklaration von Helsinki
in der Revision von 2008 durchgeführt und alle beteiligten Patienten gaben nach Aufklärung
über die Studie ihr schriftliches Einverständnis zur Teilnahme an der Fragebogenerhebung.
Finanzierung der Studie
Die Studie wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unter dem Kennzeichen
01GX1047 im Rahmen des Förderschwerpunktes „Versorgungsnahe Forschung – Patientenorientierung
und chronische Krankheiten“ gefördert.