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DOI: 10.1055/a-1660-9688
Die Rückkehr an den Arbeitsplatz begleiten – Assessment: Work-ability Support Scale (WSS)
- Barrieren und Ressourcen erheben
- Entwicklung der WSS
- Voraussetzungen
- Durchführung
- Gute Gütekriterien
- Empfehlenswert in der beruflichen Reha
- Literaturverzeichnis
Welche Unterstützung benötigt ein Mensch mit erworbener Hirnschädigung, um wieder seinen Beruf auszuüben? Dieser Frage geht die Work-ability Support Scale auf den Grund. Das Besondere an dem Assessment: Neben dem persönlichen Unterstützungsbedarf erfasst die WSS außerdem die Kontextfaktoren rund um den Arbeitsplatz.
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In unserer Gesellschaft hat Arbeit einen großen Stellenwert. Und die Rückkehr in die Arbeitswelt wirkt sich positiv auf die Lebensqualität von Patient*innen mit einer erworbenen Hirnschädigung (wie Schlaganfall oder SHT) aus [1]–[3]. Diese Rückkehr kann positiv, aber auch negativ beeinflusst werden. So beziehen sich negative Faktoren einerseits auf die Schwere der Hirnschädigung (z. B. schwere motorische oder sprachliche/kognitive Einschränkungen). Andererseits bestehen negative Faktoren auch im individuellen Kontext, beispielsweise wenn der fehlende Führerschein das Risiko erhöht, nicht in die Arbeitswelt zurückzukehren [4]–[6].
Faktoren, die sich positiv auf die berufliche Rückkehr auswirken, sind zum Beispiel höhere Bildung und eine optimistische Erwartung an die Genesung [4]–[6]. Auch die Koordination der beruflichen Reintegration und interprofessionelle Interventionen beeinflussen die Wiedereingliederung positiv [4]. Zudem äußern Patient*innen, die erfolgreich an den Arbeitsplatz zurückkehrten, dass sie die individuelle Unterstützung durch Fachpersonen als positiv erlebten [2].
Barrieren und Ressourcen erheben
Fadyl et al. (2015) erwähnen, dass Fachkräfte der beruflichen Integration/Arbeitsrehabilitation genau solche Faktoren erfassen sollen [7]. Ein Instrument, das dies ermöglicht und die Planung der beruflichen Wiedereingliederung unterstützt, ist die Work-ability Support Scale (WSS).
Es gibt bereits verschiedene Instrumente für die berufliche Wiedereingliederung, jedoch beurteilen diese oft nur die funktionellen Fähigkeiten, sie sind zeitaufwendig oder lassen Kontextfaktoren außen vor. Die WSS beurteilt den Unterstützungsbedarf einer Person in der natürlichen Arbeitsumgebung und erhebt darüber hinaus die Kontextfaktoren rund um den Arbeitsplatz [7].
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Entwicklung der WSS
Ein Forschungsteam um Dr. Joanna Fadyl entwickelte die WSS zwischen 2013 und 2015 [8]. Es sammelte mittels Expertise der Anspruchsgruppe (Patient*innen, Ärzt*innen, Ergotherapeut*innen, Fachpersonen von Sozialversicherungen) die Faktoren, welche die Rückkehr an den Arbeitsplatz beeinflussen, und nahmen diese als Items in die WSS auf.
Damit ist die Work-ability Support Scale ein wertvolles Instrument, um Patient*innen in der beruflichen Integration zu begleiten: Sie lässt sich in verschiedenen Phasen der Rehabilitation einsetzen und hilft beim Definieren des Vorgehens und beim Abschätzen des Unterstützungsbedarfs am Arbeitsplatz. Sind zum Beispiel bei einer Person die körperlichen Items sehr niedrig bewertet, so benötigt diese mehr Hilfestellung durch das Umfeld bei physisch fordernden Tätigkeiten. Je nach Jobprofil sollte dann mit der Wiederaufnahme der Arbeit noch abgewartet werden.
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Voraussetzungen
Zunächst benötigen Therapeut*innen detaillierte Kenntnisse über die berufliche Tätigkeit der Patientin bzw. des Patienten. Um die Arbeitssituation zu erfassen, gibt es zum Beispiel auf der Homepage des King‘s College London hilfreiche Tools (ZUSATZINFO) [9].
Die WSS wird auf der Grundlage von Beobachtungen oder Interviews ausgefüllt. Der Zeitaufwand beträgt insgesamt 15 bis 40 Minuten. Die Beurteilung der Items erfordert von den Durchführenden die Imagination des Arbeitsumfelds der Patient*innen und Erfahrung im Bereich der beruflichen Integration.
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Durchführung
Das Instrument besteht aus zwei Teilen: Teil A erfasst den Unterstützungsbedarf von 16 verschiedenen körperlichen, kognitiven und Verhaltensfunktionen ([ABB. 1]). Die Beurteilung ist an die FIM-Skala angelehnt (1 = völlig unselbstständig, 7 = völlig selbstständig) [10]. Zum Beispiel werden beim ersten Item „Physis und Motorik“ die motorischen Fertigkeiten für die Tätigkeit beurteilt wie Kraft, Koordination, Gleichgewichtsfunktion, Bedienen von Maschinen etc. Bei einem Wert 7 ist die größtmögliche Selbstständigkeit vorhanden, bei einem Wert 4 wird regelmäßig Unterstützung notwendig und die Produktivität ist geringfügig beeinträchtigt.
Teil B erfasst 12 Kontextfaktoren, die in persönliche Faktoren (z. B. Arbeitswunsch), Umweltfaktoren am Arbeitsplatz (z. B. Unterstützung durch Kollegen) und Barrieren (z. B. gesetzliche Hürden) unterteilt sind ([ABB. 2]). Die Kontextfaktoren werden anhand einer 3er-Skala beurteilt (-1 = nein, 0 = neutral, +1 = ja).
Insgesamt sind maximal 124 Punkte erreichbar. Um das Ergebnis zu bewerten, enthält die WSS Entscheidungsbäume.
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Gute Gütekriterien
Die Gütekriterien wurden bisher in zwei Studien erhoben [11], [12]. Die Intra-Class-Zuverlässigkeit für den Teil A ist ausgezeichnet und gut im Teil B [11]. Somit ist besonders der Teil A problemlos durch einen anderen Tester auszuführen.
Die Inter- und Intrarater-Zuverlässigkeit ist gut bis sehr gut [11]. Die Gütekriterien der validierten chinesischen Version unterstützen diese Angaben: Der Teil A hat eine exzellente interne Konsistenz, und eine gute Inhaltsvalidität liegt vor [12]. Die interne Konsistenz ist bei Teil B niedriger, wobei zu beachten ist, dass diese Items kontextbezogen sind und daher subjektiver erfasst werden [12].
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Empfehlenswert in der beruflichen Reha
Die Studien zeigen, dass die WSS valide und reliabel ist [11], [12]. Allerdings wurden die Studien in einem anderen kulturellen Kontext (angelsächsisch und chinesisch) ausgeführt. Die Work-ability Support Scale ist praktikabel und mit wenig Zeitaufwand durchführbar. Sie erfasst den Rehabilitationsbedarf, alle beeinflussenden Faktoren und ist hilfreich in der Planung der beruflichen Wiedereingliederung – empfehlenswert in der beruflichen Rehabilitation von neurologischen Patient*innen.
Michèle Häberli, Thomas Nyffeler, Tim Vanbellingen
WSS im Internet
Auf der Homepage des „King’s College London“ gibt es die englischsprachige WSS sowie weitere nützliche Tools (z. B. Work Questionnaire) kostenfrei zum Download [9]: bit.ly/work-ability-support-scale .
Im Jahr 2017 übersetzten Bernadette Vögele und Michèle Häberli (Luzerner Kantonsspital) die WSS ins Deutsche. Wer sich für die deutschsprachige Version (nicht validiert) interessiert, kann die Autorin kontaktieren: michele.haeberli@luks.ch .
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Literaturverzeichnis
- 1 Donker-Cools BHPM, Schouten MJE, Wind H, Frings-Dresen MHW. Return to work following acquired brain injury: the views of patients and employers. Disabil Rehabil 2018; Jan 40 (02) 185-191 DOI: 10.1080/09638288.2016.1250118.
- 2 Matérne M, Lundqvist LO, Strandberg T. Opportunities and barriers for successful return to work after acquired brain injury: A patient perspective. Work. 2017; 56 (01) 125-134 DOI: 10.3233/WOR-162468.
- 3 van Velzen JM, van Bennekom CA, Edelaar MJ, Sluiter JK, Frings-Dresen MH.. Prognostic factors of return to work after acquired brain injury: a systematic review. Brain Inj. 2009; May 23 (05) 385-95 DOI: 10.1080/02699050902838165.
- 4 Cancelliere C, Donovan J, Stochkendahl MJ, Biscardi M, Ammendolia C, Myburgh C, Cassidy JD.. Factors affecting return to work after injury or illness: best evidence synthesis of systematic reviews. Chiropr Man Therap. 2016; Sep 8 24 (01) 32 DOI: 10.1186/s12998-016-0113-z.
- 5 Matérne M, Strandberg T, Lundqvist LO. Risk Markers for Not Returning to Work Among Patients with Acquired Brain Injury: A Population-Based Register Study. J OccupRehabil. 2019; Dec 29 (04) 728-739 DOI: 10.1007/s10926-019-09833-6.
- 6 van der Kemp J, Kruithof WJ, Nijboer TCW, van Bennekom CAM, van Heugten C, Visser-Meily JMA.. Return to work after mild-to-moderate stroke: work satisfaction and predictive factors. NeuropsycholRehabil. 2019; May 29 (04) 638-653 DOI: 10.1080/09602011.2017.1313746.
- 7 Fadyl JK, McPherson KM, Schlüter PJ, Turner-Stokes L. Development of a new tool to evaluate work support needs and guide vocational rehabilitation: the work-ability support scale (WSS). DisabilRehabil. 2015; 37 (03) 247-58 DOI: 10.3109/09638288.2014.914586.
- 8 Fadyl JK, McPherson KM, Schlüter PJ, Turner-Stokes L. Factors contributing to work-ability for injured workers: literature review and comparison with available measures. DisabilRehabil. 2010; 32 (14) 1173-83 DOI: 10.3109/09638281003653302.
- 9 King’s College London. The Work-ability Support Scale. Im Internet. https://www.kcl.ac.uk/cicelysaunders/resources/tools/wss Stand: 31.10.2021
- 10 Hamilton BB, Laughlin JA, Fiedler RC, Granger CV. Interrater reliability of the 7-level functional independence measure (FIM). Scand J Rehabil Med 1994; Sep 26 (03) 115-9
- 11 Turner-Stokes L, Fadyl J, Rose H, Williams H, Schlüter P, McPherson K. The Work-ability Support Scale: Evaluation of Scoring Accuracy and Rater Reliability. JOURNAL OF OCCUPATIONAL REHABILITATION. 2014; Sep 24 (03) 511-524 DOI: 10.1007/s10926-013-9486-1.
- 12 Guo Y, Lin B, Zhang Z, Fu B, Wang Y, Qi B. Cross-Cultural Adaptation and Validation of the Chinese Version of the Work-Ability Support Scale (WSS) in Young and Middle-Aged Stroke Survivors. J OccupRehabil. 2020; Dec 30 (04) 646-655 DOI: 10.1007/s10926-020-09878-y.
Publication History
Article published online:
04 January 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literaturverzeichnis
- 1 Donker-Cools BHPM, Schouten MJE, Wind H, Frings-Dresen MHW. Return to work following acquired brain injury: the views of patients and employers. Disabil Rehabil 2018; Jan 40 (02) 185-191 DOI: 10.1080/09638288.2016.1250118.
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