Key words
hemorrhoids - embolization - rectal artery
Pathophysiologie des Hämorrhoidalleidens
Pathophysiologie des Hämorrhoidalleidens
Der Hämorrhoidalplexus ist ein schwammartiges Gefäßpolster am anorektalen Übergang
oberhalb der Linea dentata. Der Plexus besteht aus einem arteriovenösen Gefäßkonglomerat,
dem glatten Musculis canalis ani und elastischen Bindegewebsfasern. Das physiologische
Gefäßpolster dient der Feinabdichtung des Afters und wird vorrangig aus Endästen der
Arteria rectalis superior aufgefüllt. Weitere Zuflüsse stammen aus der Arteria iliaca
interna über die Arteria rectalis media und aus der Arteria pudenda interna über die
Arteria rectalis inferior [1]. Das Gefäßpolster selbst wird von sich in den Zwischenräumen verzweigenden Gefäßen
nutritiv versorgt [2].
Treten Beschwerden in Zusammenhang mit vergrößerten Hämorrhoiden auf, spricht man
von einem Hämorrhoidalleiden bzw. symptomatischen Hämorrhoiden [3]. Das Hämorrhoidalleiden stellt eine der häufigsten Erkrankungen der Industrienationen
dar. Die Inzidenz des Hämorrhoidalleidens liegt bei etwa 4 % der Gesamtbevölkerung
[4]. Zu den typischen Symptomen des Hämorrhoidalleidens gehören transanale Blutungen,
Stuhlschmieren, Juckreiz und Brennen [3].
Beim Hämorrhoidalleiden ist die Integrität des Plexus hemorrhoidalis gestört. Neben
vaskulären Veränderungen kommt es zu entzündlichen Veränderungen und zu degenerativen
Prozessen des elastischen Gewebes sowie der Muskelfasern, welche die Hämorrhoidalpolster
fixieren [5]. Der Zerfall des Halteapparats führt zu einer Vergrößerung und auch Verlagerung
des Corpus cavernosum recti nach kaudal [6].
Auf vaskulärer Ebene wurde im Vergleich zu gesunden Probanden ein deutlich größerer
Durchmesser sowie ein höherer und schnellerer Blutfluss in den Ästen der Arteria rectalis
superior beobachtet [7]. In dieser Studie korrelierte das Gefäßkaliber auch mit der Schwere der Krankheit.
Auf molekularpathologischer Ebene gibt es Hinweise auf eine gesteigerte Angioneogenese
in dem pathologisch veränderten Hämorrhoidalgewebe. In Gewebeproben wurde neben einer
Vermehrung der Gefäße eine erhöhte Expression des „vascular endothelial growth factor“
gefunden [8]. Zudem wurde in Hämorrhoidalgewebe eine Überexpression der Zink-abhängigen Matrix-Metalloproteinase
9 nachgewiesen [9]. Die aktivierte Proteinase führt neben einer Zerstörung elastischer Fasern zu einer
erhöhten Aktivität des angioproliferativen „transforming growth factor β“ [10].
Diagnostik und Therapie
Das Hämorrhoidalleiden wird nach Goligher in 4 Stadien eingeteilt [11]. Beim Stadium 1 ist proktoskopisch eine leichte Vorwölbung der Hämorrhoidalknoten
sichtbar. Beim Stadium 2 kommt es beim Pressen zum spontan reversiblen Prolaps der
Knoten in den Analkanal und bei drittgradigen Hämorrhoiden ziehen sich die prolabierten
Knoten nicht mehr spontan zurück, können jedoch manuell reponiert werden. Das Stadium
4 ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die prolabierten Hämorrhoidalknoten nicht
mehr reponieren lassen.
Das Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten reicht stadienabhängig von einer Basistherapie
bestehend aus einer ballaststoffreichen Ernährung, Bewegung und Flüssigkeitszufuhr
über Sklerosierung und Gummibandligatur bis zu operativen Interventionen.
Bei erst- bis zweitgradigen Hämorrhoiden kann laut aktueller S3-Leitlinie die Sklerosierungstherapie
durchgeführt werden [12]. Hier wird ein Sklerosierungsmittel im Bereich der zuführenden Arterien oder in
die Hämorrhoidalknoten proktoskopisch injiziert. Zu den häufigsten Komplikationen
zählen urologische Nebenwirkungen wie Prostatitis, Harnverhalt und Hämaturie in bis
zu 31 % der Fälle [13]. Nach 4 Jahren zeigt sich eine hohe Rezidivrate von bis zu 81 % [14].
Bei zweitgradigen Hämorrhoiden wird die Gummibandsklerosierung empfohlen [12]. Das Hämorrhoidalgewebe wird gefasst und mit einem Gummiband abgeschnürt. Das Gewebe
stirbt und fällt ab. Die entstehende narbige Schrumpfung führt zu einer Raffung des
verbleibenden Hämorrhoidalgewebes. Schmerzen und Blutungen werden als häufigste Komplikationen
genannt. In neueren Studien werden Rezidivblutungen in bis zu 13 % der Fälle und lokale
Schmerzen in bis zu 45 % der Fälle angegeben [15]
[16]. Kontraindikationen sind laut den oben genannten Leitlinien Gerinnungsstörungen
und die Einnahme potenter Gerinnungshemmer [12]. Bei dritt- bis viertgradigen Hämorrhoiden ist eine operative Therapie indiziert.
Die resezierenden Verfahren werden in segmental-resezierende Verfahren und zirkulär-resezierende
Verfahren unterteilt. Zu den in Deutschland wahrscheinlich am häufigsten angewandten
segmental-resezierenden Verfahren gehört die Hämorrhoidektomie nach Millighan und
Morgan [12]
[17]. Dabei werden die Hämorrhoidalpolster entfernt und der arterielle Zufluss proximal
unterbunden. Zu den neueren Verfahren gehören die Stapler-Hämorrhoidopexie und die
Doppler-gesteuerte Ligatur. Bei der Stapler-Hämorrhoidopexie wird mit einem Stapler
zirkulär ein Mukosaring der rektalen Schleimhaut entfernt [18]. Dies führt zu einer Raffung der Hämorrhoiden nach kranial und einer Unterbindung
der terminalen Äste der Arteria rektalis superior. Bei der Doppler-gesteuerten Ligatur
von Hämorrhoidalarterien werden mit einem Spezialproktoskop dopplersonografisch die
Hämorrhoiden-versorgenden Arterien aufgesucht und ligiert [19]. Die genannten chirurgischen Therapien erfolgen unter Vollnarkose. Methodenbedingt
kommt es zu einem analen und rektalen Trauma.
Hämorrhoidenembolisation
Ein neues Behandlungskonzept des Hämorrhoidalleidens stellt die endovaskuläre Hämorrhoidenembolisation
dar. Aufgrund der Neuartigkeit des Verfahrens hat dieses bislang keinen Eingang in
die Leitlinien gefunden. Nach aktueller Kenntnislage scheint die Hämorrhoidenembolisation
jedoch besonders für Patienten mit störenden Blutungen bei zweit- bis drittgradigen
Hämorrhoidalleiden und für Patienten mit Kontraindikationen für eine Operation geeignet
zu sein. Zur letzteren Gruppe gehören z. B. Patienten, die potente Gerinnungshemmer
einnehmen, oder Patienten, die nicht einer Narkose unterzogen werden können [20]. Das Verfahren kann ergänzend zu vorangegangenen Hämorrhoidenoperationen problemlos
durchgeführt werden. Sollte die Hämorrhoidenembolisation nicht die gewünschte Beschwerdelinderung
erzielen, kann umgekehrt im Verlauf eine operative Therapie durchgeführt werden. Die
Beschreibung der detaillierten Technik soll beispielhaft anhand eines Behandlungsfalls
erfolgen, welcher im Hause der Autoren behandelt wurde.
Ein 56-jähriger Mann stellte sich mit rezidivierenden, z. T. massiven peranalen Blutabgängen
sowie chronischem Juckreiz vor. Eine Behandlung mittels Gummibandligaturen in der
Vorgeschichte blieb ohne anhaltenden Erfolg. Eine vorab durchgeführte Koloskopie zum
Ausschluss von sonstigen Differenzialdiagnosen wie beispielsweise Tumoren, welche
rezidivierende Blutungen verursachen können, war unauffällig. Proktoskopisch fanden
sich zwei zweitgradige und ein drittgradiger Hämorrhoidalknoten.
Nach Lokalanästhesie wurde die Arteria femoralis communis in Seldinger-Technik punktiert
und eine 4F-Schleuse eingelegt. Es folgten die Sondierung der Arteria mesenteria inferior
mit einem 4F-Diagnostikkatheter in SHK-1-Konfiguration (Cordis Corporation, Miami
Lakes, USA) und eine Übersichtsangiografie mittels manueller Kontrastmittelinjektion
(siehe [Abb. 1]). Anschließend erfolgte die superselektive Sondierung der Arteria rektalis superior
mit einem 2,4F-Mikrokatheter (Direxion, Boston Scientific Corporation, USA) und einem
0,016“-Mikrodraht (Fathom, Boston Scientific Corporation, USA) in Koaxialtechnik.
Zur genaueren Beurteilung der Blutversorgung des Hämorrhoidalplexus und der Lagebeziehung
der Endäste wurde ein Cone-Beam-CT mittels manueller Kontrastmittelinjektion mit Katheterlage
oberhalb der Aufzweigung in die Endäste angefertigt (siehe [Abb. 2]). Insgesamt zeigten sich 4 Endäste, welche in anterior-posteriorer Projektion auf
Höhe der kranialen Symphyse einen typischen horizontalen Verlauf aufwiesen. Die Endäste
wurden einzeln in Roadmap-Technik mit dem Mikrodraht und Mikrokatheter sondiert und
zunächst mit 250 µm großen Hydrogelpartikeln (Embozene, Boston Scientific, USA) und
anschließend mit 0,018“-Mikrospiralen embolisiert. Bei forcierter Kontrastmittelinjektion
in den rechts ventralen Endast zeigte sich eine Anastomose zur Arteria rektalis media
([Abb. 3]), welche ebenfalls mit einer Mikrospirale verschlossen wurde. Insgesamt wurden 13
Figure-eight 2 × 5 mm und 14 Straight 5 mm sowie eine VortX 3 × 2,5mm-Spirale (Boston
Scientific, USA) verwendet. Ziel war es, eine vollständige Stase in den Gefäßen und
eine fehlende Kontrastierung des Plexus hemorrhoidalis ([Abb. 4]) herbeizuführen. Das Fremdmaterial wurde entfernt und ein Druckverband angelegt.
Abb. 1 Kontrastmittelinjektion in die Arteria mesenterica inferior. Darstellung der Arteria
rectalis superior mit 4 Endästen am kaudalen Bildrand. Es handelt sich um eine sehr
kräftige Arteria mesenterica inferior, daher ist die abgebildete, recht tiefe Intubation
mit einem 4F-Katheter gefahrlos möglich.
Abb. 2 Anfertigung eines 3D-Modells der Arteria rectalis superior aus Daten nach Akquisition
eines Cone-Beam-CT. Der Verlauf der einzelnen Hämorrhoiden-versorgenden Äste wurde
farbig markiert. Es handelt sich um eine Off-Label-Anwendung des EmboGuide (EmboGuide,
Philips healthcare, Eindhoven, Niederlande). Mit dem blauen Ball wurde der Bereich
des Plexus hämorrhoidalis markiert, um eine automatische Detektion der zuführenden
Arterien durchzuführen.
Abb. 3 Forcierte Kontrastmittelinjektion in den rechts ventralen Endast der Arteria rectalis
superior. Retrograde Darstellung einer Hämorrhoiden-versorgenden Kollaterale aus der
Arteria rectalis media.
Abb. 4 Abschlussaufnahme. Nach Partikel- und Spiralembolisation zeigt sich eine Stase in
den Hämorrhoiden-versorgenden distalen Gefäßästen der Arteria rectalis superior.
Nach einem komplikationslosen Verlauf wurde der Patient am Folgetag entlassen.
Die proktoskopische Kontrolluntersuchung nach 6 Wochen zeigte allenfalls gering größenregrediente
Hämorrhoiden. Im halbjährigen Verlauf sei der Patient jedoch komplett beschwerdefrei
und ohne weitere Blutungsereignisse.
Ergebnisse
Die Technik der endovaskulären Hämorrhoidenembolisation wurde erstmals in der russischsprachigen
Literatur beschrieben [21]. Vidal berichtete 2014 in einer kleinen Fallserie mit 3 teilweise voroperierten
Patienten von einer deutlichen Regredienz beeinträchtigender Blutungen [22].
In einer weiteren Studie von Vidal et al. wurden 14 Patienten mit zweit- bis viertgradigen
Hämorrhoiden, von denen die Hälfte voroperiert war und 10 mit Antikoagulanzien behandelt
wurden bzw. infolge einer Leberzirrhose eine eingeschränkte Blutgerinnung hatten,
behandelt [23]. Bei einem Fall kam es zu einer temporären, schmerzhaften perianalen Reaktion. In
dieser ersten Studie wurde zunächst inkomplett embolisiert; um ischämische Komplikationen
zu vermeiden, wurden bei den ersten 6 Patienten nur 2 der 4 Endäste der Arteria rectalis
superior verschlossen. Aufgrund von Nachblutungen wurde in weiteren Sitzungen bei
4 Patienten eine nun vollständige Embolisation durchgeführt. Insgesamt kam es bei
72 % der Patienten zu einer klinischen Befundbesserung nach einem Monat. In einer
weiteren Studie der Arbeitsgruppe um Vidal wurden Patienten mit Kontraindikationen
für eine chirurgische Therapie und Patienten, welche trotz Voroperation persistierende
Beschwerden hatten, behandelt. Es wurden überwiegend zweitgradige Hämorrhoidalknoten
behandelt und eine Besserung der Symptome bei 72 % der Patienten beobachtet [24]. In der Studie von Tradi et al. wurden zweit- und drittgradige Hämorrhoiden behandelt
[25]. Es zeigte sich eine Symptombesserung bei etwa zwei Drittel der Patienten; insbesondere
wurden eine verminderte Blutungsrate, eine verbesserte Lebensqualität und eine Schrumpfung
der Hämorrhoidalknoten beobachtet. In den vorgenannten Studien wurden die distalen
Endäste der Arteria rektalis ausschließlich mittels Spiralen embolisiert.
Bei bis zu einem Viertel der Patienten wurden jedoch bei forcierter Kontrastmittelinjektion
relevante Anastomosen zur Arteria rectalis media bzw. eine kodominante Versorgung
des Hämorrhoidalplexus über Äste der Arteria rectalis media beobachtet; diese Patienten
profitierten weniger häufig von einer Hämorrhoidenembolisation [25].
Offensichtlich führt der fehlende Verschluss von weiteren dominanten Arterien des
Hämorrhoidalplexus zu einer inkompletten Embolisation und konsekutiv zu einem schlechteren
Ergebnis.
Daher wurde auch in dem von uns beschriebenen Fall vor der Spiralembolisation eine
superselektive Partikelembolisation durchgeführt, um Gefäßäste zur bzw. der Arteria
rectalis media mit zu behandeln. Dabei ist eine Fehlembolisation in andere Regionen/Organe
aufgrund der Flussrichtung nicht zu erwarten. Solche Kollateralen stellen also keine
Kontraindikation, sondern geradezu eine Indikation für eine zusätzliche Partikelembolisation
dar, um ein möglichst komplettes Embolisationsergebnis zu erzielen.
Zakarchenko behandelte 40 Patienten mit erst- bis drittgradigen Hämorrhoiden [26]. Auch in dieser Studie wurden zusätzlich Partikel zur Embolisation verwendet. Hierfür
wurde ein 5F-Katheter an die Aufteilungsstelle in die Endäste der Arteria rectalis
superior vorgeführt. Aus dieser Position wurde zusätzlich zu hier applizierten Metallspiralen
eine weniger selektive Embolisation mit Polyvinylalkoholpartikeln mit einer Größe
von 300 µm durchgeführt [26]. In dieser Studie wurden ebenfalls keine Komplikationen beobachtet. Es zeigte sich
eine Größenreduktion der Hämorrhoidalknoten und eine Symptombesserung bei 83 % der
Patienten mit drittgradigen Hämorrhoiden sowie bei 94 % der Patienten mit erst- und
zweitgradigen Hämorrhoiden. Einen Monat nach der Behandlung zeigte sich zudem eine
unveränderte Kontraktilität des Analsphinkters. Der dopplersonografisch gemessene
Blutfluss in den Hämorrhoidalknoten konnte im Durchschnitt um die Hälfte gesenkt werden.
In der Studie von Moggia wurde das Verfahren bei Patienten mit blutenden Hämorrhoiden
angewendet und führte zu einer Symptombesserung und Besserung der Lebensqualität bei
87,5 % der Patienten. Komplikationen wurden innerhalb einer Nachbeobachtungszeit von
12 Monaten nicht beobachtet [27].
Schlussfolgerung
Das Hämorrhoidalleiden stellt eine der häufigsten Erkrankungen der Industrienationen
dar. Die Bandbreite der angebotenen Therapien reicht von diätetischen Basismaßnahmen
bis zur offenen Operation. In letzter Zeit wurden einige vielversprechende Studien
zur Hämorrhoidenembolisation veröffentlicht. Es konnte eine deutliche und anhaltende
Reduktion der Beschwerden ohne relevante Nebenwirkungen gezeigt werden. Dieses minimalinvasive
endovaskuläre Verfahren stellt eine sinnvolle Ergänzung zu den etablierten Therapien
dar und kann insbesondere bei Patienten mit Risiken für eine Operation oder Narkose
angewendet werden.