Pneumologie 2021; 75(12): 999-1000
DOI: 10.1055/a-1689-3581
Mitteilungen des DZK

Mitteilungsseiten des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK)

 

Liebe Tuberkuloseinteressierte

welche drastischen Folgen die SARS-CoV-2-Pandemie für Tuberkulosepatienten und Patientinnen weltweit hat, zeigt der nun veröffentliche Welt-Tuberkulose-Report der WHO. Dabei wurde aber auch gezeigt, wie rasch durch gemeinsame Anstrengungen die Entwicklung von Impfstoffen möglich ist. Diskutiert wird, ob die mRNA-Technologie vielleicht auf für die Tuberkuloseimpfstoffentwicklung möglich ist. In vielen Ländern stellt aber auch die Diagnostik insbesondere der resistenten Tuberkulose eine große Hürde zur richtigen Therapie dar. In einer neuen Studie wird dazu der neue Xpert MDR/XDR als neuer Schnelltest vorgestellt.

Weitere Informationen und News zur Tuberkulose wie auch den Link zum Wissens-Podcast Tuberkulose finden Sie unter www.dzk-tuberkulose.de.


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Veranstaltungshinweis

Wir möchten Sie bereits jetzt auf die kommende Tagung „Tuberkulose aktuell“ hinweisen, die am 21. 03. 2022 als Hybridveranstaltung virtuell und im Langenbeck-Virchow-Haus in Berlin stattfinden wird. Weitere Informationen hierzu finden Sie unter http://tba.fz-borstel.de/.


Welt-Tuberkulosebericht der WHO für 2020 – Todesfälle durch Tuberkulose erstmals wieder ansteigend

Im Jahr 2020 ist die Mortalität durch Tuberkulose (TB) erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt wieder angestiegen. Gegenüber dem Vorjahr 2019 mit geschätzten 1,4 Millionen Todesfällen wurden für 2020 1,5 Millionen Todesfälle geschätzt. Diese alarmierende Entwicklung wird als eine direkte Folge des Einbruches bei der Fallfindung durch die SARS-CoV-2-Pandemie gesehen. Die geschätzte weltweite Inzidenz lag 2020 mit 9,9 Millionen Fällen sogar gering unter den für 2019 geschätzten 10 Millionen TB-Fällen. Die Anzahl der diagnostizierten und registrierten Fälle aber sank um 18 % von 7,1 auf 5,8 Millionen. Dieser Einbruch bei der Fallfindung war in allen WHO-Regionen und insbesondere in den Hochprävalenzländern Indien, Indonesien, den Philippinen und China sichtbar.

Der Anteil der multiresistenten (MDR) TB-Fälle blieb im Vergleich zu 2019 unverändert. Der aktuelle Report zeigt jedoch, dass bei 15 % weniger MDR-Patientinnen und Patienten eine Behandlung begonnen werden konnte. Die verbesserten Therapieoptionen führten zu einem leichten Anstieg des durchschnittlichen Therapieerfolgs, der mit 59 % immer noch deutlich niedriger ausfällt als bei medikamentensensibler TB (86 %). Laut WHO-Schätzungen verbleiben jedoch ⅔ der Menschen mit MDR-TB ohne Therapie.

Insbesondere durch die pandemiebedingte Verschiebung finanzieller und personeller Ressourcen mussten in vielen Ländern die Versorgungsangebote reduziert werden. Auch die Bemühungen, die präventive Therapie in Risikopopulationen zu verstärken, waren davon betroffen. Restriktionen im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie und die Angst vor Ansteckung werden als weitere Gründe für die verminderte Nutzung des Angebots an Diagnostik und Therapie verantwortlich gemacht. Erschwerend kamen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie hinzu. Zunächst wurde nun im Jahr 2020 ein Anstieg der Gesamt-Mortalität registriert. Durch den vergrößerten Pool an nicht behandelten und ansteckungsfähigen Fällen wird jedoch in den nächsten Jahren auch ein Anstieg der registrierten TB-Fallzahlen erwartet.

Die Meilensteine zum Erreichen des internationalen Ziels einer Eliminierung der TB bis 2035 konnten in dieser Situation bei Weitem nicht erreicht werden. Die weiteren Entwicklungen der gemeinsamen Anstrengungen im Rahmen der EndTB-Strategie werden maßgeblich vom Verlauf der SARS-CoV-2-Pandemie abhängen. Die Finanzierung für den Zugang zu Prävention, Diagnostik und Therapie sowie für die Forschung im TB-Bereich blieb 2019 deutlich hinter den geplanten Investitionen zurück. Eine Stärkung der Ressourcen bei der Bekämpfung der weltweiten TB-Epidemie ist dringend notwendig, um die besorgniserregenden Entwicklungen aufzuhalten und katastrophale Folgen für die Betroffenen zu verhindern.

Der Global TB Report wurde dieses Jahr in einer innovativen Internet-basierten Form herausgegeben (https://www.who.int/teams/global-tuberculosis-programme/tb-reports/global-tuberculosis-report-2021) und ist auch als App erhältlich.


Ist eine mRNA-Impfung gegen Tuberkulose möglich?

Im August 2021 teilte die Firma BioNTech mit, sich an der Entwicklung eines Tuberkulose-Impfstoffs auf mRNA-Basis zu beteiligen. Zunächst aber sollen ein mRNA-Impfstoff gegen Malaria geprüft und Produktionsmöglichkeiten auf dem afrikanischen Kontinent geschaffen werden.

Das Wirkprinzip der mRNA-Impfstoffe scheint bei Viren sehr gut zu funktionieren, und es besteht Hoffnung, dass dieses auf einen Impfstoff gegen den parasitären Erreger der Malaria übertragbar ist. Ob eine mRNA-Impfung gegen Mykobakterium tuberculosis möglich ist, bleibt fraglich. Erste Versuche hierzu wurden bereits 2004 gemacht, und bei Mäusen konnte eine Antikörper-Antwort induziert werden [1]. Dennoch schienen andere Wege der Immunisierung gegen Tuberkulose erfolgversprechender, sodass zunächst mRNA-Impfstoffe gegen die lukrativeren Ziele der onkologischen und allergologischen Forschung entwickelt wurden [2].

Prof. Kaufmann ist international ein Experte für die Immunologie des Tuberkuloseerregers und maßgeblich an der Entwicklung eines rekombinanten Impfstoffes auf Basis von BCG beteiligt. Wir haben ihn zu einem möglichen mRNA-Impfstoff gegen Tuberkulose befragt und er unterstützt die derzeitigen Bemühungen, beurteilt die Erfolgsaussichten aber zurückhaltend. „Versuchen sollte man es aber auf jeden Fall. Gegen Viren und möglicherweise gegen Malariaerreger kann eine Immunität über neutralisierende Antikörper wirksam vermittelt werden“, antwortet Prof. Kaufmann. Aber kann ein RNA-Impfstoff, der etwa 3–5 unterschiedliche Antigene kodiert, auch eine Immunantwort hervorrufen, die breit genug ist, um insbesondere auch T-Zellen zu stimulieren? „Dass RNA-Impfstoffe auch T-Zellen stimulieren, steht außer Frage, aber über die unterschiedlichen am Schutz beteiligten T-Zellen wissen wir noch zu wenig“, antwortet Prof. Kaufmann.

Mehr als 130 Jahre nach den ersten Versuchen, gegen die Tuberkulose zu impfen, ist der BCG-Impfstoff seit 100 Jahren der einzig Verfügbare, wenn auch nur für eingeschränkte Personengruppen in Hochinzidenzländern. Es gibt zwar vielversprechende Ansätze, aber noch keine breit einsetzbare Impfung. Die Zukunft muss zeigen, wie der bestmögliche Impfstoff gegen Tuberkulose aussieht und auf welchem Weg die beste Immunantwort erreicht werden kann. Die aktuelle Coronavirus-Pandemie hat gezeigt, dass wirksame Impfstoffe in einer weltweiten Notlage in kurzer Zeit verfügbar sein können. Die hierzu notwendigen Investitionen werden nun gebraucht, um einen wirksamen Schutz gegen Tuberkulose zu finden, den weltweit tödlichsten bakteriellen Infektionserreger.


Erweiterte Resistenztestung im Schnellverfahren

In einer in der Zeitschrift Lancet veröffentlichten klinischen Studie wurde der neue automatisierte Schnelltest Xpert MTB/XDR der Firma Cepheid an direkten Sputum-Proben evaluiert [3]. In der groß angelegten Untersuchung wurde der neue Test bei 611 Proben von Patientinnen und Patienten aus Hochprävalenzländern mit der phänotypischen Resistenztestung (MGIT) und der Gesamtgenom-Sequenzierung verglichen. Bei sehr guter Spezifität (98–100 %) zeigte der Xpert MTB/XDR eine Sensitivität von 94 % für Isoniazid, 94 % für Fluoroquinolone, 54 % für Ethionamid[*], 73 % für Amikacin, 86 % für Kanamycin und 61 % für Capreomycin. In der Validierung zeigte der Xpert MTB/XDR eine sehr gute Übereinstimmung mit den bereits verfügbaren sogenannten Line Probe Tests MTBDRplus und MTBDRsl der Firma GenoType.

Wir sprachen mit PD Dr. Claudia Denkinger, die an der Studie beteiligt war. Sie hat das Tuberkulose-Programm der Foundation for Innovative New Diagnostics (FIND) geleitet und ist seit vielen Jahren als Expertin für die WHO tätig. Sie bewertet den Xpert MTB/XDR als eine wichtige Weiterentwicklung in der Tuberkulose-Diagnostik, da der neue Test wichtige zusätzliche Informationen zur üblichen Resistenztestung gegen Rifampicin liefern kann. Frau Denkinger betont: „Gerade mit der zunehmenden Bedeutung der Fluorochinolone in Therapiekombinationen der ersten und zweiten Wahl ermöglicht der neue Test eine zeitnahe Umsetzung der Resistenztestung.“ Daher wird er von der WHO empfohlen.

Allerdings werden mit dem Xpert MTB/XDR auch Medikamente wie Aminoglykoside untersucht. Aus dieser Gruppe sollte nur noch Amikacin in ausgewählten Situationen und unter strenger Beobachtung der unerwünschten Arzneimittelwirkungen verwendet werden [4]. Für Kanamycin und Capreomycin gibt es keine Empfehlung mehr [5].



* In Deutschland wird Protionamid verwendet.



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Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
07. Dezember 2021

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