Osteologie 2022; 31(01): 31-37
DOI: 10.1055/a-1712-4009
Review

Osteoporose-Management während der COVID-19 Pandemie

Management of Osteoporosis During the COVID-19 Pandemic
Elena Tsourdi
1   TU Dresden Faculty of Medicine Carl Gustav Carus, Medizinische Klinik III, Dresden, Germany
› Author Affiliations
 

Abstract

Aim The COVID-19 pandemic has influenced the management of many chronic conditions including osteoporosis as resources are re-allocated to urgent care.

Methods This mini-review summarizes the effects of COVID-19 on diagnosis and management of osteoporosis. Evidence regarding possible effects of osteoporosis medications on COVID-19 outcomes and the relationship of COVID-19 vaccination to osteoporosis care is reviewed. Finally, initiation and maintenance of osteoporosis treatment during the pandemic are highlighted.

Results The use of standard procedures for the diagnosis of osteoporosis and assessment of fracture risk significantly decreased during the COVID-19 pandemic, while the incidence of fragility fractures was mostly unaltered. Both COVID-19 per se and its treatments are associated with a negative impact on bone health. Osteoporosis medications do not aggravate the clinical course of COVID-19, while preclinical data suggests possible beneficial effects of some therapies. While vitamin D deficiency is clearly associated with a worse clinical course of COVID-19, evidence of outcome improvement through vitamin D supplementation is lacking. Osteoporosis treatment should not be generally discontinued, and recommendations for substituting therapies are available. Osteoporosis therapies do not interfere with the efficacy or side-effect profiles of COVID-19 vaccines and should not be stopped or indefinitely delayed because of vaccination.

Conclusion The diagnosis and management of osteoporosis are challenging during the COVID-19 pandemic. Osteoporosis medications are safe and effective and should be continued. Further studies will elucidate the impact of the COVID-19 pandemic on long-term bone health.


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Zusammenfassung

Ziel Die COVID-19-Pandemie hat die Behandlung vieler chronischer Erkrankungen, einschließlich Osteoporose, beeinflusst, da Ressourcen für die Notfallversorgung umgewidmet wurden.

Methoden Dieser Übersichtsartikel fasst zusammen die Auswirkungen von COVID-19 auf das Management der Osteoporose. Mögliche Effekte von Osteoporose-Medikamenten auf die COVID-19-Verläufe sowie die Beziehung zwischen COVID-19-Impfung und Osteoporose-Behandlung werden evaluiert. Schließlich wird die Einleitung und Fortsetzung der Osteoporose-Behandlung während der Pandemie diskutiert.

Ergebnisse Die Osteoporose-Diagnostik ging in den frühen Phasen der COVID-19-Pandemie deutlich zurück, während die Inzidenz von Fragilitätsfrakturen weitgehend unverändert blieb. Sowohl COVID-19 an sich als auch seine Behandlung sind mit potentiellen negativen Auswirkungen auf die Knochengesundheit verbunden. Osteoporose-Medikamente aggravieren nicht den klinischen Verlauf von COVID-19, während präklinische Daten auf mögliche positive Auswirkungen einiger Substanzen hinweisen. Obwohl ein Vitamin-D-Mangel eindeutig mit schweren klinischen Verläufen von COVID-19 einhergeht, gibt es keine Evidenz für eine Verbesserung der Erkrankung durch eine Vitamin-D-Supplementation. Die Osteoporose-Behandlung sollte generell nicht abgebrochen werden. Osteoporose-Medikamente beeinträchtigen weder die Wirksamkeit noch das Nebenwirkungsprofil der COVID-19-Impfstoffe und sollten wegen der Impfung nicht unterbrochen werden.

Schlussfolgerung Die Diagnose und Behandlung der Osteoporose während der COVID-19-Pandemie stellt eine Herausforderung dar. Osteoporose-Medikamente sind sicher und wirksam und sollten nach Möglichkeit weiter eingenommen werden. Weitere Studien werden mehr Aufschluss über die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die langfristige Knochengesundheit geben.


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Einleitung

Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels hat SARS-CoV2, der Erreger der COVID-19-Pandemie, weltweit mehr als 240 Millionen Menschen infiziert und zu mehr als 4,8 Millionen Todesfällen geführt [1]. Neben den schwerwiegenden Krankheitsmanifestationen und den damit verbundenen Komplikationen, hat COVID-19 enorme Auswirkungen auf die klinische Routine. Insbesondere die Auswirkungen der Pandemie auf die Versorgung der Osteoporose sind weitreichend. Viele Grundversorgungs- und Spezialkliniken wurden vorübergehend geschlossen, sodass die Zeitpläne für Screening-Dual-Energy-Röntgen Absorptiometrie (DXA)-Scans signifikant geändert wurden. Da es sich bei der Osteoporose um eine chronische Erkrankung handelt, ist bei vielen Patient*innen eine kontinuierliche Behandlung erforderlich, um den therapeutischen Nutzen aufrechtzuerhalten, wie dies auch bei anderen chronischen Erkrankungen der Fall ist. Mit Ausnahme der Bisphosphonate, die eine lange biologische Halbwertszeit haben, müssen andere Osteoporose-Medikamente regelmäßig verabreicht werden. Eine verzögerte Verabreichung bestimmter Substanzen kann für die Patient*innen bedrohliche Folgen haben, die von einem Verlust an Knochenmasse bis hin zu einem Anstieg des Knochenumsatzes und des Frakturrisikos reichen. Dieser Übersichtsartikel fasst zusammen die vielfältigen Folgen der Pandemie auf die Knochengesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung, und evaluiert die verfügbaren Daten und klinischen Empfehlungen für die Versorgung von Patient*innen mit Osteoporose während der COVID-19-Ära.


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Auswirkungen der Pandemie auf die Diagnostik und Komplikationen der Osteoporose

Die Messung der Knochenmineraldichte (BMD) mittels DXA ist ein wertvolles Instrument für die Diagnose der Osteoporose, zur Verbesserung der Präzision der Frakturrisikoabschätzung und zur Überwachung des Ansprechens auf eine Osteoporose-Therapie. Mehrere Studien haben einen Rückgang der Raten von DXA-Scans um mehr als 50% in den frühen Phasen der Pandemie gezeigt, als das ärztliche und Pflegepersonal zur Unterstützung der Behandlung von stationären Patienten während der ersten COVID-19-Welle umverteilt wurde [2] [3]. Diese Rückgänge sind besonders besorgniserregend, wenn man bedenkt, dass die Raten der Früherkennung und Behandlung von Osteoporose bereits sehr niedrig sind [4].

Obwohl die Versorgung der Osteoporose während der Pandemie zurückgegangen ist, haben sich die Komplikationen der Osteoporose nicht verlangsamt. Die Gesamtfrakturraten nach Beginn der Pandemie sind deutlich zurückgegangen, dennoch deuten aktuelle Studien darauf hin, dass dies ausschließlich auf einen Rückgang der traumatischen Frakturen zurückzuführen ist [5] [6]. Die Raten osteoporotischer Femurfrakturen sind jedoch entweder unverändert [5] [6] oder möglicherweise gegenüber den Vorjahren gestiegen [7]. Darüber hinaus, werden Fragilitätsfrakturen mit negativen Folgen von COVID-19 in Verbindung gebracht. Bei 114 wegen COVID-19 hospitalisierten älteren Erwachsenen in Italien, lag die Prävalenz einer bereits bestehenden vertebralen Fraktur (VFx) bei 36%, und Patient*innen mit VFx wiesen höhere Raten an nicht-invasiver mechanische Beatmung und Sterblichkeit auf [8]. In ähnlicher Weise, bei 209 an COVID-19 Erkrankten in der Türkei, war eine geringere BMD an der Lendenwirbelsäule (LWS) via multivariate Analysen mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko verbunden [9]. Obwohl es denkbar ist, dass schwergradige VFx die Atmungsmechanik beeinträchtigen können [10], ist es wahrscheinlicher, dass prävalente Frakturen ein Merkmal von Gebrechlichkeit und Komorbiditäten sind, die eine schlechtere Prognose bei COVID-19 erwarten lassen. Im Gegenzug ist das gleichzeitige Auftreten einer COVID-19 Infektion zum Zeitpunkt einer Femurfraktur mit einer höheren Sterblichkeitsrate verbunden [7].

Zusammenfassend, belegen diese Studien sowohl die anhaltende Bedeutung der Osteoporose-Behandlung während der COVID-19 Ära, aber auch die Rolle, welche das Vorhandensein einer Osteoporose als Prädiktor für eine schlechtere Prognose bei COVID-19 spielen kann.


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Interaktionen zwischen SARS-CoV2 und Knochenhomöstase

Bei Patient*innen, die mit COVID-19 stationär behandelt wurden, wurde eine sehr hohe Hypocalciämierate (bis zu 60-80%) berichtet [11]. Bislang ist es jedoch unklar, ob diese Hypocalciämie auf einen SARS-CoV2-spezifischen Effekt hindeutet oder einen Marker für einen schweren Verlauf der Erkrankung darstellt, und die langfristigen Auswirkungen einer akuten Hypocalciämie auf die Knochengesundheit sind unbekannt. Eine Hypophosphatämie ist ebenfalls an COVID-19 Erkrankten häufig [12], und in einer kleinen chinesischen Studie waren die Phosphatwerte bei den kritisch Erkrankten niedriger als bei Patient*innen mit weniger schweren Verläufen [12]. Im Gegensatz dazu, in einer Kohorte von 280 Patient*innen mit Niereninsuffizienz, welche wegen COVID-19 stationär behandelt wurden, waren niedrigere Phosphatwerte mit einer geringeren Sterblichkeit assoziiert [13]. Sowohl eine Hyper- als auch eine Hypo-magnesiämie wurden bei COVID-19 Erkrankten berichtet, und beide Störungen wurden mit schwergradigen Verläufen in Verbindung gebracht [14] [15].

Der Zusammenhang zwischen Vitamin D und COVID-19 ist nach wie vor umstritten, obwohl viele bekannten Interaktionen zwischen Vitamin D, Immunität und anderen häufigen Infektionen bekannt sind, die sich wie folgt zusammenfassen lassen. Studien aus der Zeit vor der COVID-Pandemie hatten gezeigt, dass niedrige Vitamin-D-Spiegel mit höheren Infektionsraten verbunden waren [16], wobei die Substitution mit Vitamin D zu einer Senkung der Rate von manchen aber nicht allen Virusinfektionen geführt hatte [17] [18]. In Bezug auf COVID-19 deuten in vitro Studien darauf hin, dass aktiviertes Vitamin D die Replikation von SARS-CoV-2 deutlich verringern kann [19]. Beobachtungsstudien suggerieren, dass ein Vitamin-D-Mangel bei hospitalisierten Patient*innen mit COVID-19 sehr verbreitet ist und mit einem höheren Risiko für Infektion, Schwere der Erkrankung und Tod verbunden ist [20] [21]. Die Substitution von Vitamin D wurde auch in Beobachtungsstudien mit einer geringeren Infektionsrate und mit einem geringeren Schweregrad der COVID-19 Erkrankung in Verbindung gebracht, wobei diese Studien durch Störfaktoren deutlich eingeschränkt sind [22] [23].

Derzeit gibt es nur wenige Daten aus randomisierten, interventionellen Vitamin D-Studien bei Patient*innen mit COVID-19. Eine kleine randomisierte Pilotstudie legt nahe, dass eine Vitamin D Supplementation bei Erkrankten mit Vitamin D Mangel die Schwere der COVID-19-Krankheit verringerte [24]. Eine weitere kleine randomisierte

Studie, in der zwei Dosen von täglichem Vitamin D verglichen wurden, ergab, dass die COVID-19-Symptome schneller abklangen bei denjenigen, die 5000 IE/Tag erhielten, als bei denjenigen, die 1000 IE/Tag erhielten [25]; Ungleichgewichte bei Alter und BMI können jedoch diese Ergebnisse verfälscht haben. In einer randomisierten Studie mit 130 Personen mit Vitamin D Mangel, die wegen COVID-19 stationär behandelt wurden, führte eine tägliche hochdosierte Vitamin D-Therapie zu einer signifikanten Verringerung der Entzündungsmarker, obwohl keine Unterschiede bei den Entlassungs- oder Sterberaten festgestellt wurden [26]. In einer größeren placebo-kontrollierten Studie mit einmaliger hochdosierter Vitamin D Supplementation bei 240 Patient*innen mit und ohne Vitamin D Mangel, zeigt sich keine Verbesserung der Sterblichkeit, der Aufnahme auf der Intensivstation oder dem Bedarf an mechanischer Beatmung [27]. Obwohl also einige Autoren für eine weit verbreitete oder gezielte Vitamin D Supplementation auf Bevölkerungsebene plädieren [28], ist weitere Forschung erforderlich, um festzustellen, ob Vitamin D eine kausale Rolle bei der Schwere der COVID-19-Erkrankung spielt. Aktuell ist eine intensive Forschungstätigkeit in diesem Bereich zu verzeichnen, mit>45 randomisierten Studien, die bei ClinicalTrials.gov registriert sind.


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Interaktionen zwischen Therapien gegen COVID-19 und Osteoporose

Die derzeitige Behandlung von COVID-19 kann sich auch nachteilig auf die Knochengesundheit auswirken. Hochdosierte Glukokortikoide, die aktuell zur Standardbehandlung von hospitalisierten Patient*innen mit COVID-19 gehören [29], verringern bekannterweise die BMD und erhöhen das Frakturrisiko in Abhängigkeit von Dosis und Dauer. Die Behandlung von Patient*innen während der SARS-Epidemie beinhaltete Schemata mit sehr hohen Dosen von Glukokortikoiden, die mit einem Knochenmasseverlust und einem 7-fach erhöhten Risiko für einer avaskulären Osteonekrose des Femurs einhergingen [30]. Es sollte jedoch beachtet werden, dass die

Dexamethason-Therapie bei COVID-19 im Allgemeinen kürzer ist (≤10 Tage), sodass die langfristigen Auswirkungen dieser Behandlung auf das Skelett abzuwarten sind.

Bislang ist nicht bekannt, welche Auswirkungen andere COVID-19-Therapien wie Remdesivir und Bamlanivimab auf die BMD oder das Frakturrisiko haben. Baricitinib, ein Jak1/2-Inhibitor, hat einige positive Auswirkungen auf die Knochenresorption gezeigt, insbesondere eine Unterdrückung der RANKL-Expression und Hemmung der Osteoklastogenese in vitro [31]. Schließlich wirken sich der Aufenthalt auf einer Intensivstation und die längere Immobilisierung negativ auf die Knochen- und Muskel-gesundheit aus, was das Sturz- und Frakturrisiko erhöhen kann [32].

Zusammenfassend und trotz der geringen Datenmenge, ist es wahrscheinlich, dass sowohl COVID-19 per se als auch seine Behandlungen die Knochengesundheit beeinträchtigen.


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Auswirkungen der Pandemie auf die Behandlung der Osteoporose

Die COVID-19-Pandemie hat vorbestehende Lücke in der Therapie der Osteoporose weiter vergrößert, da die Behandlung von Patient*innen mit Osteoporose auf der Liste der klinischen Prioritäten als niedrig eingestuft wird. Die Kapazitäten für die Bereitstellung von Infusionsbehandlungen wurde durch die Verteilung von Personal zu Akutdiensten verringert, und zusätzlich waren viele Patient*innen nicht bereit oder nicht in der Lage, geplante Behandlungen aufzusuchen [2] [3]. Einige wissenschaftliche Gesellschaften haben Empfehlungen für die sichere Einleitung und Fortführung der Osteoporosetherapie während der Pandemie formuliert [33] [34] [35], die in der Tabelle zusammengefasst sind.

Bei Patient*innen mit neu diagnostizierter Osteoporose sollte der Beginn der Behandlung nicht wegen der Pandemie verzögert werden, vor allem im Falle einer kürzlich aufgetretenen Fraktur. In diesen Fällen kann es am sinnvollsten sein eine orale Therapie (z. B. Alendronat) oder eine selbst verabreichte parenterale Therapie (z. B. Teriparatid) in Verbindung mit einem telemedizinischen Termin zu initiieren; alternative Therapien sollten jedoch nicht ausgeschlossen werden, wenn sie die beste Option darstellen und zugänglich sind.

Bei Patient*innen, die bereits eine Osteoporose-Therapie erhalten, sollte, wenn möglich, die derzeitige Therapie fortgesetzt werden [33]. Dies ist bei oralen Medikamenten einfach (z. B. Alendronat, Raloxifen), kann aber bei Notwendigkeit eines ärztlichen Kontaktes eine Herausforderung darstellen. Zu den empfohlenen Strategien zur Bewältigung dieser Herausforderungen gehören die Erkundung alternative Versorgungsmodelle, einschließlich der Nutzung von Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses (z. B. s.c. Applikation Denosumab und Romosozumab im Pflegeheim) [33]. Zusätzlich können weniger häufige Dosierungen von Zoledronat [36] [37] oder ein Übergang von parenteralen Therapien zu oralen Bisphosphonaten in Betracht gezogen werden [38]. Dies ist besonders wichtig, wenn die Fortsetzung einer Therapie mit Denosumab nicht ohne erhebliche Verzögerungen möglich ist, aufgrund des erhöhten Risikos von Rebound-VFx [38]. Darüber hinaus sollten der Verlust der BMD-Zuwächse durch Absetzen einer osteoanabolen Therapie vermieden werden [39].


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Interaktionen zwischen Therapien gegen Osteoporose und COVID-19

Ein anderer wichtiger Aspekt ist ob und welche Auswirkungen Medikamente gegen Osteoporose auf die COVID-19 Pathogenese haben. Daten aus Beobachtungsstudien sprechen für eine kontinuierliche Einnahme von Osteoporose-Medikamenten. In einer Beobachtungsstudie mit über 2000 Patient*innen in Spanien hatten Menschen, die mit Osteoporose-Medikamenten behandelt wurden, kein erhöhtes Risiko für eine COVID-19-Infektion im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung [40]. Denosumab verdient besondere Beachtung, da es Bedenken hinsichtlich Denosumab und das Infektionsrisiko auf der Grundlage numerischer Unterschiede bei den Infektionsraten in klinischen Studien und Assoziationen in Meta-Analysen und Beobachtungsdaten [41] [42] [43]. Denosumab ist ein monoklonaler Antikörper gegen RANKL, und sowohl RANKL als auch sein Rezeptor RANK, werden auf Immunzellen, einschließlich B- und T-Lymphozyten und dendritischen Zellen, exprimiert. Infolgedessen spielen RANKL und RANK möglicherweise eine wichtige Rolle bei den immunen Signalwegen und der Reifung des adaptiven Immunsystems [44]. Eine kürzlich durchgeführte Meta-Analyse randomisierter kontrollierter Studien hat jedoch gezeigt, dass Denosumab das Risiko für Infektionen der oberen Atemwege, Pneumonie oder infektionsbedingter Sterblichkeit nicht erhöht hat, obwohl ein erhöhtes Risiko für HNO- und Magen-Darm-Infektionen beobachtet wurde [45]. Außerdem war Denosumab bei kleinen Stichproben von Patient*innen, die diese Substanz in Italien [46] und Spanien [40] erhielten, nicht mit einem erhöhten Risiko für COVID-19 assoziiert.

Es gibt auch präklinische Daten, die darauf hindeuten, dass bestimmte Osteoporose- Therapien positive physiologische Effekte ausüben, die das Risiko einer schweren COVID-19-Erkrankung verringern könnten. Bisphosphonate, das am häufigsten verwendete Medikament zur Behandlung von Osteoporose, wurden bei manchen Patentenkollektiven mit einem geringeren Risiko für Pneumonie bzw. Pneumonie-bedingter Sterblichkeit in Verbindung gebracht [47] [48]. Selektive Östrogenrezeptormodulatoren (SERMs) wie Raloxifen und Östrogen selbst können pleiotrope Effekte haben, die den Schweregrad von COVID-19 beeinflussen [49] [50] [51]. Mögliche Mechanismen umfassen die Modulation der Expression von Angiotensin Converting Enzym 2 (ACE2), was das Infektionsrisiko beeinflussen kann [52], die Hemmung der IL-6-Signalübertragung, die den Zytokinsturm dämpfen kann [53], und die in vitro Wirksamkeit dieser Substanzen bei der Behandlung von anderen Atemwegsinfektionen wie Influenza A [54]. Da Östrogene und SERMs das Thromboserisiko jedoch um 3 bis 5-fach erhöhen [55], ist es wichtig, die Ergebnisse der laufenden randomisierten Studien abzuwarten, welche die Wirksamkeit und Sicherheit dieser Behandlungen im Rahmen von COVID-19 untersuchen.


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Interaktionen zwischen Osteoporose-Medikamente und COVID-19 Impfstoffen

Bislang gilt Osteoporose selbst, unabhängig vom Alter und den damit verbundenen Komorbiditäten, nicht als Risikofaktor für eine Infektion mit SARS-CoV-2 oder einen schweren Verlauf von COVID-19, und laut Expertenmeinung gibt es keine Indikation, Patient*innen mit Osteoporose vorrangig impfen zu lassen [56]. Darüber hinaus, gibt es keine Daten, die darauf hindeuten, dass eine Osteoporosetherapie die Wirksamkeit der Impfstoffe gegen COVID-19 abschwächen würde. Es kann jedoch sinnvoll sein, bestimmte Substanzen aufgrund der damit verbundenen Nebenwirkungen kurzzeitig zu verschieben (Tabelle) [56]. Zum Beispiel kann sowohl die Infusion von Bisphosphonaten als auch die Anwendung COVID-19-Impfstoffen eine vorübergehende grippeähnliche Reaktion hervorrufen [56]; daher kann die Gabe eines i. v. Bisphosphonats um etwa eine Woche verschoben werden, damit sie nicht mit der Verabreichung des Impfstoffs zusammenfällt. Somit können Verwirrung, Angst und unnötige Tests im Falle von Fieber, Schüttelfrost oder Myalgien, bedingt durch die Infusion, den Impfstoff, oder COVID-19 selbst, vermieden werden.

Tab. 1 Empfehlungen für die Einleitung und Fortführung einer Osteoporose-Therapie während der COVID-19 Pandemie.

Table 1 Recommendations for osteoporosis therapy initiation and continuation during the COVID-19 pandemic.

Osteoporose-Medikament

Einleitung der Therapie bei Therapie-naïven Personen

Fortsetzung oder Wechsel der Therapie

Gleichzeitige Verabreichung der Osteoporose-Therapie mit COVID-19 Impfstoff

Orale Bisphosphonate

Einleitung wie üblich

Fortsetzung der Therapie

Fortsetzung der Therapie

Intravenöse Bisphosphonate

Erwägung der Einführung eines oralen Bisphosphonats als Alternativ, wenn keine erheblichen Bedenken hinsichtlich Dysphagie, Ösophagus-Pathologie oder Malabsorption

Fortsetzung der Therapie wenn möglich Alternative sind eine Verzögerung der Behandlung oder ein Wechsel zu oralen Bisphosphonaten

Möglichst 1 Woche Abstand

Denosumab

Erwägung der Einleitung einer alternativen Therapie, wenn Patient nicht in der Lage ist, zuverlässig sich in die Klinik zu begeben

Dringende Empfehlung zur Fortsetzung der Therapie, evt. außerhalb der Klinik oder Selbstverabreichung Wenn die Therapie verzögert oder unterbrochen werden muss, Wechsel zu einem oralen Bisphosphonat zu dem Zeitpunkt wo nächste Verabreichung fällig ist

Möglichst 4-7 Tage Abstand und Verwendung von alternativen subkutanen Injektionsstellen

Teriparatid

Einleitung wie üblich Möglicherweise ist ein persönlicher Besuch vom Pflegepersonal erforderlich, zur Schulung der Selbstinjektion

Fortsetzung der Therapie wenn möglich Kurze Verzögerung der Behandlung (z. B. 2-3 Monate) akzeptabel Wechsel zu einem oralen Bisphosphonat bei erwarteter längerer Verzögerung

Fortsetzung der Therapie

Raloxifen, Östrogen

Einleitung wie üblich

Fortsetzung der Therapie

Fortsetzung der Therapie

Romosozumab

Erwägung der Einleitung einer alternativen Therapie, wenn Patient nicht in der Lage ist, zuverlässig sich in die Klinik zu begeben

Fortsetzung der Therapie wenn möglich Kurze Verzögerung der Behandlung (z. B. 2-3 Monate) akzeptabel Wechsel zu einem oralen Bisphosphonat bei erwarteter längerer Verzögerung

Möglichst 4-7 Tage Abstand und Verwendung von alternativen subkutanen Injektionsstellen


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Limitationen und Zukunftsperspektive

Bislang handelt es sich bei den meisten Studien zur Knochengesundheit im Zusammenhang mit COVID-19 um Beobachtungsstudien oder um Studien die mit einer kleinen Patientenanzahl durchgeführt wurden. Die meisten Osteoporosetherapien wurden nicht direkt bei Personen mit COVID-19 untersucht. Aus diesem Grund sind Zusammenhänge zwischen COVID-19 und Knochengesundheit oder Osteoporose-Medikamenten aus Daten von anderen Infektionsprozessen extrapoliert. Höchste klinische Priorität haben rigorose randomisierte placebo-kontrollierten Studien, in denen untersucht wird, ob eine Vitamin-D-Supplementation eine therapeutische Rolle bei der Vorbeugung oder Behandlung der COVID-19-Krankheit spielt. Einige solcher randomisierten Studien sind aktuell laufend [57] [58]. Primärdaten, insbesondere in Form von prospektiven Kohorten, werden dringend benötigt, um die unmittelbaren und potenziellen Langzeiteffekte der hochdosierten Glukokortikoide bei der COVID-19-Behandlung zu verstehen. Größere Studien zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Osteoporose und COVID-19-Ergebnissen, mit angemessenen Kontrollen für Alter, Gebrechlichkeit und andere Störfaktoren, sind ebenfalls gerechtfertigt.

Fazit

Da sich die Verfügbarkeit von Impfstoffen und Therapien gegen COVID-19 rasch weiterentwickeln, sollte die prospektive Nachbeobachtung von Empfängern dieser Substanzen ebenfalls vorrangig sein, um die potentiellen Effekte auf die muskuloskelettale Gesundheit zu evaluieren. Derzeit gibt es keine Hinweise darauf, dass eine Osteoporose-Behandlung mit einem erhöhten Risiko einer COVID-19 Erkrankung assoziiert ist, oder die Wirksamkeit der Impfstoffe gegen COVID-19 beeinträchtigen könnte. Vielmehr deuten präklinische Daten auf mögliche positive Effekte bestimmten Osteoporose-Therapien. Darüber hinaus wird durch die Behandlung der Osteoporose und die damit verbundene Senkung des Frakturrisikos die global überlastete Krankenhausinfrastruktur entlastet. In Anbetracht des bereits sehr hohen Anteils der unbehandelte Patient*innen mit Osteoporose, müssen unbedingt innovative Wege gebahnt werden, um sicherzustellen, dass Personen mit einem erhöhten Frakturrisiko während der Pandemie erkannt und therapiert werden.


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Interessenkonflikt

ET führt klinische Studien mit Alexion, Amgen, Kyowa Kirin, Shire und UCB durch und erhielt Honorare für Vorträge oder Erstellung von Lehrmaterial von Amgen, Kyowa Kirin, Shire und UCB.


Korrespondenzadresse

Dr. Elena Tsourdi
TU Dresden Faculty of Medicine Carl Gustav Carus
Medizinische Klinik III
Fetscherstr. 74
01307
Dresden
Germany   
Phone: 49/351/45812 933   

Publication History

Received: 27 October 2021

Accepted: 01 December 2021

Article published online:
21 February 2022

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