kleintier konkret 2023; 26(01): 6-7
DOI: 10.1055/a-1713-0064
Für Sie gelesen

Für Sie gelesen: Patellaluxation bei Kaninchen

Patellaluxation bei Kaninchen – nicht immer erkannt?

Die Patellaluxation beschreibt eine mediale oder laterale Verlagerung der Patella aus ihrem Sulcus. Diese Erkrankung ist bei Hunden häufig, bei Katzen seltener beschrieben. Bei beiden Tierarten handelt es sich meist um eine mediale Luxation. Häufigste Ursache ist eine Entwicklungsstörung und Fehlstellung des Quadrizeps-Mechanismus, nur selten sind Traumata für eine Luxation der Kniescheibe verantwortlich. Klinisch zeigen Hunde und Katzen typischerweise eine intermittierende, geringe bis hochgradige Lahmheit der betroffenen Gliedmaße. Die Diagnose wird in der Regel in der klinischen Untersuchung gestellt.

Zoom Image
(Quelle: Thieme Gruppe)

Im Gegensatz dazu wurde die Patellaluxation beim Kaninchen bisher nur sehr selten beschrieben. Eine Literaturrecherche durch die Autoren im Sommer 2020 ergab lediglich 4 publizierte Fälle. Die Autoren evaluierten daraufhin retrospektiv alle Kaninchen der eigenen Einrichtung hinsichtlich der Prävalenz von Patellaluxationen, der damit zusammenhängenden Anamnese, Ätiologie, Beginn der Veränderungen, Art der Luxation, Behandlungsmethoden und deren Erfolg.

Material und Methoden

Für die Studie wurde das Patientengut von 2017 bis 2020 retrospektiv evaluiert. Inkludiert wurden Tiere, bei denen eine Patellaluxation während der klinischen Untersuchung diagnostiziert wurde. Standardröntgenbilder im orthogonalen Strahlengang wurden zusätzlich beurteilt.

Konservative Behandlung

Entschieden sich die Besitzer für eine konservative Behandlung, wurde dem Tier eine strikte Käfigruhe von mindestens 4 Wochen verordnet. Zur Schmerzbehandlung wurde Meloxicam oral über 7 Tage verabreicht.


#

Chirurgische Behandlung

Entschieden sich die Besitzer für eine chirurgische Behandlung, wurden zur Prämedikation Midazolam und Methadon intramuskulär verabreicht. Penicillin wurde prophylaktisch subkutan injiziert. Die Tiere erhielten einen intravenösen Katheter, intraoperative Flüssigkeitszufuhr und Alfaxalon zur Einleitung. Die Patienten wurden intubiert und die Anästhesie wurde mit Isofluran erhalten. Unterstützt durch einen Nervenstimulator wurde ein Ischias-Femoral-Block durchgeführt.

Die Operation erfolgte durch einen ECVS-zertifizierten Chirurgen. Dieser wählte einen lateralen Zugang zum Kniegelenk mit lateralem und medialem parapatellarem Schnitt durch die Gelenkskapsel. Der Chirurg entschied sich für eine explorative Arthrotomie, um weitere Strukturveränderungen, wie Osteoarthritis, Bänderriss oder Meniskusschäden zu diagnostizieren. Abhängig von der Sulkustiefe wurde eine Sulkoplastik durchgeführt. In allen 3 Fällen wurde eine Vest-over-Pants-Naht des medialen Patellarbands mit dem lateralen Retinaculum patellae mit einem 2 – 0 Polydioxanon-Faden gesetzt. Eine laterale extrakapsuläre Naht zwischen Patella und Fabella erfolgte zusätzlich mit einem 3 – 0 Polydioxanon-Faden. Wenn für nötig erachtet, wurde eine weitere Naht zwischen lateraler Fabella und distalem Patellaligament mit einem 4 – 0 Polyester-Faden gesetzt.

Die korrekte Reposition und der Verbleib in physiologischer Position wurden durch Flexion und Extension des Kniegelenks kontrolliert. Postoperativ erhielten die Tiere Methadon und Meloxicam, wobei letzteres über 1 Woche verabreicht wurde. Eine strikte Käfigruhe für 4 Wochen wurde verordnet. Es erfolgten zwei klinische Kontrollen nach 7 – 10 Tagen und 21 – 28 Tagen postoperativ. Teil der Kontrollen waren ein vollständiger orthopädischer Untersuchungsgang sowie eine Evaluierung des Lahmheitsgrads. Zusätzlich erfolgte eine telefonische Nachfrage nach 12 – 24 Monaten. Komplikationen wurden als gering eingestuft, wenn es zu Wundheilungsstörungen kam, und als schwer, wenn zum Beispiel nachoperiert werden musste.

Zoom Image
Die Prävalenz einer Patellaluxation wird für das Kaninchen mit 0,49% angegeben.(Quelle: K. Oborny/Thieme)

#
#

Resultate

Bei 6 (0,48%) von 1249 Kaninchen konnte eine Patellaluxation diagnostiziert werden. Die betroffenen 4 weiblich intakten und 2 männlich intakten Tiere waren unter 18 Monate. Es fiel bei allen eine akute Lahmheit auf, wobei es zu keiner Reduktion der Futteraufnahme oder des Kotabsatzes kam. Die klinische Untersuchung ermöglichte die Diagnosestellung in allen Fällen. Das Klassifikationsschema von Hund und Katze konnte übernommen werden. Die Luxation war bei allen Tieren unilateral und reichte von Grad II bis Grad IV. Sowohl mediale als auch laterale Luxationen wurden diagnostiziert. Neurologische Auffälligkeiten ergaben sich nicht. Die Verlagerung der Patella konnte auf allen Röntgenbildern dargestellt werden.

Konservative Therapie

Vier Tiere wurden konservativ behandelt. Bei 2 sehr jungen Tieren mit Grad II konnte eine funktionale Wiederherstellung erreicht werden. In 2 älteren Tieren mit Grad III kam es innerhalb von 7 Tagen zu einer Reluxation.


#

Chirurgische Behandlung

Drei Tiere wurden operativ behandelt. Es handelte sich jeweils um eine mediale Luxation. Die Operation dauerte weniger als 75 Minuten. Schäden an den Kreuzbändern oder der Menisken konnten ausgeschlossen werden. In allen 3 Fällen wurde eine verbindende Naht des medialen Patellarbands und des lateralen Retinaculum patellae gesetzt sowie eine laterale extrakapsuläre Naht zwischen Patella und Fabella. Geringe Schäden am Knorpel der Trochlea konnte bei 2 Tieren intraoperativ beobachtet werden. Eines dieser Tiere benötigte eine weitere Naht zwischen lateraler Fabella und distalem Patellaligament. Das zweite Kaninchen mit Knorpelveränderungen benötigte eine Sulkoplastik.

Postoperative Röntgenaufnahmen bestätigten die korrekte Position der Patella bei den 3 Tieren. Die Patienten erholten sich ohne Komplikationen und konnten 2 Tage nach der Operation mit gutem Appetit und normalem Kotabsatz entlassen werden. Eine milde Lahmheit sowie moderate Kniegelenksschwellung wurde als geringe Komplikation eingestuft und kam bei allen Tieren vor. Die Schwellung des Kniebereichs war 10 Tage postoperationem nicht mehr sichtbar. Bei der Kontrolle nach 4 Wochen zeigte keines der operierten Tiere eine Lahmheit. Schwere Komplikationen traten nicht auf. Bei der telefonischen Nachfrage nach 12 – 24 Monaten berichteten die Besitzer von einem guten bis sehr guten Ergebnis.


#
#

Diskussion

Während die Prävalenz der Patellaluxation bei Hunden und Katzen mit 2,42% und 0,1% in der Literatur beschrieben wird, gibt eine retrospektive Studie, die sich mit den häufigsten Erkrankungen des Kaninchens beschäftigt hat, eine Prävalenz von 0,49% für das Heimtier an. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Ergebnissen der hier untersuchten Tiere (0,48%). Die Dunkelziffer könnte jedoch weitaus höher liegen, da eine Patellaluxation beim Kaninchen möglicherweise nicht immer erkannt wird.

Originalstudie: Guillier D, Decambron A, Desprez I, Pignon C, Donnelly TM. Patellar luxation in rabbits (Oryctolagus cuniculus): 6 cases (2017 – 2020). I Exotic Pet Med 2020; 36: 1 – 6

Dr. Tina Brezina, Zentrum für Tiergesundheit, 76532 Baden-Baden


#

Publication History

Article published online:
06 March 2023

© 2023. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany