Ocon AJ.
et al.
Short-term dose and durationdependent
glucocorticoid risk for cardiovascular
events in glucocorticoid-naive patients with
rheumatoid arthritis.
Ann Rheum Dis 2021;
80: 1522-1529
DOI:
10.1136/annrheumdis-2021-220577
Hierzu werteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Daten von 19902
Personen aus, die zwischen 2001 und 2018 in ein RA-Register (CorEvitas) aufgenommen
worden waren. Bei ihrer Analyse berücksichtigten sie dabei nur steroidnaive
Patientinnen und Patienten, also Personen, die weder zum Zeitpunkt der
Registeraufnahme noch in der Vergangenheit Glukokortikoide angewendet hatten. Die
Forschenden prüften, wie viele Personen nach der Registeraufnahme
Glukokortikoide erhalten hatten und objektivierten die aktuell eingenommene und die
kumulative Gesamtdosis (Prednison-Äquivalenzdosis) sowie die
Behandlungsdauer. Anschließend untersuchten sie, wie viele Patientinnen und
Patienten im Verlauf kardiovaskuläre Ereignisse erlitten. Hierbei
berücksichtigten sie unter anderem Myokardinfarkte und
Schlaganfälle, Hospitalisationen aufgrund einer Hypertonie, koronare
Revaskularisierungseingriffe, ventrikuläre Arrhythmien, die instabile Angina
pectoris, tiefe Venenthrombosen und Lungenembolien, periphere arterielle
Thromboembolien und Ischämien sowie kardiale Todesfälle.
Ergebnisse
2500 Personen (12,6%) begannen im Verlauf der Beobachtungszeit – im
Median 19 Monate nach Registereinschluss – eine Glukokortikoidtherapie. Im
Studienkollektiv beobachteten die Forschenden 1106 kardiovaskuläre
Ereignisse, was einer Rate von 1,66 pro 100 Personenjahre entsprach. Bei
Berücksichtigung der RA-Dauer, der traditionellen kardiovaskulären
Risikofaktoren, der klinischen Krankheitsaktivität, der Behandlung mit
krankheitsmodifizierenden antirheumatischen Medikamenten sowie der
Prednison-Äquivalenzdosis zeigte sich: Sowohl bei Tagesdosen
(Prednison-Äquivalenzdosen) zwischen 5 und 9 als auch bei
Dosen≥10 mg nahm das kardiovaskuläre Ereignisrisiko
signifikant zu (adjustierte Hazard Ratio/aHR 1,56; 95% KI
1,18–2,05 bzw. aHR 1,91; 95% KI 1,31–2,79). Tagesdosen unter
5 mg erhöhten das Risiko dagegen nicht. Ebenfalls als signifikante
Risikofaktoren bezüglich Herzkreislaufkomplikationen identifizierten die
Forschenden eine während der vorangegangenen 6 Monate erreichte kumulative
Glukokortikoiddosis von 751 bis 1100 mg (aHR 1,43; 95% KI
1,04–1,98) bzw. von>1110 mg (aHR 2,05; 95% KI
1,42–2,94). Niedrigere kumulative Dosen begünstigten dagegen
kardiovaskuläre Ereignisse nicht. Im Hinblick auf die
Glukokortikoid-Anwendungsdauer zeigte sich: Bei einer Behandlungsdauer von 81 bis
160 Tagen sowie bei einer Behandlungsdauer von mehr als 181 Tagen innerhalb der
vorangegangenen 6 Monate stieg das Herzkreislaufrisiko signifikant (aHR 1,54;
95% KI 1,08–2,20 bzw. aHR 1,57; 95% KI 1,20–2,05).
Bezogen auf das vorangegangene Jahr errechnete sich eine signifikante Risikozunahme
für eine Anwendungsdauer zwischen 101 und 220 Tagen (aHR 1,41; 95%
KI 1,03–1,93) sowie für eine Anwendungsdauer von länger als
360 Tagen (aHR 1,88; 95% KI 1,39–2,56).
Steroidnegative Personen mit RA müssen darüber aufgeklärt
werden, dass auch eine relativ niedrig dosierte und nur kurzzeitig verabreichte
Glukokortikoidtherapie das Risiko für kardiovaskuläre
Komplikationen erhöhen kann, mahnt das Forscherteam. Lediglich bei einer
täglichen Prednison-Äquivalenzdosis von weniger als 5 mg
sowie bei geringen kumulativen Dosen und kurzer Anwendungsdauer scheine keine
wesentliche Gefährdung zu bestehen. Dies sei bei der Therapie der
Betroffenen zu berücksichtigen.
Dr. med. Judith Lorenz, Künzell