Zusammenfassung
Osteopathisch tätige Menschen haben ambitionierte Vorstellungen bezüglich der diagnostischen
und therapeutischen Verwertbarkeit ihrer Palpationsbefunde. Von ihnen entwickelte
Vorstellungen
und Begrifflichkeiten müssen vor dem Hintergrund aktueller Ergebnisse der Psychologie,
der Haptik- und der Placeboforschung be- und überdacht werden. Gleichzeitig für Erfahrungen
offen zu
bleiben, die auf einen unkonventionellen Zugang hinweisen könnten, ist herausfordernd.
Dieses Fallbeispiel beschreibt eine solche Gratwanderung.
Ein wesentlicher Aspekt osteopathischen Selbstverständnisses ist es, die Palpation
von einem relativ unbewusst eingesetzten Sinn zu einem hochsensiblen Werkzeug zu entwickeln.
Die
Osteopathie teilt sich, wie so vieles, diese Vorstellung mit anderen behandelnden
Professionen. Ein wenig von einem Alleinstellungsmerkmal hat die Art und Weise, wie
im Prozess der
osteopathischen Behandlung zwischen diagnostischem und therapeutischem Fokus
oszilliert wird. Wir spüren z. B. Festigkeiten, Spannungszüge, Widerstände, Nachlassen
und Verbindungen. Eine
valide Überprüfung dieser subjektiven Eindrücke ist allerdings nicht möglich.
Was bleibt, ist die Aussage des behandelten Menschen. Es geht ihm besser oder eben
nicht. Weil sich diese Form
von Wahrnehmung nicht selten mit einem imperativen Gefühl von Wahrhaftigkeit
paart, bedarf es kritischer Distanz, um sich nicht in wahrnehmungspsychologischen
Fußangeln zu verheddern. Es
lohnt sich aber auch, die Zügel mal locker zu lassen. Davon soll hier berichtet
werden. Der folgende Fallbericht erfolgt in Anlehnung an die CARE-Leitlinie [1].
Schlüsselwörter
Palpation - Listening - Sinnestäuschung - kognitive Verzerrungen