ergopraxis 2022; 15(05): 16-18
DOI: 10.1055/a-1768-8306
Wissenschaft

Internationale Studienergebnisse

Elternzentrierter Fokus – Kindererziehung als Betätigung

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Kindererziehung ist weit mehr als ein natürlicher Instinkt – Eltern müssen diese Fähigkeit erlernen. Um ihre Entwicklung therapeutisch zu unterstützen, hilft eine elternzentrierte Perspektive. © K.Oborny/Thieme

Das Framework „Parenting Occupations and Purposes“ (POP) ermöglicht Ergotherapeut*innen einen elternzentrierten Fokus in der Therapie. POP stellt Elternschaft als eine Vielzahl von miteinander verbundenen Betätigungen dar. Diese stehen entweder in direktem Bezug zum Kind oder fördern eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Erziehungsfähigkeiten. Die Ergotherapeutinnen Yu Zhuang Germaine Lim, Anne Honey und Margaret McGrath entwickelten das Framework an der Universität von Sydney, Australien.

Vorangestellt hatten sie ein Scoping Review zu den Forschungsfragen:

  • Inwiefern wurde das Betätigungsfeld Kindererziehung bereits in der ergotherapeutischen Literatur untersucht?

  • Wie wird Kindererziehung in der ergotherapeutischen Literatur konzeptualisiert?

Die Literaturrecherche erfolgte unter anderem in den Datenbanken Medline, EMBASE und CINAHL. Insgesamt zogen die Wissenschaftlerinnen 105 Publikationen aus Primär- und Sekundärliteratur für die interpretative Inhaltsanalyse heran. Diese waren hauptsächlich amerikanischer und britischer Herkunft und stammten aus den Jahren 1981 bis 2020. Etwas mehr als die Hälfte der Arbeiten behandelte allgemeine Themen zur Erziehung, knapp ein Drittel nahm Bezug auf Eltern mit Behinderungen oder gesundheitlichen Einschränkungen. Insgesamt berücksichtigten 68 Publikationen ausschließlich Mütter, 32 sowohl weibliche als auch männliche Elternteile und 5 bezogen sich ausschließlich auf Väter.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich Kindererziehung aus zehn miteinander verbundenen Betätigungsbereichen zusammensetzt. Sie dienen den Grundbedürfnissen von Kindern, deren Entwicklung und sozialen Bedürfnissen. Dazu zählen zum Beispiel die Kommunikation mit dem Kind, Spielen, sich an kindgerechter Freizeitgestaltung beteiligen sowie eine unterstützende und fördernde Umgebung für das Kind schaffen. Darüber hinaus stellten die Forscherinnen fest, dass Erziehung von weiteren Betätigungen beeinflusst wird, welche die elterlichen Fähigkeiten fördern; sogenannte Continuous-Parental-Development(CPD)-Betätigungen. Dazu zählen unter anderem die Hilfesuche sowie die Weiterentwicklung von Fähigkeiten und Wissen. Diese Erkenntnisse fassten die Forscherinnen in dem vor allem auf Eltern ausgerichteten Framework „Parenting Occupations and Purposes“ (POP) zusammen.

Die Wissenschaftlerinnen schlussfolgern, dass Erziehung kein natürlicher Instinkt ist, sondern eine zu erlernende Fähigkeit. Um Eltern bei der Entwicklung dieser Fähigkeiten zu unterstützen, benötigen Ergotherapeut*innen einen entsprechenden konzeptionellen Rahmen. Dafür empfiehlt es sich, das elternzentrierte Framework POP weiterzuentwickeln.

ms

Aust Occup Ther J 2022; 69: 98–111



Publication History

Article published online:
03 May 2022

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