ergopraxis 2022; 15(05): 40-42
DOI: 10.1055/a-1768-8626
Perspektiven

Echter Dialog statt Feedbackschlacht – Mitarbeitendengespräche

Lisa Holtmeier
 

Ein bestens geeignetes „Werkzeug“ für ein gutes Miteinander in der Praxis, für eine hohe Motivation aller Mitarbeitenden und das gemeinsame Erreichen von Zielen sind regelmäßige Mitarbeitendengespräche. Hier erfahren Sie, welche Fehler Sie dabei vermeiden sollten und was nötig ist, um die Gespräche für alle Beteiligten optimal zu gestalten.


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Jedes Jahr finden in Deutschland etliche Mitarbeitendengespräche statt. Manche Führungspersonen führen einmal jährlich diese Gespräche durch, andere präferieren wiederum diese zweimal jährlich stattfinden zu lassen. Die wenigsten Führungskräfte entscheiden sich dafür, die Gespräche mehr als zweimal pro Jahr durchzuführen. Zumeist finden diese Gespräche im ersten oder letzten Quartal eines Jahres statt. Die meisten Führungspersonen nutzen die Mitarbeitendengespräche, um Wertschätzung auszusprechen, Kritik zu platzieren, die Mitarbeitenden zu motivieren, über Fortbildungen und Gehälter zu sprechen. Ebenfalls möchten einige Führungspersonen erfahren, wie es den Mitarbeiter*innen geht, welche Wünsche sie für die Zukunft haben und ob es Veränderungsvorschläge für die Praxis gibt. Einige Praxisinhaber*innen holen sich aktiv Feedback ein, um ihren Führungsstil zu optimieren.

Um schon eins vorwegzunehmen: Mitarbeitendengespräche sind kein „Nice-to-have“, sondern ein „Must-have“ für jede Praxis und jedes Unternehmen, das die Mitarbeiter*innen binden möchte und nachhaltig wachsen will. Regelmäßige, effektive Gespräche sind die Grundlage für Wachstum, Motivation, Gesundheit und Effizienz.

Die Sache hat nur einen Haken: Die wenigsten dieser Gespräche sind nachhaltig effektiv für die Mitarbeitenden, die Praxis, das Team und die Führungsperson. Dabei sollten bei einem guten Mitarbeitendengespräch alle vier der genannten Instanzen davon profitieren. Doch woran liegt diese Ineffizienz?

Die häufigsten Fehler

Viele Mitarbeitendengespräche sind wenig oder gar nicht vorbereitet. Dadurch gibt es keine Struktur und somit fehlt häufig die Effizienz. In manchen Praxen bereitet sich nur eine der beiden am Gespräch teilnehmenden Personen auf das Gespräch vor. Auch das wird nie das ganze Potenzial dieser Gespräche entfalten. Keine Vorbereitung ist ein absolutes No-Go. Sowohl Mitarbeitende als auch Führungspersonen sollten vorbereitet ins Gespräch kommen. Dazu später mehr.

Manche Praxen nutzen die standardisierten Gesprächsbögen aus dem Qualitätsmanagement. Diese Bögen haben häufig ein großes Manko: Die Grundstruktur besteht aus Skalierungs- und Bewertungsfragen, zum Beispiel: „Wie zufrieden sind Sie mit der Kommunikation der Führungsperson? Sehr zufrieden, überwiegend zufrieden, zufrieden, weniger zufrieden, gar nicht zufrieden?“ Oder: „Wie beurteilen Sie Ihr zielorientiertes Handeln? Sehr gut, gut, befriedend, ausreichend, mangelhaft, ungenügend?“

Eine gute Vorbereitung beider Seiten ist das A und O für das Mitarbeitendengespräch.

Die Führungsperson, das Team, den Arbeitsplatz oder einzelne Mitarbeitende zu bewerten, ist in den meisten Fällen nicht zielführend, und zwar aus vier Gründen:

  • Viele Menschen sind durch die Bewertungen in der Schulzeit sehr vorbelastet, sie führen schnell zu Stresstriggern. Das ist weder motivierend noch fördert es das Vertrauen und somit die emotionale Bindung an die Praxis.

  • Skalierungs- und Bewertungsfragen sind in diesem Kontext wenig bis gar nicht aussagekräftig. Was bedeutet eine Zwei, eine Drei oder ein „Überwiegend zufrieden“? Welche Schlüsse können die Gesprächsparteien daraus ziehen? Oftmals werden die bewerteten Items nicht hinterfragt. Hier und da wird ein Satz dazu gesagt, der gerade spontan abrufbar ist. Jedoch befindet sich oft kein Platz für kurze (schriftliche) Erläuterungen unter den Fragen.

  • Die wenigsten Menschen nehmen sich viel Zeit, um ihre „Kreuzchen“ zu setzen. Da viele therapeutische Teams ein sehr familiäres Miteinander pflegen, werden die meisten Kreuze bei „sehr gut“, „1“ oder „sehr zufrieden“ gesetzt und das Gespräch ist relativ schnell beendet. Zudem kann nicht sichergestellt werden, ob diese Angaben der „Realität“ entsprechen oder eher den Weg des geringsten Widerstands abbilden.

  • Die Frage, die sich bei solchen Bewertungen gestellt werden sollte, lautet: Gehören Bewertungen an den Arbeitsplatz? Sollte eine Führungsperson nach Schulnoten bewertet werden? Sollten Mitarbeitende nach Schulnoten bewertet werden? Ganz wichtig dabei zu berücksichtigen ist der Fakt, dass Bewertungen keine Reflexion darstellen! Reflexionsfragen sind wesentlich zielführender als Bewertungsaufgaben.

Ein weiterer Irrglaube besteht darin, dass Mitarbeitendengespräche immer dazu genutzt werden müssen, um über das Gehalt zu sprechen. Bei manchen Praxen hat es sich auch etabliert, dass es automatisch bei jedem dieser Gespräche eine Gehaltserhöhung gibt. Damit wird der Erwartungseffekt geschürt. Nach einigen Wiederholungen wird erwartet, dass es zu einer Gehaltserhöhung kommt, und es wird schnell als selbstverständlich wahrgenommen. Dadurch verliert die Gehaltserhöhung an Wert.


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Das sollten Sie auf jeden Fall beachten

Achten Sie zunächst darauf, dass eine ruhige Gesprächsatmosphäre gewährleistet ist. Das Praxistelefon hat in Mitarbeitendengesprächen nichts zu suchen. Auch sollte niemand während des Gesprächs Therapiematerial aus dem Raum holen.

Die Vorbereitung des Gesprächs bietet die Grundlage für seine Qualität und den Verlauf. Dabei gilt Qualität vor Quantität. Sehr empfehlenswert ist, dass alle am Gespräch beteiligten Personen die gleiche Gesprächsgrundlage haben. Das hat mehrere Vorteile: Zum einen fühlen sich alle Teilnehmenden sicherer, weil sie abschätzen können, was sie erwartet. Die Gesprächssituation verliert an „Prüfungscharakter“. Manche von Ihnen werden vielleicht schmunzeln oder erstaunt sein, doch für einige Therapeut*innen bedeutet ein Gespräch mit der Führungsperson vor allem eins: Stress! Dadurch, dass sie nicht wissen, was sie zu erwarten haben, kommt schnell Unsicherheit auf. Auch viele Führungspersonen fühlen sich wesentlich wohler, wenn ein Gesprächsrahmen abgesteckt wird. Zu empfehlen sind Gesprächsbögen mit offenen, reflektierenden Fragen, die einige Tage vor dem Termin ausgeteilt werden und von beiden Gesprächsparteien zum Termin wieder mitgebracht werden. Bei der Art der Fragestellung sollte vor allem darauf geachtet werden, dass die Fragen und somit auch die Antworten einen nachhaltigen Nutzen für den Mitarbeitenden, die Führungsperson, die Praxis und das Team haben. Die Kernfrage, die Sie sich stellen sollten, lautet: Was ist das Ziel des Mitarbeitendengesprächs?

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So geht’s nicht!
as Mitarbeitendengespräch ist keine „Prüfung“, sondern soll beiden Gesprächspartner*innen die Möglichkeit bieten, sich in einem gleichberechtigten Dialog auszutauschen.
Quelle: © S. Schhaf/Thieme
Checkliste

Rahmenbedingungen fürs Mitarbeitendengespräch

  • Zeitpunkt der Gespräche: 2. und 4. Quartal oder 1. und 3. Quartal

  • Dauer: 45–60 Minuten pro Mitarbeiter*in

  • Setting: Einzelgespräche in ruhiger Atmosphäre

  • Frequenz: Mindestens zwei Mal pro Jahr

  • Frageart: Offene Fragestellungen

  • Must-have: Vorbereitung durch Leitfäden oder Gesprächsbögen

  • Abschluss: Zielvereinbarung

  • Prozentualer Redeanteil: 50:50

Durch diese Art der Vorbereitung lassen sich die Fragen nacheinander besprechen. Sowohl Führungsperson als auch Mitarbeiter*in können ihre Perspektive der Antwort darstellen. So entsteht ein echter Dialog und weniger eine Feedbackschlacht, in der erst eine Person das Jahr reflektiert und Feedback gibt und anschließend die andere Person das Jahr reflektiert und Feedback gibt. Die Dialogform ist eine wesentlich angenehmere und natürlichere Gesprächsform.

Es ist ratsam, das Mitarbeitendengespräch mit einer (Ziel-)Vereinbarung abzuschließen. Welches Ziel möchte der/die Mitarbeitende bis zum nächsten Gespräch erreichen? Was kann die Person dafür tun? Welche Unterstützung wünscht sie sich von der Führungsperson? Das unterstützt die Mitarbeitenden in der beruflichen und auch persönlichen Weiterentwicklung. Natürlich profitiert auch die Praxis von der Zielvereinbarung. Individualität und Selbstverwirklichung werden durch diesen Abschluss gefördert. Im nächsten Mitarbeitendengespräch haben Sie nun einen super Einstieg. Wie weit ist die Zielerreichung fortgeschritten?

Am Ende eines Mitarbeitendengesprächs sollte immer eine Zielvereinbarung stehen.

Wir unterschätzen häufig, was in einem Jahr oder einem halben Jahr passiert ist. Wir sehen es schließlich tagtäglich bei unseren Klient*innen, die sich kaum daran erinnern können, welche „Schwierigkeiten“ sie zu Beginn der Behandlung hatten und wie groß doch der Fortschritt schon ist. So oder so ähnlich geht es uns auch häufig. Es ist sehr motivierend, gemeinsam zu reflektieren, welche Fortschritte bereits erreicht wurden.

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Der Podcast zum Lernen


Wenn Sie mehr zum Thema Mitarbeitendengespräche erfahren möchten, dann hören Sie sich gern die 74. Podcastfolge „10 Tipps für gesunde Mitarbeitergespräche“ im WORDSEED Podcast an.

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Was ist noch wichtig?

Nehmen Sie sich den Druck, dass Sie in jedem Mitarbeitendengespräch über das Gehalt sprechen müssen. Das ist nicht notwendig. Irgendwie hat es sich eingeschlichen, dass viele Führungspersonen der Überzeugung sind, dass das so sein müsste. Das muss es aber nicht.

Der Schlüssel nach Beendigung aller Mitarbeitendengespräche liegt in der Analyse. In der Zusammenarbeit mit den Praxisinhaber*innen stellen wir jedes Mal aufs Neue fest, dass in der Analyse der Gespräche die wahre Power liegt. Was ist die Quintessenz der Gespräche? Was bedeuten die Resultate der Gespräche für mich und meine Führungsrolle? Was zeigen mir die Antworten meiner Mitarbeitenden? Die Bögen anschließend noch einmal durchzugehen, ist aufschlussreicher, als sich viele Führungspersonen vorstellen können.

Einige Vorteile von gesunden und gut vorbereiteten Mitarbeitendengesprächen im Überblick:

  • Prozesse können durch spezielle Fragestellungen und mithilfe der Ideen der Mitarbeitenden optimiert werden.

  • Mitarbeitende können entsprechend ihren Potenzialen eingesetzt werden.

  • Beide Gesprächspartner*innen empfinden eine höhere Zufriedenheit nach dem Gespräch.

  • Die Gesprächsbögen dienen als Reflektion für die Führungskraft, den Mitarbeitenden, die Praxis und sämtliche Prozesse.

  • Durch gezielte Fragestellungen erhalten die Führungspersonen wichtige Informationen, beispielsweise zu den Themen Zufriedenheit, Motivation, emotionale Bindung an die Praxis, Kündigungsbereitschaft.

  • Ebenfalls können Themen wie Selbstverantwortung und Eigeninitiative auf wertschätzende Art und Weise an die Mitarbeitenden herangetragen werden.

  • Mitarbeitendengespräche lassen sich als Gesundheitsförderung einsetzen.

  • Praxen, in denen regelmäßige, gut strukturierte Mitarbeitendengespräche stattfinden, melden weniger krankheitsbedingte Fehlzeiten und eine wesentlich geringere Fluktuation.

Lisa Holtmeier

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Autorin

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Lisa Holtmeier ist Ergotherapeutin (BSc.), Gründerin von WORDSEED, Kommunikationscoach und Podcasterin. Sie hält Vorträge, gibt Fortbildungen und coacht Praxen im Bereich der gesunden Kommunikation. Kommunikation wird in ihrer Arbeit als betriebliche Gesundheitsförderung eingesetzt. WORDSEED: Worte säen – Gesundheit, Zufriedenheit und Motivation ernten. E-Mail: durchstarter@wordseed.de.

Publication History

Article published online:
03 May 2022

© 2022. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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Lisa Holtmeier ist Ergotherapeutin (BSc.), Gründerin von WORDSEED, Kommunikationscoach und Podcasterin. Sie hält Vorträge, gibt Fortbildungen und coacht Praxen im Bereich der gesunden Kommunikation. Kommunikation wird in ihrer Arbeit als betriebliche Gesundheitsförderung eingesetzt. WORDSEED: Worte säen – Gesundheit, Zufriedenheit und Motivation ernten. E-Mail: durchstarter@wordseed.de.
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So geht’s nicht!
as Mitarbeitendengespräch ist keine „Prüfung“, sondern soll beiden Gesprächspartner*innen die Möglichkeit bieten, sich in einem gleichberechtigten Dialog auszutauschen.
Quelle: © S. Schhaf/Thieme
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