Phlebologie 2022; 51(02): 62-63
DOI: 10.1055/a-1778-2044
Literatur weltweit

Bei Tumoren unterscheiden sich VTE-Zufallsdiagnosen von symptomatischen Fällen

Contributor(s):
Elke Ruchalla
Giustozzi M. et al.
Clinical characteristics and outcomes of incidental venous thromboembolism in cancer patients: Insights from the Caravaggio study.

J Thromb Haemost 2021;
DOI: 10.1111/jth.15461. (PMID: 34260816)
 

    Venöse Thrombembolien (VTE) kommen bei fast jedem fünften Tumorpatienten vor. Allerdings existiert in diesem Kollektiv wohl eine großer Zahl von eher zufällig gefundenen, asymptomatischen VTE; sie werden etwa in Aufnahmen sichtbar, die aus einem ganz anderen Grund angefertigt wurden. Inwieweit sich diese Zufalls-VTE von den symptomatischen Fällen unterscheiden, haben internationale Mediziner im Rahmen der Caravaggio-Studie untersucht.


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    Die internationale, randomisierte „Mutterstudie“ sollte in einem „Non-Inferiority“-Ansatz bei 1155 Malignompatienten mit VTE den Einsatz von

    • Apixaban (10 mg per os 2-mal pro Tag über 7 Tage, dann 5 mg 2-mal täglich) und

    • Dalteparin (subkutan 200 IU/kg 1-mal täglich für 1 Monat, dann 150 IU/kg 1-mal täglich)

    über 6 Monate vergleichen.

    Michela Guistozzi und ihre Kollegen haben nun aus den Teilnehmern 2 Gruppen gebildet und nach Unterschieden gesucht:

    • Patienten mit zufällig diagnostizierter VTE (n = 230, gemäß Studienprotokoll nicht mehr als 20 % des Gesamtkollektivs) (Gruppe 1) und

    • Patienten mit symptomatischer VTE (n=925, Gruppe 2)

    Die primären Endpunkte der Hauptstudie umfassten VTE-Rezidive unter der Behandlung mit den beiden Gerinnungshemmern bis Monat 6 (Wirksamkeitsendpunkt) sowie schwere Blutungen nach den Kriterien der International Society of Thrombosis and Haemostasis (Sicherheitsendpunkt).

    Bei etwa 3 Viertel der Patienten der Gruppe 1 war eine Lungenembolie (mit oder ohne tiefe Venenthrombose) das Indexereignis, bei Patienten der Gruppe 2 war das nur bei etwa der Hälfte der Fall. Umgekehrt war bei knapp einem Viertel der Teilnehmern der Gruppe 1 eine tiefe Venenthrombose die erste festgestellte VTE, bei den Teilnehmern der Gruppe 2 machten diese wiederum etwa die Hälfte aus.

    Darüber hinaus bestand bei einem größeren Teil der Gruppe-1-Patienten ein kolorektales Karzinom (27,8 % vs. 18,4 % der symptomatischen Patienten), in der Gruppe 2 dagegen fanden sich mehr hämatologische Malignome (8,6 % vs. 3,9 %). Weiterhin war die Leistungsfähigkeit gemäß ECOG (Eastern Co-operative of Oncology Group) in Gruppe 1 mit 0 Punkten besser als in Gruppe 2 mit 2 Punkten. Und schließlich lag bei Patienten mit Zufalls-VTE häufiger ein lokal ausgedehnter oder fernmetastasierter Tumor vor (74,8 % vs. 66,3 % in Gruppe 2).

    Eine Rezidiv-VTE trat im Lauf der 6 Monate auf bei

    • 4,3% (n=10) der Patienten in Gruppe 1,

      • am häufigsten in Form einer Lungenembolie (n=7), seltener als tiefe Venenthrombose (n=3)

    • 7,4% (n=68) der Patienten in Gruppe 2,

      • in diesem Fall stellte ein Lungenembolie ebenfalls das häufigste Ereignis dar (n=44), eine tiefe Venenthrombose lag bei 25 Patienten vor

    Zu schweren Blutungen kam es bei

    • 5,2% der Patienten mit Zufalls-VTE (n=12) und

    • 3,6% der Patienten mit symptomatischer VTE (n=33). In Gruppe 2 traten 2 und in Gruppe 1 keine tödlichen Blutungen auf.

    Die Gesamtsterblichkeit in den beiden Gruppen schließlich war etwa vergleichbar, mit 26,5 % in Gruppe 1 und 24,5 % in Gruppe 2.

    Während der Wirksamkeitsendpunkt (Rezidive) in Gruppe 1 anteilig seltener auftrat, so war für den Sicherheitsendpunkt (Blutungen) das Gegenteil der Fall. Beide Unterschiede allerdings verfehlten die statistische Signifikanz.

    Die geschätzte Verminderung des relativen VTE-Rezidivrisikos durch Apixaban oder Dalteparin betrug in der Gesamtgruppe 39 %, in Gruppe 1 waren es 59 % und in Gruppe 2 27 %.

    Fazit

    Tumorpatienten mit symptomatischer VTE unterscheiden sich in einigen Punkten von solchen mit zufälliger VTE-Diagnose, so die Autoren. Es fanden sich aber keine statistisch signifikanten Unterschiede bei der Rezidivprophylaxe mit Apixaban oder Dalteparin sowie bei dadurch ausgelösten Blutungen. In Anbetracht dieser Zahlen scheint Apixaban eine akzeptable Option für die Betroffenen. Auf alle Fälle bestätigen sie Leitlinien, die auch für asymptomatische VTE bei Malignomen eine Behandlung fordern.

    Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim


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    Publication History

    Article published online:
    13 April 2022

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