Nuklearmedizin 2022; 61(02): 85-86
DOI: 10.1055/a-1780-1621
Liebe Leser

Nachwort

 

    Ein Nachwort gründet auf dem Vergangenen, Geleisteten und Geschehenen. Gleichzeitig fordert es auf, Perspektiven in den Blick zu nehmen.

    Was wird aus dieser Zusammenstellung, diesem Essay deutlich? Die Nuklearmedizin hat die Inhalte und den Begriff nuklear in der Gesellschaft auf nationaler und internationaler Ebene verteidigt. Der Wert einer friedlichen Nutzung der Kernenergie, hier in der medizinischen Forschung und der klinischen Anwendung, ist überzeugend.

    Nach der Entwicklung zu einer Eigenständigkeit des Faches haben sich die Kooperationen und Schnittmengen mit benachbarten und neuen Disziplinen verschoben und vergrößert. Das bedeutet für ein kleines Fach eine besondere Herausforderung. Ein Beispiel ist die Endokrinologie, die in Zusammenhang mit Schilddrüsenerkrankungen ursprünglich für das Fach die lebensnotwendigen Aufgaben gestellt hatte. Jetzt besteht die Dominanz einer Bildgebung, wie sie auch in der Radiologie zu Hause ist. Das wird durch die Hybridverfahren unübersehbar und verstärkt. Neben der Anwendung verlangt diese nach einer Anpassung der Kommunikation, von der Kita bis zur Selbstständigkeit, der Selbstverantwortung im Beruf, von der Lehre bis zur Aus- und Fortbildung. Die Stärkung der forschenden Messtechnik und der Radiopharmazie bietet in der gesamtwirtschaftlichen Landschaft in Deutschland Perspektiven.

    Nuklearmedizin ist molekulare Medizin, sie ist immer individualisiert und präzise gewesen. Screeningverfahren verbieten sich schon wegen der Nutzung der Radioaktivität und der damit verbundenen Strahlenexposition. Die Individualisierung erfolgt über die Kenntnis und die folgende Darstellung biochemischer Prozesse, die für einen pathologischen Prozess, einen Krankheitsverlauf charakterisierend sind. Radiochemie und Radiopharmazie haben Innovationen in der Methodik und im Substrat erreicht, die im Vergleich zu Nachbardisziplinen ein Alleinstellungsmerkmal darstellen.

    Optische Methoden, Lumineszenz und Fluoreszenz, Optoakustik und Ramanspektroskopie faszinieren und öffnen Perspektiven in der präklinischen Forschung. Hier stellen sich Fragen und die Herausforderung der Suche nach Kooperationen mit der Expertise, die in benachbarten Disziplinen zu Hause ist. Daraus folgt die mögliche Integration von Methoden in die eigene Disziplin. NMR, KST oder MRT lassen grüßen; MRS scheint vergessen.

    Gleichzeitig hat die Nuklearmedizin weitgehend den Parameter Zeit zur Beschreibung der Abfolge biologischer Ereignisse aufgegeben, wie er in der Funktionsdiagnostik genutzt wird.

    Die Akquisition von Daten erfolgt häufig an einem standardisierten, nicht individualisierten Zeitpunkt, sie liefert ein eingefrorenes Bild. Und dieser Zeitpunkt wird auch durch die physikalische Halbwertszeit der verwendeten Isotope, nicht durch die Biologie der Prozesse, bestimmt. Neue Methoden des Total-Body-PET sind hier Lichtblicke.

    Die Notwendigkeit der Standardisierung wird umgesetzt in der interdisziplinären Formulierung qualifizierter Leitlinien, in der Regel in Kooperation mit weiteren Disziplinen. Ein erfolgreich gestarteter, unumgänglicher Weg in der klinischen Medizin bedarf dieser verstärkten Unterstützung.

    Molekulare Medizin, wie wir sie den Grundlagen der Radiopharmazie und Radiochemie verdanken. Aktuell beweisen Moleküle, Viren, dass sie globale Veränderungen verursachen können. Verdichtet wird das für unser Fach in der Theranostik, derzeit ein Zauberwort. Das überzeugt inhaltlich und ökonomisch. Theranostik schafft Patientennähe und ist segensreich im Sinn der klinischen Nuklearmedizin. Nuklearmedizin ist kein Selbstzweck, sie dient Patientinnen und Patienten. Diese Ziele können wir nur in Gemeinsamkeit erreichen.

    Otmar Schober, Münster


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    Publication History

    Article published online:
    06 April 2022

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