Phlebologie 2022; 51(02): 66-67
DOI: 10.1055/a-1789-5190
Laudatio

Horst- Eberhard Gerlach – ein Energiebündel

Michael Hartmann
 

    Es muss in den frühen 80er-Jahren gewesen sein, als wir uns intensiver kennenlernten. Da wedelte im Januar ein vielleicht gerade 30-Jähriger mit seiner blonden Frau die Hänge auf der Lenzerheide hinunter, egal wie steil, elegant – es war ein Gedicht, die Beiden zu beobachten.

    Wir waren auf der Jahrestagung der Schweizer Phlebologischen Gesellschaft, die Jahrzehnte, meist im Januar, ihre Jahrestagung in unterschiedlichen Schweizer Skiorten abhielt. Vorträge von 8–11 Uhr und wieder von 16.30–19 Uhr, kein Sakko, kein Schlips – Skiklamotten waren der Tagungsdress! Und abends natürlich: bestes Menü, gepflegte Weine, gute Unterhaltung – man tauschte sich aus – und man merkte, der Horst ist ein Kenner der guten Küche, er kennt sich aus in der Weinkarte, und so ganz nebenbei erfuhren wir, was er noch so alles drauf hat: Musikliebhaber, selbst Musiker in Quartett und Orchester mit der Bratsche. Später einmal hatten wir beide die Gelegenheit, zusammen bei einem runden Geburtstag des Sigvaris-Chefs für Deutschland, Helmut Kohler, musikalisch aufzutreten.

    Der heute 70-jährige Horst-Eberhard, von allen schlicht „Horst“ genannt, machte schon mit 18 Jahren sein Abitur und bestand 5 Jahre später sein medizinisches Staatsexamen, natürlich hatte er zu diesem Zeitpunkt auch schon seine Dissertation abgeschlossen – wie konnte es auch anders sein?

    Es folgte die Medizinalassistentenzeit und dann von 1977–1981 eine Weiterbildung an der Fachklinik für Gefäßkrankheiten „Klinik Oberwald“ in Grevenhain. Schon dort kam er mit den damaligen „Größen“ der deutschsprachigen Phlebologie in Kontakt, wie May, Stemmer, Santler, Bollinger, Klüken, Schneider, Fischer und viele andere, auch Hach und Blättler.

    1982 folgte die Praxiseröffnung in Mannheim, und wer dachte, jetzt hätte Horst erst einmal genug zu tun, sah sich getäuscht. Kaum zählbare Publikationen, Vorträge, Studien und wissenschaftliche Arbeiten folgten im Laufe seines beruflichen Lebens und versiegten auch nicht nach Ende seiner Praxistätigkeit im Jahr 2017 – damals endete die Tätigkeit als Arzt für Allgemeinmedizin mit der Zusatzbezeichnung Phlebologie nach 35 Jahren.

    Unter dem Dach der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie und Proktologie gab es zahlreiche Meetings, wo wir, eine Gruppe intensiv phlebologisch tätiger niedergelassener Ärzte, uns immer besser kennenlernten. Natürlich war Horst schon in der Gesellschaft aktiv, wir trafen uns auch auf Parallelveranstaltungen, wie z.B. den „Obersteigener angiologischen Gesprächen“, die von Robert Stemmer im kleinen Ort in den Vogesen bei Straßburg auf typische Weise organisiert wurden: Jeder musste ein Referat halten, ganz wichtig war der ausgedehnte Spaziergang im Anschluss an das Mittagessen, und dann am Abend das Sterne-Gericht vom Stemmer-Schwiegersohn, Herrn Urbaniak, mitgekocht von den anwesenden Begleitpersonen der Phlebologen und Phlebologinnen, die als Parallelveranstaltung einen Intensivkochkurs absolvierten.

    Diese enge phlebologische Freundschaft und die Notwendigkeit, dem Schattendasein so einer wichtigen Berufssparte mit sehr vielen schweren Erkrankungen die ihr angedachte Aufmerksamkeit im Kreise von Bundesärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen zu gewähren, führte dazu, dass wir zu zehnt unter der Federführung des Initiators Henner Altenkämper am 22.06.1985 den „Berufsverband der praktizierenden Phlebologen“ in Plettenberg, dem Praxissitz von Henner Altenkämper, gründeten. Und es war klar, dass dabei einer nicht fehlen durfte: Horst Gerlach!

    Das große Ziel war es, die Zusatzbezeichnung „Phlebologie“ im Rahmen der Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammern, und zwar fachübergreifend, zu positionieren.

    Als Vorläufer gab es von 1986–1988 das „Collegium für Qualitätssicherung in der Phlebologie“, ein vom BV und der DGP selbst auferlegter Standard in der Phlebologie, dessen Mitgliedschaft durch besuchte Kurse (100 Stunden) und ein Fachgespräch zu erlangen war. Dieses Vorgehen hatte Erfolg! Die guten Beziehungen von Henner Altenkämper und Horst Gerlach zur KBV und den Kammern hatten, vor allem auch durch die große Unterstützung vom Mainzer Phlebologen Werner Braunbeck und dem Vorstand der DGP, schließlich Erfolg:

    Beim 95. Deutschen Ärztetag 1992 in Köln wurde die interdisziplinäre Zusatzbezeichnung „Phlebologie“ gleichzeitig mit der Einführung der Zusatzbezeichnung „Angiologie“ für das Gebiet der Inneren Medizin beschlossen. Ein jahrelanger Kampf mit der Bundesärztekammer war aufgrund auch des zähen Einsatzes von Horst Gerlach gewonnen und ein äußerst wichtiger Punkt in der Geschichte der Phlebologie geschafft – nun ja, auch für das gesamte Gebiet vom vereinten Deutschland!

    Kurz vor dieser Einführung der Zusatzbezeichnung hatte sich 1991 ein zweiter phlebologischer BV unter der Leitung von Dagmar Berg gebildet (BV der niedergelassenen Phlebologen). Zum Glück kam man dann am 13.04.1994 bei einer gemeinsamen Sitzung überein, beide Berufsverbände wieder zu vereinen, jetzt unter dem Namen „BV der Phlebologen e.V.“.

    Die beiden Vorsitzenden des BVP, Henner Altenkämper und Dagmar Berg, traten 1998, nach der vereinbarten Übergangsphase, von ihren Ämtern als jeweils 1. Vorsitzende zurück. Als Nachfolger wurde Horst Gerlach gewählt, der Vorstand bestand nun weiter mit mir als Schatzmeister, Werner Braunbeck als 2. Vorsitzenden, Markward Marschall als Generalsekretär sowie den Beisitzern Andreas Gericke, Thomas Hertel und Lutz Schimmelpfennig. Einige unserer Vorstandsmitglieder waren gleichzeitig über Jahre im Vorstand der DGP. So wurden schon ab 1995 auch unter besonderer Mitwirkung von Horst die ersten 10 Leitlinien erarbeitet, die dann 1996 in der „Phlebologie“ publiziert wurden.

    Verschiedene Fortbildungsveranstaltungen besonders für junge Ärzte mit Interesse an der phlebologischen Weiterbildung wurden zunächst in Plettenberg, später in Kyllburg angeboten. Einer, der immer dabei war: Horst Gerlach. Dabei sollten die Kolleginnen und Kollegen durch ein attraktives Angebot an die Phlebologie herangeführt werden; so wurden von Dietmar Stenger und mir die Patienten aus Saarlouis mit meinem VW Bus „mitgebracht“.

    Eine ganz besondere Art der Fortbildung und des wissenschaftlichen Austausches waren die jährlich stattfindenden sogenannten Workshops für Mitglieder des BV. Zunächst wurde der Feiertag an Christi Himmelfahrt mit in den Workshop-Zeitraum einbezogen, um möglichst wenige Praxistage zu verlieren – das änderte sich im Laufe der Zeit mit zunehmender Entfernung der Reisen.

    Begonnen hatte es mit der ersten Reise nach Lissabon im Jahr 1987, organisiert, wie die folgenden auch, durch Henner Altenkämper und einem Reisebüro aus Plettenberg mit der langjährigen Reiseleiterin Sabine Jahn. Also sehr schnell nach Gründung des BV war das Bedürfnis gestiegen, sich untereinander, und auch mit den Phlebologen des Reiselandes, welches wir besuchten, auszutauschen. Es folgten Marrakesch (wo wir allerdings kaum einen Phlebologen fanden), Budapest im interessanten Jahr 1989, Madrid, Malta, Dublin u.v.a.

    Als 1998 Horst Gerlach 1. Vorsitzender des BV wurde, hatte er schon die Organisation und Ideen zu den folgenden Reisen (übrigens bis 2017), wie zu erwarten und gewünscht, übernommen, und so reihte sich ein europäisches Reiseland an das andere, aber das reichte nicht mehr: so reiste man auch nach Namibia (1996), nach Jordanien (1999), nach Syrien (2004), in die Ukraine (2006), nach Armenien (2011) und nach Georgien (2013) – insgesamt 31 wunderbare Reisen. Auf dem Flug nach Namibia wurden medizinische Studien an den Reiseteilnehmern vorgenommen und später publiziert.

    Über eine ganz besondere Reise muss kurz berichtet werden: die Reise nach Salamanca. Horst spielte ja, wie beschrieben, Bratsche, und zwar auch im Kammerorchester der Abendakademie Mannheim unter der Leitung von Hanno Haag. Diese Reise wurde begleitet von diesem Kammerorchester und spielte, natürlich mit dem Bratschisten Horst Gerlach, in vielen Barrockkirchen dieser Reise jeweils Konzerte. Highlights im Leben von Horst – und den Mitgliedern unseres BV.

    Natürlich haben wir „steuerkonform“ getagt, täglich 6–8 Stunden, abends weiter diskutiert – alles im Sinne der Fortbildung. Wir opferten uns sozusagen für unsere Patienten, taten alles, um uns auch zu erholen, zu entspannen, zu genießen, um uns dann mit neuem Elan den Patienten widmen zu können. Grund genug, diese „Fortbildungsveranstaltungen“ steuerlich abzusetzen – aber das sahen die Finanzbehörden ganz anders. Bei uns in Südbaden wurden diese Reisen von Anfang an gestrichen, manche hatten etwas mehr Glück. Was soll es, die Reisen dauerten dann mindestens 1 Woche, die Lust mitzureisen wuchs, und einer hatte die Arbeit: Horst Gerlach! Diese Reisen waren unter der Mitwirkung von Sabine Jahn traumhaft organisiert, da stimmte alles: Kultur, Information, Musik, Hotels, Sehenswürdigkeiten, Pausen und die Überraschungen. Und eine Grundbedingung musste sein, dafür sorgte schon Horst: beste Speisen und Spitzenweine!

    Kaum vorstellbar war sein Engagement für die Belange der Mitglieder. Die Einverleibungsgelüste der großen Fächer galt es zu kontern, das bedeutete: häufige Präsens bei BKV und BÄK in Berlin, entsprechende Fahrten und Praxisausfälle, Berichte und Newsletter verfassen. Einen Mitstreiter in den Anfängen der 2000er-Jahre muss man dabei noch einmal erwähnen: Werner Braunbeck, der viel zu früh im Sommer 2007 plötzlich starb.

    Nach dem überraschenden Tod von Robert Stemmer im Jahr 2000 galt es, eine Nachfolgeveranstaltung für die „Obersteigener Angiologischen Tage“ zu finden. Mit großer Unterstützung der Familie Ganzoni und der Tatkraft von Silvia Seeger und Johann Winiger wurden die „Appenzeller Gespräche“ schon 2001 organisiert, eine hochkarätige phlebologische Veranstaltung immer Anfang November, bis heute, unter der Leitung von zunächst Hugo Partsch und danach Eberhard Rabe und natürlich: Horst Gerlach!

    Natürlich ist das nicht alles: Horst engagiert sich auch im Partnerschaftsverein zwischen Viernheim und Silly in Burkina Faso, wo seit dem Jahr 2000 mehrmals im Jahr OP-Teams aus der Mannheimer Gegend anreisten, um vor allem auch einheimisches Personal anzulernen und wichtige Operationen durchzuführen. Horst ist dabei einer der wichtigsten Organisatoren, das kann er eben! Nach dem Putsch vom 24.01.22 hat dieses Engagement leider einen Rückschlag erlitten, bedingt natürlich auch durch die Pandemielage.

    Alle Aktivitäten eines Horst Gerlach zu beschreiben und zu kommentieren ist fast unmöglich, so zahlreich und vielfältig sind sie bis zum heutigen Tag. Den 70. Geburtstag hat er gefeiert – verständlich, sich jetzt langsam etwas Ruhe zu gönnen, sich noch mehr um Familie und die Gesundheit zu kümmern. Die vielen Aktivitäten für die DGP habe ich nur manchmal berührt, auch hier wäre noch viel zu berichten. Erinnern möchte ich auch an die Mitarbeit in vielen Zeitschriften, Fortbildungsakademien, bei der Einführung von Venenkompetenzzentren sowie des Gefäßsports.

    Lange Begleiter und Freunde der Familie Gerlach auch außerhalb der Phlebologie waren und sind die Familien Blättler und Schimmelpfennig.

    Doch eines ist mir ganz wichtig: Horst Gerlach hat in seiner Frau Barbara den Rückhalt, ohne den dieser Einsatz für uns Phlebologen nicht möglich gewesen wäre. Diese familiäre Bande gab ihm die Kraft, Praxis, Wissenschaft, Verbandstätigkeit, Reisen und Hobbies zu bewerkstelligen.

    Lieber Horst, auch ich durfte über 2 Jahrzehnte mit Dir als Schatzmeister unseres BV zusammenarbeiten, es war eine sehr schöne Zeit, nach Henner Altenkämper warst Du der Motor unseres Vereins!

    Nun hast Du hoffentlich mehr Zeit, Dich um Deine Liebsten und um Dinge zu kümmern, die Du im Dienst für uns Phlebologen noch nicht erledigen konntest!

    Michael Hartmann

    Zitierweise für diesen Artikel

    Erstveröffentlichung in vasomed 2022; 34(02): 56–60


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    Publication History

    Article published online:
    13 April 2022

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