Nervenheilkunde 2022; 41(11): 797-812
DOI: 10.1055/a-1826-8225
Geist & Gehirn

Digitalisierung in Kindergarten und Grundschule schadet der Entwicklung, Gesundheit und Bildung von Kindern

Kommentar zum Gutachten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der KMK vom 19.9.2022
Manfred Spitzer
 

Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) hat am 19.9.2022 gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz[ 1 ] (KMK) ihr Gutachten Digitalisierung im Bildungssystem: Handlungsempfehlungen von der Kita bis zur Hochschule vorgestellt. In dem 189-seitigen Papier fordern die Autoren gleich zu Beginn „Elementarinformatik“ für Kitas und Grundschulen [117]. In diesen Einrichtungen sei die „frühe digitale Medienbildung […] unterentwickelt“ [117], woraus die Autoren „Handlungsbedarfe“ ableiten. Was ist von der Idee zu halten? Sollen unsere Kinder tatsächlich bereits in der Kita am Computer Informatik lernen? 16 Länderkultusminister und 16 Professoren können sich doch nicht irren. – Oder doch?

16 Minister, 16 Wissenschaftler, keine Medizin

Zu Beginn des Gutachtens stellt sich die SWK wie folgt vor: „Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) ist ein unabhängiges, wissenschaftliches Beratungsgremium der Kultusministerkonferenz. Ihr gehören 16 Bildungsforscher aus unterschiedlichen Disziplinen an. Die SWK berät die Länder zu bildungspolitischen Fragen. Sie identifiziert bestehende Herausforderungen und gibt evidenzbasierte Empfehlungen für deren Lösung. […] Die SWK bindet externe Sachverständige in ihre Arbeit ein und hört Vertreter aus Politik, Verwaltung, Bildungspraxis und Zivilgesellschaft an“ [117]. – Ärzte wurden und werden nicht gefragt.

Die internationale, evidenzbasierte, medizinische Fachliteratur zu den Auswirkungen des Umgangs von Kindern mit digitalen Bildschirmmedien hat mittlerweile die folgenden Fakten etabliert: Die mit Bildschirmen im Kindesalter verbrachte Zeit, d. h. das Ausmaß der Bildschirmzeit in Stunden/Tag, steht in einem negativen Zusammenhang mit der Gehirnentwicklung sowie der Entwicklung der kognitiven und psychosozialen Fähigkeiten. Die Bildschirmzeit wirkt sich kausal – wie experimentelle Studien und Längsschnittstudien zeigen – negativ auf die körperliche und seelische Gesundheit aus [10, 11, 79, 88].

Die Bildschirmzeit einer großen Mehrheit der Kinder (auch der Kleinkinder) liegt bereits jetzt höher als die von der Weltgesundheitsorganisation [133] und verschiedenen pädiatrischen Gesellschaften herausgegebenen Richtlinien fordern, nach denen Vorschulkinder nicht mehr als eine Stunde Bildschirmzeit pro Tag haben sollten. Eine kanadische Erhebung an mehr als dreieinhalbtausend Kindern ergab bei den 2-jährigen Kindern, dass 79,4 % von ihnen über diesem Wert lagen, bei den 3-Jährigen waren es 94,7 % [79]. Die Empfehlungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) lauten wie folgt (Stand: 20.10.2020): 0–3 Jahre – am besten gar nicht; 3–6 Jahre – höchstens 30 Minuten; 6–10 Jahre – 45–60 Minuten. Die BZgA 2020 wird im SWK-Gutachten erwähnt, ihre Empfehlungen nicht. Ebenso werden die durch digitale Informationstechnik entstehenden gesundheitlichen Schäden und die dadurch verminderte Lebensqualität [27] mit keinem Wort erwähnt. Selbst die mittlerweile als medizinische Diagnose anerkannte Mediensucht wird nur einmal in einer Anmerkung [117] angeführt. Nicht etwa als Gefahr, sondern als Ausdruck von Ängsten, Sorgen und „einer stark bewahrpädagogischen Ausrichtung“ (S. 21) von Eltern und Frühpädagogen. Die Autoren lassen mithin jegliche Kenntnis – gar nicht zu reden von kritischer Bewertung – der Gefahren digitaler Informationstechnik für die Gesundheit von Kindern vermissen. Sie bezeichnen ihre Sicht digitaler Medien – explizit in Abgrenzung zu mir und der BZgA – vielmehr als „deutlich positiv konnotiert“ [117].

Es passt ins Bild, dass im Gutachten fälschlicherweise behauptet wird, die Zeit vor Bildschirmen sei der kindlichen Entwicklung und insbesondere der Sprachentwicklung förderlich. Schon lange ist anhand sehr sorgfältig durchgeführter international publizierter Studien nachgewiesen, dass das Gegenteil der Fall ist: Die Zeit von Kindern vor Bildschirmen hat eindeutig negative Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung, einschließlich der Sprachentwicklung [15, 81, 88, 140, 141] und schadet der Gesundheit. „Es ist klar, dass die Medien eine Hauptrolle bei den großen Epidemien spielen, mit denen wir Kinderärzte konfrontiert sind, darunter Fettleibigkeit, Aggression sowie Schlaf-, Aufmerksamkeits- und Lernprobleme“, beschrieb der US-amerikanische Kinderarzt John Hutton bereits im Jahr 2013 die Situation, die sich seither durch noch mehr Medienkonsum weiter verschlechtert hat.


Gesundheit

Mittlerweile sind die nachfolgenden gesundheitlichen Auswirkungen des Umgangs von Kindern und Jugendlichen mit digitalen Bildschirmmedien nachgewiesen, d. h. Teil des evidenzbasierten medizinischen Wissens: Bewegungsmangel und Haltungsschäden, Übergewicht und krankhaftes Übergewicht (Adipositas) durch Bewegungsmangel und Inaktivität, Bluthochdruck [8, 12] eine prä-diabetische Stoffwechsellage, Kurzsichtigkeit, Schlafstörungen (und dadurch Tagesmüdigkeit) [109, 110, 121] sowie erhöhtes Risikoverhalten. Neben diesen körperlichen Schäden kommt es im seelischen Bereich zu Aufmerksamkeitsstörungen, Ängsten, Depressionen (einschließlich Selbstverletzungen und Suizidalität) [82, 119], Stress, Sucht (Computer-, Internet-, Spiel-, Smartphone-Sucht; aber auch mehr Alkohol- und Tabak-Konsum), sowie zu geringerem akademischem Erfolg, bis zum Schulversagen [108], mitbedingt durch eine Beeinträchtigung der exekutiven Funktionen (Selbststeuerungsfähigkeit, Willensbildung, Emotionskontrolle) aufgrund des übermäßigen Gebrauchs von Bildschirmmedien [10, 22, 80, 141, 143]. Zudem wurde eine Verminderung von Lebenszufriedenheit und Empathiefähigkeit (Mitgefühl gegenüber Eltern und Freunden [98]) und damit auch der Fähigkeit zur Solidarität gefunden. Dies ist in gesellschaftlicher Hinsicht gleichbedeutend mit einer Schwächung der Grundfesten unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens: Solidarität, Kritikfähigkeit und eigenständige Willensbildung [33–35].

Die negativen Auswirkungen digitaler Bildschirmmedien sind in der Regel umso ausgeprägter, je jünger die Kinder sind. Daher ist die Tatsache, dass das Durchschnittsalter der Kinder beim Einstieg in die Verwendung digitaler Bildschirmmedien im vergangenen Jahrzehnt weiter gesunken ist und mittlerweile unter einem Jahr liegt, umso besorgniserregender. Die durchschnittliche Nutzungsdauer von Bildschirmmedien hat sich zudem weiter erhöht und liegt in den USA bei den Kindern im Alter unter 2 Jahren bei 49 Minuten, Kindern im Alter von 2 bis 4 Jahren bei 2,5 Stunden, Kindern von 5–8 Jahren bei gut 3 Stunden [100] und bei 8- bis 12-jährigen Kindern im Durchschnitt bei etwa 5,5 Stunden, sowie bei 13- bis 18-jährigen Jugendlichen bei 8,5 Stunden – täglich [101]. Selbst wenn die Zahlen für Deutschland etwas günstiger liegen sollten, liegen die Werte auch hierzulande weit jenseits der Empfehlungen nationaler (BZgA) und internationaler (WHO) Gesundheitsbehörden. Weiterhin zeigt sich in nahezu allen Studien, die den Einfluss des sozioökonomischen Status (SES; in ihn gehen Einkommen und Bildungsgrad der Eltern ein) auf die abhängigen Variablen (verminderte Gesundheit und Bildung) gemessen haben, ein stärkerer negativer Effekt von digitalen Bildschirmmedien auf Kinder aus Familien mit geringerem SES. Die Digitalisierung von Bildungseinrichtungen schafft also nicht mehr Bildungsgerechtigkeit, wie auch von den Autoren des Gutachtens behauptet wird, sondern führt zu geringeren Bildungschancen sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher. Dies verursacht schwerwiegende und meist langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit junger Menschen, wie an den folgenden anhand von 3 Erkenntnisbereichen näher gezeigt wird.


Bereich 1: Inaktivität, Übergewicht und krankhaftes Übergewicht (Adipositas)

In den medizinischen Fachblättern spricht man seit einem Jahrzehnt von einer globalen Inaktivitätspandemie [2, 66, 97] und hat auch bereits deren immense Kosten berechnet [16]. Der Aktionsradius junger Menschen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten um 90 % verkleinert, d. h. junge Menschen verbringen sehr viel Zeit zuhause in ihren Zimmern und nicht draußen, wie eine britische Studie ergab [144]. Entsprechend hat sich in den letzten 30 Jahren die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas in den westlichen Industrieländern verdoppelt und inzwischen auf einem hohen Niveau stabilisiert, wobei es bisher keinem Land gelungen ist, diesen Trend umzukehren [102].

In den USA erfüllt nur jedes 6. Kind im Alter von 8–11 Jahren das von der Weltgesundheitsorganisation WHO geforderte tägliche Mindestmaß an Bewegung (täglich mindestens eine Stunde bei mittlerer bis starker Anstrengung) [127]. Die für Deutschland vorliegenden Daten zur Bewegung junger Menschen sind ähnlich erschütternd wie die aus den USA. Die Mindestanforderungen der WHO (täglich eine Stunde moderate körperliche Aktivität) werden von Kindern und Jugendlichen mit zunehmendem Alter nicht mehr erreicht, wobei diese Bewegungsabnahme bei den Mädchen größer ausfällt als bei den Jungen ([ Tab. 1 ]).

Tab. 1

Prozentsatz der deutschen Kinder und Jugendlichen, von denen die Richtlinien für tägliche körperliche Aktivität erfüllt werden (nach Daten aus [27]).

Alter (Jahre)

Mädchen (%)

Jungen (%)

3–6

42,5

48,9

7–10

22,8

30,0

11–13

16,5

21,4

14–17

7,5

16,0

Nach der Stuttgarter Einschulungsuntersuchung aus dem Untersuchungsjahr 2016/2017 kann jedes 4. Kind nicht mehr hüpfen ([ Abb. 1 ]). Normale Vorschulkinder sollten 7 Hüpfer hintereinander auf einem Bein und einen Satz nachsprechen können. Erschreckend viele können beides nicht. Zudem besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Sozialstatus der Familie (also dem Bildungsgrad und Einkommen der Eltern) und den motorischen Fähigkeiten der Kinder. Während 22 % der Kinder mit hohem Sozialstatus körpermotorisch auffällig waren, lag dieser Anteil bei Kindern mit niedrigem Sozialstatus bei 32 % und damit um 10 Prozentpunkte höher. Betrachtet man das Körpergewicht, so sind die Unterschiede nach Sozialstatus noch größer ([ Abb. 2 ]): im Hinblick auf Übergewicht sind mehr als doppelt so viele Kinder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus betroffen als Kinder aus Familien mit hohem Sozialstatus; unter krankhafter Fettleibigkeit leiden 5-mal mehr Kinder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus [71].

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Abb. 1 Anteil motorisch auffälliger 5-jähriger Kinder nach Sozialstatus und Geschlecht in Prozent. Insgesamt wurde bei jedem vierten Kind (27 %) im Alter von 5 Jahren körpermotorische Auffälligkeiten im Rahmen der Einschulungsuntersuchungen festgestellt (nach Daten von rund einem Drittel der 93000 Kinder in den Einschulungsuntersuchungen 2016/2017; Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg 2017, S. 4).
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Abb. 2 Kinder mit Übergewicht und Adipositas in der Einschulungsuntersuchung nach Sozialstatus (SI) (nach Daten von rund einem Drittel der 92000 Kinder in den Einschulungsuntersuchungen 2015/2016; Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg 2018).

Die deutsche Leichtathletin Birgit Hamann konnte darüber hinaus durch jeweils mehr als 2000 Messungen der Zeit, in der Grundschüler bei fliegendem Start 20 Meter laufen können, in den Jahren 2005 und 2015 nachweisen, dass sich die Sprintkraft und Schnelligkeit von Grundschulkindern innerhalb von 10 Jahren um etwa 10 % vermindert hat ([ Abb. 3 ]). Etwa 20 % der gemessenen Grundschüler sind „im negativen Sinn sehr bewegungsauffällig“, können keinen schnellen Laufschritt, laufen unkoordiniert, haben Probleme, geradeaus zu laufen und sind oft durch ihr Übergewicht motorisch behindert. „Viele Kinder können nur unter Aufbietung höchster Konzentration rückwärtslaufen“, wird die Leichtathletin Harmann durch eine Journalistin [54] zitiert.

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Abb. 3 Ergebnisse der Schnelligkeits-Talentsichtung an den 10 Sindelfinger Grundschulen in den Jahren 2005 und 2009 durch die Speedy-Leichtathletikschule mit einem standardisierten Lichtschrankenmessverfahren über die Distanz von 2O Metern mit 8 Metern Anlauf („fliegendem Start“) in Sekunden. Die Durchschnittswerte aller Jahrgänge, männlich wie weiblich, sind allesamt im Jahr 2009 schlechter als im Jahr 2005, „teilweise sogar sehr viel schlechter“, kommentiert die Autorin (aus Daten aus [37]).

Dachte man noch Mitte des letzten Jahrhunderts, dass Sport vor allem gefährlich sei, so setzte sich seither der Gedanke durch, dass körperliche Aktivität der Gesundheit förderlich ist. Zugleich wuchs die Einsicht, dass das Ausmaß der für ein gesundes Leben notwendigen körperlichen Aktivität von vielen Menschen nicht erreicht wird. Kurz: Wir verbringen unser Leben im Sitzen, und genau das bringt uns um [60, 74, 82, 114, 125]. Wenn Kinder und Jugendliche vor Bildschirmen sitzen, bewegen sie sich noch weniger als wenn sie einfach nur sitzen [73], d. h. der Bildschirm führt in ganz besonderem Maß zur Bewegungslosigkeit und damit zu geringerem Energieverbrauch, wie im Fachblatt Science schon im Jahr 1999 publiziert wurde [73]. So wundert es nicht, dass in wissenschaftlichen Studien immer wieder der Zusammenhang zwischen Bildschirmmedienkonsum, Bewegungsmangel und Übergewicht nachgewiesen wurde [102, 119].

Bewegungsmangel bewirkt vor allem eine Zunahme von koronarer Herzkrankheit, Typ-II-Diabetes sowie Brustkrebs und Dickdarmkrebs. Diese Erkrankungen sind ohnehin sehr häufig, sodass ihre Zunahme zu einer deutlichen Steigerung der Sterblichkeit (Mortalität) führt. Diese wurde von einer US-amerikanischen Arbeitsgruppe [72] anhand der Daten wie folgt im Fachblatt Lancet berechnet: Bewegungsmangel verursacht weltweit im Mittel 6 % (von 3,2 % in Südostasien bis 7,8 % im östlichen Mittelmeerraum) der Last der koronaren Herzkrankheit, 7 % von Typ-II Diabetes, 10 % der Fälle von Brustkrebs und ebenfalls 10 % der Fälle von Dickdarmkrebs. Insgesamt verursacht Inaktivität 9 % der vorzeitigen Sterblichkeit, was berechnet für das Jahr 2008 bedeutet, dass mehr als 5,3 Millionen der 57 Millionen weltweiten Toten aufgrund von Bewegungsmangel zu früh gestorben sind. Andersherum gerechnet: Sofern man Inaktivität zwar nicht beseitigen, aber wenigstens um 10 % oder um 25 % vermindern könnte, würde man dadurch mehr als 533000 bzw. mehr als 1,3 Millionen Todesfälle pro Jahr verhindern.

„Wir berechneten zudem, dass eine Elimination der Inaktivität die Lebenserwartung der gesamten Weltbevölkerung um 0,68 Jahre steigern würde“, schreiben die Autoren [72]. Dies mag sich zunächst nach nicht sehr viel anhören. Die Autoren geben jedoch zu bedenken, dass sich diese Zahl auf die gesamte Weltbevölkerung bezieht, also auch die körperlich aktiven Menschen. Würde man nur die Inaktiven für sich betrachten, resultierten wesentlich höhere Werte, die bei mehreren Jahren liegen und vergleichbar sind mit den Auswirkungen aller Krebserkrankungen zusammengenommen. Könnte man diese allesamt behandeln, würde die Lebenserwartung weltweit um etwa 2 Jahre ansteigen. Jonas Finger und Mitarbeiter [27] von der Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring des Robert-Koch-Instituts nennen mit Bezug auf die Daten aus dieser Studie für Deutschland an, dass „unzureichende körperliche Aktivität in Deutschland 12,3 % der Todesfälle durch koronare Herzkrankheit, 7,6 % durch Schlaganfall, 3,1 % durch Diabetes mellitus, 3,4 % durch Darmkrebs und 1,8 % durch Brustkrebs [verursacht]“.

Die ökonomischen Auswirkungen des hierdurch mitbedingten Übergewichts sind erheblich und waren immer wieder Thema wissenschaftlicher Studien [122]. Zu den direkten ökonomischen Auswirkungen von körperlicher Inaktivität liegen dagegen nur wenige hochrangig publizierte Studien vor. Beispielhaft sei hier eine Studie aus dem Jahr 2016 angeführt, die die durch Bewegungsmangel verursachten Kosten für das Jahr 2013 vorsichtig („conservative“) auf 54 Milliarden US$ weltweit berechnete [16]. Man hat daher von verschiedenen Seiten sowohl nationale (USA, Kanada, Deutschland) und international (WHO) Empfehlungen für körperliche Aktivität ausgesprochen und globale Maßnahmen gefordert, um diese Bewegungsmangel-Pandemie einzudämmen [19, 104, 132]. Dies gilt seit Sommer 2021 in noch größerem Maße, hat doch der Bewegungsmangel in der Corona-Pandemie vor allem durch die Lockdown-Maßnahmen noch weiter deutlich zugenommen [36, 93].

Aus übergewichtigen Kindern und Jugendlichen werden übergewichtige Erwachsene. Nach einer im New England Journal of Medicine publizierten Studie [5] an mehr als 62 000 jungen Männern in Dänemark, für die Längsschnittdaten zu Körpergröße und -gewicht von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter vorlagen, waren übergewichtige Jugendliche mit der 4-fachen Wahrscheinlichkeit (im Vergleich zu normalgewichtigen Jugendlichen) als Erwachsene an Typ-II-Diabetes erkrankt. Im Gegensatz dazu waren Männer, die ihr in der Kindheit vorhandenes Übergewicht bis zu ihrem dreizehnten Lebensjahr verloren hatten, nicht mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit an Typ-II-Diabetes erkrankt – wieder im Vergleich zu den normalgewichtigen Jugendlichen. Eine gesunde Jugend ist also besonders bedeutsam für die spätere Gesundheit im Erwachsenenalter.

Schon vor nahezu 20 Jahren wurde erstmals zweifelsfrei nachgewiesen, dass die in der Kindheit vor dem Fernseher verbrachte Zeit im Zusammenhang mit einem erhöhten Gewicht im Erwachsenenalter steht. In der bekannten Neuseeland-Längsschnittstudie konnten 17 % der Übergewichtsprävalenz im Alter von 26 Jahren darauf zurückgeführt werden, dass im Alter von 5 Jahren mehr als 2 Stunden vor dem Fernseher verbracht wurden [38]. Mehrere Studien haben gezeigt, dass auch die Zeit vor dem Computer bei Kindern und Jugendlichen zu einer Gewichtszunahme führt [4, 102] bzw. dass eine höhere Bildschirmzeit bei Kindern und Jugendlichen mit einem höheren Body Mass Index (BMI) verbunden ist. Bildschirmmedien beeinträchtigen die körperliche Aktivität und zudem auch das Glückserleben, was wiederum zu geringerer körperlicher Aktivität im Sinne eines Teufelskreises führt [6].

In einer deutschen Längsschnittstudie über gesundheitsbezogenes Verhalten bei 556 Jugendlichen wurden ein niedriges Aktivitätsniveau, ein hoher Medienkonsum und eine geringe Qualität der Ernährung miteinander in Verbindung gebracht. Diese Verhaltensweisen sagten eine Gewichtszunahme stark voraus [112]. Übergewichtige oder krankhaft übergewichtige (adipöse) Jugendliche haben ein doppelt so hohes Risiko, an Aufmerksamkeitsdefiziten zu leiden [21], und bei Jungen mit ADHS ist das Risiko, fettleibig zu werden, etwa doppelt so hoch. Bei Mädchen mit ADHS ist das Risiko für Adipositas viermal so hoch [25]. Die mittlerweile zum Fernsehen hinzugekommene Nutzung von Computern in der Schule und in der Freizeit und vor allem die Einführung des Smartphones verschlimmerten diese Situation, wie neuere Studien zeigten [4, 102].

Im Hinblick auf Gewichtszunahme und Fettleibigkeit wurden vor allem Computerspiele ursächlich identifiziert, die nicht nur oft über viele Stunden betrieben werden und sowohl körperliche Aktivität ersetzen als auch die Ess- und Schlafgewohnheiten negativ beeinflussen [108]. Auch Smartphones reduzieren die Zeit, die mit körperlicher Aktivität verbracht wird [62], verlangsamen tatsächlich die Geschwindigkeit des Gehens um ein Drittel [70] fördern Inaktivität („Zeit auf der Couch“), verringern das Interesse und die Zeit, die im Freien verbracht wird, und verringern somit sowohl spontane (wie Fahrradfahren oder Street-Basketball) als auch organisierte Aktivitäten wie den Besuch von Sportvereinen oder organisierte Ausflüge in die Natur [3]. Übergewicht im Kindes- und Jugendalter wirkt sich negativ auf die schulischen Leistungen, die soziale Kompetenz und das Sozialverhalten aus [118] und steht mit lebenslangem Übergewicht und Adipositas, einem höheren Risiko und einem früheren Auftreten chronischer Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes, einer ungesunden sitzenden Lebensweise und geringeren Schulleistungen in Verbindung [13, 23].

Die jährlichen direkten und indirekten Kosten der Fettleibigkeit werden allein in Deutschland auf 63 Milliarden Euro geschätzt, wobei die indirekten Kosten höher sind als die direkten (gesundheitsbezogenen) Kosten [17]. „Insgesamt 102 000 Menschen sterben jedes Jahr vorzeitig an den Folgen von Übergewicht, was zuvor bereits Arbeitslosigkeit, Pflegebedürftigkeit sowie Schmerzen und Leiden verursacht. Auf Lebenszeit betrachtet bedeutet jeder adipöse Mann eine zusätzliche Belastung von 166911 Euro und jede Frau von 206526 Euro für das deutsche Sozialversicherungssystem“ schätzen die Autoren anhand von Daten einer deutschen Krankenkasse zu 146 000 Personen [17].

Auch eine dänische Studie schätzte sowohl die direkten als auch die indirekten Kosten von Fettleibigkeit anhand der in diesem Land dank seines Gesundheitssystems besonders detailliert vorliegenden Daten. Ein BMI-Punkt über 30 war mit einem Rückgang des Einkommens um 2 Prozent, einem Anstieg sozialer Transferzahlungen um 3 Prozent und einem Anstieg der Gesundheitskosten um 4 Prozent verbunden. In absoluten Zahlen waren, genau wie in Deutschland, die indirekten Kosten größer als die direkten Kosten, wobei die Einkommenseinbußen den größten Anteil an der gesamten wirtschaftlichen Belastung ausmachten [63].

Im Jahr 2014 wurden die weltweiten wirtschaftlichen Auswirkungen der Fettleibigkeit auf 2,0 Billionen US-Dollar (d. h. etwa 2000 Milliarden Euro) jährlich geschätzt [122]. Wenn 2 Stunden vor dem Bildschirm in der Kindheit 17 % der Adipositas im Erwachsenenalter erklären können, kann man sich ausmalen, wie groß der Anteil der Fettleibigkeit im Erwachsenenalter ist, der durch die heute in Kindheit und Jugend mit Bildschirmmedien (Smartphone, Tablet, Laptop, Video, TV) verbrachte Zeit verursacht wird. Angesichts von 5,5 Stunden digitaler Mediennutzung in der Kindheit und 8,5 Stunden in der Jugend muss man davon ausgehen, dass die Folgen von Übergewicht und Typ-II-Diabetes (kardiovaskuläre Ereignisse wie Schlaganfälle und Herzinfarkte sind bereits jetzt die häufigsten Todesursachen in westlichen Ländern) innerhalb von etwa 3–4 Jahrzehnten ein globales gesundheitliches und ökonomisches Problem darstellen werden. Alle Maßnahmen, die zu noch mehr Bildschirmmedienzeit bei Kindern führen, sind daher aus medizinischen Gründen unbedingt zu unterlassen.


Bereich 2: Kurzsichtigkeit (Myopie)

Myopie oder Kurzsichtigkeit ist eine optische Fehlsichtigkeit des Auges, bei der das Licht vor und nicht auf der Netzhaut fokussiert ist. Die Brechkraft der Linse ist für die Länge des Auges also zu groß. Kurzsichtigkeit wird in Dioptrien gemessen, und weil sie durch eine Zerstreuungslinse korrigiert wird, mit einem Minuszeichen versehen. Kleinere Werte als –0,5 Dioptrien (dpt) bezeichnet man als Myopie, bei Werten unter –5 dpt spricht man von hoher bzw. starker Myopie. Die meisten Fälle resultieren aus einer Fehlentwicklung des Augapfels, die sich einstellt, wenn man während der ersten beiden Lebensjahrzehnte zu viel Zeit mit dem Blick in die Nähe zubringt [103, 131].

Erkenntnisse über die Entwicklung des Auges – das Auge des Kindes ist zu klein und wächst so lange bis es scharf sieht – waren für die Pathophysiologie der Kurzsichtigkeit wichtig. Sie wurden zunächst an Hühnern gewonnen, die nach dem Schlüpfen verschiedene Linsen trugen und dann Kurz- oder Weitsichtigkeit entwickelten. Später wurde dies auch an Mäusen und nichtmenschlichen Primaten mit folgendem Ergebnis untersucht: Das Auge hat einen eingebauten Mechanismus, der es so lange wachsen lässt, wie das durchschnittliche Bild auf der Netzhaut noch unscharf ist (weil das Auge noch zu kurz ist). Das Auge wächst also genau auf die Länge, die das Bild auf der Netzhaut in einen scharfen Fokus bringt [105, 106]. Schaut der Mensch jedoch viele Stunden am Tag in die Nähe, wächst das Auge länger, da Licht, das von einem Punkt in kurzer Entfernung ausgeht (wie beim Lesen), weiter hinten im Auge fokussiert wird. Kurz: Wenn die Augen des Menschen in den ersten beiden Lebensjahrzehnten mehrere Stunden pro Tag auf nahe Bildschirme gerichtet sind, werden sie zu lang und daher kurzsichtig.

Unter allen Erkrankungen des Auges nimmt die Häufigkeit (Prävalenz) der Kurzsichtigkeit weltweit am schnellsten zu und hat, wie die Inaktivität, das Ausmaß einer Pandemie erreicht, wie jüngere Beiträge aus internationalen ophthalmologischen Fachblättern zeigen [85, 120, 131]. 4ß% der Nordamerikaner sind von Myopie betroffen. Die Zahl der Fälle hat sich zwischen 1972 und 2004 verdoppelt und nimmt weiter zu [126]. Die derzeitige Prävalenz in Europa liegt bei etwa 30 % und bei jüngeren Erwachsenen im Alter von 25–29 Jahren bei 42,2 % (und damit fast doppelt so hoch wie bei Erwachsenen im Alter von 55–59 Jahren) [134, 135], wobei die Zahl ähnlich wie in den USA steigt [46]. Außerhalb ophthalmologischer Kreise wissen jedoch nur wenige Menschen in westlichen Ländern von der Myopie-Pandemie [120].

Dies ist in Asien anders, wo die hohe und weiter steigende Prävalenz der Myopie vielen Menschen große Sorgen bereitet. In einer 15-jährigen bevölkerungsbasierten Längsschnitt-Studie an 43 858 Schülern aus einer Stadt im Osten Chinas stieg die Prävalenz der Myopie von 79,5 % im Jahr 2001 auf 87,7 % im Jahr 2015. Die Prävalenz der starken Myopie stieg im gleichen Zeitraum von 7,9 % auf 16,6 % [9]. Eine andere Studie an 6364 Jugendlichen bezifferte den Anteil der Myopie auf 80 % und den der hohen Myopie auf 14 % [137]. In Südkorea ergab eine Querschnittsstudie bei 23 616 19-jährigen Männern eine Prävalenz von 96,5 % für Myopie und 21,6 % für hohe Myopie [59].

Kurzsichtigkeit erscheint zunächst als relativ leicht durch Brillen (oder Lasern) beherrschbares Problem. Die bei ihr vorliegende Deformation des Augapfels stellt jedoch einen Risikofaktor für alle 4 Hauptursachen von Erblindung im höheren Alter dar [14]:

  • Makuladegeneration (atrophische myope Makulopathie/Retinopathie), eine noch immer unbehandelbare, langsam fortschreitende Sehbehinderung, bei der sich der Sehverlust aufgrund einer Atrophie der Netzhaut entwickelt. Sie gehört derzeit zu den häufigsten Ursachen für Erblindung. Abhängig vom Grad der Myopie ist das Risiko der Makuladegeneration im Durchschnitt um das 18-fache erhöht (OR[ 2 ] 2,2 bei –1 dpt bis –3 dpt; OR 349 bei < –9 dpt).

  • Ein ähnlicher Zusammenhang wurde zwischen zunehmender Myopie und Netzhautablösung beobachtet, wobei das Risiko im Durchschnitt bei jeder Myopie um das 7,8-fache erhöht ist. (OR 4,4 bei –1 bis –3 dpt; OR 9,9 bei –3 bis –8 dpt).

  • Für ein Glaukom („grüner Star“), d. h. einen pathologisch erhöhten Augeninnendruck, wurde eine 2,3-fache Erhöhung bei niedriger Myopie (bis –3 dpt) und eine 3,3-fache Erhöhung bei mittlerer und hoher Myopie (unter –3 dpt) festgestellt.

  • Für Katarakte („grauer Star“) verschiedener Art berichten mehrere Studien mit unterschiedlichen Verfahren erhöhte ORs im Bereich von 1,4 bis 2,1 für geringe Myopie (–0,5 dpt bis –2 dpt), 3,1 für moderate Myopie (–2 dpt bis –4 dpt), 5,5 für hohe Myopie (–4 dpt bis –6 dpt) und 12,3 für Myopie über –6 dpt [26]. Zusammengenommen zeigen diese Daten deutlich, warum Myopie weithin als eine „unterschätzte globale Herausforderung für das Sehen“ [44] angesehen wird.

In Deutschland lesen nur 34 % der Schulkinder regelmäßig Bücher im Durchschnitt etwa eine Stunde pro Tag [58], d. h. das Lesen von Büchern dürft für die Entwicklung der Kurzsichtigkeit derzeit bei den meisten Kindern und Jugendlichen nur eine geringe Rolle spielen. Da Smartphones jedoch nicht nur die am weitesten verbreiteten und am häufigsten genutzten digitalen Bildschirmmedien sind [94], sondern auch die kleinsten Bildschirme haben (die einen sehr nahen Blick bis auf ca. 25 cm erfordern, im Vergleich zum Lesen von Büchern mit einem Abstand von etwa 50 cm), ist der Blick auf Smartphones für 5 oder mehr Stunden pro Tag bei vielen jungen Menschen aus augenärztlicher Perspektive äußerst problematisch.[ 3 ] Wie dramatisch der technologische Fortschritt die Volksgesundheit beeinflussen kann, lässt sich am Beispiel von Südkorea und China am besten verdeutlichen. 88 % der koreanischen Gesamtbevölkerung und 100 % in der Altersgruppe der 18- bis 34-Jährigen besitzen ein Smartphone [94]. So wundert nicht, dass dieses Land auch – mit über 90 % bei den 10- bis 19-Jährigen – die weltweit höchste Rate an Kurzsichtigkeit aufweist. An zweiter Stelle steht China mit mehr als 80 % Myopie bei Jugendlichen [74, 137]. Verglichen mit der Zeit, die mit dem Lesen von Büchern verbracht wird (selbst in einem buchliebenden Land wie Deutschland – Jugendliche lesen etwa 15–20 Minuten pro Tag), beträgt die tägliche Smartphone-Zeit bei 26 % der Bevölkerung mehr als 7 Stunden, bei 47 % mehr als 5 Stunden und bei mehr als 75 % der Bevölkerung mehr als 3 Stunden – so das Ergebnis einer internationalen Umfrage, die im Oktober 2017 an einer Stichprobe von 3500 Personen zwischen 15 und 45 Jahren aus verschiedenen Ländern durchgeführt wurde. Rechnet man die konservativ geschätzte Fernsehzeit (2 Stunden) und die Zeit, die mit Videos, Tablets, Computern und Videospielen verbracht wird (2 Stunden), hinzu, ist die Zeit, die auf Bildschirme im Nahbereich geschaut wird, und nicht auf Bücher, eindeutig der Schuldige für das pandemische Ausmaß der Myopie bei jungen Menschen.

Angesichts dieser Daten zur Myopie ist es nicht verwunderlich, dass im chinesischen Wuhan (dem Ausgangspunkt der Corona-Pandemie mit einem Lockdown bereits im Januar 2020) bei Kindern im Alter von 6 Jahren eine Zunahme der Wachstumsgeschwindigkeit der Augenlänge auf mehr als das 3-Fache während der 4-monatigen Schulschließung und des Hausarrests während der COVID-19-Pandemie gefunden wurde.

Myopie verursacht erhebliche Kosten für die Gesundheitssysteme, sowohl aufgrund der Kosten für die optische Korrektur als auch aufgrund der Kosten für die langfristig aus der Verformung der Augäpfel (die nicht korrigiert werden kann) resultierende Morbidität (Glaukom, Katarakt, Netzhautdegeneration und Netzhautablösung). Die meist während Kindheit und Jugend erworbene Myopie ist der Hauptrisikofaktor für die gerade genannten vier Hauptursachen von Erblindung im Erwachsenenalter (also 3–4 Jahrzehnte später). Eine Übersicht und Metaanalyse aus dem Jahr 2016 von 145 Studien an 2,1 Millionen Patienten schätzt die Zahl kurzsichtiger Menschen weltweit auf 1,406 Milliarden und sagt voraus, dass im Jahr 2050 etwa die Hälfte der Weltbevölkerung (4,758 Milliarden Menschen, davon knapp eine Milliarde mit hochgradiger Myopie und damit hohem Risiko für spätere Erblindung) von Kurzsichtigkeit betroffen sein werden [44].

Wie sind diese Befunde zu bewerten? – Die jährlichen globalen direkten und indirekten Kosten der Myopie-Pandemie wurden bereits im Jahr 2009 mit über 200 Milliarden US-Dollar berechnet [110], 10 Jahre später mit 250 Milliarden US-Dollar [29, 31, 87]. Allein in Singapur wurden die jährlichen Kosten für die Behandlung von Myopie pro Person und Jahr auf 709 US-Dollar geschätzt. Zweifellos sind die globalen Folgen für die öffentliche Gesundheit und die Belastung der Gesundheitskosten von Bedeutung. Insbesondere die Zunahme auf weltweit fast eine Milliarde Menschen mit hoher Myopie im Jahr 2050 und das Ausmaß der resultierenden Blindheit werden vor allem in Asien (Süden und Südosten) sehr ernst genommen, weil dort die höchsten Prävalenzzahlen vorliegen.

Weil China dies als sehr ernstes Problem der öffentlichen Gesundheit betrachtet, hat das Land am 15. Januar 2021 ein Smartphone-Verbot an allen Schulen in Kraft gesetzt, das wie folgt lautete: „Um die Sehkraft der Schüler zu schützen, es ihnen zu ermöglichen, sich auf das Lernen zu konzentrieren, Internetsucht zu verhindern und die körperliche und geistige Gesundheit zu fördern, sollten die Schulen die Schüler und Eltern darüber informieren, dass Handys grundsätzlich nicht mit in die Schule mitgebracht werden dürfen. Wenn ein Schüler dennoch ein Mobiltelefon mit in die Schule mitbringen muss, muss eine schriftliche Zustimmung der Eltern vorliegen. Nach dem Betreten der Schule muss das Handy von der Schule aufbewahrt werden. Es ist verboten, es in die Klassenzimmer mitzubringen“ (leicht gekürzte Übersetzung der Mitteilung des chinesischen Bildungsministeriums vom 15. Januar 2021; http://www.gov.cn/zhengce/zhengceku/2021-02/01/content_5584120.htm). In einem Land mit 1,3 Milliarden Menschen und einer 80 %igen Prävalenz von Myopie in der jüngeren Bevölkerung, mit steigender Tendenz, scheinen die Kosten der Myopie in Form von menschlichem Leid und wirtschaftlicher Belastung solch drastische Maßnahmen zu rechtfertigen. Die westliche Welt schaut zu, denkt nicht an Prävention und wird in 3–4 Jahrzehnten mit enormen gesundheitlichen und ökonomischen Schäden konfrontiert sein.


Bereich 3: Kognitive und psychosoziale Entwicklung, Gehirnentwicklung und seelische Gesundheit

In den vergangenen Jahren erschien eine Reihe methodisch aufwändiger Studien an insgesamt Tausenden von Teilnehmern zu den negativen Auswirkungen digitaler Bildschirmmedien auf die Entwicklung von Säuglingen, Kleinkindern und Grundschulkindern (siehe Spitzer, in diesem Heft). Mit jeder zusätzlichen Stunde, die die Kinder täglich mit Bildschirmmedien (Fernsehen, Computer bzw. Computerspiele) verbracht hatten, erhöht sich die Zahl emotionaler Störungen und familiärer Probleme bis auf das Doppelte [41]. Die Bildschirmzeit im Alter von 2 Jahren verursacht eine ungünstigere kognitive Entwicklung mit 3 Jahren und auch die Bildschirmzeit mit 3 Jahren bewirkt eine ungünstigere kognitive Entwicklung mit 5 Jahren [80]. Auch bei Kindern im Alter von 8–11 Jahren wurde der Zusammenhang zwischen mehr Zeit mit Bildschirmmedien und ungünstigerer kognitiver Entwicklung gezeigt [127].

Eine beeinträchtige kindliche Entwicklung geht mit einer geringeren Gesundheit bzw. einer höheren Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Krankheiten einher, sowohl im psychischen als auch im somatischen Bereich. Hierzu erschien In JAMA Psychiatry im Mai 2022 eine Metaanalyse von 87 Studien, die 98 unabhängige Stichproben mit 159 425 Kindern (mittleres Alter 6,07 ± 2,89 Jahre; 51,3 % männlich) zum Zusammenhang zwischen Bildschirmmedien und kinderpsychiatrischen Störungsbildern [18]. Man unterscheidet üblicherweise zwischen externalisierenden Störungen (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung sowie Störungen des Sozialverhaltens) mit Symptomen wie Hyperaktivität, Impulsivität, Aufmerksamkeitsprobleme, oppositionell-verweigerndem und aggressivem Verhalten einerseits und internalisierenden Störungen mit Angst und depressiven Symptomen, die mit erhöhtem subjektivem Leiden und erheblichen psychosozialen Problemen verknüpft sind andererseits. Trotz erheblicher methodischer Unterschiede zwischen den Studien korrelierte eine längere Bildschirmzeit jeweils signifikant mit mehr externalisierenden Problemen (90 Stichproben; r = 0,11) und internalisierenden Problemen (43 Stichproben; r = 0,07). Diese Korrelationen mögen numerisch klein erscheinen, sie betreffen jedoch Millionen von Kindern und sind damit von hoher gesamtgesellschaftlicher Relevanz. Ganz allgemein gilt: Die Entwicklung des menschlichen Gehirns hängt von Erfahrungen ab: Zur Sprachentwicklung notwendig sind das Zuhören, das Artikulieren und das gemeinsame Handeln im Dialog. Sie findet nicht durch ansonsten passive Betrachtung von Bildschirmen statt. Selbst die Beherrschung der Sprachlaute, die schon vor dem ersten Lebensjahr erfolgt, erfordert Lernen in sozialen Kontexten und nicht über Lautsprecher [68, 69].

Durch strukturelle Bildgebung konnte direkt nachgewiesen werden, dass Bildschirmmedienkonsum die Gehirnentwicklung beeinträchtigt. So fanden Hutton und Mitarbeiter [50] bei Vorschulkindern einen Zusammenhang zwischen erhöhten Medienkonsum am Bildschirm und einer geringeren mikrostrukturellen Integrität derjenigen Bahnen der weißen Substanz des Gehirns, die die Sprache und die aufkommenden Lese- und Schreibfähigkeiten unterstützen. Dies erklärt bereits vorliegende Erkenntnisse, wonach die Verwendung von Bildschirmmedien im Vorschulalter die Entwicklung des Vorstellungsvermögens, also des willentlich gesteuerten bildhaften Denkens beeinträchtigt [47, 50, 51, 116]. Dadurch wird die Entwicklung von Kreativität und eigenständiger Willensbildung auf lange Sicht beeinträchtigt.

Komplexe geistige Leistungen und Verhaltensweise wie Mitgefühl, Persönlichkeit, das Führen von Dialogen und der Austausch von Argumenten, das Lösen von Konflikten und vieles mehr hängt von der Zeit ab, die ein Kind mit anderen Kindern verbringt. Empathie und Selbstvertrauen entstehen durch gelungene emotionale Interaktionen und durch Projekte und Erfahrungen von Selbstwirksamkeit im Alltag, wie Langzeitstudien zur menschlichen Entwicklung zeigen [98].

Anstatt Sprachentwicklung, Persönlichkeitsbildung und sozialem Lernen erfolgt im Lockdown vor allem das Erlernen von Hilflosigkeit, denn man lernt, dass man der Pandemie ausgeliefert ist, an ihrem Verlauf nichts ändern kann und ständig Angst vor der eigenen Ansteckung bzw. der Ansteckung anderer hat. Auch die verordnete soziale Isolation führt nachweislich zu Stress, der sich wiederum negativ auf die Gesundheit auswirkt – je länger er anhält, desto mehr. „Gelernte Hilflosigkeit“ ist das bekannteste psychologische Modell für Stress und Depression. Da jüngere Menschen schneller lernen als Ältere, erlernen sie auch schneller Hilflosigkeit. Hinzu kommt, dass jüngere Menschen weniger Lebenserfahrungen haben, die ihren Eltern und Großeltern helfen, Zeiten der sozialen Isolation, des Stresses und der wirtschaftlichen Not zu überstehen.

Bereits der Fernsehkonsum von Kindern und Jugendlichen hatte bekanntermaßen schädliche Auswirkungen im Erwachsenenalter zur Folge. Zu nennen sind Übergewicht und geringe Fitness [38], Aufmerksamkeitsstörungen [76, 89] und Verhaltensstörungen wie mangelnde Empathie gegenüber Eltern und Gleichaltrigen [98] bis hin zu erhöhtem antisozialem Verhalten [102]. Während des Lockdowns hat die Zeit vor Bildschirmen massiv zugenommen, weswegen man davon ausgehen kann, dass diese negativen Effekte verstärkt auftreten.

Zusammenfassen lässt sich folgendes festhalten: Vom Baby bis zum Universitätsstudenten ist die physische und psychische Gesundheit durch Lockdown-Maßnahmen gefährdet. Babys leiden unter mehr Gewalt und Stress ihrer Eltern, Kleinkinder vermissen ihre Freunde, Vorschulkinder noch mehr. Kinder vermissen die Schule (ja, das tun sie wirklich!), ebenso wie Heranwachsende, die möglicherweise zum ersten Mal die Bedeutung von Lehrern für das Lernen erkennen. Hinzu kommt, dass Übergewicht und mangelnde Bildung sich gegenseitig verstärken [13] und dass beides bei Kindern aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status wahrscheinlicher ist.


Corona und Kausalität

Die mit sozialer Isolation sowie der Schließung von Kitas und Schulen einhergehenden Präventionsmaßnahmen während der COVID-19-Pandemie betrafen weltweit 1,6 Milliarden Schüler [123]. Sie führten hierzulande zu etwa 2–3 Stunden zusätzlicher Bildschirmzeit bei Kindern und Jugendlichen (DAK 2020), was wiederum die gesundheitlichen Probleme in jedem der drei diskutierten Bereiche verschärfte. In methodischer Hinsicht erlaubt die Quasi-experimentelle Natur der Daten die Attribuierung von Kausalität.

Inaktivität und Übergewicht

Im Hinblick auf Inaktivität und Übergewicht sprechen manche Autoren mittlerweile von „Covibesity pandemic“ [61], wozu ungesunde Ernährung während des Lockdowns (mehr Kartoffelchips, rotes Fleisch und zuckerhaltige Getränke) [95], verringerte körperliche Aktivität und mehr Bildschirmzeit gemeinsam beitragen. All diese Effekte sind bei benachteiligten Kindern wie Kindern aus Familien mit niedrigem Einkommen oder Eltern mit niedrigem Bildungsniveau stärker ausgeprägt. Aufgrund der während des Lockdowns noch weiter zugenommenen Inaktivität wurde in einer Studie aus San Franzisko für jeweils 10 Tage Lockdown ein Anstieg des Körpergewichts um 0,27 Kg gefunden [78]. In Österreich wurde an 764 Kindern im Alter von 7–10 Jahren zwischen September 2019 und September 2020 eine signifikante Abnahme der kardiorespiratorischen Fitness und eine ebenfalls signifikante Zunahme des BMI gemessen. Kinder im Grundschulalter konnten im September 2019 binnen sechs Minuten noch durchschnittlich 917 Meter Wegstrecke laufend zurücklegen, schafften ein Jahr später nur noch 815 Meter Laufstrecke. Selbst Kinder in Sportvereinen verschlechterten sich von durchschnittlich 966,8 Metern auf 860 Meter zurückgelegter Strecke, die anderen Kinder von 880,9 Meter auf 782,2 Meter [55].


Myopie

Was Kurzsichtigkeit anbelangt, so ergab die bereits erwähnte große Studie an 123535 Kindern aus dem chinesischen Wuhan (mit dem frühesten Lockdown, der bereits im Januar 2020 begann) für das Frühjahr 2020 eine Verdreifachung der Wachstumsgeschwindigkeit der Augäpfel von 6-Jährigen im Vergleich zu Messungen in den Jahren 2015 bis 2019 [131]. Ein Jahr später publizierte die gleiche Arbeitsgruppe weitere Daten zu 468094 Kindern aus 133 Grundschulen, ebenfalls mit einer signifikant stärkeren Zunahme der Myopie bei den 6- bis 8-jährigen Kindern [130].


Entwicklung und seelische Gesundheit

Unter normalen Umständen liegt die weltweite Prävalenz von psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen bei 13,4 %, wie eine Metaanalyse zeigt [96]. Mehrere Studien ergaben mittlerweile, dass psychische Probleme in der COVID-19-Pandemie zugenommen haben, vor allem wegen der Maßnahmen des Lockdowns, die zur Eindämmung der Infektionen ergriffen wurden. Die erste dieser Studien kam aus China, wo COVID-19 auftrat und über eine Zunahme von Stress, Angst und Depression berichtet wurde [57]. Xie und Mitarbeiter [138] fanden heraus, dass während der Pandemie in China 23 % der Kinder der 2. bis 6. Klasse depressive Symptome hatten und 19 % unter Angstzuständen litten. In einer Querschnittsstudie mit 8079 chinesischen Gymnasiasten (im Alter von 12–18 Jahren) während der COVID-19-Epidemie lag die Prävalenz von depressiven Symptomen, Angstsymptomen und einer Kombination aus depressiven und Angstsymptomen bei 43,7 %, 37,4 % bzw. 31,3 % der chinesischen Schüler [139]. Weitere Studien zeigen, dass die Corona-Pandemie auch Suchtprobleme verschärft hat [30, 67].

Eine repräsentative Online-Befragung wurde in Deutschland unter 1586 Familien mit 7- bis 17-jährigen Kindern und Jugendlichen zwischen dem 26. Mai und dem 10. Juni 2020, also wenige Wochen nach dem ersten Lockdown, durchgeführt. Die Autoren konnten ihre Ergebnisse mit Daten aus der bundesweiten, längsschnittlichen, repräsentativen Kohortenstudie (n = 1556) vergleichen, die vor der Pandemie durchgeführt wurde. Die Kinder und Jugendlichen hatten eine signifikant geringere gesundheitsbezogene Lebensqualität (40,2 % vs. 15,3 %), mehr psychische Probleme (17,8 % vs. 9,9 %) und höhere Angstwerte (24,1 % vs. 14,9 %) als vor der Pandemie. Ein webbasiertes Interview bei 932 Universitätsstudenten zeigte ebenfalls während der Pandemie erhebliche psychische Probleme, wobei die emotionalen Schwierigkeiten bei Frauen und Studenten im Grundstudium deutlicher waren als bei Männern und Postgraduierten. Die psychische Belastung stand hauptsächlich im Zusammenhang mit den folgenden von den Teilnehmern wahrgenommen Stressoren: akademische Zukunft, Aufgabenüberlastung, Verschlimmerung von zwischenmenschlichen Konflikten und Einschränkungen bei angenehmen sozialen Kontakten; der Zusammenhang mit der Ausbreitung der Krankheit und ihren Folgen für die körperliche Gesundheit war vergleichsweise deutlich geringer [91].

Halten wir fest: Eine zunehmende Anzahl von Studien berichtet über die körperlichen ophthalmologischen sowie entwicklungsbiologischen und psychologischen Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die Allgemeinbevölkerung die letztlich auf eine Zunahme der Zeit vor Bildschirmen zurückzuführen war. Bei Kindern und Jugendlichen sind diese negativen Auswirkungen gravierender, da die Gehirnentwicklung – ebenso wie Entwicklung der Augen – umso stärker beeinträchtigt wird, je jünger die Betroffenen sind. Im Klartext bedeutet eine Störung der Entwicklung einen irreversiblen Schaden. Dies gilt letztlich auch für Übergewicht und psychische Störungen, die zur Chronifizierung neigen, und damit für alle oben angesprochenen Bereiche. Angemerkt sei noch, dass auch die Lockdown-Maßnahmen schwachen Schülern bzw. Kindern aus Familien mit wenig Ressourcen am stärksten geschadet haben. Die Corona-Pandemie führte mithin zu einem „natürlichen Experiment“, das die Kausalität von mehr Bildschirmzeit und weniger Gesundheit deutlich gemacht hat.



Elementarinformatik

Den nachgewiesenen gravierenden gesundheitlichen Schäden durch noch mehr Zeit vor Bildschirmen, die mit der Digitalisierung von Kitas und Grundschulen einhergehen wird, stehen behauptete Wirkungen gegenüber, die bislang nicht nachgewiesen wurden. Dies wird in diesem Abschnitt gezeigt.

Im ersten Kapitel des SWK Gutachtens „Digitalisierung in der frühen Bildung“ (S. 19–35) wird festgestellt, dass es digitale Bildung im Bereich der frühen Bildung noch nicht gibt und dass „Erkenntnisse aus der internationalen Forschung und nationalen Initiativen, welche die Potenziale digitaler Medien in der frühkindlichen Bildung unterstreichen“ [117] bislang unberücksichtigt geblieben seien. Dies soll sich durch die Einführung von Elementarinformatik in Kindergärten und Grundschulen ändern. Was damit gemeint ist, wird in einer Anmerkung unter Bezugnahme auf ein Forschungsprojekt der Universität Bamberg [107] wie folgt ausgeführt: „Elementarinformatik verbindet Medienkompetenz und Informatikkompetenz. Sie soll ein Herstellen von Beziehungen zwischen logisch-algorithmischen Konzepten der Informatik und handlungs-orientierter Nutzung von Anwendersoftware im Sinne der Medienkompetenz ermöglichen“ [107}.Hierzu sollen Kindertagesstätten und Grundschulen mit Laptop- und Tablet-Computern ausgestattet werden, damit „elementarinformatische Kompetenzen“ [107] erworben werden können.

Im Verlauf des gesamten ersten Kapitels (das einzige zum Thema Frühpädagogik) des SWK Gutachtens bleibt völlig unklar, was mit diesem Wort gemeint ist, nicht zuletzt, weil sich nur etwa zwei Seiten des Kapitels inhaltlich damit beschäftigen.[ 4 ] Zum einen soll es nicht um „oberflächliches Handlungswissen“ [117] gehen. Vielmehr sei es wichtig, „Kinder zum souveränen Umgang mit digitalen Medien zu befähigen und ihnen ein Grundverständnis von digitaler Speicherung und Verarbeitung von Information sowie von Algorithmen zu vermitteln“ [117]. Sie sollen „Vorstellungen zu den Funktionsweisen digitaler Technologien“ [117] „hinterfragen“ und auch über „künstliche Intelligenz“ [117] informiert werden. „Ziel der Förderung […] in der frühen Bildung [… sei es], Kinder zu befähigen, digitale Medien als Werkzeug zum kreativen Arbeiten zu begreifen und nicht als bloße interaktive Unterhaltungsmedien. Hierzu ist entscheidend, dass die informatischen Konzepte, die hinter digitalen Anwendungen liegen, verdeutlicht werden“ [117]. Was damit gemeint sein könnte, bleibt im Unklaren, denn ein paar Zeilen weiter ist „vom digitalen Fotografieren bis zur Nutzung von Spiele-Apps“ [117] die Rede – also von genau dem „oberflächlichem Handlungswissen zu Unterhaltungsmedien“, welches explizit nicht gemeint sein soll.

Im 68-seitigen Bericht zum erwähnten Bamberger Forschungsprojekt „Zehn Jahre Elementarinformatik“, auf den sich das Gutachten der SWK inhaltlich stützt, findet man hierzu gleich zu Anfang: „Ausgangspunkt unseres didaktischen Ansatzes ist die Forderung, dass im Vor- und Grundschulbereich Mediennutzung und Vermittlung von elementaren Informatikkonzepten wechselseitig aufeinander bezogen werden sollten. Bei einer Vermittlung von Informatikkonzepten ohne Bezug zum Computer, wird es Kindern nicht gelingen, die Beziehung selbstständig herzustellen“ [107, S. 2; Hervorhebung vom Autor). An der Anschaffung von Hardware komme man also nicht vorbei. Umso mehr verwundert, dass dann die Informatik in der Kita vor allem „analog“ und „lebensweltlich“ vermittelt werden soll, d. h. ohne Computer. Andererseits zitieren die Autoren das von Wissenschaftlern des Massachusetts Institute of Technology (MIT) im vorletzten Jahrzehnt verfolgte Projekt „One Laptop Per Child“ als positives Vorbild. Hierzu muss man anmerken, dass dieses Projekt bereits wenige Jahre nachdem etwa 2 Millionen Laptops an Schüler in Afrika und Lateinamerika verteilt worden waren, gescheitert ist und sein Sitz in Boston im Jahr 2014 aufgelöst wurde [83].

In ihren Ausführungen zum „pädagogisch-didaktischen Konzept“ der Elementarinformatik schreiben die Autoren: „Es ist anzunehmen, dass erst durch die Kombination der rechner-unabhängigen Erfahrungen mit der Arbeit am Computer es den Kindern gelingen kann, die erworbenen Konzepte mit der Funktionsweise des Computers in Zusammenhang zu bringen. Die Beziehung zwischen den abstrakten Konzepten und der Nutzung von Anwenderprogrammen wird explizit hergestellt und bei der Nutzung von Software wird auf verallgemeinerbare Prinzipien hingewiesen“ [107, S. 22, Hervorhebung vom Autor].

Die Autoren nehmen also an, dass im Vorschulalter allgemeine Prinzipien der Informatik zu vermitteln sind, wie beispielsweise „Repräsentation“ oder „Algorithmus“. Sie entwickelten hierzu curriculare Unterrichtseinheiten von 45 Minuten, sprechen zwar dann von deren „Evaluation“, haben jedoch nirgends gezeigt, dass dies funktioniert. Bei der Beschreibung dieser Einheiten beziehen sie sich explizit auf die Inhalte von Abbildungen, die zwar mit „für erwachsene Laien“ unterschrieben sind, jedoch verdeutlichen, wie wenig diese Inhalte ins Vorschulalter passen ([ Abb. 4 ]). So wundert es auch nicht, dass sich die Evaluation auf nur wenige Kinder bezieht (siehe unten), so dass keine evidenzbasierten Erkenntnisse vorliegen. Daher findet man im Bericht auch keine Publikation der Ergebnisse in einem internationalen Fachblatt. Der Bericht ist die Publikation.

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Abb. 4 Die beiden Seiten sind hier im Original abgebildet, weil sich nur so zeigen lässt, dass es sich um Inhalte handelt, die aufgrund ihrer Abstraktheit und Komplexität für das Lernen von Kindern unter 6 Jahren ungeeignet sind: „ASCII“, „Exponent“, „Implementierung“, „Variable“, „Rekursion“ und „Iteration“. Zwar wird in der Bildunterschrift jeweils darauf hingewiesen, dass es sich hier um eine Darstellung „für erwachsenen Laien“ handelt, im Haupttext wird aber auf diese Inhalte als Lehrinhalte eindeutig Bezug genommen: „Bit“, „Byte“, „Binärsystem“, „Algorithmus“, „Programmiersprache“ (S. 14), „Hardware und Software“ (S. 15) sowie „logischer Schaltkreis“ (S. 16)(nach Daten aus [107]).

In ihrem Bericht schreiben Schmid und Gärtig-Daugs weiter: „Im Unterschied zur bloßen Nutzung solcher Programme [gemeint sind die Anwenderprogramme] wird durch Kombination mit den eher konzeptorientierten Lerneinheiten nicht nur Medienkompetenz erworben, sondern es werden Wissensstrukturen aufgebaut, die ermöglichen, dass ein Transfer auf andere Anwendungsprogramme möglich wird. Bloßes Handlungswissen (,das macht man halt so‘) wird durch systematisches Wissen auf der kognitiven Ebene unterfüttert. Es ist zu hoffen, dass dadurch nachfolgende, unbetreute Computernutzung nicht mehr ausschließlich konsumierend ist, sondern die Kinder nun eine Grundlage haben, weitere Fragen zu den Funktionsprinzipien des Computers selbständig zu generieren […] Ausmalbilder oder das Zeigen verpixelter Bilder […] erlaubt den Aufbau abstrakter Konzepte durch Identifikation der Gemeinsamkeiten in verschiedenen Anwendungskontexten“ [107, S. 22f, Hervorhebung vom Autor].

Aus meiner Sicht wird hier vollends deutlich, wie weit weg von jeglicher Realität sich die Autoren des Gutachtens befinden. „Systematisches Wissen“ wird in Kindertagesstätten nicht erworben, schon gar nicht in 45-minütigen curricularen „konzeptorientierten Lerneinheiten“, die es dort ebenso wenig gibt, wie es die Fächer Chemie oder Molekularbiologie gibt. Die im Bericht von Schmid und Gärtig-Daugs angeführten Praxisbeispiele sind entweder kindgerecht, ohne von Informatik zu handeln, oder behandeln Informatik und sind daher nicht kindgerecht. Dies wird am Ende des Werkstattberichts bei der Darstellung der Ergebnisse überdeutlich ([ Abb. 5 ]). In den Jahren 2010 und 2012 wurden nur 23 Kinder untersucht, wobei offenbar nicht alle Datensätze vollständig sind. Alle untersuchten Kinder waren im Grundschulalter, keines war im Vorschulalter. Die Daten erlauben daher keinerlei Aussagen darüber, ob oder wie Elementarinformatik im Kindergarten funktioniert.

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Abb. 5 Tabelle aus der Ergebnisdarstellung des Werkstattberichts (Kapitel 5: Praktische Erprobung und empirische Erkenntnisse) zur Elementarinformatik (nach Daten aus [107]). Im Jahr 2010 wurden nur 8 Kinder und im Jahr 2012 wurden nur 15 Kinder untersucht.

Objektive Messungen der kindlichen Leistungsfähigkeit, Kreativität oder von Wissen fanden ebenfalls nicht statt. Stattdessen wurden Fragebögen und Selbsteinschätzungen verwendet ([ Abb. 6 ]). Hierbei zeigte sich in der Selbsteinschätzung (also nicht in der objektiven Überprüfung) der 7- bis 9-Jährigen (also nicht von 3- bis 5-Jährigen), dass kaum Wissen vermittelt wurde. Nach einem Elementarpädagogik-Workshop hatten zwar 5 von 6 Jungen und 4 von 6 Mädchen von „Bit“ gehört, nur zwei Jungen und ein Mädchen hielten sich jedoch dafür in der Lage, „Bit“ zu erklären. Die Hälfte der Mädchen hielt sich nach dem Workshop auch für nicht in der Lage, zu erklären was ein Programm ist und nur 2 der 6 Mädchen meinte zu wissen, was ein Cursor ist.

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Abb. 6 Abbildungen 22 und 23 aus der Ergebnisdarstellung des Werkstattberichts zur Elementarinformatik (nach Daten aus [107]). Gezeigt sind die Ergebnisse der Selbsteinschätzung im Hinblick auf computer- und informatikbezogenes Wissen vor (oben) und nach (unten) der Teilnahme an einem Workshop zur Elementarinformatik. Rein visuell sind die Balken unten höher als oben, die Darstellung in Prozentwerten ist bei einem n von 6 jedoch nicht nur unüblich, sondern in diesem Fall sogar irreführend, denn die Unterschiede können statistisch auf Überzufälligkeit gar nicht zuverlässig überprüft werden, von Generalisierbarkeit bei dieser Stichprobe ganz zu schweigen.

Ganz allgemein ist anzumerken, dass die berichteten Vergleiche in der Selbsteinschätzung eine Zunahme des Wissens nicht belegen können, denn Wissen wurde nicht überprüft. Auch lässt die Anzahl der Teilnehmer mit 6 Jungen und 6 Mädchen keine Vergleiche zu, die auch nur im Ansatz generalisierbar wären. Evidenzbasierte, d. h. belastbare Ergebnisse werden also nicht vorgestellt.

Dennoch schließen die Autoren auf der nächsten Seite aus genau diesen Ergebnissen: „Durch die elementarinformatischen Workshops konnten computerbezogene Fachbegriffe und -konzepte erfolgreich vermittelt werden“ [107] was man freundlich als „wissenschaftlich ungerechtfertigt und daher unredlich“ bezeichnen kann. Diese Einschätzung wird dann kritiklos im Gutachten der SWK übernommen, in dem der Werkstattbericht von Schmid und Gärtig-Daugs mehrfach zitiert wird. Dort werden dann aus „Forderungen“, „Annahmen“ und „Hoffnungen“ und keinerlei existierender Evidenz weitreichender „Handlungsbedarfe“ abgeleitet: „Elementare Informatikkompetenzen sollten integraler Bestandteil der digitalen Medienbildung werden. Solche frühe, digitale Medienbildung ist in allen Bildungs- und Orientierungsplänen der Bundesländer als Aufgabe von Kitas zu verankern und sollte als verpflichtender originärer Bestandteil oder in Kopplung mit anderen Bildungsbereichen implementiert und expliziert werden. Die reflektierte, evidenzbasierte Wertung digitaler Medien sollte auch in den Rahmen- und Orientierungsplänen für die frühe Bildung vermittelt werden“ [107, S. 34; Hervorhebung durch den Autor]. Und dafür muss man dann eine „Technische Infrastruktur schaffen“ [107] sowie eine „Digitale Plattform für digitale Lehr-Lernmaterialien“ [107] und es wird die „Verankerung digitaler Medienbildung und elementarinformatischer Bildung in den Lehrplänen in allen Ländern … verpflichtend“ gefordert [107].

Die „Handlungsbedarfe“ (sprich: Forderungen) gehen noch weiter: „Die reflektierte, evidenzbasierte Einordnung und Bewertung digitaler Medien sollte in den Rahmen- und Orientierungsplänen vermittelt und entsprechende Haltungen in der Ausbildung gestärkt werden“ (S. 35; Hervorhebung durch den Autor). Hierfür benötige man schließlich „Informationskampagnen für eine evidenzbasierte Reflexion von Potenzialen und Risiken früher, digitaler Medienbildung“. Diese „[…] sollten auf unterschiedlichen Steuerungsebenen (Bund, Länder, Kommunen, Träger) initiiert werden“ [107].

Weder die „Wertung“ noch die „Einordnung“ ist jedoch evidenzbasiert. Wie oben gezeigt, liegt keinerlei empirische „Evidenz“ vor. Die Forderungen lesen sich daher eher wie der Plan zum Aufbau einer PR-Strategie für noch mehr finanzielle Aufwendungen, um mit Geld, das man nicht hat, Hardware und Software einzukaufen, für deren Nutzen es keinerlei Evidenz gibt, um damit Kinder im Vorschulalter, von denen viele sich weder altersgemäß bewegen noch altersgemäß sprechen können, ein paar Wörter („Bit“, „digitale Repräsentation“, „Algorithmus“) beizubringen, die sie aufgrund ihres Alters noch gar nicht verstehen können. Es wäre sinnvoller, die finanziellen Mittel für pädagogisches Personal einzusetzen, um eine bessere Erzieher-Kind-Relation und damit bessere individuelle Betreuung zu realisieren. Halten wir fest: Elementarteilchenphysik gibt es, jedoch mit gutem Grund nicht im Kindergarten. Elementarinformatik gibt es nicht, weder im Kindergarten noch anderswo.


Diskussion

Zahlreiche Studien belegen den negativen Einfluss von Bildschirmmedien auf die körperliche Fitness, das Wachstum der Augen sowie kognitive und psychosoziale Entwicklung und die Gehirnentwicklung von Kindern, insbesondere in den frühen Stadien der Gehirnentwicklung, d. h. von wenigen Monaten nach der Geburt bis ins Grundschulalter.

Jedes 4. Kind, das in Stuttgart zur Einschulung kommt, kann nicht mehr hüpfen. Die mangelnde körperliche Fitness betrifft vor allem Kinder aus sozial schwachen Bevölkerungsgruppen, denen auch der Ersatz von Betreuern und Lehrern durch digitale Medien während der Corona-Lockdowns nachweislich am meisten geschadet hat.

Lehrerverbände beklagen, dass der Wortschatz von Kindern immer mehr abnimmt, Kinder ständig dieselben Wörter und zu viele Abkürzungen verwenden. Eine Erhebung der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) zeigt wachsende Sprachentwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 18 Jahren. Von 2010 bis 2020 (vor Corona) stieg die Zahl der jungen Menschen mit einer Sprach- oder Sprechstörung um 52 %. Fast 8 % seien betroffen, also jeder 13. zwischen 6 und 18 Jahren. Bei den 6- bis 10-Jährigen ist es sogar jedes 7. Kind (KKH2020). Mit dem Beginn der Corona-Pandemie und den Maßnahmen zur ihrer Bekämpfung habe dies noch zugenommen, berichtet diese Krankenkasse am 22. September 2022 [64].

Man könnte an der derzeitigen Situation verzweifeln: Alle Länderkultusminister glauben den Bericht von Experten, denen die Gesundheit und die Bildung unserer Kinder offensichtlich wenig bedeutet, und fordern ein „weiter so“ für die Digitalisierung von Kindergärten und Grundschulen. Gleichzeitig nimmt die Leistungsfähigkeit deutscher Schüler immer mehr ab, was kein anderer als Peter-André Alt – Präsident der deutschen Hochschulrektorenkonferenz (HRK), in der 268 staatliche und staatlich anerkannte Hochschulen vertreten sind – im Sommer 2019 mit drastischen Worten wie folgt beschreibt: „Es gibt gravierende Mängel, was die Studierfähigkeit zahlreicher Abiturienten angeht. Wir leben in der Fiktion, dass mit dem Abitur die Voraussetzungen für das Studium erfüllt sind, [denn] die Studienanfänger erfüllen die Voraussetzungen deutlich schlechter als früher“, was insbesondere für Mathematik gelte. Aber auch was das Lesen anbelangt, „hat es offenbar eine erhebliche Verschlechterung innerhalb der letzten fünf Jahre gegeben,“ mahnt der Literaturwissenschaftler an [3].

Die Situation ist also ernst. Aber sie ist nicht aussichtslos, denn am Ende siegt vielleicht doch die Vernunft, wenn sie auch aus einer recht unerwarteten Ecke kommt: Der Bundesrechnungshof hat Anfang August 2022 das Ende des 6,5-Milliarden-Euro teuren Bildungspakets Digitalpakt Schule gefordert, wie von den deutschen Medien einhellig berichtet wurde. Das Geld werde nicht sinnvoll verteilt, seine Verwendung sei schwer kontrollierbar und der Effekt nicht messbar: Nach Ansicht der Prüfer sei nicht feststellbar, ob sich durch das Geld das Lernen, einschließlich des Erlernens des Umgangs mit digitalen Medien, tatsächlich verbessere. „Der Erfolg der Digitalisierung misst sich nicht am Mittelabfluss oder den Klickzahlen, sondern am Kompetenzgewinn der Lernenden“, zitiert der Spiegel den Bericht [124]. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) konnte zum Bericht Stellung nehmen, sah jedoch „keine Möglichkeiten zur Änderung“, weil es „den Ländern keine Vorschriften machen [könne]. Da Missstände nicht behoben werden könnten, schlussfolgern die Prüfer, dass das Programm nicht verlängert werden soll“, liest man im Spiegel hierzu weiter [124].

Wenn Deutschland jetzt nicht 6,5 Milliarden für weniger Bildung, mehr Lebensunzufriedenheit, Angst und Depression (kurzfristig) sowie mehr Herz- und Hirninfarkte, Erblindung und Demenz ab der Mitte des Jahrhunderts ausgibt, dann bliebe uns viel Leid und sehr viel Geld erspart. Wie gut, dass manche noch rechnen können.



Interessenkonflikt

Es besteht kein Interessenkonflikt.

1 Die KMK ist ein Koordinationsgremium der für Bildung, Forschung und Kultur 16 zuständigen Minister bzw. Senatoren der Länder ohne eigenständige Rechts- oder Entscheidungsbefugnis. Wie alle Ministerkonferenzen der Länder kommt sie im Grundgesetz nicht vor; ihr Jahresetat beträgt zurzeit 60 Millionen Euro.


2 OR steht für odds ratio und gibt als Faktor die Erhöhung (bei Werten über 1) oder Erniedrigung (bei Werten unter 1) einer abhängigen Variable bei Veränderungen der unabhängigen Variable (in diesem Falle: Myopie) an. Beim Beispiel der Zahlen in der Klammer bedeutet dies, dass die durchschnittliche 18-fache Erhöhung der Wahrscheinlichkeit einer Makuladegeneration (abhängige Variable) bei leichter Myopie (–1 dpt) nur 2,2-fach ausfällt, bei sehr hoher Myopie (–9 dpt) dagegen 349-fach. Da leichte Fälle häufiger sind als schwere Fälle, ergibt sich die offensichtlich schiefe Verteilung.


3 In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurde in vielen entwickelten Ländern ein Anstieg des durchschnittlichen Bildungsniveaus beobachtet. Dieser Faktor allein kann jedoch nicht den Anstieg der Myopie erklären [134], da es in dieser Zeit auch eine zunehmende Nutzung von Bildschirmen (TV, Videos, Computer) und vor allem auch eine deutliche Abnahme der im Freien verbrachten Zeit gab. Eine Reihe von Autoren führt dies als Ursache für den Anstieg der Myopie an [39, 40, 42, 85, 86]. In jüngster Zeit wurden jedoch insbesondere Computernutzung und Smartphone-Nutzung als Risikofaktoren für Myopie identifiziert [1, 20, 24, 130].


4 In den übrigen 15 Seiten geht es um nachgeordnete Fragen wie die (mangelnde) Ausstattung, die (mäßige bis mangelnde) Einbettung in die Orientierungspläne, die Weiterbildung und Professionalisierung des Fachpersonals, die Eltern sowie die Schlussfolgerungen, Handlungsbedarfe und Empfehlungen.



Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer
Universität Ulm
Abteilung für Psychiatrie
Leimgrubenweg 12–14
89075 Ulm
Deutschland

Publication History

Article published online:
11 November 2022

© 2022. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Abb. 1 Anteil motorisch auffälliger 5-jähriger Kinder nach Sozialstatus und Geschlecht in Prozent. Insgesamt wurde bei jedem vierten Kind (27 %) im Alter von 5 Jahren körpermotorische Auffälligkeiten im Rahmen der Einschulungsuntersuchungen festgestellt (nach Daten von rund einem Drittel der 93000 Kinder in den Einschulungsuntersuchungen 2016/2017; Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg 2017, S. 4).
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Abb. 2 Kinder mit Übergewicht und Adipositas in der Einschulungsuntersuchung nach Sozialstatus (SI) (nach Daten von rund einem Drittel der 92000 Kinder in den Einschulungsuntersuchungen 2015/2016; Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg 2018).
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Abb. 3 Ergebnisse der Schnelligkeits-Talentsichtung an den 10 Sindelfinger Grundschulen in den Jahren 2005 und 2009 durch die Speedy-Leichtathletikschule mit einem standardisierten Lichtschrankenmessverfahren über die Distanz von 2O Metern mit 8 Metern Anlauf („fliegendem Start“) in Sekunden. Die Durchschnittswerte aller Jahrgänge, männlich wie weiblich, sind allesamt im Jahr 2009 schlechter als im Jahr 2005, „teilweise sogar sehr viel schlechter“, kommentiert die Autorin (aus Daten aus [37]).
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Abb. 4 Die beiden Seiten sind hier im Original abgebildet, weil sich nur so zeigen lässt, dass es sich um Inhalte handelt, die aufgrund ihrer Abstraktheit und Komplexität für das Lernen von Kindern unter 6 Jahren ungeeignet sind: „ASCII“, „Exponent“, „Implementierung“, „Variable“, „Rekursion“ und „Iteration“. Zwar wird in der Bildunterschrift jeweils darauf hingewiesen, dass es sich hier um eine Darstellung „für erwachsenen Laien“ handelt, im Haupttext wird aber auf diese Inhalte als Lehrinhalte eindeutig Bezug genommen: „Bit“, „Byte“, „Binärsystem“, „Algorithmus“, „Programmiersprache“ (S. 14), „Hardware und Software“ (S. 15) sowie „logischer Schaltkreis“ (S. 16)(nach Daten aus [107]).
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Abb. 5 Tabelle aus der Ergebnisdarstellung des Werkstattberichts (Kapitel 5: Praktische Erprobung und empirische Erkenntnisse) zur Elementarinformatik (nach Daten aus [107]). Im Jahr 2010 wurden nur 8 Kinder und im Jahr 2012 wurden nur 15 Kinder untersucht.
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Abb. 6 Abbildungen 22 und 23 aus der Ergebnisdarstellung des Werkstattberichts zur Elementarinformatik (nach Daten aus [107]). Gezeigt sind die Ergebnisse der Selbsteinschätzung im Hinblick auf computer- und informatikbezogenes Wissen vor (oben) und nach (unten) der Teilnahme an einem Workshop zur Elementarinformatik. Rein visuell sind die Balken unten höher als oben, die Darstellung in Prozentwerten ist bei einem n von 6 jedoch nicht nur unüblich, sondern in diesem Fall sogar irreführend, denn die Unterschiede können statistisch auf Überzufälligkeit gar nicht zuverlässig überprüft werden, von Generalisierbarkeit bei dieser Stichprobe ganz zu schweigen.