Z Geburtshilfe Neonatol 2023; 227(01): 36-41
DOI: 10.1055/a-1850-2329
Originalarbeit

Fit für Zwei – Eine Studie zu sitzendem Verhalten und körperlicher Aktivität in der Schwangerschaft

Fit for Two – A Study of Sedentary Behavior and Physical Activity During Pregnancy
Juliane Bauer*
1   Abteilung für Präventionsforschung und Sozialmedizin, Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Germany
,
Madlén Steinbrückner*
1   Abteilung für Präventionsforschung und Sozialmedizin, Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Germany
,
Marcus Dörr
2   Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e. V., Standort Greifswald, Germany
3   Klinik und Poliklinik für Innere Medizin B, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Germany
,
Martin Bahls
2   Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e. V., Standort Greifswald, Germany
3   Klinik und Poliklinik für Innere Medizin B, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Germany
,
Thorsten Schmidt
4   Supportivangebote Sport- und Bewegungstherapie, Universitäres Cancer Center Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Kiel, Germany
,
Sabina Ulbricht
1   Abteilung für Präventionsforschung und Sozialmedizin, Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Germany
2   Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e. V., Standort Greifswald, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Hintergrund In der Pilotstudie wurde die mit sitzendem Verhalten verbrachte Zeit sowie die körperliche Aktivität bei Schwangeren mit Hilfe eines Akzelerometers erfasst.

Methoden Für die Studie wurden 32 Schwangere rekrutiert, davon elf im ersten Trimester. Definierte Tragezeiträume für das Akzelerometer waren in den Trimestern die Wochen 9–12, 23–26 bzw. 36–39. Im Anschluss an die jeweils 7-tägige Messung erfolgte eine selbstadministrierte Befragung.

Ergebnisse Die Schwangeren waren im Mittel 30 Jahre alt, 50% unter ihnen erstgebärend, 68,8% hatten Hochschulreife. Das Akzelerometer wurde im Mittel 13 Stunden pro Tag getragen. In allen Trimestern wurde mehr als die Hälfte der Zeit sitzendes Verhalten aufgezeichnet. Moderat-anstrengende Aktivität war mit einem Anteil von 4,7% im zweiten Trimester höher, verglichen mit 2,5% im ersten und 3,8% im dritten Trimester. Die Empfehlungen der Fachgesellschaften, pro Woche 150 Minuten moderat-anstrengend aktiv zu sein, erfüllten 36% im ersten, 54% im zweiten und 58% im dritten Trimester. Verglichen mit Mehrgebärenden zeigten Erstgebärende im zweiten und dritten Trimester doppelt so hohe Zeitanteile in moderat-anstrengender Aktivität.

Fazit Sitzendes Verhalten dominiert mehr als die Hälfte der tagsüber erfassten Zeit bei Schwangeren. Etwa die Hälfte erfüllt die Empfehlungen internationaler Leitlinien im zweiten und dritten Trimester. Die Ergebnisse der Studie machen deutlich, dass sitzendes Verhalten und körperliche Aktivität stärker in den Fokus von Praxis und Forschung rücken sollte, um Schwangere zu einem aktivieren Lebensstil zu motivieren.


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Abstract

Background In the pilot study sedentary behavior and physical activity were measured in pregnant women using an accelerometer.

Methods A total of 32 pregnant women were enrolled in the study; eleven of them were included in the first trimester. The defined wearing periods for the accelerometer in the first, second and third trimester were weeks 9–12, 23–26, and 36–39, respectively. A self-administered survey was carried out after a 7-day measurement.

Results The pregnant women were on average 30 years old, 50% were nulliparous, and 68.8% had a high school diploma. The accelerometer was worn on average of 13 hours per day. Sedentary behavior was recorded more than half of the wearing time for all trimesters. The proportion of time spent in moderate-to-vigorous activity was highest at 4.7% in the second trimester, compared to 2.5% in the first and 3.8% in the third. A proportion of women, ranging from 32% in the first, 54% in the second, and 58% in the third trimester did reach the levels of PA recommended by the guidelines. Nulliparous women in the second and third trimester spent twice as much time in moderate-to-vigorous activities compared to multiparous women.

Conclusion Pregnant women spent more than half of the monitored day in sedentary behaviors. Half of them did meet the recommendations for physical activity in the second and third trimester. The results show that sedentary behavior and physical activity should be considered more in clinical practice and research to motivate pregnant women to adopt a physically active lifestyle.


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Hintergrund

Körperliche Aktivität in der Schwangerschaft geht mit positiven gesundheitsbezogenen Auswirkungen sowohl für die Mutter als auch das ungeborene Kind einher. Ein körperlich aktiver Lebensstil trägt dazu bei, das Risiko für eine Frühgeburt, Präeklampsie und Hypertonie sowie für orthopädische Beschwerden deutlich zu reduzieren [1] [2]. Darüber hinaus wird die Wahrscheinlichkeit einer Makrosomie beim Ungeborenen verringert [3]. Im Vergleich zu Schwangeren mit einem körperlich überwiegend inaktiven Lebensstil, erholen sich aktive Frauen nach der Geburt deutlich schneller, erreichen eher eine Gewichtsnormalisierung und entwickeln zudem seltener eine postnatale Depression [4]. Auch negative gesundheitliche Auswirkungen von übermäßigen sitzendem Verhalten während der Schwangerschaft, wie z. B. eine verschlechterte Stoffwechselfunktion der Mutter sowie ein verringertes Geburtsgewicht des Kindes, konnten in Studien verifiziert werden [5]. Internationale Fachgesellschaften und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfehlen während der Schwangerschaft und nach der Geburt mindestens 150 Minuten aerobe Aktivität pro Woche bei moderat-anstrengender Intensität [1] [6]. Die aktuelle Studienlage lässt bislang keine quantifizierbare Empfehlung für den Umfang der mit sitzendem Verhalten verbrachten Zeit zu [5]. Die allgemeine Empfehlung der genannten Fachgesellschaften lautet daher, in der Schwangerschaft möglichst wenig Zeit mit sitzendem Verhalten zu verbringen [7]. Bisherige Studien zu Umfang und Intensität körperlicher Aktivität und der mit sitzendem Verhalten verbrachten Zeit während der Schwangerschaft basieren überwiegend auf dem Selbstbericht, welcher aufgrund von Über- bzw. Unterschätzung oftmals nicht präzise ist [8]. Deshalb wird der Einsatz direkter Messmethoden durch sogenannte Wearables, wie z. B. einem Akzelerometer, empfohlen [9]. Daten aus Studien, in denen körperliche Aktivität Schwangerer direkt erfasst wurde, haben gezeigt, dass die mit sitzendem Verhalten verbrachte Zeit zwischen 57 und 78% des Tages beansprucht [5], während der Anteil moderat-anstrengender Aktivität zum Ende der Schwangerschaft abnimmt [10] und weniger als die Hälfe der Frauen die Empfehlungen der WHO erfüllt [11]. Mögliche Barrieren für eine hinreichend körperliche Aktivität während der Schwangerschaft stellen schwangerschaftsbedingte Beschwerden, wie z. B. Energiemangel oder Müdigkeit dar, aber auch Zeitmangel [12]. Schwangere, die bereits ein oder mehrere Kinder versorgen, sind weniger aktiv als Frauen, die ihr erstes Kind erwarten [13]. Ebenso kann die Sorge um die eigene Gesundheit oder um die des Ungeborenen, nicht zuletzt aufgrund mangelnder Informiertheit, dazu führen, dass körperliche Aktivität in moderater bzw. anstrengender Intensität umgangen wird [12]. Daten der bislang einzigen und nicht-repräsentativen Studie Deutschlands zufolge, fühlten sich 58% der befragten Schwangeren mindestens „gut“ zum Thema „Körperliche Aktivität in der Schwangerschaft“ informiert [14]. Direkt erfasste Daten zu Umfang und Intensität von körperlicher Aktivität schwangerer Frauen und zu deren sitzendem Verhalten liegen unseres Wissens aus Deutschland bislang nicht vor. In der Pilotstudie „Fit für Zwei“ wurden die Aspekte sitzendes Verhalten und körperliche Aktivität in den Trimestern der Schwangerschaft per Akzelerometer erfasst. Anhand der Studiendaten werden die Ergebnisse für die einzelnen Trimester im Hinblick auf (1) die Adhärenz der Studienteilnehmerinnen am Trageprotokoll des Akzelerometers, (2) Umfang und Intensität körperlicher Aktivität und mit sitzendem Verhalten verbrachten Zeit sowie (3) Anteile der Schwangeren, die die Empfehlungen der WHO für moderat-anstrengende körperliche Aktivität erfüllen, präsentiert.


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Methoden

Vorgehen

Die Pilotstudie „Fit für Zwei“ wurde von März 2020 bis Februar 2021 in Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) durchgeführt. Vor Beginn wurde das Ethikvotum der Universitätsmedizin Greifswald eingeholt (AZ BB 002/20). Die Rekrutierung von Schwangeren erfolgte über Printmedien, z. B. lokale Zeitungen, Flyer in Kitas und Einkaufzentren sowie über soziale Medien, z. B. Facebook. Da bisher keine Erfahrungen in der Gewinnung von Schwangeren für die direkte Erfassung körperlicher Aktivität und deren Erreichbarkeit in der Frühschwangerschaft vorlagen, wurde im Studienprotokoll definiert, Frauen bis zur 23. Schwangerschaftswoche in die Studie aufzunehmen. Nach persönlicher Aufklärung und schriftlich erklärter Studienteilnahme wurden die Frauen gebeten, ein Akzelerometer zu tragen. Für jedes Trimester wurde ein Zeitraum festgelegt, in dem das Gerät an sieben aufeinanderfolgenden Tagen getragen werden sollte. Der Tragezeitraum lag im ersten Trimester zwischen den Wochen 9 und 12, im zweiten bzw. dritten Trimester zwischen den Wochen 23 bis 26 bzw. 36 und 39. Unmittelbar im Anschluss an jeden Tragezeitraum erfolgte eine selbstadministrierte Befragung im Untersuchungszentrum des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung am Standort Greifswald. Als Aufwandsentschädigung wurde den Teilnehmerinnen für jeden absolvierten Tragezeitraum ein Warengutschein im Wert von jeweils 30 Euro ausgehändigt.


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Stichprobe

In die Pilotstudie wurden zwölf Frauen im ersten und 20 Frauen im zweiten Trimester eingeschlossen.


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Instrumente

Die direkte Erfassung des sitzenden Verhaltens und der körperlichen Aktivität erfolgte mit dem ActiGraph GT 3X (Pensacola, FL, USA). Das validierte Gerät zeichnet neben Dauer und Intensität körperlicher Aktivität auch Ruhe- und Sitzzeiten auf. Eine wesentliche Limitation von Daten aus der Akzelerometrie ist, dass zwischen Sitzen, Liegen und Schlafen sowie Stehen auf der Stelle nicht unterschieden werden kann. Als sitzendes Verhalten werden nach internationalem Standard somit alle Aktivitäten definiert, welche einen Energieverbrauch von maximal 1,5 Metabolischen Äquivalent (MET) erfordern, und zwar unabhängig davon, ob sie in sitzender, liegender oder stehender Position erfolgen [15]. Moderaten bzw. anstrengenden körperlichen Aktivitäten liegt ein Energieumsatz von 3 bis 6 MET bzw. mehr als 6 MET zugrunde. Die Tragedauer des Akzelerometers wurde definiert in Anlehnung an internationale Studien mit Schwangeren [10] [16]. Das Gerät sollte an sieben aufeinanderfolgenden Tagen tagsüber, vom Aufwachen bis zum Schlafengehen, an einem elastischen Gürtel an der Hüfte getragen und nur zum Duschen oder Schwimmen abgelegt werden. Die vom Gerät aufgezeichneten Beschleunigungsimpulse wurden mit Hilfe einer Software in Counts umgewandelt. Die Klassifizierung der Intensitäten erfolgte vorab und mittels validierter Schwellenwerte, sogenannter counts per minute (cpm) [17]. Grundlage der Aufbereitung der Rohdaten für die Analyse war der von Freedson entwickelte Algorithmus, wonach Aktivitäten mit einem Schwellenwert kleiner als 100 cpm als sitzendes Verhalten galten, leichte körperliche Aktivität bei Werten im Bereich zwischen 100 und 1951 cpm und moderat-anstrengende körperliche Aktivität ab einem Schwellenwert von 1952 cpm angenommen wurde [18]. Die soziodemografischen Merkmale Alter, Partnerschaft, Schulbildung (keine Hochschulreife, Hochschulreife), Angaben zum Verlauf der Schwangerschaft, allgemeinen Gesundheitszustand (ausgezeichnet, sehr gut, gut, schlecht, sehr schlecht) sowie zu sportlicher Aktivität vor und während der Schwangerschaft wurden per Fragebogen erhoben.


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Statistische Analyse

Das Auslesen der Akzelerometerdaten erfolgte mit der Software ActiLife Version 6.12.0. Als Kriterium für eine gültige Messung pro Trimester wurden fünf Tragetage mit jeweils mindestens zehn Stunden Aufzeichnungsdauer festgelegt [17]. Eine Teilnehmerin wurde in allen drei Trimestern und eine weitere im dritten Trimester aus der Analyse der Daten ausgeschlossen, da sie die Kriterien nicht erfüllten. Die deskriptive Analyse der Akzelerometerdaten (Mittelwert, Standardabweichung und Spannweite) in Minuten pro Tag sowie der Fragebogendaten erfolgte mit der Software STATA (Version 15.1). Den Umfang der einzelnen Intensitäten haben wir zudem in prozentualen Anteilen der durchschnittlichen Gesamttragezeit pro Tag berechnet. Als Kriterium, um die Empfehlungen der internationalen Fachgesellschaften zu erfüllen, wurden mindestens 150 Minuten pro Woche moderat-anstrengende Aktivität festgelegt.


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Ergebnisse

Die Stichprobe umfasst insgesamt 32 Frauen. Sie waren im Durchschnitt 29,8 Jahre alt (SD±3,1), lebten zu 97% in einer festen Partnerschaft und besaßen zu zwei Dritteln die Hochschulreife. Zum Untersuchungszeitpunkt im zweiten Trimester waren 14 Frauen im Beschäftigungsverbot. Vier Frauen bekamen ihr Kind vor dem geplanten Geburtstermin und konnten somit die Untersuchung im dritten Trimester nicht wahrnehmen. In den Trimestern 1 bis 3 schätzten die Schwangeren ihren allgemeinen Gesundheitszustand auf einer Skala von 1 (schlecht) bis 5 (sehr gut) im Mittel mit 4,3, 4,2 bzw. 4,2 ein. Vor der Schwangerschaft waren 75% der Frauen sportlich aktiv. Das reduzierte sich in der Schwangerschaft auf 25%, wobei der Anteil der Erstgebärenden jeweils höher war als bei den Mehrgebärenden ([Tab. 1]). Die mittlere Tragezeit des Akzelerometers pro Tag lag bei 807 Minuten im ersten, 811 Minuten im zweiten und 781 Minuten im dritten Trimester. Davon verbrachten die Frauen jeweils mehr als die Hälfte der Zeit mit sitzendem Verhalten. Der Anteil leichter körperlicher Aktivität lag über die Trimester hinweg bei etwa 35%, während moderat-anstrengende Aktivitäten in der Trimesterabfolge Zeitanteile von 2,5%, 4,7% und 3,8% beanspruchten. Erstgebärende verbrachten im ersten Trimester mehr Zeit mit sitzendem Verhalten als Mehrgebärende. Im zweiten bzw. dritten Trimester waren es mit 61,8% bzw. 57,7% sowie 61,8% bzw. 59,8% annähernd gleiche Anteile. Darüber hinaus waren Erstgebärende im zweiten und dritten Trimester fast doppelt so lange in moderat-anstrengender Intensität aktiv, verglichen mit Mehrgebärenden ([Tab. 2]). Die Empfehlungen für körperliche Aktivität von 150 Minuten moderat-anstrengender Aktivität pro Woche erfüllten über ein Drittel der Schwangeren im ersten und mehr als die Hälfte im zweiten und dritten Trimester. Auch hier liegt der Anteil der Erstgebärenden deutlich über dem der Mehrgebärenden ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Anteile der Schwangeren, die die Empfehlungen für körperliche Aktivität erfüllten.

Tab. 1 Merkmale der Stichprobe und sportliche Aktivitäten vor und in der Schwangerschaft (N=32).

Gesamt N=32

Erstgebärende (EG) n=16

Mehrgebärende (MG) n=16

Soziodemografische Merkmale

Alter, Jahre, MW (SD)

29,8 (3,1)

29,2 (3,4)

30,3 (2,8)

Partnerschaft, n (%)

31 (96,9)

15 (93,8)

16 (100)

Hochschulreife, n (%)

22 (68,8)

12 (75,0)

10 (62,5)

Beschäftigungsverbot, n (%)a

14 (43,8)

5 (31,2)

9 (56,2)

Schwangerschaftsbezogene Merkmale, n (%)

Risikoschwangerschaft

4 (12,5)

0 (0)

4 (25,0)

Vorherige Fehlgeburt

6 (18,8)

1 (6,2)

5 (31,2)

Vorzeitige Entbindung

4 (12,5)

2 (12,5)

2 (12,5)

Subjektiver Gesundheitszustand, MW (SD)

1. Trimester b

4,3 (1,0)

4,5 (0,6)

4,1 (1,1)

2. Trimester c

4,2 (0,7)

4,4 (0,5)

4,0 (0,8)

3. Trimester d

4,2 (0,7)

4,4 (0,8)

4,0 (0,7)

Sportliche Aktivitäten, n (%)

Vor der Schwangerschaft

24 (75,0)

15 (93,7)

9 (37,5)

1. Trimester b

3 (25,0)

2 (50,0)

1 (14,3)

2. Trimester c

8 (25,0)

6 (37,5)

2 (12,5)

3. Trimester d

7 (25,0)

4 (28,6)

3 (21,4)

Abkürzungen: MW=Mittelwert, SD=Standardabweichung, a erfragt im 2. Trimester, Anzahl der Befragten: b n=12, davon n=4 EG; c n=32, davon n=16 EG; und d n=28, davon n=14 EG

Tab. 2 Tragezeit des Akzelerometers und mit sitzendem Verhalten sowie in körperlicher Aktivität verbrachte Zeit in den Trimestern der Schwangerschaft (N=32).

1. Trimester n=11

2. Trimester n=31

3. Trimester n=26

Gesamt

Erst-gebärende n=4

Mehr-gebärende n=7

Gesamt

Erst-gebärende n=16

Mehr-gebärende n=15

Gesamt

Erst-gebärende n=14

Mehr-gebärende n=12

Tragezeit in Minuten/Tag; MW (SD)

807 (69)

815 (53)

802 (80)

811 (64)

803 (66)

819 (63)

781 (56)

768 (61)

796 (46)

Spannweite

683–897

742–868

683–897

697–914

717–914

697–882

676–884

767–850

729–884

Sitzendes Verhalten in Minuten/Tag; MW (SD)

512 (79)

598 (49)

462 (36)

485 (72)

496 (60)

472 (84)

475 (80)

475 (86)

476 (76)

Spannweite

405–637

529–634

405–513

242–631

407–631

242–607

315–656

346–656

315–570

Anteil in % pro Tag

63,4

73,4

57,6

59,8

61,8

57,7

60,8

61,8

59,8

Körperliche Aktivität in Minuten/Tag; MW (SD)

Leichte Intensität

275 (94)

198 (17)

319 (91)

288 (78)

258 (62)

320 (82)

276 (87)

255 (72)

300 (100)

Spannweite

160–444

181–215

160–444

153–544

153–400

188–544

162–436

163–393

162–436

Anteil in % pro Tag

34,1

24,3

39,8

35,5

32,1

39,1

35,3

33,2

37,6

Moderat-anstrengende Intensität

20 (16)

19 (9)

20 (19)

38 (30)

49 (33)

25 (22)

30 (23)

38 (25)

21 (16)

Spannweite

7–59

7–28

7–59

2–128

7–128

2–75

2–106

2–105

6–52

Anteil in % pro Tag

2,5

2,3

2,5

4,7

6,1

3,1

3,8

5,0

2,6

Abkürzungen: MW=Mittelwert, SD=Standardabweichung


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Diskussion

In der Pilotstudie „Fit für Zwei“ wurde erstmals in Deutschland der Einsatz von Akzelerometern in der Schwangerschaft erprobt sowie das sitzende Verhalten sowie die körperliche Aktivität über die Trimester hinweg erfasst und analysiert. Die Daten zeigen eine hohe Adhärenz am Trageregime des Akzelerometers in allen drei Trimestern. Obwohl das angewandte Kriterium für die Erfüllung des Trageregimes im Umfang von fünf Tagen sowie mit der Tragedauer von mindestens 10 Stunden pro Tag strenger angesetzt war als in Mehrheit der Studien üblich [17], konnten die Daten von 30 der 32 Teilnehmerinnen komplett in die Analyse einbezogen werden.

Verglichen mit direkt erfassten Daten internationaler Studien verbrachten auch die Teilnehmerinnen dieser Studie im Durchschnitt mehr als die Hälfte der Tragezeit mit sitzendem Verhalten [10] [19]. Zudem bestätigen unsere Ergebnisse die einer Übersichtsarbeit, wonach dieses Verhalten über die Trimester hinweg im Mittel nur wenig variiert [5]. Wie bereits in anderen Studien gezeigt [10] [20] [21], ist auch in unserer Stichprobe der Anteil moderat-anstrengender Aktivität im dritten Trimester geringer als im zweiten Trimester. Nur wenige Studien konnten ein gleichbleibendes Aktivitätsniveau [16] oder eine Abnahme über die Trimester hinweg feststellen [22] [23]. Zudem zeigen die Ergebnisse unserer Studie sowohl für das sitzende Verhalten als auch für den Umfang und die Intensitäten körperlicher Aktivität hohe Spannweiten. So variiert die mit sitzendem Verhalten verbrachte Zeit in Stunden pro Tag in den Trimestern eins, zwei sowie drei zwischen 6,5 und 10, 4 und 10 sowie 5 und 10 Stunden. Dies weist auf eine Heterogenität der Schwangeren und ihrer Lebenssituation hin, die in größeren Stichproben weiter untersucht werden sollte. Mehr als ein Drittel der Teilnehmerinnen im ersten Trimester und mehr als die Hälfte im zweiten und dritten Trimester erfüllten die Empfehlungen von 150 Minuten moderat-anstrengender Aktivität pro Woche. Daten dieser Studie zeigen, dass bereits ein kleiner Teil des Tages in moderat-anstrengender Aktivität ausreicht, um die Empfehlungen zu erfüllen. Frauen, die ihr erstes Kind bekommen, weisen im Vergleich zu jenen mit einem oder mehreren Kindern ein höheres Aktivitätsprofil auf. Dies konnte auch in anderen Studien gezeigt werden [13]. Zwei Drittel der Erstgebärenden und ein Drittel der Mehrgebärenden erfüllten im zweiten und dritten Trimester die Empfehlungen.

Einige Aspekte limitieren die Aussagekraft der Studie. Zum einen beruhen die genannten Ergebnisse besonders im ersten Trimester auf Daten einer kleinen Stichprobe. Die geringe Zahl an Studienteilnehmerinnen im ersten Trimester verdeutlicht die Schwierigkeit der Erreichbarkeit der Frauen in den ersten Wochen ihrer Schwangerschaft. Zum anderen begründet vermutlich das reaktive Vorgehen bei der Rekrutierung den hohen Anteil von Teilnehmerinnen mit hohem Bildungsabschluss und somit von Schwangeren, die überdurchschnittlich körperlich aktiv sind [24]. Eine weitere Limitation besteht darin, dass die Daten zum Zeitpunkt der Corona-Pandemie erhoben wurden. Veränderungen im Bewegungsverhalten aufgrund eines frühzeitigen Beschäftigungsverbotes oder weniger Sportangeboten können nicht ausgeschlossen werden.

Fazit für die Praxis

Akzelerometer sind für die direkte Erfassung körperlicher Aktivität bei Schwangeren geeignet. Die Frauen verbrachten den überwiegenden Teil des Tages mit sitzendem Verhalten. Etwa die Hälfte von ihnen erfüllte die Empfehlungen internationaler Leitlinien. Dies zeigt die Notwendigkeit, Schwangere zu mehr körperlicher Aktivität und weniger sitzendem Verhalten zu motivieren. Neben einer noch größeren Anzahl von Teilnehmerinnen an zukünftigen Studien, sollten mehr Frauen mit niedrigerem sozioökonomischem Status teilnehmen, um belastbarere Aussagen über die Grundgesamtheit der Schwangeren treffen zu können. Unsere Studie leistet einen wichtigen Beitrag, körperliche Aktivität und sitzendes Verhalten in der Schwangerschaft stärker in den Fokus der Präventionspraxis und -forschung in Deutschland zu rücken.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

Die Autoren danken den Kolleginnen und Kollegen des Untersuchungs- und Trainingszentrums des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung des Standortes Greifswald für die Durchführung der Untersuchungen.

* Geteilte Erstautorenschaft. Beide Autorinnen haben zu gleichen Teilen zu diesem Manuskript beigetragen.



Korrespondenzadresse

Ms. Juliane Bauer
Universitätsmedizin Greifswald Institut für Community Medicine
Abteilung für Präventionsforschung und Sozialmedizin
Walther-Rathenau-Str. 48
17475 Greifswald
Germany   

Publication History

Received: 14 January 2022

Accepted after revision: 01 May 2022

Article published online:
22 August 2022

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Abb. 1 Anteile der Schwangeren, die die Empfehlungen für körperliche Aktivität erfüllten.