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DOI: 10.1055/a-1855-4596
Chronische Polyarthritis mit Beginn im 4. Lebensmonat
- Anamnese
- Aufnahmebefund
- Labor
- Bildgebung Sonografie/MRT
- Therapie/Verlauf
- Differenzialdiagnosen
- Danksagung
- Einhaltung ethischer Richtlinien
- Literatur
Die Diagnose einer juvenilen idiopathischen Arthritis basiert auf dem Vorliegen einer persistierenden Arthritis nach sorgfältigem Ausschluss anderer Erkrankungen. Im vorliegenden Fall berichten wir über eine Patientin, bei der es bereits im Alter von 4 Monaten zu einer ausgeprägten Polyarthritis gekommen ist. Laborchemisch zeigten sich eine Anämie, eine Thrombozytose bei normalen Leukozyten, eine Hypergammaglobulinämie und erhöhte Entzündungswerte. Bei anhaltender Symptomatik wurde unter der Verdachtsdiagnose einer seronegativen Polyarthritis eine kurzdauernde Therapie mit Steroiden und MTX begonnen. Dies zeigte nur wenig Effekt. Im weiteren Verlauf entwickelte das Mädchen ein Exanthem im Gesichts- und Brustbereich. Aufgrund der ungewöhnlich frühen Manifestation einer schweren therapierefraktären Polyarthritis wurde eine molekulargenetische Untersuchung veranlasst (whole-exome sequencing – WES). Hierbei konnte eine Variante im CTLA4-Gen (CTLA4 c.416 A > G; p.Tyr139Cys heterozygot) nachgewiesen werden, welche als pathogenetisch relevant eingestuft wurde. Unter dem initialen Therapieversuch mit Abatacept kam es zu keiner wesentlichen Besserung der Symptomatik. Daraufhin Umstellung auf Rituximab. Nachdem auch hierunter keine ausreichende Verbesserung eintrat, musste eine Stammzelltransplantation durchgeführt werden. Seither ist das Mädchen klinisch beschwerdefrei.
Anamnese
Die bislang gesunde Patientin wurde uns – aus einer auswärtigen Klinik – im Alter von 9 Monaten zugewiesen. Bei ihr kam es bereits im Alter von 4 Monaten zu schmerzhaft geschwollenen Gelenken mit funktioneller Einschränkung. Betroffen waren anfangs die Zehen und Finger. Im Verlauf waren zusätzlich die Knie-, Ellbogen-, Schulter-, Hand- und Sprunggelenke betroffen.
In der Sonografie als auch in der Ganzkörper-MRT-Untersuchung konnten deutliche Arthritiszeichen und prominente Lymphknoten (axillär, inguinal, iliakal und popliteal) gesehen werden. Laborchemisch zeigten sich eine Anämie, eine Thrombozytose bei normalen Leukozyten, eine Hypergammaglobulinämie und erhöhte Entzündungswerte. Nach Ausschluss einer Leukämie mittels KMP wurde unter der Vorstellung einer seronegativen Polyarthritis Steroide und MTX verabreicht. Hierunter nur kurzfristige Besserung. Im weiteren Verlauf entwickelte sich ein Exanthem im Gesicht und an der Brust.




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Aufnahmebefund
Guter Allgemeinzustand, internistischer und neurologischer Untersuchungsbefund unauffällig, afebril. Schwellung/Überwärmung und schmerzhafte Bewegungseinschränkung an folgenden Gelenken: Knie-, Sprung-, Hand- und sämtlichen Fingergelenken. Lymphknoten axillar und inguinal palpabel.
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Labor
Hb: 8,5 g/dl, Thrombozyten: 801 Tsd/μl, Leukozyten: 15,72 Tsd/μl, Neutrophile: 32 %, Lymphozyten: 52 %, BSG: 99 mm/h, CRP: 2,5 mg/dl, IgG: 18,9 g/l (Norm: –12 g/l), HLA-B27 negativ, ANA negativ, RF negative, sIL2-Rezeptor: 1928 kU/L (Referenzbereich: 158–623 kU/L).
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Bildgebung Sonografie/MRT
Polyarthritis mit Tendovaginitis, paraartikuläre Weichteilschwellung. Prominente Lymphknoten inguinal, axillär, iliakal, popliteal.
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Therapie/Verlauf
Aufgrund der ungewöhnlich frühen Manifestation einer schweren therapierefraktären Polyarthritis sowie der positiven Familienanamnese (Mutter: Alopezie, Autoimmunthyreoiditis) wurde eine molekulargenetische Untersuchung veranlasst (whole-exome Sequencing). Hierbei wurde eine Variante im CTLA4 (Cytotoxic T-lymphocyte-associated Protein-4 Defizienz)-Gen (CTLA4 c.416 A > G; p.Tyr139Cys heterozygot) beschrieben, welche als pathogenetisch relevant eingestuft wurde. Die Mutter ist ebenfalls Trägerin der gleichen Mutation. Diese seltene Mutation tritt bei nur ungefähr 1 von 10 000 Geburten auf. Die Vererbung erfolgt autosomal dominant; das klinische Bild ist sehr variabel. Das CTLA4-Protein verhindert, dass überschießende aktivierende Signale an die T-Zelle weitergeleitet werden [1], [3]. Bei einer Defizienz kann es zu einer überschießenden und fehlgeleiteten Immunreaktion kommen, die neben Infektionsanfälligkeit zu Entzündungen und Autoimmunität führen kann. Das Risiko für Autoimmunerkrankungen, wie Autoimmunzytopenien (ITP, AIHA), -thyreoiditis und -arthritis ist erhöht [1].
Zur weiteren Therapie wurde das Mädchen in das Centrum für Chronische Immundefizienz nach Freiburg (CCI) verlegt. Dort wurde eine Therapie mit Abatacept – zur Inhibition der CD28-abhängigen T-Zell-Antwort – eingeleitet. Unter dieser Medikation allerdings Progredienz der Symptomatik. Umstellung auf eine intravenöse Therapie mit einem Antikörper gegen CD20-Zellen (Rituximab). Nachdem auch hierunter keine ausreichende Remission erzielt werden konnte, wurde die Patientin einer Stammzelltransplantation zugeführt, die zu einer anhaltenden klinischen Besserung führte.
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Differenzialdiagnosen
Die Diagnose einer juvenilen idiopathischen Arthritis basiert auf dem Vorliegen einer chronischen Arthritis und dem sorgfältigen Ausschluss anderer Erkrankungen. In dem uns vorliegenden Fall war der extrem frühe Beginn der ausgeprägten Polyarthritis mit Lymphknotenschwellung, nächtlichen Schmerzen und dem schlechten Ansprechen auf Steroide ungewöhnlich für diese Diagnose. Deshalb erfolgte eine weiterführende Diagnostik mittels WES. Eine Leukämie wurde zuvor per KMP ausgeschlossen.
Bei ausgeprägter Arthritis im frühen Säuglingsalter sollten monogenetische Erkrankungen –wie eine CTLA-4-Defizienz – in Betracht gezogen werden.
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Danksagung
Herzlichen Dank an unsere Kollegen der Radiologie und einen herzlichen Dank auch an die Kollegen aus dem CCI für die gute Zusammenarbeit.
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Einhaltung ethischer Richtlinien
Das Einverständnis der sorgeberechtigten Person der Patientin für die Publikation des Fallberichts liegt der korrespondierenden Autorin vor.
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Interessenkonflikt
Die korrespondierende Autorin gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
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Literatur
- 1 Oven M. et al Preponderance of CTLA4 Variation Associated with autosomal Dominant Immune Dysregulation in the MYPPPY Motif. Frontiers in Immunology, Case Report. Published: 23. July 2019
- 2 Qi Jiang. et al Function and Role of regulatory T Cells in Rheumatoid Arthritis. Frontiers in Immunology, Review. doi: 10.3389/fImmu.2021.626193
- 3 Grimbacher B. Phenotype, penetrance, and treatment of 133 cytotoxic T-lymphocyte antigen 4-insufficient subjects. Allergy Clin Immunol 2018; 142 (06) 1932-1946
Korrespondenzadresse
Publication History
Article published online:
05 November 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Oven M. et al Preponderance of CTLA4 Variation Associated with autosomal Dominant Immune Dysregulation in the MYPPPY Motif. Frontiers in Immunology, Case Report. Published: 23. July 2019
- 2 Qi Jiang. et al Function and Role of regulatory T Cells in Rheumatoid Arthritis. Frontiers in Immunology, Review. doi: 10.3389/fImmu.2021.626193
- 3 Grimbacher B. Phenotype, penetrance, and treatment of 133 cytotoxic T-lymphocyte antigen 4-insufficient subjects. Allergy Clin Immunol 2018; 142 (06) 1932-1946



