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DOI: 10.1055/a-1856-3041
Antikoagulation: Sichere Durchführung dringlicher OPs durch Idarucizumab
Authors
Dabigatran Reversal With Idarucizumab in Patients Requiring Urgent Surgery. A Subanalysis of the RE-VERSE AD Study.
Annals of Surgery 2021;
274: e204-e211
DOI: 10.1097/SLA.0000000000003638
Um das Blutungsrisiko antikoagulierter Patienten bei dringlichen oder notfallmäßigen operativen Eingriffen zu senken, können Antidots gegen die Gerinnungshemmer gegeben werden. Ein solches Antidot ist beispielsweise Idarucizumab, das die Wirkung von Dabigatran aufhebt. Idarucizumab wurde in der internationalen, multizentrischen RE-VERSE AD-Study (Reversal Effects of Idarucizumab in Patients on Active Dabigatran) an über 500 Patienten getestet.
Levy und seine Kollegen nutzten die Daten dieser Studie, um das klinische Outcome von 202 Patienten zu untersuchen, die mit Dabigatran behandelt wurden und sich dringlichen Eingriffen unterziehen mussten. Zu diesen Eingriffen zählten hauptsächlich Operationen (69 %), vor allem abdominelle, orthopädische und vaskuläre Interventionen aber auch andere dringliche, invasive Maßnahmen (28 %) wie Drainageanlagen oder Kathetereingriffe. In 2,5 % der Fälle konnten die Eingriffe wegen Kreislaufinstabilität nicht durchgeführt werden.
Häufigste Indikation für die Gabe von Dabigatran war die Schlaganfallprävention bei vorbestehendem Vorhofflimmern (≥ 94 %). Um die gerinnungshemmende Wirkung aufzuheben, erhielten die Patienten vor dem Eingriff 5 g Idarucizumab intravenös in Form zweier Bolusgaben im Abstand von maximal 15 Minuten. Zwischen der letzten Einnahme des Gerinnungshemmers und und der Gabe des Antidots waren zwischen elf und 25 Stunden vergangen; zwischen erster Idarucizumabgabe und Beginn des Eingriffs waren es im Mittel 1,2 bis 1,9 Stunden (einzige Ausnahme: Neurochirurgie: 3,3 Stunden). Wegen eines Wiederanstiegs der Dabigatrankonzentration nach 24 Stunden musste vier Patienten eine zusätzliche Idarucizumabdosis verabreicht werden.
Bei nahezu allen Patienten konnte Idarucizumab innerhalb von Minuten die gerinnungshemmende Wirkung von Dabigatran vollständig aufheben. Eine Durchführung der Eingriffe unter normaler Hämostase war in über 90 % der Fälle möglich. Nur wenige Patienten hatten eine leicht abnorme Gerinnung (d. h. es kamen kontrollierbare Blutungen vor); schwere, nicht stillbare Blutungen traten nicht auf. Meist konnte Dabigatran innerhalb von wenigen Tagen nach dem Eingriff wieder angesetzt werden.
In den ersten 30 Tagen nach den Operationen bzw. sonstigen Eingriffen verstarben 7,9 % bzw. 21 % der 202 Patienten (insgesamt 12,6 %; 90-Tages-Mortalität 18,3 %). In der Kathetergruppe lag die 30-Tages-Mortalität bei 34,5 %; Todesursachen waren in diesen Fällen u. a. septischer Schock, Multiorganversagen, Peritonitis und/oder ein Kreislaufschock. Nur sieben Patienten erlitten in den ersten 24 Stunden nach OP bzw. sonstiger Intervention eine Blutung, die jedoch in keinem der Fälle tödlich endete. Thrombosen traten in dieser Zeit bei zehn Patienten auf; in der Hälfte der Fälle war die medikamentöse Gerinnungshemmung zu diesem Zeitpunkt bereits wieder angesetzt.
Idarucizumab kann die Wirkung von Dabigatran schnell und vollständig aufheben und ermöglicht so eine zeitnahe Durchführung dringlicher Operationen und Eingriffe bei normaler Hämostase. Die Zeit nach dem Eingriff kann jederzeit mit Heparin überbrückt werden. In einigen Fällen kommt es zwar nach 24 Stunden zu einem Wiederanstieg der Dabigatrankonzentration, was vermutlich einer Umverteilung des Medikaments geschuldet ist. Sollte der Eingriff zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet oder weitere Interventionen notwendig sein, besteht aber die Möglichkeit einer erneuten Idarucizumabgabe.
Stephanie Gräwert, Leipzig
Publication History
Article published online:
10 August 2022
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