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DOI: 10.1055/a-1856-3103
Blutungsrisiko bei erweiterter Antikoagulation nach unprovozierter Thromboembolie
Authors
Long-Term Risk for Major Bleeding During Extended Oral Anticoagulant Therapy for First Unprovoked Venous Thromboembolism : A Systematic Review and Meta-analysis.
Ann Intern Med 2021;
174: 1420-1429
DOI: 10.7326/M21-1094
Nach einer ersten unprovozierten venösen Thromboembolie sollte über 3 bis 6 Monate eine Antikoagulation erfolgen, um Rezidivereignissen vorzubeugen. Nach diesem Zeitraum muss darüber entschieden werden, ob die Medikation fortgesetzt wird. Der Nutzen der erweiterten Antikoagulation bemisst sich unter anderem an der Gefahr schwerer Blutungskomplikationen. Ein internationales Forscherteam beleuchtete dieses Risiko nun mithilfe der MAJESTIC-Studie.
Mittels systematischer Literaturrecherche identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 27 thematisch relevante Studien, darunter 14 randomisierte kontrollierte und 13 Kohortenstudien, und unterzogen sie einer Metaanalyse. Das Studienkollektiv bildeten 17202 Patientinnen und Patienten, die nach einer ersten, symptomatischen, unprovozierten bzw. durch schwache, transiente Risikofaktoren provozierten venösen Thromboembolie eine dreimonatige orale Antikoagulationsbehandlung erhalten hatten und im Anschluss über mindestens 6 weitere Monate mit den Blutverdünnern behandelt worden waren. Den primären Studienendpunkt bildete das erste Major-Blutungsereignis gemäß Kriterien der International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH). Hierunter fallen Hb-wirksame, transfusionsbedürftige oder zum Tod führende Blutungen sowie Blutung in kritischer Lokalisation (intrakraniell, intraspinal, intraokulär, perikardial, intraartikulär, intramuskulär mit Kompartment-Syndrom, retroperitoneal).
Ergebnisse
Bei 9982 Personen kamen zur erweiterten Antikoagulation Vitamin K-Antagonisten (VKA) und in 7220 Fällen direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) zum Einsatz. In diesen beiden Kollektiven verzeichnete das Forscherteam 1,74 bzw. 1,12 Major-Blutungen pro 100 Personenjahre. Die kumulative 5-Jahresinzidenz von Major-Blutungen unter VKA betrug 6,3%. Für die DOAKs konnte dieser Wert nicht berechnet werden, da lediglich Daten bis zu einem Jahr erweiterter DOAK-Therapie zur Verfügung standen. Im VKA-Kollektiv erlitten signifikant mehr Frauen als Männer eine Major-Blutung (Incidence Rate Ratio/IRR 1,55; 95%-KI 1,17–2,06), wogegen im DOAK-Kollektiv diesbezüglich keine Geschlechtsunterschiede bestanden. Sowohl unter VKA als auch unter DOAK beobachtete das Forscherteam bei den Personen im Alter über 65 Jahre im Vergleich zu den jüngeren Patientinnen und Patienten eine signifikant höhere Blutungsinzidenz (VKA: IRR 1,84; 95%-KI 1,32–2,57 bzw. DOAK: IRR 2,92; 95%-KI 1,50–5,70). Gleiches galt für Personen mit einer Kreatinin-Clearance <50ml/min, für Personen mit einem vorangegangenen Blutungsereignis, für Personen mit einer begleitenden plättchenhemmenden Therapie sowie für Personen mit einem Hb-Wert <10g/dl. Die gepoolte Case-Fatality-Rate der Major-Blutung betrug im VKA-Kollektiv 8,3% und im DOAK-Kollektiv 9,7%.
Die Verlängerung der Antikoagulation über bis zu 5 Jahre nach einer ersten unprovozierten venösen Thromboembolie, so das Fazit der Autorinnen und Autoren, geht mit einem beträchtlichen Langzeitrisiko für schwere Blutungen einher. Sie hoffen, dass ihre Metaanalyseergebnisse die Beratung der betroffenen Patientinnen und Patienten im Hinblick auf die Vor- und Nachteile der Medikationsverlängerung sowie im Hinblick auf die Dauer der Antikoagulanzienverordnung erleichtern können.
Dr. med. Judith Lorenz, Künzell
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
10. August 2022
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