Rofo 2022; 194(12): 1358-1366
DOI: 10.1055/a-1856-3522
Urogenital Tract

Vergleichende Untersuchung zur diagnostischen Qualität nativer Niedrigdosis-CT ohne und mit spektraler Filterung mittels Zinnfilter bei Urolithiasis mit einliegender Harnleiterschiene

Article in several languages: English | deutsch
1   Department of Radiology, Mechernich District Hospital, Mechernich, Germany
,
Stephan Garbe
2   Department of Radiology, University of Bonn, Germany
,
2   Department of Radiology, University of Bonn, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Ziel Spektrale Filterung mittels Zinnfilter eignet sich zur Dosisreduktion in der CT des Abdomens bei Urolithiasis. Harnleiterschienen zur Entlastung der Harnstauung können dabei im direkten Kontakt zum Urolithen stehen. Eine hohe Bildqualität ist daher in diesem Kontext von besonderer Bedeutung. Ziel dieser Studie war eine Analyse der Auswirkungen des Einsatzes von Zinnfiltern auf Bildqualität und Dosis von Niedrigdosis-CTs des Abdomens bei Urolithiasis mit direktem Kontakt von Harnsteinen zu Harnleiterschienen.

Material und Methoden 84 Einzeluntersuchungen (konventionelles Niedrigdosis- vs. modifiziertes Niedrigdosis-Protokoll mit Zinnfilterung, Zuteilung randomisiert) wurden bei 65 Patienten (48 Männer, 17 Frauen, mittleres Alter 55,0 ± 15,2 Jahre [18–90 Jahre], maximal eine Untersuchung pro Protokoll) durchgeführt. Die allgemeine Bildqualität sowie die Abgrenzbarkeit des Steins wurden anhand einer 5-Punkte-Likert-Skala durch 2 erfahrene Radiologen beurteilt. Als quantitative Indikatoren der Bildqualität wurden zusätzlich das Signal-zu-Rausch- (SNR) und das Kontrast-zu-Rausch-Verhältnis (CNR) sowie eine figure-of-merit (FOM) als Maß der Dosiseffizienz berechnet.

Ergebnisse Mit einem Non-Inferiority-Margin von 0,5 Stufen der 5-Punkte-Likert-Skala bestand eine Nichtunterlegenheit der Untersuchungen mit Zinnfilter hinsichtlich der allgemeinen Bildqualität (95 %-CI 4,1–4,3; Verwerfgrenze 3,5). Auch hinsichtlich Sichtbarkeit des Harnsteins bestand Nichtunterlegenheit (Größe des Harnsteins: 1–2,4 mm: 95 %-CI 3,39–4,12; Verwerfgrenze 2,73; 2,4–3,8mm: 95 %-CI 4,09–4,47; Verwerfgrenze 3,65; > 3,8mm: durchgehend Maximalbewertung). Der Durchschnittswert des CNR war unter Verwendung des Zinnfilters signifikant erhöht (17,0 zu 10,6). Die Dosis im modifizierten Protokoll war signifikant reduziert (effektive Dosis 1,2 mSv vs. 1,5 mSv, size-specific-dose-estimate 2,33 mGy vs. 3,09 mGy); nur bei der Subgruppenanalyse der Patienten mit BMI > = 35 erreichte diese Dosisreduktion nicht das Signifikanzniveau.

Schlussfolgerung Auch bei direkt an einem Stein angrenzender Harnleiterschiene sind dosisreduzierte Untersuchungen mit spektraler Filterung mittels Zinnfilter konventionellen Niedrigdosis-CT nicht unterlegen bei gleichzeitig signifikanter Dosisreduktion.

Kernaussagen:

  • Spektrale Filterung mittels Zinnfilter ist eine geeignete Methode zur Dosisreduktion.

  • Die Bildqualität ist mittels Zinnfilter bei Steinkontrollen bei einliegender Harnleiterschiene der herkömmlichen Low-dose-Technik nicht unterlegen.

Zitierweise

  • Axer B, Garbe S, Hadizadeh DR. Comparative Evaluation of Diagnostic Quality in Native Low-dose CT without and with Spectral Shaping employing a Tin Filter in Urolithiasis with implanted Ureteral Stent. Fortschr Röntgenstr 2022; 194: 1358 – 1366


#

Einleitung

Jedes Jahr werden in Deutschland weit über 100 000 Patientinnen und Patienten aufgrund von Nierenkoliken bei Nephrolithiasis vollstationär behandelt [1]. Der zugrunde liegende Nephrolith wird zumeist bildgebend gesichert und hinsichtlich weiterer Therapieoptionen evaluiert. Die Kenntnis der genauen Steinlage und -größe stellt bei dieser Erkrankung eine wichtige Grundlage der Therapieplanung und ggf. -modifizierung dar. Sowohl zur Abschätzung der Wahrscheinlichkeit einer spontanen oder assistierten Steinpassage als auch zur Verfahrensauswahl und im Vorfeld der Durchführung von interventionellen Therapien wie extrakorporaler Stoßwellenlithotripsie (ESWL), Ureterorenoskopie (URS) oder perkutaner Nephrolitholapraxie (PCNL) [2] werden zuverlässige, aktuelle Informationen (oft repetitiv) benötigt. Verlaufskontrollen dokumentieren eine ablaufende Steinpassage oder den Erfolg einer Fragmentierung.

Die native Computertomografie (CT) stellt neben der meist initial erfolgten Ultraschalldiagnostik des Urogenitaltraktes das wichtigste diagnostische Mittel bei Urolithiasis dar. Neben der Lokalisation des Steins kann sie dessen Morphologie und eventuelle Fragmentierung sowie Komplikationen wie Harnstau, Fornixruptur oder ein therapiebedingtes Hämatom im Rahmen einer Verlaufskontrolle klären und dokumentieren.

Vorteile der CT gegenüber der Sonografie bestehen hierbei in der Untersucherunabhängigkeit, einer insgesamt geringeren Artefaktanfälligkeit, der vollständigen Abbildung des Harntraktes sowie der Option einer Bestimmung der Steinkomposition anhand seiner Densität. Unmittelbar an das Konkrement angrenzende Harnleiterschienen können dabei die Messbarkeit der Größe und Densität des Urolithen beeinträchtigen [3]. Harnleiterschienen sind zur Entlastung einer Harnstauung regelmäßig indiziert, sodass diese Konstellation eine häufig auftretende Herausforderung für den Diagnostiker ist [2]. Die mit der CT einhergehende Strahlendosis, insbesondere wenn diese mehrfach appliziert werden muss, beispielsweise aufgrund erneuter Episoden von Harnleiterkoliken, stellt eine wesentliche Limitation der Methode dar [4].

Mit der aktuellen Gerätegeneration der Computertomografen verbunden hat die Option der spektralen Filterung Einzug in die Routinediagnostik erhalten. Mit dieser verbunden ist die Möglichkeit einer deutlichen Dosisreduktion bei guter diagnostischer Bildqualität, wie in zahlreichen Studien zu unterschiedlichen Fragestellungen [5] [6] [7] [8] einschließlich Urolithiasis [9] [10] [11] nachgewiesen werden konnte. Nicht explizit untersucht wurden jedoch Auswirkungen der dosisreduzierenden spektralen Filterung auf die Bildqualität bei direkt an ein Konkrement angrenzender Harnleiterschiene. Diesbezüglich besteht die besondere Problematik der engen räumlichen Lage des Konkrementes zu der selbst sehr röntgendichten Harnleiterschiene, was aufgrund der jedem nicht idealen Abbildungssystem inhärenten Unschärfe aufgrund der Verwischung der einzelnen Bildelemente gemäß der Punktspreizfunktion (point-spread function, PSF) zur erschwerten Abgrenzbarkeit von Konkrementen neben einer Harnleiterschiene führt. Durch Verwendung einer spektralen Filterung ändert sich die PSF im Vergleich zum konventionellen Protokoll mit dem möglichen Resultat einer schlechteren Abgrenzbarkeit des Konkrementes.

Ziel dieser Studie war es, bei Patienten mit einliegender Harnleiterschiene, die für Steinlagekontrollen vorstellig wurden, den Effekt der Verwendung eines Niedrigdosis-Protokolls mit Zinnfilter gegenüber einem konventionellen Untersuchungsprotokoll ohne Zinnfilter auf die Abgrenzbarkeit und Charakterisierbarkeit des Urolithen und die Dosis zu prüfen.


#

Material und Methoden

Patienten

In dieser prospektiven, randomisierten, 2-armigen Vergleichsstudie erhielten 65 Patienten (48 Männer, 17 Frauen, 18–90 Jahre, mittleres Alter 55,0 ± 15,2 Jahre) 84 native CTs des Abdomens. Die Studienteilnehmer wurden randomisiert 2 Gruppen zugeordnet, bei denen in der einen die Akquisition der CTs mit und bei der anderen ohne Zinnfilter erfolgte (Studiendesign: [Abb. 1]).

Zoom Image
Abb. 1 Studiendesign.

Über einen Zeitraum von 11 Monaten wurden in der urologischen Klinik zu Erst- und Zweituntersuchungen von CT-Steinkontrollen angemeldete, volljährige und einwilligungsfähige Patienten mit einliegender Harnleiterschiene eingeschlossen. Voraussetzung war die informierte Einwilligung in diese von der zuständigen Ethikkommission genehmigte Studie (Ethikvotum 389/21). 2 Studienarme wurden definiert und die Patienten paritätisch verteilt. Im Falle einer Zweituntersuchung derselben Person wurde diese dem jeweils anderen Studienarm zugeordnet; zusätzliche Untersuchungen derselben Person wurden nicht in die Studie aufgenommen. Die genauen Patienteneigenschaften sind in [Tab. 1] aufgeführt.

Tab. 1

Patientencharakteristiken, kontinuierliche Variablen werden als Durchschnitt ± Standardabweichung angegeben, dichotome Variablen als absolute Häufigkeit mit Prozentzahlen in Klammern. Geschlechterverteilung, BMI und effektiver Körperdurchmesser bezogen auf die Untersuchungen.

Studienteilnehmer (Untersuchungen)

65 (84)

Alter [Jahre]

55,0 ± 15,2

Männer/Frauen

48 (74 %)/17 (26 %)

Body-Mass-Index (BMI) [kg/m²]

27,3 ± 5,4

– BMI > = 35 kg/m²

11 % (7/65)

Effektiver Körperdurchmesser [cm]

30,9 ± 4,2


#

Untersuchungstechnik

Alle Untersuchungen wurden an einem klinischen 64-Zeilen Ganzkörper-Computertomografen (Somatom Go.Top, Siemens, Erlangen, Deutschland) mit der Möglichkeit der Zuschaltung eines Zinnfilters durchgeführt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Studie wurden randomisiert auf ein konventionelles Niedrigdosisprotokoll ohne Zinnfilterung oder ein Niedrigdosisprotokoll mit zusätzlicher spektraler Filterung mittels Zinnfilter verteilt. In beiden Studienarmen wurden folgende Parameter konstant gehalten:

  • automatische Röhrenspannungswahl (Care kV, Siemens, Erlangen, Deutschland)

  • Röhrenstrommodulation (Care Dose 4D, Siemens, Erlangen, Deutschland) bei konstantem, der Röhrenstrommodulation zugrunde liegendem Qualitätsindex Qref @120 kV von 30 mAs

  • Kollimation 0,6 mm

  • Pitch von 0,8.

Der Untersuchungsbereich wurde entsprechend der klinischen Fragestellung anhand des Topogramms auf den Bereich vom Oberrand der linken Niere bis zur Mitte der Symphysis pubis festgelegt. Die Bildrekonstruktion erfolgte mit einer Schichtdicke von 3 mm in transversaler, koronarer und sagittaler Ebene. Als Rekonstruktionskern wurde Br31, entsprechend einem abdominellen Standardkern, in Verbindung mit einer iterativen Rekonstruktion (SAFIRE – Stärke 3, Siemens, Erlangen, Deutschland) verwendet.


#

Qualitätsbewertung

Sowohl die allgemeine Bildqualität als auch die Abgrenzbarkeit des Steins von der Harnleiterschiene wurden unabhängig voneinander durch 2 erfahrene, hinsichtlich des zugrunde liegenden Untersuchungsprotokolls verblindete Radiologen bewertet. Die Quantifizierung des Ergebnisses erfolgte dabei mittels einer 5-stufigen Likert-Skala (1: unzureichend – Stein nur unter Kenntnis der Lage erahnbar; 2: schlecht – Stein kaum abgrenzbar, niedrige Diagnosesicherheit; 3: mittelmäßig – Stein bei intensiver Durchsicht des Bildmaterials mäßig abgrenzbar; 4: gut – Stein bei Durchsicht des Datensatzes gut abgrenzbar; 5: hervorragend – Stein schon bei flüchtiger Durchsicht gut sichtbar) ([Abb. 2]) [12].

Zoom Image
Abb. 2 Bildbeispiel Qualitätsbewertung der Steinabgrenzbarkeit. A, B) Stufe 2: schlecht – Stein kaum abgrenzbar; C, D) Stufe 3: mittelmäßig – Stein bei intensiver Durchsicht des Bildmaterials mäßig abgrenzbar; E, F) Stufe 4: gut – Stein bei Durchsicht des Datensatzes gut abgrenzbar; G, H) Stufe 5: hervorragend – Stein schon bei flüchtiger Durchsicht gut sichtbar.

Aufgrund der zu erwartenden besseren Abgrenzbarkeit von großen gegenüber kleinen Steinen von der Harnleiterschiene wurde die visuelle Bewertung hinsichtlich der Steingröße differenziert. Die Steingröße wurde geschätzt, indem die Steinmorphologie durch ein Ellipsoid angenähert wurde mit entsprechenden Halbachsen a1, a2, a3 und aus diesen ein effektiver Steindurchmesser bestimmt wurde, welcher dem Durchmesser eines äquatorialen Kugelanschnitts (Kreis) mit gleicher Schnittfläche entspricht. Die Verwendung des effektiven Durchmessers im Gegensatz zu einer diesbezüglich ebenfalls denkbaren Relation zur Schnittfläche des Konkrements basiert dabei auf grundlegenden Untersuchungen zur Abgrenzbarkeit von runden Strukturen in Gegenwart von überlagerndem Bildrauschen [13].


#

Quantitative Kriterien der Bildqualität

Für die quantitative Bewertung der Bildqualität erfolgten Messungen der Röntgendichten in Hounsfield-Einheiten (HU) und deren Standardabweichungen mittels platzierter regions-of-interest (ROI) sowohl innerhalb des Harnsteins als auch der Harnleiterschiene sowie innerhalb 5 weiterer Regionen (Leberparenchym, abdominelle Aorta, Musculus psoas, subkutanes Fettgewebe, extrakorporaler Luftraum). Als Maßzahl des Bildrauschens wurde die Standardabweichung (SD) der HU-Werte des extrakorporalen Luftraums verwendet. Das Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) sowie das Kontrast-Rausch-Verhältnis (CNR) wurden aus den jeweiligen gemittelten Dichtewerten in HU für die einzelnen ROI berechnet mittels SNR = MittelwertMeßobjekt/SDLuft sowie CNR = (Mittelwert Meßobjekt – MittelwertFettgewebe)/SDMeßobjekt. Zur Bestimmung der Dosiseffizienz wurde für die einzelnen ROI jeweils eine figure-of-merit (FOM) berechnet mit FOM = CNR/effektive Dosis2.


#

Bewertung der Strahlenbelastung

Vom Computertomografen wurden folgende Indizes der Strahlenbelastung angegeben: volumenbezogener CT-Dosisindex (CTDIvol) auf Grundlage eines 32 cm-Standardphantoms, Dosis-Längen-Produkt (DLP).

Die Berechnung der effektiven Dosis erfolgte als das Produkt aus DLP und einem abominopelvinen Koversionsfaktor von 0.015 mSv/mGy,cm [14]. Size-specific dose estimates (SSDE) wurden als Produkt des CTDIvol mit von antropometrischen Messungen des jeweiligen Patienten (anteroposteriorer und transversaler Köperdurchmesser mit daraus berechnetem effektiven ) abhängigen Konversionsfaktoren ermittelt [15].


#

Statistik

Die Daten wurden unter Verwendung des Softwarepaketes R 3.6.1 (R Foundation for Statistical Computing) in Verbindung mit R Studio 1.3 ausgehend von einem Signifikanzlevel von 0,05 ausgewertet. Die Darstellung erfolgt im Format Mittelwert ± Standardabweichung. Testungen auf Normalverteilung erfolgten mittels Shapiro-Wilk-Test und visuell mittels Analyse der Histogramme.

Die statistische Prüfung auf Nichtunterlegenheit (NI) der Untersuchungen mit Zinnfilter erfolgte mittels Festlegung eines NI-Margins und Vergleich des Konfidenzintervalls mit Zinnfilter mit dem Grenzwert zur Verwerfung der NI-Hypothese (Mittelwert Bildqualität ohne Zinnfilter – NI-Margin) [16] [17] [18]. Bei der 5-stufigen Likert-Skala wurde ein konservativer NI-Margin von 0,5 Qualitätsstufen gewählt. Die Berechnung der Konfidenzintervalle erfolgte bei Nichtnormalverteilung der subjektiven Qualitätsbewertungen mittels Bootstrapping-Methode [19], dabei wurden die BCa-Konfidenzintervalle verwendet.

Die Berechnung der notwendigen Stichprobengröße erfolgte entsprechend dem in [16] angegebenen Verfahren unter Zugrundelegung einer statistischen Power von 90 % und einem einseitigen Fehler erster Art von 2,5 %. Prüfung auf statistische Signifikanz erfolgte in Abhängigkeit von der Normalverteiltheit der Daten mittels t-Test oder Mann-Whitney-Wilcoxon-Test. Korrelationstestungen erfolgten mittels Pearson-Korrelationskoeffizient. Die Quantifizierung der Interrater-Übereinstimmung erfolgte mittels Cohen-Kappa.


#
#

Ergebnisse

Subjektive Qualitätsbewertung

Hinsichtlich der allgemeinen Bildqualität ergab sich über sämtliche Steingrößen hinweg eine nahezu identische mittlere Bewertung durch beide Befunder von 4,0 ± 0,4 ohne und 4,2 ± 0,4 mit Zinnfilter (κ = 0,53).

Unter Verwendung einer NI-Margin von 0,5 Bewertungsstufen resultierte eine Verwerfgrenze der NI-Hypothese von 3,5. In Anbetracht dessen, dass diese von der unteren Grenze des 95 %-Konfidenzintervalls der Bewertungen mit Zinnfilter von 4,1 nicht unterschritten wurde, ergab sich somit eine Bestätigung der NI-Hypothese.

Die durchschnittliche Qualitätsbeurteilung der Steinabgrenzbarkeit (Bildbeispiele: [Abb. 3]) über alle Steingrößen hinweg lag ohne Zinnfilter bei 3,9 ± 0,8 und mit Zinnfilter bei 4,3 ± 0,7 (statisch signifikant, p < 0,05).

Zoom Image
Abb. 3 Bildbeispiel desselben Patienten mit rechtsseitiger Harnleiterschiene und hohem, von medial an die Schiene angrenzendem Konkrement, Untersuchung zu 2 verschiedenen Zeitpunkten ohne zwischenzeitliche Befundänderung (zeitliche Differenz 14 Tage, keine zwischenzeitlichen therapeutischen Maßnahmen, jeweils rechts unten mit vergrößertem Bildausschnitt. A, B koronar im Weichteilfenster, C, D transversal im Knochenfenster. A, C ohne Zinnfilter, B, D mit Zinnfilter.

Die Grenzgröße der perfekten Steinabgrenzbarkeit (Λ) entspricht dem effektiven Steindurchmesser, ab dem die subjektive Qualitätsbeurteilung der Steinabgrenzbarkeit (gemittelt über beide Befunder) unter den Maximalwert von 5 abfällt. Im vorgestellten Datensatz entsprach dies einer effektiven Steingröße von 3,8 mm. Oberhalb der Grenzgröße ist eine Gleichwertigkeit der Abgrenzbarkeit über beide Untersuchungsprotokolle gegeben.

Die subjektive Abgrenzbarkeit von Urolithen zu Schienen zeigte unterhalb der Grenzgröße eine hohe Korrelation mit den effektiven Steindurchmessern (Pearson-Korrelationskoeffizient = 0,69). Aufgrund dieser hohen Korrelation wurde der Bereich der effektiven Steingrößen unterhalb von Λ in 2 Bereiche partitioniert, um eine statistische Auswertung in Gruppen von jeweils ähnlichen Steingrößen durchführen zu können. Die Unterteilung erfolgte anhand der effektiven Steingrößen in die Größengruppen A (effektiver Steindurchmesser [1–2,4 mm]) und B (effektiver Steindurchmesser [2,4–3,8 mm]), jeweils einschließlich der unteren Grenze und ausschließlich der oberen Grenze).

Unter Verwendung einer NI-Margin von 0,5 Bewertungsstufen resultierte eine Verwerfgrenze der NI-Hypothese in der Gruppe A von 2,73 und in Gruppe B von 3,65, jeweils basierend auf der durchschnittlichen Bewertung der Steinabgrenzbarkeit im Protokoll ohne Zinnfilter. Die 95 %-Konfidenzintervalle der Steinabgrenzbarkeit mit Zinnfilter in der Gruppe A waren [3,39–4,12] und in Gruppe B [4,09–4,47]. Die jeweilige Verwerfgrenze wurde von der unteren Grenze des Konfidenzintervalls mit Zinnfilter in keiner der Gruppen unterschritten, konsistent mit der Annahme einer NI des Untersuchungsprotokolls mit Zinnfilter. Die Interrater-Übereinstimmung κ der Bewertungen der Steinabgrenzbarkeit über alle Steingrößen hinweg lag bei 0,64, entsprechend einer substantiellen Übereinstimmung ([Abb. 4]).

Zoom Image
Abb. 4 NI-Testung der Abgrenzbarkeit von Stein und Schiene. 95 %-Konfidenzintervalle der einzelnen Größengruppen mit Zinnfilter, relativ zum Mittelwert ohne Zinnfilter (zentriert), die Verwerfgrenze der NI-Hypothese wird dabei in keiner Gruppe erreicht.

#

Objektive Qualitätsbewertung

Hinsichtlich der Messungen von SNR und CNR der Steine zeigten sich eine signifikant höhere CNR und ein nicht signifikant unterschiedliches SNR unter Verwendung des Zinnfilters ([Tab. 2]).

Tab. 2

Objektive Parameter der Bildqualität.

SNR –Sn

SNR +Sn

CNR –Sn

CNR +Sn

FOM –Sn

FOM +Sn

Stein

68,9 ± 29,4

79,2 ± 33,1

10,6 ± 6,8[*]

17,0 ± 9,3[*]

111,8 ± 143,0[*]

366,5 ± 457,9[*]

Schiene

245,7 ± 78,6

257,9 ± 61,1

22,3 ± 20,4

24,6 ± 19,4

639,1 ± 1253,1[*]

841,3 ± 1477,9[*]

Leber

4,1 ± 1,4[*]

4,8 ± 1,4[*]

7,2 ± 1,3

7,3 ± 1,3

42,0 ± 30,9[*]

54,9 ± 36,2[*]

Aorta

3,7 ± 1,0

4,0 ± 0,8

6,9 ± 1,1[*]

6,4 ± 1,1[*]

37,3 ± 25,0

41,4 ± 22,4

Psoas

3,9 ± 1,0[*]

4,6 ± 0,9[*]

7,1 ± 1,3

7,0 ± 1,2

39,7 ± 24,7

50,0 ± 30,3

Legende: SNR = Signal-Rausch-Verhältnis, CNR = Kontrast-Rausch-Verhältnis, FOM = figure of merit, –Sn = Protokoll ohne Zinnfilter, +Sn = Protokoll mit Zinnfilter.

*  = signifikanter Unterschied über beide Protokolle (p < 0,05).


Die in Kombination mit der effektiven Strahlenbelastung der entsprechenden Untersuchungen resultierende FOM zeigte signifikant höhere durchschnittliche Werte bei Verwendung des Zinnfilters (p < 0,05) ([Tab. 2]).


#

Strahlenbelastung

Unter Verwendung der spektralen Filterung mittels Zinnfilter kam es zu einer signifikant verminderten Strahlenbelastung der Patienten, sowohl hinsichtlich der effektiven Dosis mit 1,2 ± 0,4 mSv (ohne Zinnfilter 1,5 ± 0,4 mSv, p < 0,05) als auch hinsichtlich des SSDE mit 2,33 ± 0,38 mGy (ohne Zinnfilter 3,09 ± 0,47 mGy, p < 0,05). Bei einer Subgruppenanalyse in Bezug auf den Body-Mass-Index (BMI) erreichte die Dosisreduktion bei der Gruppe mit BMI> = 35 nicht das Signifikanzniveau. Eine Übersicht zu den Parametern der Strahlendosis in Bezug auf die Verwendung des Zinnfilters und in Abhängigkeit vom BMI zeigt [Tab. 3].

Tab. 3

Strahlendosis in Bezug auf die Verwendung des Zinnfilters und in Abhängigkeit vom BMI.

–Sn gesamt

–Sn, –BMI

–Sn, +BMI

+Sn gesamt

+Sn, –BMI

+Sn, +BMI

Eff. Dosis [mSv]

1,5 ± 0,4[*]

1,4 ± 0,4[*]

2,0 ± 0,5

1,2 ± 0,4[*]

1,1 ± 0,3[*]

1,7 ± 0,7

Eff. Dosis/BMI

0,053 ± 0,011[*]

0,053 ± 0,012[*]

0,053 ± 0,011

0,043 ± 0,011[*]

0,042 ± 0,009[*]

0,046 ± 0,022

SSDE

3,09 ± 0,47[*]

3,01 ± 0,43[*]

3,56 ± 0,45

2,33 ± 0,38[*]

2,26 ± 0,29[*]

2,89 ± 0,54

SSDE/BMI

0,11 ± 0,02[*]

0,12 ± 0,02[*]

0,093 ± 0,012[*]

0,09 ± 0,02[*]

0,088 ± 0,014[*]

0,078 ± 0,018[*]

Legende: SNR = Signal-Rausch-Verhältnis, CNR = Kontrast-Rausch-Verhältnis, FOM = figure of merit, –Sn = Protokoll ohne Zinnfilter, +Sn = Protokoll mit Zinnfilter, BMI = Body-Mass-Index, +BMI: BMI > = 35, –BMI: BMI < 35.

*  = signifikanter Unterschied über beide Protokolle (p < 0,05).



#
#

Diskussion

Die Verwendung einer spektralen Vorfilterung des Röntgenstrahles (in der CT ursprünglicher Einsatz im Rahmen der Optimierung von Dual-Source-CT [21]), ist in der Röntgendiagnostik eine gebräuchliche Methode zur Reduktion der Strahlendosis. Die Anwendbarkeit der Methode zu diesem Ziel wurde in zahlreichen vorangegangenen Studien gezeigt, sowohl im Hinblick auf die erreichbare Strahlenreduktion als auch auf die gleichbleibend hohe Bildqualität. Anwendungen erfolgten bei der CT des Köperstammes einschließlich der Erzeugung der Topogramme [5] [6] [7] [8] als auch im Rahmen der Diagnostik bei Urolithiasis [9] [10] [11]. Auswirkungen auf die Bildqualität bei Steinlagekontrollen bei Urolithiasis und bereits therapeutisch eingebrachter Harnleiterschiene wurden hingegen bisher nicht dediziert untersucht, sind aber von besonderem Interesse, da es hier aufgrund der gegebenen PSF des Abbildungssystems lokal zu Artefakten durch die einliegende Harnleiterschiene kommen kann und der Effekt des Zinnfilters auf diese nicht bekannt ist.

Analog zu den publizierten Ergebnissen zeigten sich hinsichtlich der subjektiven Bewertung der allgemeinen Bildqualität in dieser Studie keine signifikanten Unterschiede über beide Studienarme. Auch hinsichtlich der im Rahmen dieser Untersuchung maßgeblichen Bewertung der subjektiven Abgrenzbarkeit des Harnsteins von der Schiene, entsprechend der diagnostischen Genauigkeit bei der gegebenen klinischen Fragestellung, konnte die NI des Protokolls mit Zinnfilter in allen Gruppen von Steingrößen ([1 .. 2,4),[2,4 .. Λ),[Λ .. ∞]) belegt werden. Die durchschnittliche Bewertung der Steinabgrenzbarkeit von der Schiene war dabei (mit Ausnahme der Urolithen > Λ) bei Verwendung des Zinnfilters stets größer. Korrespondierend war auch der objektiv-quantitative Qualitätsparameter CNR bei Verwendung des Zinnfilters signifikant höher. Die NI-Hypothese bei Nutzung eines Zinnfilters konnte somit sowohl hinsichtlich der Bildqualität als auch der Abgrenzbarkeit der Harnsteine unter Verwendung einer konservativ gewählten NI-Margin klar gezeigt werden. Die Daten weisen zudem auf das Potenzial einer darüber hinausgehenden Verbesserung der Steinabgrenzbarkeit hin, wobei für diese Aussage die Stichprobengröße keine adäquate statistische Power aufweist.

Gleichzeitig konnte eine signifikante Reduktion der Strahlenbelastung unter Verwendung des Zinnfilters nachgewiesen werden. Die mittlere Reduktion der effektiven Dosis und der SSDE betrugen etwa 20 % und 25 %. Dieser Effekt zeigte sich abgeschwächt auch in der Teilgruppe der besonders dosisbelasteten Patienten mit einem BMI > = 35 [m²/kg], jedoch ohne dass das statistische Signifikanzniveau erreicht wurde. Im Vergleich mit einigen vergleichbaren publizierten Studien entspricht dies einer ähnlichen Dosisreduktion [9] [10], wobei eine weitere Dosisreduktion mittels Verwendung höherer Pitch-Werte als möglich erscheint [11]. In der vorliegenden Studie lag der Fokus jedoch nicht auf der Reduktion der Strahlendosis unter Aufwendung besonderer Optimierungen, die möglicherweise zu einer maximalen Dosisreduktion hätten führen können. Fokus war hier vielmehr eine Untersuchung, wie stark der Effekt unter in der Praxis üblichen Bedingungen (grundsätzlich vom Gerätehersteller ausgeliefertes Untersuchungsprotokoll einschließlich automatischer Röhrenspannungswahl und Röhrenstrommodulation [22]) ausfällt.

Diese Studie wies auch Limitationen auf: Eine größere Stichprobe wäre zur Optimierung der statistischen Power und Herausarbeitung möglicher Unterschiede zwischen unterschiedlichen Steinarten wünschenswert gewesen. Anstatt alle Patienten mit Nephrolithen und einliegenden Schienen zu berücksichtigen, wurde in dieser Studie jedoch der Fokus auf Nephrolithen mit direktem Kontakt zwischen Stein und Schiene gelegt, um dieser in der Klinik relevanteren Fragestellung Rechnung zu tragen. Für den Nachweis der anhand unserer Daten naheliegenden verbesserten Steinabgrenzbarkeit bei Untersuchung mit Zinnfilter wäre eine höhere Fallzahl erforderlich. Ziel unserer Studie war jedoch, die Nichtunterlegenheit des Verfahrens mit Zinnfilter zu testen. Für weitergehende Aussagen werden (vorzugsweise Multicenter-) Studien mit höheren Fallzahlen und prospektiven Design hinsichtlich dieser Fragestellungen erforderlich sein.

Hinsichtlich der Abgrenzbarkeit von Steinen mit effektiven Durchmessern unter 1 mm liefert die vorliegende Studie keine Aussage, da diese in der Stichprobe nicht auftraten. Dies erscheint jedoch als eher theoretisches Problem, da eine spontane Steinpassage dieser Steine der Regelfall ist und eine Schienenanlage hier nicht indiziert ist.


#

Schlussfolgerung

Niedrigdosis-CT-Protokolle weisen bei Verwendung einer spektralen Filterung mittels Zinnfilter gegenüber Untersuchungen ohne Zinnfilter keinen Verlust der Bildqualität oder eine eingeschränkte Abgrenzbarkeit von Urolithen gegenüber einliegenden Harnleiterschienen auf. Zudem besteht eine etwa 20-prozentige weitere Dosisreduktion.

Klinische Relevanz der Studie
  • Bei Patienten mit Harnsteinleiden und damit einhergehender hoher Wahrscheinlichkeit von resultierenden Folgeuntersuchungen ist die Reduktion der Strahlenbelastung bei gleichbleibender Bildqualität von besonders hoher klinischer Relevanz.

  • Die Verwendung einer spektralen Filterung mittels Zinnfilter ist ein Verfahren zur Dosisreduktion, das in allgemeinen Fragestellungen gut erforscht ist und in die klinische Routinediagnostik Einzug gehalten hat, jedoch bei Detailfragestellungen noch Evidenzlücken aufweist.

  • Steinlagekontrollen bei einliegender Harnleiterschiene fallen potenziell repetitiv an und stellen aufgrund einer artefaktbedingt erschwerten Abgrenzbarkeit der Urolithen eine besondere Herausforderung dar.


#
#

Conflict of Interest

The authors declare that they have no conflict of interest.


Correspondence

Dr. Dariusch Reza Hadizadeh
Department of Radiology, University of Bonn
Sigmund-Freud Str. 25
53113 Bonn
Germany   
Phone: +49/2 28/28 71 10 45   
Fax: +49/2 28/28 71 98 78   

Publication History

Received: 11 February 2022

Accepted: 04 May 2022

Article published online:
18 July 2022

© 2022. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


Zoom Image
Fig. 1 Study design.
Zoom Image
Fig. 2 Example of quality assessment of stone delineation A, B) Level 2: poor – stone barely delineable; C, D) Level 3: moderate – stone moderately delineable on intensive review of the image material; E, F) Level 4: good – stone well delineated on review of the data set; G, H) Level 5: excellent – stone readily visible even on cursory review.
Zoom Image
Fig. 3 Image example of the same patient with right-sided ureteral stent and proximal calculus adjacent to the stent from the medial side, examination at two different times with no intermediate change in findings (temporal difference 14 days, no intermediate therapeutic measures, enlarged image section in the lower right of each image). A, B coronary in the soft tissue window, C, D transverse in the bone window. A, C without tin filter; BD with tin filter.
Zoom Image
Fig. 4 NI testing of the delimitability of stone and stent. 95 % confidence intervals of the individual size groups with tin filter, relative to the mean without tin filter (centered); the rejection limit of the NI hypothesis is not reached in any group.
Zoom Image
Abb. 1 Studiendesign.
Zoom Image
Abb. 2 Bildbeispiel Qualitätsbewertung der Steinabgrenzbarkeit. A, B) Stufe 2: schlecht – Stein kaum abgrenzbar; C, D) Stufe 3: mittelmäßig – Stein bei intensiver Durchsicht des Bildmaterials mäßig abgrenzbar; E, F) Stufe 4: gut – Stein bei Durchsicht des Datensatzes gut abgrenzbar; G, H) Stufe 5: hervorragend – Stein schon bei flüchtiger Durchsicht gut sichtbar.
Zoom Image
Abb. 3 Bildbeispiel desselben Patienten mit rechtsseitiger Harnleiterschiene und hohem, von medial an die Schiene angrenzendem Konkrement, Untersuchung zu 2 verschiedenen Zeitpunkten ohne zwischenzeitliche Befundänderung (zeitliche Differenz 14 Tage, keine zwischenzeitlichen therapeutischen Maßnahmen, jeweils rechts unten mit vergrößertem Bildausschnitt. A, B koronar im Weichteilfenster, C, D transversal im Knochenfenster. A, C ohne Zinnfilter, B, D mit Zinnfilter.
Zoom Image
Abb. 4 NI-Testung der Abgrenzbarkeit von Stein und Schiene. 95 %-Konfidenzintervalle der einzelnen Größengruppen mit Zinnfilter, relativ zum Mittelwert ohne Zinnfilter (zentriert), die Verwerfgrenze der NI-Hypothese wird dabei in keiner Gruppe erreicht.