Aktuelle Rheumatologie 2023; 48(01): 10-12
DOI: 10.1055/a-1903-4956
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SARS-CoV-2-Durchbruchinfektionen bei immunvermittelten inflammatorischen Erkrankungen

Boekel L. et al.
Breakthrough SARS-CoV-2 infections with the delta (B.1.617.2) variant in vaccinated patients with immune-mediated inflammatory diseases using immunosuppressants: a substudy of two prospective cohort studies.

Lancet Rheumatol 2022;
4: e417-e429
DOI: 10.1016/S2665-9913(22)00102-3
 

Müssen vollständig gegen SARS-CoV-2 geimpfte Patientinnen und Patienten mit immunvermittelten inflammatorischen Erkrankungen unter einer immunsuppressiven Medikation häufiger mit Durchbruchinfektionen mit der Delta-Variante (B.1.617.2) rechnen als nicht immunsuppressiv behandelte Betroffene bzw. Gesunde? Welche Faktoren begünstigen Durchbruchinfektionen und welchen Verlauf nehmen diese? Diesen Fragen ging ein niederländisches Forscherteam nach.


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Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten die Daten zweier noch andauernder prospektiver multizentrischer Kohortenstudien aus den Niederlanden. Das Studienkollektiv umfasste 3207 Erwachsene (64% Frauen, Durchschnittsalter 53 Jahre) mit einer immunvermittelten inflammatorischen Erkrankung, die unter der Therapie mit Immunsuppressiva standen. Weitere 1807 Personen bildeten das Kontrollkollektiv: 985 (61% Frauen, Durchschnittsalter 54 Jahre) litten ebenfalls an einer immunvermittelten inflammatorischen Erkrankung, erhielten aber keine Immunsuppressiva und 822 Erwachsene (67% Frauen, Durchschnittsalter 57 Jahre) waren gesund. Alle Studienteilnehmenden hatten entweder mindestens 2 Dosen einer mRNA-Vakzine, 2 Dosen des vektorbasierten Oxford/Astra Zeneca-Impfstoffs oder eine Dosis des vektorbasierten Janssen/Johnson & Johnson-Impfstoffs erhalten oder hatten sich innerhalb von 90 Tagen vor oder nach Gabe mindestens der ersten mRNA-Vakzine mit SARS-CoV-2 infiziert. Den Studienendpunkt bildete die Inzidenz von Durchbruchinfektionen (mittels PCR- oder Antigentest bestätigte Infektion mindestens 14 Tage nach der Impfung) im Zeitraum zwischen Juli und Dezember 2021. In diesem Zeitfenster dominierte in den Niederlanden die Delta-Variante des Virus. Bei einem Teil der Personen bestimmten die Forschenden im Zuge der Studienteilnahme die humorale Impfantwort bzw. Anti-Nukleokapsid-Antikörper als Beleg für eine asymptomatische Durchbruchinfektion.

Ergebnisse

Durchbruchinfektionen traten in allen 3 Kollektiven mit einer ähnlichen kumulativen Häufigkeit auf: 4,6% der Patientinnen und Patienten mit einer immunsuppressiv behandelten immunvermittelten inflammatorischen Erkrankung, 5,3% der nicht immunsuppressiv behandelten Patientinnen und Patienten sowie 4,0% der gesunden Kontrollen erlitten eine Durchbruchinfektion. Die Anwendung von Immunsuppressiva stellte keinen signifikanten Risikofaktor für eine Durchbruchinfektion dar (adjustierte Odds Ratio 0,88; 95% KI 0,66–1,18). Eine Serokonversion nach der Impfung sowie eine SARS-CoV-2-Infektion vor der Impfung schützten dagegen vor diesem Endpunkt (Odds Ratio 0,58; 95% KI 0,34–0,98 bzw. Odds Ratio 0,34; 95% KI 0,18–0,56). Bezüglich der Infektionsschwere unterschieden sich die immunsuppressiv behandelten Personen und die Kontrollen nicht wesentlich: In der Mehrzahl der Fälle handelte es sich um asymptomatische oder leichte Verläufe. Hospitalisationen waren selten und betrafen vorwiegend Personen mit traditionellen COVID-19-Risikofaktoren wie höheres Alter oder Komorbiditäten. Auch Personen mit einer Anti-CD-20-Therapie wurden häufiger stationär behandelt, wobei diese Beobachtung angesichts der geringen Fallzahl nach Einschätzung der Arbeitsgruppe mit Vorsicht zu bewerten ist.

Fazit

Bezüglich der Häufigkeit und Schwere von Durchbruchinfektionen mit der Delta-Variante unterscheiden sich immunsuppressiv behandelte Personen mit immunvermittelten inflammatorischen Erkrankungen nicht von Betroffenen ohne Immunsuppressiva-Therapie bzw. von Gesunden, so das Fazit der Forschenden. Bei traditionellen Risikofaktoren, fehlender Serokonversion nach der Impfung sowie unter einer Anti-CD-20-Therapie raten sie dennoch zur Vorsicht.

Dr. med. Judith Lorenz, Künzell


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Publication History

Article published online:
20 February 2023

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