Ein langer Geduldsfaden

Quelle: © S. Schaaf/Thieme

In der Maier-Kolumne dieser Ausgabe finde ich mich, wie so oft, wieder (S. 68). Es gibt einfach diese Patient*innen, bei denen der therapeutische Geduldsfaden kurz vor dem Zerreißen ist.

Dazu eine kleine Geschichte aus meinem Praxisalltag: Vor kurzem habe ich einen weiteren Teil der Fortbildung zum Motivational Interviewing abgeschlossen. Ich bin begeistert von den Ansätzen und kann die gemeinsame Arbeit mit meinen Patient*innen damit wirklich auf ein anderes Level heben.

„Unconditional Regard ist ein wichtiger Grundsatz.“

„Unconditional Regard“ – bedingungsloser Respekt – ist ein wichtiger Teil in der Motivierenden Gesprächsführung. Ich habe grundsätzlich großen Respekt vor meinen Patient*innen, und wir pflegen einen sehr angenehmen Umgang. Gleichzeitig gibt es diese Tage ... da würde ich dann doch lieber einfach mal sagen, was ich gerade denke, und „Unconditional Regard“ über Bord werfen.

Zum Beispiel diese Woche, als eine Patientin zu mir sagt: „Also, jetzt komme ich schon wochenlang zu Ihnen und es wird einfach nicht besser.“ Beim letzten Mal klang das noch ganz anders. Es handelt sich also eher um den tagesaktuellen Stand. In meinem Kopf schwirrt herum: mehrere Absagen wegen Urlaub, spontaner Unlust und sonstigen wichtigen Dingen, Eigenübungen nur halbherzig gemacht, bei den Alltagsanpassungen ist noch Luft nach oben. Darf ich jetzt einfach alles hinwerfen? Mir wäre sehr danach. Dank wunderbarer Gesprächsführungstechniken erarbeiten wir gemeinsam, dass es doch deutlich besser geworden ist und einfach heute nur ein paar ungünstige Faktoren eine Rolle spielen. Und die Stimmung passt wieder – die Sitzung läuft rund.

Für diese Techniken bin ich sehr dankbar. Dankbar bin ich auch für meine verständnisvolle Kollegin im Pausenraum. Und für die Maier-Kolumne, die mir das Gefühl gibt, nicht allein mit meinen gelegentlichen Gedanken zu sein. Viel Spaß beim Lesen!

Ihre

Marisa Hoffmann

Publication History

Article published online:
18 November 2022