physiopraxis 2022; 20(11/12): 6-9
DOI: 10.1055/a-1916-3588
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Rundum reformieren – Podiumsdiskussion zur Akademisierung

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Bei der Podiumsdiskussion kamen Vertreter*innen der Berufsverbände, aus Politik und Praxis zu Wort.© melita/stock.adobe.com

Nachdem der Spitzenverband der Heilmittelverbände (SHV) Anfang August 2022 eine mögliche Reform der Berufsgesetze in Richtung Akademisierung bekannt gab, diskutierten am 7. Oktober 2022 Politiker*innen und Akteur*innen vor rund 450 Teilnehmenden aus Verbänden und der Praxis, ob für die Heilmittelerbringenden eine Teil- oder eine Vollakademisierung angestrebt werden sollte.

Das Bundesgesundheitsministerium schlägt vor, die Berufsausbildung der Masseur*innen und medizinischen Bademeister*innen zu modernisieren und Physiotherapieut*innen auf Hochschulniveau auszubilden. Die Sorge, dass der Fachkräftemangel durch eine Akademisierung verstärkt werde, hält Prof. Dr. Uta Gaidys, Mitglied des Wissenschaftsrats, für unbegründet. Man könne bei akademisierten Therapeut*innen keine Wegqualifizierung von den Patient*innen beobachten. Im Gegenteil: Andreas Pust (Vorsitzender VLL-Verband Leitender Lehrkräfte an Schulen für Physiotherapie Deutschland) weiste auf eine hohe Drop-out-Quote bei Berufsfachschulabsolventen und -absolventinnen hin.

Die Heilmittelberufe müssen attraktiver werden und Potenziale zur Weiterentwicklung bieten, um junge Menschen anzusprechen – so auch Saskia Weishaupt, Bundestagsabgeordnete für das Bündnis 90/Die Grünen. Menschen mit Realschulabschluss sollten nicht ausgeschlossen werden, sondern sollten die Möglichkeit erhalten, über einen Berufsabschluss eine Hochschulzugangsberechtigung zu erhalten.

Aus ökonomischer Sicht sei der Unterschied zwischen den Kosten einer Hochschulausbildung und der einer Ausbildung an einer Berufsfachschule unerheblich. Bei einer Vollakademisierung käme es möglicherweise zwar zu einer Verschiebung, jedoch zu keiner Neugenerierung von Kosten. Im Gegenteil, Hochschulen haben die Möglichkeit, über Drittmittel weitere Ressourcen zu generieren, so Prof. Dr. Bernhard Borgetto (Vorsitzender des HVG-Hochschulverbundes). Besorgt zeigte er sich jedoch darüber, dass bislang viele geeignete Lehrkräfte fehlen würden. Es könne nicht sein, dass Bachelorabsolvent*innen Studiengänge leiten. Er fordert daher schon jetzt mehr Masterstudiengänge und Promotionswege zu ermöglichen, um für die Zukunft gewappnet zu sein.

Saskia Weishaupt vom Bündnis 90/Die Grünen weiß, dass in einem Studium mit vielen Praxiseinsätzen häufig die Zeit fehlt, einem Nebenjob zur Finanzierung nachzugehen. Deshalb hält sie ein eltern- und altersunabhängiges BAföG für wichtig. Sie betonte, dass ein Transformationsprozess Jahrzehnte dauere und dass jede Hand gebraucht würde.

Altrechtlich Ausgebildete sollten sich laut der Teilnehmenden der Podiumsdiskussion keine Sorgen machen: Man bemühe sich darum, eine Spaltung zu verhindern und Möglichkeiten der Nachqualifikation anzubieten.

lis



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Article published online:
18 November 2022

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