Arthritis und Rheuma 2022; 42(05): 353-355
DOI: 10.1055/a-1922-5431
Verbandsnachrichten

Nachrichten der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie

Klaus Tenbrock
1   Aachen
,
Gerd Horneff
2   Sankt Augustin
,
Tatjana Welzel
3   Basel und Tübingen
,
Kirsten Minden
4   Berlin (für die ProKind-AGs CAPS/TRAPS/MKD und FMF)
› Author Affiliations
 

Aktuelles zur Initiative „Protokolle in der Kinderrheumatologie“

GBA-Forschungsvorhaben „Handlungs- und Therapie-Protokolle in der Kinderrheumatologie (ProKind-Rheuma)“

Die Initiative „Protokolle in der Kinderrheumatologie (ProKind)“ der GKJR hat es sich zum Ziel gesetzt, durch Entwicklung von Therapieprotokollen die Behandlung von kindlich-rheumatischen Erkrankungen zu standardisieren und dadurch das Outcome der Patienten zu verbessern. Dabei sollen Behandlung und Überwachung der Erkrankungen standardisiert sowie besonders effektive Behandlungsstrategien identifiziert und durch erkenntnisbasierte Anpassung der Protokolle modifiziert werden, was eine langfristige Optimierung der Versorgung ermöglicht.

Seit 2019 wird die Überprüfung der Effektivität dieser standardisierten Protokolle im Rahmen des Projektes „Pro-Kind Rheuma“ vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) gefördert. Hierzu sollen 500 neu erkrankte und damit Therapie-naive Patienten mit kindlich-rheumatischen Erkrankungen (polyartikuläre JIA, oligoartikuläre JIA, Enthesitis-assoziierte Arthritis, juvenile Psoriasisarthritis, systemische JIA [Still-Syndrom], juvenile Dermatomyositis, systemischer Lupus erythematodes) in einer multizentrischen Beobachtungsstudie erfasst und prospektiv über ein Jahr verfolgt werden.

Aktuell (Stand August 2022) wurden 480 Patienten eingeschlossen und damit das Rekrutierungsziel nahezu erfüllt. Von diesen 480 Patienten sind bereits 152 über 12 Monate dokumentiert. Die Fallzahlen zu den verschiedenen Erkrankungen finden sich in [ Tab. 1 ].

Tab. 1

Klinische Diagnosen der 480 eingeschlossenen Patienten von ProKind-Rheuma.

Diagnosen

Fallzahlen

Juvenile idiopathische Arthritis (JIA)

395

Systemische JIA

38

Oligoarthritis

182

Polyarthritis

126

Psoriasisarthritis

12

Enthesitis-assozierte Arthritis

29

Andere Arthritis

8

Systemischer Lupus erythematodes

33

Juvenile Dermatomyositis

28

Ausschluss Diagnose/Kriterien nicht erfüllt

5

Angaben zur Diagnose liegen noch nicht vor

19

Es beteiligen sich derzeit 23 kinderrheumatologische Einrichtungen aktiv an der Rekrutierung und Dokumentation der Patienten. Der Einschluss eines Patienten mit vollständiger Dokumentation von 5 Visiten über 12 Monate wird dabei mit 400 € vergütet. In einer ersten Auswertung, die Kristina Vollbach (Aachen) auf der diesjährigen Jahrestagung der GKJR vorgestellt hat, konnte gezeigt werden, dass die Protokolle zum größten Teil praktikabel und effektiv sind, d. h. das therapeutische Ziel im Sinne des Treat-to-Target-Konzeptes (t2t) wird bei einer Vielzahl von Kindern und Jugendlichen erreicht. Das Projekt läuft bis Ende Juni 2023. Zu diesem Zeitpunkt werden 90 % der Patienten über 12 Monate beobachtet worden sein und es können valide Aussagen zu den Therapieprotokollen erfolgen.

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Es gibt eine aktuelle Ausschreibung vom GBA zu themenoffenen Förderungen, die es ermöglicht, dass eine Anschlussfinanzierung für die Nachverfolgung der Patienten über 3 bis 4 Jahre beantragt werden kann. Hierzu wird derzeit ein Antrag durch die Konsortialführung vorbereitet mit dem Ziel, die Dokumentation ab Juli 2023 fortzusetzen. Bis zur Entscheidung über diese Anschlussfinanzierung bitten wir um eine weitere Rekrutierung von Patienten über die Zahl 500 hinaus. Dies liegt darin begründet, dass es immer eine Reihe von Dropouts oder unzureichenden Dokumentationen gibt. Ziel ist, mindestens 500 Patienten über einen Zeitraum von 3 bis 4 Jahren zu dokumentieren.

Erfreulicherweise wurde durch die Sabine Löw-Stiftung für Kinderrheumatologie zudem das Biosampling-Projekt von ProKind gefördert. Hier werden von neu diagnostizierten Patienten zum Beginn der Therapie sowie nach 6 Monaten und im Rezidiv Biomaterial (Serum, RNA, Plasma, lebende Zellen) gesammelt und zentral in der BMBF-Biobank der RWTH in Aachen gelagert. Diese Bioproben können für unterschiedliche Fragestellungen den Mitgliedern der GKJR zur Verfügung gestellt werden.

Neben den o. g. Diagnosen sind auch t2t-Kriterien für autoinflammatorische Erkrankungen definiert worden. Unter Federführung von Tatjana Welzel und Jasmin Kümmerle-Deschner (Tübingen) sollen diese als Modul bei ProKind-Rheuma mit eingebunden werden. Eine Finanzierung hierfür wird gesondert beantragt. Weitere Informationen sind im nachfolgenden Beitrag zu finden.

Zusammenfassend ist ProKind-Rheuma jetzt schon ein großer Erfolg der GKJR, welcher national und international Beachtung findet. Eine Fortsetzung wird angestrebt und könnte langfristig zu einer Festlegung der Protokolle als Standard für die Versorgung der Patienten mit kindlichem Rheuma führen.

Klaus Tenbrock, Aachen

Gerd Horneff, Sankt Augustin


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Erweiterung von ProKind-Rheuma um autoinflammatorische Erkrankungen (AID)

Autoinflammatorische Erkrankungen (AID) sind monogenetische und polygenetische Erkrankungen, die als einzelne Krankheitsentität selten sind, in der Summe aber einen bedeutenden Anteil der Konsultationen in der Kinderrheumatologie ausmachen. Sie zeichnen sich durch eine bedeutsame Morbidität aus und sind bei Organbefall potenziell lebensbedrohliche chronische Erkrankungen. AID werden oft bereits im Kindesalter symptomatisch. Sie entstehen durch eine fehlgeleitete Aktivierung des angeborenen Immunsystems, was zu Entzündungsreaktionen führt. Charakteristisch sind wiederkehrende Krankheitsschübe, oft begleitet von Fieber und vielfältigen anderen Symptomen. AID können negative Auswirkungen auf das Sozialleben und die psychische Gesundheit der Betroffenen und deren Familien haben, sie haben auch Folgen für die Gesellschaft. Der Weg bis zur Diagnose und damit zu einer effektiven Therapie ist für die Betroffenen oft lang.

Um die Früherkennung, Diagnostik und Behandlung dieser Erkrankungen zu verbessern, haben sich Kinderrheumatologinnen und Kinderrheumatologen in Arbeitsgruppen der Kommission ProKind der GKJR in einem strukturierten Prozess abgestimmt und Handlungsempfehlungen für ein zielgerichtetes Vorgehen entwickelt. Dabei wurden für definierte autoinflammatorische Erkrankungen Therapieziele, standardisierte regelmäßige Beurteilungen der Erkrankungsaktivität und an die jeweilige Krankheitsschwere angepasste, konsensbasierte Therapiewege vorgeschlagen.

Nun soll untersucht werden,

  • wie Kinder und Jugendliche mit AID aktuell im klinischen Alltag versorgt werden,

  • ob die Behandlung der Patient(inn)en den aktuellen, von den Arbeitsgruppen vorgeschlagenen Therapiepfaden und einem Treat-to-Target-Vorgehen folgt,

  • wie die Therapieergebnisse sind, d. h. wie es den Betroffenen und ihren Familien geht,

  • ob sich Patientencharakteristika (demografische, sozioökonomische, klinische oder genetische) identifizieren lassen, die mit dem Outcome verbunden sind?

Um diese Fragen zu beantworten, sollen etwa 250 AID-Erkrankte prospektiv über mindestens 2 Jahre standardisiert beobachtet und Informationen zur Versorgungssituation und Krankheitslast der Betroffenen und ihrer Familien gewonnen werden.

Dafür werden die etablierten Strukturen der Kerndokumentation rheumakranker Kinder und Jugendlicher (Kinder-KD) genutzt. Alle daran teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte sind hiermit herzlich eingeladen, ihre Patientinnen und Patienten mit AID in 5 klinischen Routinevisiten über ca. 24 Monate zu dokumentieren. Potenzielle Studienteilnehmende sind Kinder und Jugendliche (< 18 Jahre) mit AID (prävalent und inzident). Patientinnen und Patienten mit systemischer juveniler idiopathischer Arthritis und chronischer nicht-bakterieller Osteomyelitis sind ausgeschlossen. Daten werden standardisiert über Fragebögen von den (i) behandelnden Ärztinnen und Ärzten, (ii) den Erziehungsberechtigten und (iii) den Patientinnen und Patienten ab 12 Jahren erhoben.

Von den Ärztinnen und Ärzten werden Angaben zu den klinischen und genetischen Merkmalen (Phänotyp), den Laborwerten, der Krankheitsaktivität, den Organmanifestationen, der Therapie und dem Therapieansprechen sowie dem Krankheitsmanagement erbeten. International etablierte Diagnose-/Klassifikationskriterien und Messinstrumente werden dabei berücksichtigt. Die Erziehungsberechtigten und Jugendlichen werden u. a. zum Weg bis zur Diagnose, zu aktuellen Beschwerden, zur Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen, zu Behandlung und Zufriedenheit damit, der familiären Situation und der sozioökonomischen Belastung befragt. Um die erhobenen Daten auch in gemeinsame internationale Analysen einbringen zu können, werden die Erhebungsinstrumente u. a. mit der JIR-Kohorte abgestimmt. Zudem werden in die Fragebogenentwicklung und Ergebnisdiskussion Betroffene mit AID und Forschungspartner(innen) aktiv eingebunden.

Im geplanten Vorhaben werden Kinderrheumatologinnen und Kinderrheumatologen eng mit anderen Fachpersonen aus der pädiatrischen Rheumatologie/Autoinflammation, der Epidemiologie und Versorgungsforschung sowie mit Betroffenen und Forschungspartner(inne)n zusammenarbeiten. Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit und die im Projekt erhobenen Daten sollen Erkenntnisse liefern, wie die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit AID optimiert und damit ihre Prognose und Lebensperspektive weiter verbessert werden kann.

Die Projektidee wurde von der Deutschen Rheumastiftung im September 2022 mit dem Ideenpreis ausgezeichnet.

Dass ein Treat-to-Target-Vorgehen bei Patientinnen und Patienten mit IL-1-vermittelten AID machbar ist, konnte bereits demonstriert werden. Erste Daten wurden auf dem Rheumatologenkongress im September 2022 in Berlin vorgestellt. Die Präsentation dieser Daten wurde mit dem Wissenschaftspreis für die Pädiatrische Rheumatologie ausgezeichnet, was die Relevanz des Themas unterstreicht.

Tatjana Welzel, Basel und Tübingen

Kirsten Minden, Berlin (für die ProKind-AGs CAPS/TRAPS/MKD und FMF)

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Verantwortlich für den Inhalt

Martina Niewerth

GKJR-Geschäftsstelle, Deutsches Rheuma-Forschungszentrum, Berlin


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Kontaktadresse

Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie
Geschäftsstelle
c/o Deutsches Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ)
Programmbereich Epidemiologie
Gabriele Berg
Charitéplatz 1
10117 Berlin
Phone: 030/28 460-632   
Fax: 030/28 460-744   

Publication History

Article published online:
05 November 2022

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