intensiv 2022; 30(06): 289
DOI: 10.1055/a-1926-1239
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Tobias Weimer

Unterscheidung zwischen grobem Behandlungsfehler und grob fahrlässigem Handeln eines Arztes

Der BGH urteilte, dass zwischen einem groben ärztlichen Fehler und einem hohen Grad des Verschuldens bei der ärztlichen Heilbehandlung zu differenzieren ist. Grobe Fahrlässigkeit bedeutet eben nicht ein grober Behandlungsfehler.

Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechendes gesteigertes persönliches Verschulden. Vielmehr ist ein solcher Vorwurf nur dann gerechtfertigt, wenn eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt. Damit sind auch Umstände zu berücksichtigen, die die subjektive, personale Seite der Verantwortlichkeit betreffen. Demgegenüber kommt es für die Frage, ob ein grober Behandlungsfehler vorliegt, auf den Grad subjektiver Vorwerfbarkeit gegenüber dem Arzt gerade nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob dem Arzt ein Fehler unterlaufen ist, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. Maßgeblich ist damit nur, ob das ärztliche Verhalten eindeutig gegen gesicherte und bewährte medizinische Erkenntnisse und Erfahrungen verstößt.

BGH, Urt. v. 22.03.2022 – VI ZR 16/21



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Article published online:
07 November 2022

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