ergopraxis 2023; 16(01): 44-46
DOI: 10.1055/a-1930-2096
Perspektiven

Barrierefrei und vielfältig – Diversitätssensible Website

Lucia Clara Rocktäschel
 

Der Internetauftritt Ihrer Praxis ist nicht nur Aushängeschild, sondern zeigt potenziellen Patient*innen auch, in welchem Maß Sie vielfältige Lebensrealitäten sowie einen barrierearmen Zugang berücksichtigen. Schon mit einfachen Mitteln lässt sich die eigene Website diskriminierungssensibel und Vielfalt wertschätzend gestalten.


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Idealerweise gestalten Sie Ihre Website so, dass sich alle verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen angesprochen fühlen.Quelle: © S. Schhaf/Thieme

Hauptaufgabe einer Praxiswebsite ist es, die richtige Zielgruppe zu erreichen, sie wertschätzend anzusprechen, über Angebot und Möglichkeiten zu informieren – um sie letztlich zur Terminbuchung zu führen. Bei der Entscheidung für die passende Praxis ist es immer mehr Menschen wichtig, dass die Haltung der Dienstleistenden zu ihren Werten passt. Insbesondere Personen, die einer gesellschaftlich benachteiligten Gruppe angehören, wollen wissen, ob sie in der Praxis willkommen sind und respektvoll behandelt werden.

Zudem kann eine Website nur diejenigen erreichen, für die sie zugänglich ist. Deshalb ist auch Barrierefreiheit ein Aspekt, den es bei der Gestaltung des eigenen Onlineauftritts zu beachten gilt. Wie Websites barrierefreier werden können, ist geregelt in der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) und den von der EU verabschiedeten Web Content Accessibility Guidelines (WCAG).

Was eine diversitätssensible Website ausmacht

Vom Webhosting über Design und Bildsprache bis hin zu den Texten, Buttons und Kontaktformularen – es gibt viele Stellschrauben, an denen sich eine Website diversitätssensibler gestalten lässt. Idealerweise berücksichtigen Sie Barrierefreiheit und Vielfalt wertschätzende Kommunikation schon bei der Planung des Onlineauftritts mit. Doch keine Sorge: Auch eine bestehende Website lässt sich nachträglich optimieren.

An verschiedenen Teilbereichen können Sie entweder eigenständig oder mit Unterstützung durch Fachleute arbeiten:

  • Technische Aspekte: Diesen Part übernimmt häufig ein*e Webentwickler*in – alternativ lassen sich bei Websitebaukästen oder Content-Management-Systemen wie WordPress entsprechende Einstellungen vornehmen. Hier geht es etwa um die Wahl eines barrierefreien Themes (also einer Website-Vorlage), um Zugänglichkeit und Navigation auf der Website, Kontaktformulare und Ähnliches. Auch technische Aspekte des Webdesigns spielen mit hinein.

  • Inhaltliche Aspekte: Hier sind Maßnahmen gemeint, die im redaktionellen Alltag umgesetzt werden können, wenn beispielsweise neue Inhalte erstellt werden oder an die Website ein Blog oder Newsbereich angeschlossen ist. Kommunikation, Text- und Bildsprache, Übersichtlichkeit und Barrierefreiheit sind dabei zu beachten.

  • Haltung und Werte: Besucher*innen Ihrer Website wollen wissen, welche Haltung Sie haben und wie Sie diese umsetzen. Hier können Betreiber*innen sichtbar machen, dass die Website barrierefrei gestaltet ist, sie einen nachhaltigen Webhosting-Service nutzen oder mit spezialisierten Dienstleistenden gearbeitet haben. Auch ein Diversity-Statement kann zeigen, wofür Sie stehen.

Die folgenden Tipps sind einfach anzuwenden – auch wenn Sie sich mit Websitegestaltung nicht so gut auskennen.


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Technische Voraussetzungen

Wer eine eigene Praxiswebsite erstellen möchte, ist abhängig von den technischen Möglichkeiten der verwendeten Content-Management-Systeme oder dem Know-how der beauftragten Fachperson. Inzwischen gibt es einige Webentwickler*innen und -designer*innen, die sich auf barrierearme und diskriminierungssensible Websites spezialisiert haben. Sie sind in der Lage, auch komplexere Wünsche möglichst zugänglich für alle umzusetzen.

Wer eigenständig mit einem System wie WordPress arbeitet, kann bei der Wahl einer geeigneten Designvorlage konkret nach barrierearmen Optionen filtern. Wichtig zu bedenken ist, dass individuelle Änderungen an der Vorlage die Barrierefreiheit beeinträchtigen können. Bei aufwendigen Websites, dem Einsatz von Formularen oder Uploads wie PDF-Dateien empfiehlt es sich, fachlichen Rat einzuholen. Die technische Seite von Barrierefreiheit ist für Lai*innen oft schwer zu durchschauen.

Bereits beim Kauf von Domain und Webspace können Websitebetreiber*innen jedoch mit Blick auf Vielfalt und Nachhaltigkeit entscheiden: Achten Sie darauf, ob der gewählte Webhosting-Service Ökostrom nutzt, in welchem Land die Server stehen und welche Haltung das Unternehmen bezüglich Diversity und Inklusion vertritt.


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Farben und Schriften

Ästhetisches Design macht viel her – doch nur, wenn es Zweck und Inhalte der Website unterstützt. Der bekannte Designleitsatz „Form follows function“, geprägt vom US-amerikanischen Architekten Louis Sullivan, gilt auch im Internet. Schnörkelige Schriften, pastellige Farben und knallige Hintergründe mögen schön aussehen – doch lassen sich die Inhalte noch erfassen?

Nutzen Sie die Praxis-Website, um Ihre Werte zu transportieren.

Wichtig für Barrierefreiheit und Übersichtlichkeit für alle Besuchenden sind vor allem:

  • kontrastreiche Farben

  • klares, übersichtliches Design

  • leicht bedienbare Menüstruktur und Navigation

  • ruhige, am besten einfarbige Schrifthintergründe

  • gut lesbare Schriftarten

  • ausreichend große Schrift (mind. 12 pt)

  • Zeilenabstand von mind. 1,5

  • lieber dunkle Schrift auf hellem Hintergrund als umgekehrt

Zugunsten der Verständlichkeit und Zugänglichkeit sollten Sie auch Texte und Webunterseiten entsprechend gestalten. Absätze, Zwischenüberschriften, Bullet-Point-Listen und Fettungen machen die Seite übersichtlicher. Mit Hyperlinks hinterlegte Worte sollten sich farblich deutlich vom Rest des Textes abheben.

Achten Sie darauf, Überschriften nicht einfach durch Fettschreibung oder eine andere Schriftgröße zu markieren. Verwenden Sie stattdessen die Formatierung mit H1 bis H6. So können Personen, die Screenreader, also Sprachausgabesoftware nutzen, Texte überfliegen, indem sie sich nur die Zwischenüberschriften vorlesen lassen. Gleichzeitig ist die Website so auch für Suchmaschinen optimiert.


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Vielfalt wertschätzend kommunizieren

Ist die Website äußerlich übersichtlich und zugänglich gestaltet, darf ein Blick auf den Inhalt nicht fehlen. Hier kommt es vor allem darauf an, Websitebesucher*innen in ihren vielfältigen Lebensrealitäten abzuholen. Kategorisieren lässt sich diese gesellschaftliche Vielfalt nur schwer. Als gängig haben sich jedoch folgende Diversity-Kerndimensionen etabliert:

  • Geschlecht

  • Alter

  • sexuelle bzw. romantische Orientierung

  • ethnische Herkunft

  • Religion und Weltanschauung

  • Behinderungen und Befähigungen

  • soziale Herkunft

Versuchen Sie, in Ihren Texten bewusst verschiedene gesellschaftliche Gruppen einzuschließen. Hinterfragen Sie Stereotype und kehren Sie altbekannte Rollenzuweisungen einfach mal um. Passen Sie jedoch auf, dass Sie dabei nicht in die Klischeefalle tappen. Diskriminierende, ausschließende oder abwertende Formulierungen gegenüber marginalisierten Personengruppen sind zu vermeiden.

Auch eine gendergerechte Sprache schließt mehr Menschen ein. Verzichten Sie zudem auf schwierige Begriffe und Fachwörter – oder erklären Sie diese zumindest. Die wichtigsten Inhalte können Websitebetreiber*innen in eine Leichte-Sprache-Version übersetzen lassen, für alle, die die schwere Standardsprache nicht so gut verstehen.

Natürlich sollte die Sprache zur Zielgruppe passen. Überlegen Sie sich deshalb genau, wen Sie erreichen wollen, und entwickeln Sie einen entsprechenden Schreibstil – analog zum Corporate Design wird dieser auch als Corporate Language bezeichnet.


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Diskriminierungssensible Bildsprache

Die Bilder auf einer Website können ebenfalls ausschließend oder diskriminierend wirken. Achten Sie auf die Aussagen der Bilder: Werden überwiegend privilegierte, weiße, männliche Personen gezeigt? Oder sind vielfältige Lebensrealitäten abgebildet? Wie und in welchen Rollen werden Frauen oder Menschen mit Behinderung dargestellt? Spielen sie auch mal die Hauptrolle? Welche Farben unterstreichen auf welche Weise den Bildinhalt? Mittlerweile gibt es auch Bilddatenbanken, die gezielt diversitysensibles Material anbieten.


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Verschiedene Sinne ansprechen

Sowohl im Hinblick auf eine barrierearme Gestaltung als auch auf die verschiedenen Vorlieben und Wahrnehmungstypen der Websitebesuchenden empfiehlt es sich, möglichst viele Sinne einzubeziehen. Das gelingt durch einen guten Mix an Texten, Bildern, Animationen, audiovisuellen Medien oder Podcasts. Dabei sollte die Website nicht überladen wirken. Doch wer mit dem Leseverständnis Schwierigkeiten hat, versteht den Inhalt vielleicht besser durch eine anschauliche Videoanimation. Texte, die sehbehinderte Menschen sonst von der Maschinenstimme des Screenreaders vorgelesen bekommen, lassen sich durch Vertonung zugänglicher und attraktiver gestalten. Podcasts und Videoinhalte werden durch ein Transkript auch schwerhörigen oder gehörlosen Personen zugänglicher. Und manche*r liest einfach lieber als zuzuhören oder kann sich auf ein Video besser konzentrieren. Menschen sind unterschiedlich und bevorzugen nicht alle die gleichen Wahrnehmungskanäle.


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Alternativtexte und Untertitel

Für die barrierefreie Gestaltung Ihrer Website gibt es zwei weitere Möglichkeiten: Versehen Sie jedes Bild mit einem Alternativtext – das ist eine kurze, prägnante Beschreibung dessen, was auf dem Bild zu sehen ist. Auch Schriftgrafiken sollten in Alternativtext „übersetzt“ werden. In jedem Content-Management-System und auf den meisten Social-Media-Plattformen lässt sich ein solcher Text einfügen. Er wird Menschen vorgelesen, die einen Screenreader benutzen. Außerdem erscheint er, wenn das Bild bei schlechter Internetverbindung oder entsprechenden Einstellungen nicht lädt.

Videos mit Ton benötigen Untertitel, die alle gesprochenen Inhalte, aber auch Musik oder Geräusche wiedergeben. So verstehen auch schwerhörige und gehörlose Menschen, worum es geht. Außerdem schauen sich Nutzer*innen, die über mobile Endgeräte auf die Website gelangen, Videos oft ohne Ton an. Für den deutschen Sprachraum gibt es einheitliche Untertitelregelungen, an denen Sie sich orientieren können.


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Diversity-Statement

Indem Sie Ihre Website technisch und inhaltlich Vielfalt wertschätzend, inklusiv und diskriminierungssensibel gestalten, zeigen Sie Ihre Haltung zu Diversität bereits. Das ist auch der wichtigste Part – dem Motto „show, don’t tell“ getreu. Doch manche Besuchenden wollen es noch genauer wissen. Vielleicht möchten Sie sich auch ganz deutlich für Vielfalt und Inklusion positionieren. Dann kann ein Diversity-Statement eingesetzt werden – zum Beispiel auf der „Über uns“-Seite, als Ergänzung zur Praxisphilosophie oder auch als eigene Unterseite. Ein Diversity-Statement lässt sich folgendermaßen aufbauen:

  • Werte definieren: Wofür steht Ihre Praxis und wie ist der Bezug zu Diversität und Inklusion? Hier helfen Wertelisten aus dem Internet. Zum Diversity-Statement passen Toleranz, Offenheit, Respekt, Wertschätzung, Gerechtigkeit, Solidarität, Menschlichkeit und Ähnliches.

  • Ziele setzen: Die eigene Sensibilisierung für Diskriminierung und Diversität ist ein fortlaufender Prozess. Im Diversity-Statement können Sie Ihre nächsten Ziele aufschreiben – etwa eine barriereärmere Gestaltung, Weiterbildungen zu bestimmten Themen oder diversitätssensiblere Einstellungskriterien. Die Ziele sollten möglichst konkret und terminiert formuliert sein.

  • Maßnahmen beschreiben: In diesem Teil des Diversity-Statements werden bereits umgesetzte, gestartete und geplante Maßnahmen aufgeführt. Ehrlichkeit und Transparenz sind hier essenziell. Websitebesucher*innen merken schnell, wenn Sie ein Thema nur oberflächlich und aus Imagegründen angehen, Sie also sogenanntes Diversity-Washing betreiben.

Sprechen Sie bei der Websitegestaltung möglichst viele Sinne an.


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Tipps und Tools

Zum Schluss noch einige Tipps und Tools, die bei der Websiteerstellung, und im Redaktionsalltag nützlich sind:

  • Nutzen Sie Checklisten und Sprachleitfäden aus dem Internet, um Ihre Inhalte Vielfalt wertschätzend zu gestalten.

  • Mithilfe von Onlinetools können Sie Farbkombinationen hinsichtlich des Kontrasts und der Eignung für Menschen mit Farbenblindheit testen.

  • Lassen Sie sich Ihre Website mit der browserinternen Sprachausgabesoftware vorlesen. So bekommen Sie ein Gefühl dafür, ob Inhalte, Bilder und Navigationsschaltflächen ausreichend beschrieben sind.

  • Nutzen Sie die Diktierfunktion von Smartphone oder PC, um gesprochene Inhalte in Text umzuwandeln, der sich zu Untertiteln oder Transkripten weiterverarbeiten lässt.

  • Arbeiten Sie mit Dienstleistenden zusammen, die sich auf eine barrierearme, diskriminierungsfreie und diversitätssensible Gestaltung von Websites, Fotos, audiovisuellen Inhalten, Texten und Weiteres spezialisiert haben.

Auch wenn die Zeit und Ressourcen für eine diversitätssensible Website begrenzt sind, können kleine Änderungen schon viel bewirken. Alternativtexte für Bilder oder gendergerechte Formulierungen werden zum Beispiel schnell zur Routine. Und irgendwann müssen Sie gar nicht mehr drüber nachdenken!

Lucia Clara Rocktäschel


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Autorin

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Lucia Clara Rocktäschel ist Texterin und Diversity-Trainerin. Seit 2018 selbstständig begleitet sie ihre Kund*innen auf dem Weg zu einer Vielfalt wertschätzenden Kommunikation – mit Texten, Training und Beratung. Geschlechtergerechte Sprache ist eines ihrer Fokusthemen. 2021 erschien dazu ihr Buch „Richtig gendern für Dummies“.

Publication History

Article published online:
03 January 2023

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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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Lucia Clara Rocktäschel ist Texterin und Diversity-Trainerin. Seit 2018 selbstständig begleitet sie ihre Kund*innen auf dem Weg zu einer Vielfalt wertschätzenden Kommunikation – mit Texten, Training und Beratung. Geschlechtergerechte Sprache ist eines ihrer Fokusthemen. 2021 erschien dazu ihr Buch „Richtig gendern für Dummies“.
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Idealerweise gestalten Sie Ihre Website so, dass sich alle verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen angesprochen fühlen.Quelle: © S. Schhaf/Thieme