Geriatrie up2date 2022; 04(04): 277-296
DOI: 10.1055/a-1935-2166
Varia

Alterstraumatologische Akutbehandlung

1   Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
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Lukas Heykendorf
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Klaus Schumm
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Jochen Brich
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Hans-Jörg Busch
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Hagen Schmal
› Author Affiliations

Der Sturz im Alter gewinnt nicht zuletzt aufgrund des demografischen Wandels auch in der Akut- und Notfallmedizin an Bedeutung. Durch physiologische Gegebenheiten und Komorbiditäten hat bereits die Initialbehandlung starke Auswirkungen auf den kurzfristigen, aber auch auf den langfristigen Krankheitsverlauf. In diesem Artikel soll die Akutbehandlung des betagten Traumapatienten näher beleuchtet werden, um die Versorgung dieser vulnerablen Patientengruppe zu verbessern.

Kernaussagen
  • Der Anteil an geriatrischen Patienten im Allgemeinen und auch an geriatrischen Traumapatienten in der Akutmedizin nimmt stetig zu.

  • Der geriatrische Patient definiert sich nicht durch das kalendarische Alter allein, sondern zeichnet sich durch ein Zusammenspiel physiologischer Alterungsprozesse mit Komorbiditäten, Medikamentengebrauch und Verlust der Selbstständigkeit aus. Durch Veränderungen der Organsysteme kommt es bei älteren Patienten oft zu Komorbiditäten, von denen Hypertonie und kardiale Erkrankungen den größten Anteil ausmachen.

  • Polypharmazie beim geriatrischen Patienten stellt eine Herausforderung für den behandelnden Arzt in der Akutmedizin dar. Durch den veränderten Stoffwechsel wirken Medikamente oft länger und/oder intensiver als beim jüngeren Patienten.

  • Man unterscheidet zwischen extrinsischen und intrinsischen Sturzursachen, wobei oft ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren zum Sturz führt.

  • Auch beim geriatrischen Patienten empfiehlt sich eine strukturierte Erstuntersuchung nach dem cABCDE-Schema, wobei sowohl die Beurteilbarkeit der Vigilanz als auch die Anamneseerhebung durch vorbestehende neurologische Beeinträchtigungen deutlich erschwert sein können.

  • Das Verletzungsausmaß wird beim geriatrischen Patienten statistisch eher unterschätzt, und auch bei relevanten Verletzungen wird ausreichende Analgesie häufig vernachlässigt.

  • Eine vorbestehende Antikoagulation kann auch nach Bagatelltrauma zu lebensbedrohlichen Blutungen oder zu Hirndrucksymptomatik im Rahmen eines Schädel-Hirn-Traumas führen.

  • Hüftgelenknahe Frakturen gehen laut neueren Studien mit einer Auftretenswahrscheinlichkeit eines postoperativen Delirs von 50% einher. Hierbei handelt es sich nicht um einen selbstlimitierenden Zustand, sondern um einen echten, mortalitätssteigernden Notfall. Eine rasche Remobilisierung der Patienten durch adäquate Therapie hat somit einen hohen Stellenwert.

  • Einfache Gelenkluxationen sind bei Patienten mit osteoporotischer Knochenqualität deutlich seltener als Luxationsfrakturen. Daher müssen Repositionsmanöver bei gebrechlichen Patienten schonend durchgeführt werden, um keine Verschlimmerung der Verletzung zu verursachen. Monitoring und Dokumentation von peripherer Durchblutung, Motorik und Sensibilität sind obligat.

  • Aufgrund vorbestehender degenerativer Veränderungen können Bagatelltraumata der Wirbelsäule neurologische Einschränkungen zur Folge haben, was im Extremfall zum neurogenen Schock bis hin zum Herz-Kreislauf-Stillstand führen kann.



Publication History

Article published online:
21 November 2022

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