Key words breast carcinoma - neoadjuvant chemotherapy - AXSANA - targeted axillary dissection
- target lymph nodes
Schlüsselwörter Mammakarzinom - neoadjuvante Chemotherapie - AXSANA - Targeted Axillary Dissection
- Target‑Lymphknoten
Einleitung
In Deutschland wird eine Chemotherapie beim Mammakarzinom, die aufgrund der Tumorbiologie
und des Tumorstadiums indiziert ist, zunehmend als neoadjuvante Therapie durchgeführt
[1 ]. Welche axilläre Operation nach neoadjuvanter Chemotherapie (NACT) empfohlen wird,
hängt dabei vom initialen axillären Lymphknotenstatus ab. Bei Frauen mit initial unauffälligem
Lymphknotenstatus (cN0) entsprechen die Detektionsraten (DR) und Falsch-Negativ-Raten
(FNR) der Sentinel-Lymphknoten-Biopsie (SLNB) nach einer NACT den Erfolgsraten bei
primär operierten PatientInnen (DR > 90 %, FNR < 10 %) [2 ]. Daher wird bei diesen PatientInnen die SLNB als axilläres Stagingverfahren sowohl
in der aktuellen deutschen S3-Leitlinie [3 ] als auch von der Kommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie
e. V. (AGO) [4 ] empfohlen.
In der PatientInnengruppe mit initial klinisch suspekten axillären Lymphknoten (cN+)
wurden in einer aktuellen Metaanalyse eine DR von lediglich 89 % und eine FNR von
17 % für die SLNB ermittelt [5 ]. Da die Detektierbarkeit des Sentinel-Lymphknotens (SLN) eingeschränkt ist und die
FNR deutlich über dem allgemein akzeptierten Cut-off von 10 % liegt, wird die SLNB
als alleinige axilläre Stagingmethode in Deutschland für diese PatientInnen derzeit
nicht empfohlen [3 ]
[4 ]. Wird zusätzlich zum SLN ein initial suspekter axillärer Lymphknoten, der sogenannte
Target-Lymphknoten (TLN), entfernt, sinkt die FNR auf 2–4 % [6 ]
[7 ]
[8 ]. Die Kombination aus SLNB und Target Lymph Node Biopsy (TLNB) wird als Targeted
Axillary Dissection (TAD) bezeichnet und wurde erstmals 2016 von Caudle et al. beschrieben
[6 ]. Durch die TAD könnte bei den bis zu 60 % der PatientInnen, die trotz initialer
Lymphknotenmetastasierung nach NACT keine Tumorzellen mehr in den Lymphknoten aufweisen
[9 ], die radikalere axilläre Lymphonodektomie (ALND) vermieden werden.
Um den TLN im Rahmen der TAD gezielt entfernen zu können, muss dieser vor der NACT
markiert werden. Hierzu werden verschiedene Marker in klinischen Studien untersucht.
Nicht alle der verfügbaren Marker sind dabei für die Lokalisation von axillären Lymphknoten
in Deutschland zugelassen. Die AGO empfiehlt die Markierung des TLN vor NACTseit 2016
[10 ] und stuft die TAD seit 2019 für PatientInnen mit axillärem Ansprechen nach NACT
(ycN0) als gleichwertige Alternative zur ALND ein [11 ]. Bleiben die Lymphknoten auch nach NACT klinisch suspekt (ycN+) oder sind trotz
ycN0 histologisch noch Lymphknotenmetastasen nachweisbar, empfiehlt die AGO die ALND
[4 ]. In der 2021 aktualisierten S3-Leitlinie wird die ALND unabhängig vom axillären
Ansprechen auf die NACT empfohlen und die TAD als mögliche Option noch nicht erwähnt
[3 ].
Da bisher keine prospektiven Daten zu den verschiedenen axillären Operationsverfahren
(SLNB, TLNB, TAD, ALND) in Bezug auf das onkologische Outcome, Komplikationen und
Lebensqualität verfügbar sind, wurde die AXSANA-Studie als prospektive, internationale
nicht interventionelle Registerstudie initiiert, um das optimale operative axilläre
Stagingverfahren für neoadjuvant behandelte PatientInnen mit initial positivem Nodalstatus
zu ermitteln. Mit der Rekrutierung an deutschen Studienzentren wurde im Juni 2020
begonnen.
Bisher liegen keine prospektiven Daten über das axilläre Management initial nodal
positiver MammakarzinompatientInnen nach NACT im klinischen Alltag in Deutschland
vor. Daher sollen in dieser Arbeit nach 21 Monaten AXSANA-Rekrutierung neben der Charakterisierung
des PatientInnenkollektivs die Häufigkeit und Art der Markierung des TLN beschrieben
werden und das axilläre operative Vorgehen abhängig von der klinischen und pathologischen
Beurteilung des Nodalstatus nach NACT an den deutschen Studienzentren dargestellt
werden.
Material und Methoden
AXSANA-Studie
Die AXSANA-Studie ist eine prospektive, internationale Registerstudie (NCT04373655;
axsana.eubreast.com ). Sie wurde von der Studiengruppe EUBREAST (European Breast Cancer Research Association
of Surgical Trialists) initiiert. Die 3 primären Studienziele sind:
invasives krankheitsfreies Überleben,
axilläre Rezidivrate und
Lebensqualität und Armmorbidität
in Abhängigkeit von der axillären Operationstechnik (SLNB, TLNB, TAD, ALND) bei PatientInnen
mit initial nodal positivem Mammakarzinom und klinischer Konversion zu ycN0 nach NACT
[12 ].
Da die AXSANA-Studie eine nicht interventionelle Registerstudie ist, sollte die Studienteilnahme
keinen Einfluss auf die Therapie der PatientInnen haben, sondern diese nach institutionellen
und nationalen Standards durchgeführt werden. Die Markierung des TLN vor NACT ist
keine Voraussetzung für eine Studienteilnahme ([Abb. 1 ]). Alle zur Verfügung stehenden Markierungs- und Lokalisationstechniken für den TLN
sind erlaubt, die Anzahl der markierten TLN ist nicht begrenzt. Die Ein- und Ausschlusskriterien
für die AXSANA-Studie sind in [Tab. 1 ] zusammengefasst. Ziel ist die internationale, multizentrische Rekrutierung von insgesamt
3000 PatientInnen. Die Auswertung der primären Studienziele ist für 2030 geplant [13 ]. Derzeit sind 28 Länder an der AXSANA-Studie beteiligt. Ziel der aktuellen Arbeit
ist ausdrücklich nicht die Auswertung der primären und sekundären Studienziele.
Abb. 1 Studiendesign AXSANA.
Tab. 1
Ein- und Ausschlusskriterien AXSANA-Studie laut Protokoll Version 5.1.
Einschlusskriterien
Ausschlusskriterien
schriftliche Einwilligungserklärung
stanzbioptisch gesichertes primäres invasives Mammakarzinom
cN+ (gesichertmittels Stanzbiopsie/FNA oder Vorhandensein von bildgebend hochsuspekten
axillären Lymphknoten)
Ist eineminimalinvasive Biopsie des/der axillären Lymphknoten(s) erfolgt und erbrachte
ein negatives oder unklares Ergebnis, ist Studienteilnahme möglich, wenn der Lymphknotenstatus
in der finalen Bildgebung-Pathologie-Korrelation als cN+ eingestuft wird.
cT1-cT4
geplante neoadjuvante Systemtherapie
weibliche/männliche Patienten im Alter von ≥ 18 Jahren
fernmetastasiertes Mammakarzinom
lokoregionäres Rezidiv
inflammatorisches Mammakarzinom
extramammäres Mammakarzinom
bilaterales Mammakarzinom
invasives Mammakarzinom, DCIS oder ein invasives Malignomin der Eigenanamnese
nachgewiesene oder vermutete supraklavikuläre Lymphknotenmetastasierung
nachgewiesene oder vermutete parasternale Lymphknotenmetastasierung
axilläre Operation vor der NACT (z. B. SLNB oder Lymphknotensampling)
Schwangerschaft zum Zeitpunkt der Studienaufnahme
weniger als 4 Zyklen der NACT appliziert
fehlende Operationsfähigkeit
PatientInnenkollektiv
In der vorliegenden Arbeit wurden die Ergebnisse aller PatientInnen zusammengefasst,
die an deutschen Studienzentren vom 20. Juni 2020 bis zum 20. März 2022 in die AXSANA-Studie
eingeschlossen wurden. Alle Daten wurden online durch die Studienzentren dokumentiert
und anschließend über ein Remote-Monitoring überprüft. In die aktuelle Analyse gingen
ausschließlich Daten ein, die nach dem Remote-Monitoring als vollständig und plausibel
bewertet wurden. Da bis zum 20. März 2022 noch nicht alle rekrutierten PatientInnen
die NACT abgeschlossen hatten bzw. operiert waren, standen für die Auswertung der
Fragestellungen „Charakterisierung des Studienkollektivs“ und „Markierungstechniken
des TLN vor NACT“ 665 Datensätze (Gesamtkohorte Deutschland) und für das operative
Vorgehen und die Beurteilung des axillären Lymphknotenstatus nach NACT 313 (Teilkohorte
OP+) Datensätze zur Verfügung ([Abb. 2 ]).
Abb. 2 Flussdiagramm AXSANA-Rekrutierungsstand 20.03.2022 und aktuelle Studienkohorten.
Statistische Datenanalyse
Die Dokumentation durch die Studienzentren erfolgte im eCRF-Dokumentationssystem der
AXSANA-Studie unter Verwendung der REDCap-Software (Department of Biomedical Informatics,
Vanderbilt University, Nashville, TN, USA). Die statistische Auswertung erfolgte mit
der SAS Software (SAS Institute, Cary, NC, USA). Für die deskriptive Analyse mit dem
Ziel, das Studienkollektiv und die Markierungstechniken des TLN zu charakterisieren
sowie das axilläre Management nach NACT abhängig vom klinischen und pathologischen
Lymphknotenstatus auszuwerten, erfolgte die Angabe von absoluten und relativen Häufigkeiten
für qualitative und von Mittelwerten ± Standardabweichungen (SD) für quantitative
Parameter. Die diagnostische Aussagekraft von Palpation und Sonografie bezüglich des
axillären Lymphknotenstatus nach NACT wurde mittels Sensitivität, Spezifität, positivem
prädiktivem Wert (PPV), negativem prädiktivem Wert (NPV) und Anteil korrekt klassifizierter
Fälle (Genauigkeit) angegeben.
Ergebnisse
Charakterisierung PatientInnenkollektiv
Im Untersuchungszeitraum wurden insgesamt 1763 PatientInnen in die AXSANA-Studie eingeschlossen,
davon 1135 (64,4 %) in Deutschland ([Abb. 2 ]) an 143 Studienzentren (darunter 13 Universitätskliniken) (Zusatzmaterial, online).
An 39 dieser Studienzentren konnten > 10 PatientInnen rekrutiert werden. Abschließend
geprüfte Daten zu den Charakteristika der rekrutierten deutschen StudienteilnehmerInnen
lagen für 665 PatientInnen vor. Von diesen waren 660 (99,2 %) weiblich, 5 (0,8 %)
männlich. Die klinisch-pathologischen Parameter sowohl für die Gesamtkohorte Deutschland
als auch für die Teilkohorten mit (OP+, n = 313) und ohne (OP−, n = 352) abgeschlossene
OP-Dokumentation nach NACT sind in [Tab. 2 ] dargestellt. Die Verteilung der einzelnen Charakteristika in den Teilkohorten stimmen
weitgehend mit denen der Gesamtkohorte überein.
Tab. 2
Klinisch-pathologische Tumorcharakteristika für die Teilkohorten mit (OP+) und ohne
(OP−) OP-Daten nach NACT und die Gesamtkohorte Deutschland vor NACT.
Parameter
Subkohorte OP+
Subkohorte OP−
Gesamtkohorte
Anzahl PatientInnen, n (%)
313 (47,1)
352 (52,9)
665 (100)
mittleres Alter, Jahre (± SD)
52,7 (± 11,8)
51,9 (± 11,1)
52,3 (± 11,5)
mittlerer BMI, kg/m2 (± SD)
26,4 (± 5,5)
27,3 (± 8,6)
26,9 (± 7,3)
cT-Stadiumvor NACT, n (%)
80 (25,6)
186 (59,4)
35 (11,2)
12 (3,8)
97 (27,6)
213 (60,5)
37 (10,5)
5 (1,4)
177 (26,6)
399 (60,0)
72 (10,8)
17 (2,6)
Anzahl suspekter LK vor NACT, n (%)
243 (77,6)
67 (21,4)
3 (1,0)
275 (78,1)
77 (21,9)
0 (0)
518 (77,9)
144 (21,7)
3 (0,4)
Tumortyp, n (%)
290 (92,6)
11 (3,5)
3 (1,0)
9 (2,9)
0 (0)
317 (90,0)
18 (5,1)
3 (0,9)
13 (3,7)
1 (0,3)
607 (91,3)
29 (4,4)
6 (0,9)
22 (3,3)
1 (0,1)
Grading, n (%)
5 (1,6)
115 (36,8)
192 (61,3)
1 (0,3)
8 (2,3)
133 (37,8)
211 (59,9)
0 (0)
13 (1,9)
248 (37,3)
403 (60,6)
1 (0,2)
Tumorbiologie, n(%)
HR+/HER2−
HR+/HER2 +
HR−/HER2 +
HR−/HER2−
135 (43,1)
71 (22,7)
48 (15,3)
59 (18,9)
174 (49,4)
74 (21,0)
40 (11,4)
64 (18,2)
309 (46,5)
145 (21,8)
88 (13,2)
123 (18,5)
Multizentrizität, n (%)
58 (18,5)
255 (81,5)
54 (15,3)
298 (84,7)
112 (16,8)
553 (83,2)
OP = Operation; SD = Standardabweichung; BMI = Body-Mass-Index; NACT = neoadjuvante
Chemotherapie; LK = Lymphknoten; HR = Hormonrezeptor; HER2 = Human epidermal Growth
Factor Receptor 2.
Minimalinvasive Biopsie und Markierung des TLN vor NACT (Gesamtkohorte Deutschland
vor NACT)
Eine minimalinvasive Biopsie von klinisch suspekten Lymphknoten vor der NACT wurde
in 619 von 665 Fällen (93,1 %) durchgeführt, 546-mal (88,2 %) in Form einer Stanzbiopsie
und 73-mal (11,8 %) als Feinnadelaspiration. In 600 Fällen (96,9 %) wurde hierdurch
der Verdacht auf eine Lymphknotenmetastasierung bestätigt. Die Teilnahme an der Studie
ist allerdings auch bei negativer oder unklarer Histologie/Zytologie, aber bildgebend
hochgradigem Verdacht auf Vorliegen einer Lymphknotenmetastasierung möglich, vorausgesetzt
der Lymphknotenstatus wird interdisziplinär als cN+ eingestuft. Bei 581 PatientInnen
(93,9 %) wurde 1 Lymphknoten, bei 38 PatientInnen (6,1 %) mehr als 1 Lymphknoten punktiert.
In 428 von 665 Fällen (64,4 %) wurden suspekte axilläre Lymphknoten vor der NACT markiert.
Dies erfolgte zu 83,2 % mit Metallclips/-coils (n = 356) ([Tab. 3 ]), davon 5-mal (1,2 %) in Kombination mit einer Kohlenstoffmarkierung. Bei 8,2 %
der StudienteilnehmerInnen (n = 35) wurden magnetische Seeds und bei 7,7 % (n = 33)
die alleinige Kohlenstofftätowierung verwendet. In 4 Fällen (0,9 %) wurde ein Radarmarker
eingesetzt, radioaktive Seeds und Radiofrequenzsysteme wurden nicht genutzt. Bei 398
von 428 Fällen (93,0 %) mit Markierung wurde 1 suspekter Lymphknoten markiert, in
28 Fällen (6,5 %) 2 und bei 2 PatientInnen (0,5 %) 3 oder mehr Lymphknoten. Die Lymphknotenmarkierung
erfolgte in 234 Fällen (54,7 %) erst nach Vorliegen des Ergebnisses der minimalinvasiven
Biopsie. Die mittlere Größe des markierten Lymphknotens war 18,6 ± 9,2 mm.
Tab. 3
Verwendete Marker zur Markierung suspekter axillärer Lymphknoten vor NACT.
Marker
Anzahl PatientInnen (%)
Metallclip/-coil
356 (83,2)
davon:
Tumark Vision (Somatex)
BIP‑O-Twist-Marker (BIP Biomed. Instrumente & Produkte GmbH)
HydroMark (Mammotome)
Tumark Professional (Somatex)
KliniMark Clip (KLINIKAMedical GmbH)
UltraClipII (Bard)
andere
130
110
54
23
19
5
15
magnetischer Seed
35 (8,2)
Kohlenstoffsuspension
33 (7,7)
Radarmarker
4 (0,9)
gesamt
428 (100)
NACT = neoadjuvante Chemotherapie.
Beurteilung des ycN-Status und geplantes axilläres Staging nach NACT (Teilkohorte
OP+)
Eine klinische Konversion des axillären Lymphknotenstatus zu ycN0 (basierend auf Palpation
und Sonografie nach NACT) wurde für 203 der 313 StudienteilnehmerInnen (64,9 %) mit
dokumentiert, während bei 109 PatientInnen (34,8 %) weiterhin klinisch suspekte axilläre
Lymphknoten nach NACT beschrieben wurden. In 149 Fällen (47,6 %) wurde eine TAD geplant,
in 151 Fällen (48,2 %) eine ALND. Eine alleinige SLNB wurde in 7 Fällen (2,2 %) geplant,
eine alleinige TLNB in 2 Fällen (0,7 %). Die Art der geplanten Operation in Abhängigkeit
vom klinischen Nodalstatus nach NACT ist in [Tab. 4 ] aufgeführt.
Tab. 4
Geplante axilläre Operation nach NACT abhängig vom ycN-Status (Subkohorte OP+, n = 313).
geplante Operation
Anzahl ycN+ (%)
Anzahl ycN0 (%)
Anzahl keine Angabe ycN (%)
Anzahl gesamt (%)
ALND
76 (69,7)
75 (36,9)
0 (0)
151 (48,2)
SLNB
2 (1,8)
5 (2,5)
0 (0)
7 (2,2)
TLNB
1 (1,0)
1 (0,5)
0 (0)
2 (0,7)
TAD
28 (25,7)
120 (59,1)
1 (100)
149 (47,6)
andere
2 (1,8)
2 (1,0)
0 (0)
4 (1,3)
gesamt
109 (100,0)
203 (100,0)
1 (100)
313 (100)
ALND = axilläre Lymphonodektomie; SLNB = Sentinel Lymph Node Biopsy; TLNB = Target
Lymph Node Biopsy; TAD = Targeted Axillary Dissection.
Bei den 243 PatientInnen mit initial maximal 1–3 suspekten Lymphknoten wurde in 52,3 %
der Fälle eine TAD und in 44,9 % der Fälle eine ALND geplant. Waren initial mehr als
3 Lymphknoten (n = 67) suspekt, wurde bei 62,7 % der StudienteilnehmerInnen eine ALND
und bei 28,4 % eine TAD geplant.
ypN-Status und axilläres Staging nach NACT (Teilkohorte OP+)
Bei 55,0 % (n = 172 von 313) der PatientInnen waren keine axillären Lymphknotenmetastasen
mehr nachweisbar (ypN0). In 140 Fällen (44,7 %) wurden histologisch noch Tumorzellen
in den axillären Lymphknoten detektiert. Ausschließlich Mikrometastasen lagen bei
14 von 313 PatientInnen (4,5 %) vor, Makrometastasen bei 126 von 313 PatientInnen
(40,2 %). In 1 Fall (0,3 %) war keine Bestimmung des ypN-Status möglich, da im TAD-Präparat
histologisch keine Lymphknoten nachweisbar waren und keine weitere axilläre Operation
durchgeführt wurde. War kein Tumorrest mehr in der Brust nachweisbar (n = 138), so
lag der Anteil an ypN0-PatientInnen bei 88,4 % (n = 122). Die Korrelation zwischen
klinischem Lymphknotenstatus ermittelt anhand von Palpation und Bildgebung und pathologischem
Lymphknotenstatus nach NACT ist in [Tab. 5 ] dargestellt. Eine Diskrepanz (ycN0/ypN+ oder ycN+/ypN0) lag bei 97 von 313 PatientInnen
(31,0 %) vor.
Tab. 5
Korrelation zwischen klinischem und pathologischem Lymphknotenstatus nach NACT (Subkohorte
OP+, n = 313).
LK-Status nach NACT
Anzahl ypN0 (%)
Anzahl ypN+ (%)
Anzahl keine Angabe ypN (%)
Anzahl gesamt (%)
ycN0
138 (68,0)
64 (31,5)
1 (0,5)
203 (100)
ycN+
33 (30,3)
76 (69,7)
0 (0)
109 (100)
ycN keine Angabe
1 (100)
0 (0)
0 (0)
1 (100)
NACT = neoadjuvante Chemotherapie; LK = Lymphknoten.
Für die Palpation nach NACT zur Dignitätseinschätzung der axillären Lymphknoten wurden
eine Sensitivität von 27,9 % (95 %-KI 20,4–35,3 %), eine Spezifität von 95,4 % (95 %-KI
92,3–98,5 %), ein PPV von 83,0 % (95 %-KI 72,2–93,7 %), ein NPV von 62,0 % (95 %-KI
56,2–67,9 %) und eine Genauigkeit von 65,2 % (95 %-KI 59,6–70,5 %) ermittelt. Für
die Prädiktion des histologischen Nodalstatus nach NACT durch die Axillasonografie
wurden eine Sensitivität von 52,8 % (95 %-KI 44,1–61,6 %), eine Spezifität von 81,1 %
(95 %-KI 75,1–87,2 %), ein PPV von 68,8 % (95 %-KI 59,5–78,0 %), ein NPV von 68,6 %
(95 %-KI 62,0–75,3 %) und eine Genauigkeit von 68,7 % (95 %-KI 62,9–74,0 %) ermittelt.
Bei der retrospektiven Auswertung des operativen Vorgehens in Abhängigkeit vom endgültigen
histologischen Nodalstatus wurde eine ALND bei 50,6 % (87 von 172) der PatientInnen
mit einem ypN0-Status durchgeführt und bei 87,9 % (123 von 140 Fällen) der PatientInnen
mit ypN+-Status. In 17 Fällen (12,9 %) wurde trotz ypN+ keine ALND durchgeführt, wobei
bei 9 dieser 17 PatientInnen (52,9 %) eine Bestrahlung der Axilla geplant wurde.
Diskussion
Die vorliegende Arbeit präsentiert erstmals prospektiv erhobene Daten zur Durchführung
des axillären Stagings nach NACT bei MammakarzinompatientInnen mit initial suspekten
axillären Lymphknoten an einem deutschen Studienkollektiv. Innerhalb der ersten 21
Monate konnten allein in Deutschland mehr als ein Drittel der geplanten 3000 AXSANA-StudienteilnehmerInnen
rekrutiert werden. Die Rekrutierung außerhalb Deutschlands hat im Januar 2021 begonnen,
sodass das Erreichen des geplanten Rekrutierungszieles bis Ende 2025 realistisch erscheint
[13 ].
Die hier präsentierten Daten deutscher StudienteilnehmerInnen belegen, dass die ALND
und die TAD im klinischen Alltag entsprechend der Empfehlung der AGO die favorisierten
Operationsverfahren in Deutschland sind. Mehr als ein Fünftel der PatientInnen hatte
initial mehr als 3 suspekte axilläre Lymphknoten. In den bisher publizierten Machbarkeitsstudien
zur TAD ist die Gesamtzahl an PatientInnen mit höherer axillärer Tumorlast eher gering.
In der SenTa-Studie, der mit 473 Fällen bisher größten prospektiven Multicenterstudie
zur TAD nach NACT, lag der Anteil an PatientInnen mit mindestens 3 suspekten Lymphknoten
vor NACT bei 28,8 % (n = 136). Dabei konnte der TLN nach initialer Clipmarkierung
im Vergleich zur Gruppe mit initial weniger als 3 suspekten Lymphknoten signifikant
seltener erfolgreich entfernt werden. Eine FNR wurde für diese Subgruppe nicht angegeben
[7 ]. Auch in die Studie von Caudle et al., in welcher der TLN präoperativ zusätzlich
mit einem radioaktiven Jodseed markiert wurde, waren mit n = 58 (28 %) PatientInnen
mit mindestens 3 suspekten Lymphknoten eingeschlossen worden [6 ]. In den niederländischen Studien mit ausschließlicher Jodseedmarkierung des TLN,
was in Deutschland strahlenschutzrechtlich nicht erlaubt ist, war diese PatientInnengruppe
ebenfalls zugelassen. Bei Donker et al. betrug die Anzahl n = 41 (40 %) [14 ]. Für die auf dem San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) 2020 präsentierte RISAS-Studie
mit insgesamt 227 Fällen liegen bisher keine Daten zu DR oder FNR in dieser Subgruppe
vor [8 ]. Allein an den deutschen AXSANA-Studienzentren konnten für den Auswertungszeitraum
von 21 Monaten bereits 144 PatientInnen mit mehr als 3 suspekten Lymphknoten in die
Studie eingebracht werden. In diesen Fällen wurde mit 62,7 % häufiger als in der Gruppe
mit initial 1–3 suspekten Lymphknoten (44,9 %) eine ALND geplant, zu 28,4 % jedoch
eine TAD. Aufgrund der hohen TeilnehmerInnenzahl wird die AXSANA-Studie für PatientInnen
mit hoher initialer axillärer Tumorlast daher die dringend benötigten Daten sowohl
zur Detektion als auch zur onkologischen Sicherheit (Rezidivraten) nach alleiniger
TAD generieren.
Ob das klinische Ansprechen der axillären Lymphknoten nach NACT wie von der AGO empfohlen
[4 ] ausschlaggebend für die Entscheidung für oder gegen eine operative Deeskalation
sein sollte, ist aufgrund der hier präsentierten Daten kritisch zu diskutieren. Bei
31,0 % der PatientInnen konnte eine Diskrepanz zwischen der klinischen Einschätzung
und dem endgültigen histologischen Lymphknotenstatus beobachtet werden. Bei annähernd
jeder 3. StudienteilnehmerIn wurden trotz ycN0 histopathologisch Lymphknotenmetastasen
nachgewiesen oder aber eine axilläre pathologische Komplettremission erreicht, obwohl
die Lymphknoten klinisch als suspekt eingeschätzt wurden. Die Sensitivität der Axillasonografie
in unserem Kollektiv lag mit 52,8 % niedriger als in einer kürzlich publizierten Metaanalyse
mit 65 % [15 ]. Durch die Sonografie konnte lediglich bei zwei Drittel der StudienteilnehmerInnen
der pathologische Lymphknotenstatus korrekt eingeschätzt werden und damit nicht häufiger
als mit der Palpation. Dies deckt sich mit bisher publizierten Studien [16 ].
Die alleinige SLNB wird bei initial nodal positivem Mammakarzinom aufgrund der in
prospektiven, multizentrischen Studien nachgewiesenen FNR von > 10 % [17 ]
[18 ] weder von der AGO [4 ]
[19 ] noch in der aktuellen S3-Leitlinie [3 ] nach NACT als axilläre Stagingmethode empfohlen und wurde auch an den deutschen
AXSANA-Studienzentren nur bei 2,2 % der PatientInnen geplant. Im Gegensatz dazu wird
in mehreren internationalen Leitlinien die alleinige SLNB und nicht die TAD oder ALND
als Standard empfohlen, wenn mehr als 2 SLN entfernt wurden und/oder eine Markierung
mit Farbstoff und Technetium erfolgt ist [20 ]. Jedoch sollte bei der Planung einer alleinigen SLNB bedacht werden, dass der Anteil
an PatientInnen, bei denen mindestens 3 SLN nach NACT detektierbar sind, in der multizentrischen
deutschen SENTINA Studie bei lediglich 34 % lag [17 ].
Mit dem Ziel, nach NACT eine TLNB oder TAD durchzuführen, wurde bei 64,4 % der deutschen
AXSANA-PatientInnen der TLN markiert. Dies erfolgte in der überwiegenden Mehrzahl
der Fälle (83,4 %) mit einem Metallclip. Im Gegensatz zur SenTa-Studie, in welcher
zu 71 % der Tumark Vision Clip verwendet wurde [7 ], wurden in der AXSANA-Studie in 63,5 % der Fälle andere Clips platziert. Durch die
genaue Dokumentation der verwendeten Clipfabrikate soll es nach Rekrutierungsende
möglich sein, den Clip mit der besten Detektierbarkeit in der Axilla nach NACT zu
identifizieren. Außer der Clipmarkierung wurden auch magnetische Seeds und Kohlenstoffsuspension
in relevantem Umfang verwendet. Für die Tätowierung des TLN mit Kohlenstoff liegen
Daten aus mehreren prospektiven Studien vor, welche hohe Detektionsraten von einheitlich
über 90 % belegen [21 ]. In der größten dieser Studien, der multizentrischen TATTOO-Studie, wurde für 110
Fälle eine DR für den TLN von 93,6 % ermittelt. Die FNR lag mit 9,1 % [22 ] zwar höher als in der SenTa-Studie nach Clipmarkierung (4,3 %) [7 ] und in der RISAS-Studie nach radioaktiver Jodseedmarkierung mit 3,5 % [8 ], aber dennoch innerhalb des akzeptierten Cut-offs von 10 %. Zur TLN-Markierung mit
magnetischen Seeds vor NACTsind bisher keine prospektiven Daten als Volltextpublikation
verfügbar. In der AXSANA-Studie werden darüber hinaus vielversprechende, radar- und
radiofrequenzbasierte Systeme (Savi Scout, LOCalizer) in Bezug auf ihre Erfolgsraten
untersucht. Dadurch wird die AXSANA-Studie erstmals prospektive und multizentrisch
erhobene Daten zum Vergleich aller verfügbaren Markierungstechniken für axilläre Lymphknoten
liefern.
Durch das multizentrische, nicht interventionelle Studiendesign der AXSANA-Studie
mit mehr als 100 rekrutierenden Zentren und Einbeziehung von Daten, welche durch ein
Remote-Monitoring geprüft wurden, konnten in dieser Arbeit bereits 21 Monate nach
Studienbeginn qualitativ hochwertige, repräsentative Daten zum Axillastaging nach
NACT in Deutschland ermittelt werden. Nachteil des hier verwendeten Studiendesigns
ist, dass durch die ausschließliche Auswertung monitorierter Datensätze zu einem Erhebungszeitpunkt
bei noch nicht abgeschlossener Studie für die einzelnen untersuchten Fragestellungen
ein jeweils unterschiedlich großer Datensatz analysiert wurde. Dadurch konnten zwar
aktuell geprüfte Daten einer größtmöglichen Anzahl an PatientInnen für die jeweiligen
Fragestellungen untersucht werden, jedoch muss die Auswertung nach Studienende für
endgültige Aussagen abgewartet werden.
Schlussfolgerung
Die vorliegende Arbeit liefert erstmals repräsentative Daten zum axillären Staging
nach NACT bei initial nodal positiven MammakarzinompatientInnen in Deutschland. Die
Auswertung zeigt, dass die TAD neben der ALND in der klinischen Routine die häufigste
Operation in diesem Kollektiv darstellt. Zur Markierung und Entfernung des TLN werden
unterschiedliche Techniken angewendet. Die hier präsentierten Daten legen nahe, dass
die klinische Einschätzung durch Palpation und Sonografie keine genaue Vorhersage
des pathologischen Lymphknotenstatus nach NACT ermöglicht. Bei einem relevanten Anteil
der PatientInnen, welche nach NACT keine Tumorzellen mehr in den Lymphknoten aufweisen,
wird unnötigerweise eine ALND durchgeführt.
Die weitere konsequente internationale Rekrutierung in die AXSANA-Studie wird die
Grundlage schaffen, um die verschiedenen operativen Stagingverfahren in der Axilla
(ALND, SLNB, TAD, TLNB) erstmals mit einer ausreichenden Fallzahl hinsichtlich des
onkologischen Outcomes, der Komplikationsraten und der Lebensqualität miteinander
zu vergleichen. Die AGO empfiehlt daher ausdrücklich die Teilnahme an der AXSANA-Studie
[4 ]. Die Endauswertung der AXSANA-Studie ist für 2030 geplant.
Supplement
Supplement 1: Die deutsche AXSANA-Studiengruppe.
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Geburtsh Frauenheilk 2022; 82: 932–941.doi 10.1055/a-1889-7883