physioscience 2023; 19(01): 44-45
DOI: 10.1055/a-1957-3406
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Die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Förderung der körperlichen Aktivität unter Verwendung von Aktivitätsmessgeräten während oder nach einer stationären Behandlung: eine systematische Überprüfung und Meta-Analyse von randomisierten kontrollierten Studien

The Effectiveness of Physical Activity Interventions Using Activity Trackers during or after Inpatient Care: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials

Zusammenfassung

Hintergrund

Die Aufnahme in ein Spital oder eine Rehabilitationseinrichtung führt häufig zu einer Verschlechterung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Eine Steigerung der körperlichen Aktivität während oder nach dem stationären Aufenthalt ist daher wichtig, die Umsetzung erweist sich aber oft als schwierig. Bei einigen Gruppen von Patient*innen, z. B. Personen mit COPD, rheumatischen oder muskuloskelettalen Erkrankungen, hat sich der Einsatz von Aktivitätstrackern zur Steigerung der körperlichen Aktivität als wirksam erwiesen. Aktivitätstracker scheinen vielversprechend dafür zu sein, die körperliche Aktivität und die Erholung der körperlichen Leistungsfähigkeit zu verbessern.


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Ziel

Die Studie von de Leeuwerk et al. untersuchte die Wirksamkeit von Interventionen zur körperlichen Aktivität unter Verwendung von Aktivitätstrackern auf die körperliche Aktivität und Funktionen im Vergleich zur generellen Behandlung. Weiter wurde ermittelt, ob die Anzahl der verwendeten Techniken zur Verhaltensänderung (BCT), die Verwendung eines theoretischen Modells oder die zusätzliche Betreuung durch eine medizinische Fachkraft die Wirksamkeit dieser Interventionen erhöhen.


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Methode

Bei der Studie handelt es sich um ein systematisches Review und eine Meta-Analyse. Es wurden randomisierte kontrollierte Studien (RCT) eingeschlossen, welche als Interventionen Aktivitätstracker und Feedback zur körperlichen Aktivität bei Erwachsenen beinhalten. Die Zielgruppe der Studie waren Patient*innen mit stationärem Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik oder einem Spital sowie Patient*innen, die dieses vor weniger als 3 Monaten verlassen hatten. Es gab keine Einschränkungen hinsichtlich des medizinischen Grundes für den stationären Aufenthalt.


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Ergebnisse

In die Studie wurden 21 RCT mit insgesamt 2355 Patient*innen eingeschlossen. Die Studien deckten eine Vielzahl von klinischen Bereichen ab und es bestand eine erhebliche Heterogenität zwischen den Studien. Für die 13 Studien, die körperliche Aktivität als Ergebnis gemessen hatten (n = 1435), wurde ein kleiner, aber signifikanter positiver Effekt zugunsten der Intervention gefunden (standardisierte mittlere Differenz (SMD) = 0,34; 95 % CI: 0,12–0,56). Bei den 13 Studien, in denen die körperliche Leistungsfähigkeit gemessen worden war (n = 1415), wurde jedoch kein signifikanter Effekt gefunden (SMD = 0,09; 95 % CI: –0,02–0,19). Bei der Subgruppenanalyse zeigten Interventionen, die sowohl während als auch nach dem stationären Aufenthalt stattfanden, einen hochsignifikanten Effekt zugunsten der Interventionsgruppe (SMD = 0,71; 95 % CI: 0,13; 1,29), während Interventionen, die nur während oder nach dem stationären Aufenthalt stattfanden, keine signifikanten Effekte zeigten (SMD = 0,21; 95 % CI: –0,07; 0,48 bzw. SMD = 0,26; 95 % CI: 0,11; 0,64). Interventionen mit ≥ 7 BCT zeigten eine signifikante Wirkung auf die körperliche Aktivität (SMD = 0,60; 95 % CI: 0,18; 1,02, p = 0,005), Interventionen mit < 7 BCT dagegen nicht (SMD = 0,18; 95 % CI: –0,04; 0,39, p = 0,11). Die SMD von theoriebasierten Interventionen mit Aktivitätstrackern war höher (SMD = 0,66; 95 % CI: 0,14; 1,18, p = 0,01) im Vergleich zu Interventionen ohne theoretisches Modell (SMD = 0,20; 95 % CI: –0,00; 0,40, p = 0,04). Weiter zeigten Interventionen mit Coaching durch eine medizinische Fachkraft einen größeren Effekt auf die körperliche Aktivität (SMD = 0,44; 95 % CI: 0,19; 0,69, p = 0,0004) im Vergleich zu Interventionen ohne Coaching (SMD = 0,07; 95 % CI: –0,42; 0,56, p = 0,78). Die Ergebnisse zeigen, dass die Wirksamkeit der körperlichen Aktivität sich zu verbessern scheint, wenn die Intervention sowohl während als auch nach dem stationären Aufenthalt angeboten wird, und wenn ein theoretisches Modell, mehrere BCT und ein Coaching durch eine medizinische Fachkraft verwendet werden.


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Limitationen

Die Ergebnisse von de Leeuwerk et al. [2] müssen aufgrund der hohen Heterogenität der Studien mit Vorsicht interpretiert werden. Die Übersichtsarbeit deckt eine breite Population von Patient*innen ab, es kann jedoch aufgrund der heterogenen Studien kein spezifischer Schluss oder keine Handlungsempfehlung zur Dauer oder Intensität der Intervention gemacht werden. Aufgrund fehlender Langzeitergebnisse auch keine Langzeitempfehlung. Weiter werden in der Studie keine Handlungsempfehlungen für den klinischen Alltag (z. B. Umgang mit Datenschutz, Art der Aktivitätstracker) gemacht, was bei einer Implementierung berücksichtigt werden müsste.


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Schlussfolgerungen

Interventionen, bei denen Aktivitätstracker während und/oder nach einer stationären Behandlung eingesetzt werden, haben das Potential, das Niveau der körperlichen Aktivität bei einer Vielzahl von chirurgischen und nicht chirurgischen Gruppen von Patient*innen wirksam zu erhöhen. Trotz der Verbesserungen der körperlichen Aktivität wurde keine signifikante Wirkung auf die körperliche Leistungsfähigkeit festgestellt. Die Intensität und Qualität der Interventionen scheinen sich zu verbessern, wenn die Intervention sowohl während als auch nach einem stationären Aufenthalt durchgeführt werden. Eine weitere Verbesserung scheint es zu geben, wenn mehrere BCT verwendet werden, ein theoretisches Modell integriert und eine Betreuung durch medizinisches Fachpersonal angeboten wird. In Studien mit diesen Interventionscharakteristika wurde eine größere Wirkung auf die Steigerung der körperlichen Aktivität festgestellt. Somit haben Interventionen mit Aktivitätstrackern das Potenzial, mit geringem Ressourcenaufwand ein wirksames Instrument zur Motivation von Patient*innen und zur Unterstützung von Gesundheitsfachkräften zu sein.


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Publication History

Article published online:
14 February 2023

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