Schlüsselwörter Fettleber - NAFLD - NASH - Diabetes - Übergewicht - Adipositas - Konsensus - Leitlinie
Keywords fatty liver - NAFLD - NASH - Diabetes - overweight - adipositas - consensus - guideline
Ziele und Verwendungsmöglichkeiten des Konsensuspapiers
Ziele und Verwendungsmöglichkeiten des Konsensuspapiers
Darstellung eines praxisnahen Leitfadens für die Diagnose und Risikoeinschätzung in
der hausärztlichen Versorgung sowie die stufenweise Überleitung in das weiterführende,
spezialisierte Versorgungssystem.
Identifikation von Risikopatienten (für fortgeschrittene Lebererkrankungen), um diesen
präventive und therapeutische Maßnahmen anzubieten.
Darstellung einer interdisziplinären, sektorübergreifenden Zusammenarbeit und
Festlegung erster Eckpunkte zur Ausgestaltung (Versorgungsnetzwerk).
Modellhafte Implementierung und Evaluation eines Versorgungspfades (Argumentation
gegenüber Entscheidern).
Erhöhung des gesellschaftlichen Bewusstseins (Awareness) zu Fettlebererkrankungen
und
ihren Komplikationen in der Allgemeinmedizin und primärärztlichen Praxis.
Einbindung des Papiers in die gesundheitspolitische Arbeit; Erarbeitung von
praktischen Versorgungslösungen auf medizinischer Ebene.
Hintergrund
Die hepatologische Versorgung der Bevölkerung in Deutschland steht vor großen
Herausforderungen. Die Prävalenz hepatologischer Erkrankungen hat in den letzten Jahren
erheblich zugenommen. Insbesondere die Fettlebererkrankung gehört mit geschätzten
18 Mio.
betroffenen Bundesbürgern[1 ] mittlerweile zu den großen Volkskrankheiten. Sie gilt ferner als ein relevanter
unabhängiger Risikofaktor für weitere kardiovaskuläre Volkskrankheiten wie Herzinfarkt
oder
Schlaganfall [1 ]. Diabetes mellitus begünstigt die Entstehung einer Fettleber und eines ungünstigeren
Verlaufs der Fettlebererkrankung, wie auch eine Fettleber mit einer vermehrten Entstehung
eines Diabetes mellitus vergesellschaftet ist [2 ]
[3 ]. Schließlich entwickeln sich die Fettlebererkrankungen mittlerweile auch zur
häufigsten Ursache für die Entstehung des Hepatozellulären Karzinoms [4 ]. Neben dieser großen Zahl von Patienten mit Fettlebererkrankungen müssen weitere
1–2
Mio. Patienten mit anderen Lebererkrankungen wie Hepatitis B oder C, alkoholischer
Leberkrankheit aber auch metabolischen und autoimmunen Hepatopathien [5 ] versorgt werden. In Deutschland liegt die Prävalenz der fortgeschrittenen Fibrose
in
der Allgemeinbevölkerung bei ungefähr 1% [6 ]. Deshalb wird, neben den gesundheitlichen Folgen für die einzelnen Patienten, die
Versorgung von Patienten mit Fettlebererkrankungen durch eine steigende Nutzung von
Ressourcen
des Gesundheitssystems zunehmend auch von gesundheitsökonomischer Bedeutung [7 ].
Mit dem Fehlen eines speziellen Facharztes für Hepatologie in vielen Ländern werden
die
Fettleberpatienten in der Niederlassung fachärztlich vorwiegend durch die Gastroenterologen
betreut [8 ]. In dieser Berufsgruppe gibt es allerdings nur relativ wenige Kollegen, die sich
dezidiert mit der Behandlung von Lebererkrankungen befassen. Der Bund niedergelassener
Gastroenterologen hat in Deutschland aktuell ca. 200 hepatologische Schwerpunktpraxen
zertifiziert. Diese betreuen hepatologische Patienten häufig als Teil des gesamten
Spektrums
der Gastroenterologie. Darüber hinaus werden diese, insbesondere solche mit viralen
Hepatitiden, auch von Internisten mit infektiologischem Schwerpunkt betreut. Auch
hier wird
eine hepatologische Expertise vorgehalten, die sich häufig vor allem auf die viralen
Hepatitiden bezieht und ebenfalls meist nur Teil eines deutlich größeren Versorgungsspektrums
ist. Viele hausärztliche Praxen verfügen nicht über die Expertise und die Rahmenbedingungen
(Laborbudget etc.) für eine Experten-spezifische Leberdiagnostik. Vielfach sind sie
verständlicherweise nicht mit dem notwendigen spezifischen und teureren sonografischen
Equipment ausgerüstet, um eine selbstständige Versorgung dieser Patienten zu übernehmen.
Insbesondere eine Abschätzung der Erkrankungsschwere mittels transienter Elastografie
ist in
der Regel nicht möglich.
Insgesamt wird somit ein großer Teil der Patienten derzeit in Ambulanzen hepatologischer
Schwerpunktpraxen als auch -kliniken versorgt. Mit den stetig steigenden Zahlen ist
absehbar,
dass diese Versorgungsform in Zukunft nicht mehr tragfähig sein wird. Dies gilt insbesondere
dann, wenn die Awareness für Fettlebererkrankungen steigt und die gegenwärtig vielfach
nicht
diagnostizierten oder nicht behandelten Patienten einer fachärztlichen strukturierten
Versorgung zugeführt werden sollen. Dazu kommt, dass eine solche Versorgung Patientinnen
und
Patienten im ländlichen Raum nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung steht.
Mit den steigenden Zahlen von Patienten mit Fettlebererkrankungen [9 ] wird in der nahen Zukunft somit eine tiefgreifende Veränderung der medizinischen,
hepatologischen Versorgung der Bevölkerung notwendig sein.
Ansätze alternativer Versorgungsmodelle
Ansätze alternativer Versorgungsmodelle
Um den zuvor dargestellten Versorgungsschwierigkeiten hepatologischer Patienten zu
begegnen, werden an den deutschen Universitätskliniken und in speziellen „Leberzentren“
in den
letzten Jahren eine Reihe von Modellprojekten etabliert, um eine Optimierung der Versorgung
einer großen Zahl von Patienten mit Fettlebererkrankungen im Deutschen Gesundheitssystem
zu
erreichen. Diese sollen insbesondere die Patienten, aber auch die beteiligten Behandler,
in
die Lage versetzen, den Schweregrad der Lebererkrankung einzuschätzen, diese Befunde
in die
Behandlung einzubeziehen und daraus erwachsende, gezielte Präventiv- und Therapiemaßnahmen
anzubieten.
An verschiedenen Kliniken werden derzeit (teils digitale) Leber- oder metabolische
Boards
zur Diskussion komplex erkrankter Patienten, einschließlich Patienten mit nichtalkoholischer
Steatohepatitis (NASH) evaluiert (z.B. in Mannheim, Bochum, Würzburg und Wiesbaden).
Dies
geschieht zum Teil auch unter Einbeziehung weiterer Fachdisziplinen wie Kardiologie,
Endokrinologie/Diabetologie, Pathologie und Ernährungsmedizin. Auf der Basis eines
standardisierten metabolischen Assessments wird nachfolgend eine interdisziplinäre
Empfehlung
ausgesprochen (Bochum). Diese Boards haben den Vorteil einer unkomplizierten technischen
Einrichtung. Die Möglichkeit, notwendige Diagnostik (z.B. transiente Elastografie)
zentralisiert anzubieten, wurde im Rahmen von Liverscreening-Projekten in Würzburg
und Mainz
evaluiert und als kostendeckend und hilfreich empfunden. Dies unterstützte in Würzburg
die
Etablierung einer speziellen Elastografiesprechstunde für Patienten aus der Primärversorgung
[10 ].
Ein ähnlicher Gedanke wird auch an der Berliner Charité verfolgt, wo ein niederschwelliges
„Leber-Check-up“-Angebot eingerichtet wurde und Patienten nach initialer Diagnostik
(Elastografie) und Stratifizierung entweder in die Versorgung der Hochschulambulanz
überführt
oder an den Zuweiser zurücküberwiesen werden. Der Patient erhält in einem Gespräch
die
wichtigsten Informationen und ein ergänzendes Schreiben zu wichtigen
Lebensstilmodifikationen.
Diagnostik der nichtalkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) und der nichtalkoholischen
Steatohepatitis (NASH)
Diagnostik der nichtalkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) und der nichtalkoholischen
Steatohepatitis (NASH)
Aufgrund der großen und immer noch unterschätzten Zahl von potenziellen Patienten
mit
nichtalkoholischer Fettlebererkrankung erscheint es zunächst sinnvoll, Patienten zu
identifizieren, die ein hohes Risiko für eine fortgeschrittene NAFLD oder NASH haben.
Darüber
hinaus ist eine frühe Diagnose wichtig, um die Krankheitsprogression aufzuhalten oder
gar
umzukehren [11 ]. Darauf aufbauend kann das Screening auch auf größere Populationen ausgedehnt werden.
Auch ermöglicht die Identifikation solcher Risikogruppen eine frühzeitige Intervention
hinsichtlich der Ursachen einer Fettlebererkrankung, aber auch zur Vermeidung einer
Fibroseprogression.
Dementsprechend sollte ein Diagnostikalgorithmus grundsätzlich so aufgestellt sein,
dass
einerseits möglichst keine Patienten mit fortgeschrittener Fibrose übersehen werden
(hohe
Sensitivität), andererseits aber auch nicht zu viele Patienten in die fachärztliche
Betreuung
überwiesen werden (hohe Spezifität, geringer diagnostischer Graubereich, hoher negativ
prädiktiver Wert). Da Patienten mit einer Fettleber nicht zwangsläufig einer
fachärztlich-gastroenterologischen Vorstellung bedürfen, müssen die Patienten mit
intermediärem oder hohem Risiko für eine fortgeschrittene Erkrankung identifiziert
und einer
fachärztlichen Konsultation zugeführt werden. Dies stellt im primärärztlichen Bereich
jedoch
bereits eine erste Hürde dar. Jeder Parameter, der sich nicht aus Routinewerten der
niedergelassenen Praxis erschließt und ökonomisch nicht rebudgetiert erhältlich ist,
erscheint
unter den gegenwärtigen gesundheitsökonomischen und zeitlimitierten Rahmenbedingungen
für die
breitere Anwendung als Screening ungeeignet. Insofern bietet der Fibrosis (FIB)-4-Score
[12 ] der lediglich das Alter, Thrombozyten, Alanin-Aminotransferase (ALT, ALAT; synonym:
Glutamat-Pyruvat-Transaminase, GPT) und Aspartat-Aminotransferase (AST, ASAT; synonym:
Glutamat-Oxalacetat-Transaminase, GOT) beinhaltet, die gegenwärtig realistischste
Möglichkeit,
serologische Scores zur Bestimmung der Leberfibrosierung in die primärärztliche Routine
als
Präventionsleistung einzupflegen. Eine automatisierte Ausgabe dieses Scores über medizinische
Labore sollte daher unbedingt angestrebt werden, nicht zuletzt da es die zeitlichen
Ressourcen
schonen und damit vermutlich auch die Akzeptanz verbessern würde. Die seit kurzem
durch die
KBV gegebene Möglichkeit eines einmaligen Screenings auf Hepatitis B und C für Versicherte
ab
35 Jahren im Rahmen der Gesundheitsvorsorgeuntersuchung ist für die Verbesserung der
Lebergesundheit und differenzialdiagnostischen Aufarbeitung erhöhter Leberwerte, an
deren Ende
häufig die Diagnose einer Fettlebererkrankung steht, ein weiterer unterstützender
Schritt.
Mittelfristig ist insgesamt eine auskömmliche Vergütung von präventiv beratenden Tätigkeiten
auch für die Früherkennung und Prävention der Fettlebererkrankungen anzustreben.
Eine mögliche Vorselektion liegt insbesondere in einer Auswahl von Patienten mit
metabolischen Erkrankungen [13 ]. So haben z.B. bis zu 68% der Patienten mit Diabetes mellitus auch eine
Fettlebererkrankung [14 ] und zeigen eine enge Assoziation von Diabetes, BMI und erhöhten Transaminasen [15 ]. Nicht zuletzt deshalb hat die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) diese Thematik
in
ihren jährlichen Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes, NAFLD-Risiko-erfasst (16)
[16 ], sowie in ihre jährlichen Praxisempfehlungen aufgenommen, während eine vergleichbare
Strategie in der kardiovaskulären Medizin (trotz hoher kardiovaskulärer Morbidität
und
Mortalität) bisher fehlt [17 ]
[18 ]. Auch die Amerikanische Diabetesgesellschaft (ADA) empfehlt seit 2020 eine Checkliste
für Patienten mit Diabetes mellitus, die Baselinedaten und jährliche Transaminasen
enthält
[19 ]. Das Hinzufügen der Thrombozytenzahl zu dieser Checkliste würde leicht die Berechnung
des FIB-4-Scores ermöglichen, um so Patienten mit einem hohen Risiko für eine fortgeschrittene
Fibrose zu identifizieren. Es kann jedoch nicht erwartet werden (auch im Hinblick
auf
zeitliche Kapazitäten), dass ein Diabetologe die Fettlebererkrankung, das metabolische
Syndrom
und kardiovaskuläre Erkrankungen im Behandlungsalltag zeitlich gesehen angemessen
berücksichtigen kann. Die Aufnahme z.B. eines serologischen NAFLD-Risiko-Scores zur
Fettleberevaluation in den Diabetes-Gesundheitspass wäre daher eine hilfreiche Ergänzung.
Diese 10 bis 20% der NAFLD-Patienten mit hohem Progressionsrisiko, die dann auch ein
erhöhtes
Risiko für leberspezifische Ereignisse und eine erhöhte Mortalität haben, könnten
so erfasst
werden [20 ]. Umgekehrt bedeutet der Verdacht auf das Vorliegen einer Fettlebererkrankung (erhöhte
Transaminasen oder ultraschallbasiert) aber auch ein Risiko für die Entwicklung eines
Diabetes
mellitus [21 ]. Dies verdeutlicht die dringende Notwendigkeit, die Identifikation und Versorgung
dieser Patienten interdisziplinär und über die Schnittstellen der einzelnen Fachdisziplinen
hinaus zu verzahnen.
Insbesondere wichtig erscheint die Identifikation von Patienten, bei denen eine
Leberfibrose vorliegt. Dazu sind zunächst anamnestische Angaben und Basislaborparameter
wegweisend. Serologische Marker, insbesondere der auf in der Routine häufig bestimmten
Laborparametern basierende FIB-4-Score, können hier wertvolle erste Hinweise liefern
[22 ]. Der FIB-4-Score hat unter den veröffentlichten serologischen Tests mit die
verlässlichste Datenbasis [23 ]. In einer longitudinalen, nicht interventionellen Kohortenstudie an 44 481 Patienten
im Vereinigten Königreich konnte eine klare Stratifizierung der leberbezogenen und
kardiovaskulären Events, aber auch der Mortalität in Abhängigkeit vom FIB-4-Score
gezeigt
werden [24 ]. Eine einmalige jährliche Erhebung des FIB-4 bei Patienten in diabetologischen
Schwerpunktpraxen oder in der hausärztlichen Betreuung von Diabetes-Patienten hätte
sicher
sehr wertvolle Implikationen für die Früherkennung von (Fett-) Lebererkrankungen.
In diesem
Zusammenhang wäre auch eine automatische Auszeichnung des FIB-4-Scores auf Laborbefunden
sehr
begrüßenswert, die von Labormedizinern technisch ohne größeren Aufwand umgesetzt werden
könnte. Als Referenzwerte für den FIB-4 bei Fettlebererkrankungen können für die Altersgruppe
36 bis 64 Jahre folgende Werte gelten: FIB-4 < 1,3 unauffällig, FIB-4 1,3–2,67
intermediäres Fibroserisiko, FIB-4 > 2,67 auffällige Werte, hohes Fibrose/Zirrhose-Risiko
[13 ]. Ab einem FIB-4 >1,3 sollten gemäß Leitlinie weitere Untersuchungen erfolgen [25 ]. Bei Personen ≤35 Jahre ist der FIB-4 allerdings nicht als Score geeignet, und es
müssen bei klinischem Verdacht direkt andere Verfahren zum Einsatz kommen. Für die
Verwendung
des FIB-4 bei Menschen mit höherem Lebensalter (≥65 Jahre) wurde eine verminderte
Spezifität
(35% bei einem Cutoff von 1,3) festgestellt, was zu einer falsch hohen Positiv-Rate
der
Fibroseklassifikation mit unnötigen invasiven Anschlussuntersuchungen führen kann.
Daher wurde
für Personen ≥65 Jahre ein neuer Cutoff von >2 (anstelle 1,3) für die Durchführung
weiterer
Untersuchungen vorgeschlagen [26 ]. Bei fortgeschrittener Fibrose wird eine Vorstellung beim Hepatologen bzw.
diesbezüglich spezialisierten Gastroenterologen vorgeschlagen. Patienten mit hochgradiger
Fibrose (F3) und Zirrhose (F4) sollten aufgrund des Risikos einer Fibroseprogression
und der
Entwicklung eines HCC in einer Einrichtung mit hepatologischer Expertise geführt werden.
Auch
in diesem Stadium ist die Prävention leberspezifischer Ereignisse sehr wichtig und
soll die
erhöhte Mortalität dieser Patienten senken [20 ].
Als erster Schritt der Diagnostik ist eine Ultraschalluntersuchung der Leber (und
des
Abdomens) zur Identifikation der Fettleber und zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen
notwendig. Zu beachten ist, dass die Fettleber im Ultraschall sichtbar sein kann,
auch wenn
die Leberwerte (noch) unauffällig sind. Ebenso ist die Sensitivität des B-Mode-Ultraschall
für
das Vorliegen einer Steatose erst ab 30% Verfettung überzeugend [27 ]. Eine Metaanalyse an 2815 Patienten mit Leberbiopsie als Referenz zeigte eine
Sensitivität und Spezifität von 85% und 93% des Ultraschalls in der Unterscheidung
zwischen
fehlender und mäßig/schwer Steatose [28 ]
[29 ]. Darüber hinaus ist die sonografische Untersuchung sicher auch für den Ausschluss
anderweitiger Lebererkrankungen sinnvoll. Dieser erste Schritt kann im Alltag gegenwärtig
bereits eine diagnostische Hürde darstellen, da nicht jeder Hausarzt die Möglichkeit
eines
Ultraschalls hat.
Die in Großbritannien bestehende NICE-Leitlinie könnte ggf. Empfehlungen und Daten
zum Thema
Screening liefern, aus denen auch allgemeine Rückschlüsse für Deutschland gezogen
werden
könnten. Zu beachten ist jedoch, dass hier andere Scores (z.B. ELF-Score, [30 ]) zur Anwendung kommen, die nicht auf Routineparametern basieren und mit nicht
unerheblichen zusätzlichen Kosten für die Labordiagnostik einhergehen.
Die diagnostische Aussagekraft der transienten Elastografie ist auch den meisten direkten
Fibrosetests (wie z.B. dem ELF-Test) geringfügig überlegen [13 ] und bei vergleichbaren Kosten zu bevorzugen. Nachteil ist hier jedoch das Vorhalten
eines Elastografiegerätes vor Ort mit sehr hohen Anschaffungskosten, das derzeit bei
fehlender Vergütung der Leistung im GKV-System nur an größeren, zumeist universitären
Standorten möglich ist. Ideal wäre daher die breitere Verfügbarkeit einer Elastografie
zur
Einschätzung des Fibrose- und somit des Schädigungsgrads der Leber in der
gastroenterologischen Versorgung. Um die Qualität der Befunde dieser hochspezialisierten
Methode sicherzustellen, erscheint zum Beispiel die Einrichtung von Elastografie-Hubs
als eine
mögliche Alternative, die wie zuvor bereits dargestellt an diversen Schwerpunktkliniken
gegenwärtig vorgedacht wird. Ein Patient mit einer Lebersteifigkeit unter 6 kPa bleibt
in
hausärztlicher Versorgung. Das Monitoring auf ein Fortschreiten der Erkrankung im
Verlauf kann
dann über regelmäßige FIB-4-Bestimmungen erfolgen [20 ]
[31 ]. Sollte sich eine Dynamik der Krankheitsprogression entwickeln, dann sollte der
Patient erneut dem Facharzt vorgestellt werden. Sofern der Patient beim Hausarzt verbleibt,
wird sowohl aus hausärztlicher als auch fachärztlicher Sicht ein 1–3-jährliches
Kontrollintervall des FIB-4 vorgeschlagen.
Bei einer Lebersteifigkeit von 8–12 kPa soll eine hepatologische Vorstellung einmal
jährlich erfolgen. Bei Patienten mit höheren Messwerten in der transienten Elastografie
muss
von einer höhergradigen Leberfibrose (DD-Zirrhose) ausgegangen werden [13 ]. Diese sollten halbjährlich hepatologisch überwacht werden (Sonografie, Laborverlauf
der Leberfunktionsparameter, klinische Risikofaktoren).
Versorgung von Patienten mit Fettlebererkrankungen
Versorgung von Patienten mit Fettlebererkrankungen
Rolle des Hausarztes, Integration des Hausarztes in die Gesamtversorgung
Den Primärärzten kommt in der Versorgung von Patienten mit Fettlebererkrankung eine
zentrale Rolle zu, über sie entsteht in den allermeisten Fällen der Erstkontakt. Hier
werden
zum ersten Mal erhöhte Leberwerte diagnostiziert, oder es fällt im Ultraschall eine
vermehrte Verfettung der Leber auf. Allerdings müssen auch die notwendigen Konsequenzen
aus
den erhobenen Befunden gezogen und weiterführende Maßnahmen abgeleitet werden. Letztere
umfassen eine erhebliche Bandbreite: von diätetischen Maßnahmen und Gewichtsreduktion
bis
hin zur Vorstellung in einer hepatologischen Schwerpunktklinik bei Leberzirrhose mit
Einschränkung der Organfunktion. Die hausärztliche Praxis ist somit meist der Ausgangspunkt
des Diagnose- und Behandlungspfades ([Abb. 1 ], [Abb. 2 ]).
Abb. 1 Anamnese und Diagnostik beim Hausarzt.
Abb. 2 Rolle des Hausarztes im Versorgungsprozess.
Wichtig in diesem Kontext ist unter anderem ein erhöhtes Bewusstsein (Awareness) für
Fettlebererkrankungen [32 ]. Patienten in der hausärztlichen Grundversorgung bekommen i.d.R. über einen
Mehrjahreszeitraum nur eine einmalige Bestimmung der Transaminasen und des Blutbildes.
Auffällige Werte müssen zur Kenntnis genommen und bei erhöhten Werten weitere diagnostische
und therapeutische Schritte eingeleitet werden. Dabei sind auch gering erhöhte Leberwerte
beachtenswert [33 ] und erst aus dem Verhältnis der Parameter Alter, GOT, GPT und Thrombozyten im
FIB-4-Score ergibt sich eine valide Aussage zum Risiko des Patienten. Eine weitere
Eingrenzung, insbesondere der Ausschluss von Viruserkrankungen der Leber (HAV, HBV,
HCV),
häufiger metabolischer Erkrankungen (z.B. Hämochromatose) oder Lebertumoren (Ausschluss
mittels Ultraschalles) sowie eine dezidierte Alkoholanamnese kann durch den Hausarzt
erfolgen – sofern die entsprechenden Kenntnisse vorliegen.
Generell sollten adipöse oder metabolisch auffällige Patienten (z.B. Diabetes mellitus,
vgl. [Abb. 1 ]) auf eine NAFLD gescreent und mittels FIB-4 eine Fibroseabschätzung erfahren.
Wichtig ist insbesondere die Identifikation von (Hoch-)Risikopatienten in der hausärztlichen
Praxis, um diese rasch präventiven Maßnahmen und einer ggf. spezialisierten Therapie
zuzuführen. Eine Schädigung der Leber muss nicht immer mit erhöhten Leberwerten verbunden
sein.
Kritisch ist bei diesem Konzept, dass eine gute Charakterisierung häufig mit aufwendigen
Untersuchungstechniken verbunden ist (Ultraschall, Elastografie, Leberbiopsie). Hinsichtlich
eines Screenings auf Fettlebererkrankungen durch den Hausarzt fehlt für das (große)
Patientenkollektiv noch die Evidenz. Allerdings können für eine Risikoabschätzung
serologische Scores (wie z.B. FIB-4, NAFLD fibrosis score (NFS) [20 ]) hilfreich sein und sollten niederschwellig Anwendung finden, insbesondere bei
Vorliegen klinischer Risikofaktoren, wie dem Vorliegen eines Typ-2-Diabetes oder einer
kardiovaskulären Erkrankung. Voraussetzung für eine breitere Nutzung ist die einfache
Anwendung gängiger Laborwerte für die (idealerweise automatisierte) Berechnung von
Risikoscores. In Zusammenschau der gegenwärtig verfügbaren Literatur zu serologischen
Scores
und Fettlebererkrankungen erscheint insbesondere die Integration des FIB-4 als Hilfsmittel
für die erste Diagnosestufe in der Primärversorgung wünschenswert [13 ]
[22 ] ([Abb. 3 ]). Zu diesem Score sind die meisten Vergleichsdaten verfügbar und alle Parameter
werden häufig in der Routine bestimmt. Allerdings ist für eine flächendeckende Nutzung
der
Scores ein budgetärer Ausgleich notwendig, welcher den Zeitaufwand für die Berechnung
und
Planung weiterführender Maßnahmen berücksichtigt. Sehr gut wäre die Einbindung eines
serologischen Scores in der Gesundheitsuntersuchung (GESU). Durch die Möglichkeit
des Check
up/GESU und der nun neuen einmaligen Integration der Hepatitisparameter ab 35 Jahren
in
diese Vorsorgeuntersuchung kann auch diese Bevölkerungsgruppe erreicht werden [34 ]. Dies ist umso wichtiger, als in dieser Gruppe sonst eher wenig Arztbesuche und
damit verbundene Möglichkeiten der Identifikation von Fettlebererkrankungen zu verzeichnen
sind.
Abb. 3 Pathway in der Patientenversorgung (>35 Jahre) in Abhängigkeit Ergebnis des
FIB-4-Scores und von Risikofaktoren.
Sofern die primärärztlichen Kollegen nach Erstanamnese und primärer
Diagnostik/Risikoeinschätzung Fettleberpatienten mit weiterführendem Diagnostik- oder
gar
Behandlungsbedarf identifiziert haben, müssen gut definierte, interdisziplinäre
Versorgungspfade und -empfehlungen verfügbar sein. Dies betrifft sowohl die
hausärztlich-gastroenterologische Abstimmung, als auch die Einbindung weiterer ggfs.
notwendiger Fachdisziplinen wie Diabetologen oder Kardiologen. Die fachärztlich
labormedizinische Versorgung mit Etablierung entsprechender IT-gestützter Score-Systeme
in
den Laborinformationssystemen und entsprechend laborärztlich validierten Befunden
ist die
Basis einer breiten Verfügbarkeit im Prozess der medizinischen Patientenversorgung.
Insgesamt muss die Hausärztin oder der Hausarzt in diesen Versorgungszirkel eng eingebunden
werden und soll idealerweise die interdisziplinäre Versorgung koordinieren.
Somit sollte der Patient nach der Facharztkonsultation mit den Befunden verlässlich
in
die hausärztliche Versorgung zurückkommen. Hier werden die entsprechenden Empfehlungen
in
ein Gesamtkonzept eingefügt und die Abläufe weiterer Follow-up-Untersuchungen hinsichtlich
Terminen und Fachdisziplinen koordiniert.
Bei der großen Anzahl von Patienten mit Fettlebererkrankung und weiterhin zunehmender
Inzidenz ist eine Stärkung der Disease Awareness und Unterstützung der hausärztlichen
Kolleginnen und Kollegen sowie der Patientinnen und Patienten mit entsprechenden
Informationsressourcen und -portalen wichtig. Aufgabe der Fachärzte ist es, die Disease
Awareness zu stärken, sodass eine Vorfilterung durch praktische Behandler (diabetologisch
tätige Internisten, Hausärzte), die bereits die „Risikofaktoren“ wie Übergewicht oder
kardiovaskuläre Erkrankungen betreuen/behandeln, in den Risikokollektiven erfolgen
kann. Für
diese koordinierende Rolle der Hausärzte wäre übergeordnet die Etablierung eines
Disease-Management-Programms (DMP) oder zumindest eine Aufnahme der Fettlebererkrankungen
in
das DMP Diabetes mellitus Typ 2 und das gegenwärtig sich in Entwicklung befindliche
DMP
Adipositas wertvoll, insbesondere mit klaren Empfehlungen zu definierten Diagnostik-
und
Therapieabläufen. Trotz der zu erwartenden Zulassung einer spezifischen Medikation
für die
Behandlung von Fettlebererkrankungen, werden „Lifestyleinterventionen“ weiterhin ein
wichtiger therapeutischer Bestandteil bleiben und die Basis des multimodalen
Therapiekonzeptes darstellen. Leider wird der Zeitaufwand dieser notwendigen und risikoarmen
Primärbehandlung von den meisten gesetzlichen Krankenkassen nicht oder nicht ausreichend
vergütet. Ernährungsberatungen sind in aller Regel IGeL-Leistungen und müssen von
den
Patienten ganz oder teilweise selbst übernommen werden. Auch hier besteht ein
Änderungsbedarf, um eine effiziente Versorgung der großen Zahl von Patienten mit der
Basistherapie der Fettlebererkrankung effektiv zu gestalten. In US-amerikanischen
Berechnungen konnten für Patienten mit Diabetes mellitus und NAFLD mit einer mindestens
mittelgradigen Fibrose (>F2) durch den Einsatz von Ultraschall, AST, ALT und Vibration
Controlled Transient Elastography (VCTE) eine Kosteneffizienz des Einsatzes von
Lebensstilmodifikationen gezeigt werden [35 ].
Fachärztliche hepatologische Versorgung
Fachärztliche hepatologische Versorgung
Aktuell gibt es für die hepatologische Behandlung der Fettleber/NASH keine zugelassenen
Medikamente. Somit steht neben der notwendigen Gewichtsabnahme bei übergewichtigen
Patienten
insbesondere die medikamentöse Behandlung eines möglicherweise begleitenden Diabetes
mellitus,
kardiovaskulärer Risikofaktoren oder weiterer Begleiterkrankungen der Fettleber bei
der
therapeutischen Begleitung im Vordergrund [36 ]. Sollte keine Gewichtsreduktion zu erzielen sein (was nur in etwa 10–20% der Fälle
in
hinreichendem Umfang gelingt) oder sollten sich unter einer solchen die Leberwerte
nicht
bessern, muss der Ausschluss anderweitiger Lebererkrankungen erfolgen [37 ]. Dies erfordert i.d.R. eine Überweisung in eine fachärztlich-hepatologische
Betreuung.
Darüber hinaus stellt insbesondere eine Fettleber mit höherem Fibrosegrad und ggf.
histologischen Zeichen der NASH eine klare Indikation für eine fachärztlich-hepatologische
(Mit-)Betreuung dar. Wichtige Aufgaben sind dort die Surveillance der Patienten hinsichtlich
eines Fortschreitens der Leberfibrose sowie bei Patienten mit höhergradiger Fibrose
(ab
Stadium F3) eine regelmäßige HCC-Surveillance mittels Ultraschall und ggf.
Tumormarker-Bestimmung (AFP, GALAD [38 ]
[39 ]).
Sofern sich elastografisch oder sonografisch Zeichen der Leberzirrhose mit Zeichen
der
portalen Hypertension zeigen [40 ], ist ferner eine regelmäßige endoskopische Surveillance auf Ösophagusvarizen und
ggf.
deren Behandlung mittels β-Blocker bzw. Varizenligatur angezeigt [41 ]
[42 ].
Ferner sollte auch durch den Hepatologen eine Bestimmung des HbA1c sowie des Lipidprofils
erfolgen, um entsprechende Komorbiditäten wie Diabetes mellitus oder
Lipidstoffwechselstörungen zu erfassen und ggf. begleitend zu therapieren [43 ].
Durch den Hepatologen sollte schließlich bei höhergradigen Fibrosestadien und Progression
der Erkrankung auch das Angebot eines Einschlusses in laufende Therapiestudien erfolgen,
um
den schwerer erkrankten Patienten bei fehlenden anderweitigen Therapiemöglichkeiten
bestehende
experimentelle Therapieoptionen aufzuzeigen ([Abb. 4 ]).
Abb. 4 Spezifische Abklärung durch den Facharzt.
Fachärztliche diabetologische Versorgung
Fachärztliche diabetologische Versorgung
Bei Patienten mit begleitendem Diabetes mellitus ist eine diabetologische Betreuung
essenziell. Entwickelt sich die Fettleber unter der Diabetestherapie nicht positiv,
so soll
ein Hepatologe hinzugezogen werden (vgl. Elastrografiemessung als Bestandteil der
hepatologischen Anamnese und HCC-Screening).
Da für Metformin wiederholt eine Minderung des HCC-Risikos gezeigt wurde, ist die
Substanz
eine gute Basis für die Diabetestherapie bei Patienten mit begleitender NAFLD [44 ]. Von den derzeit verfügbaren neuen Diabetesmedikamenten haben ausgewählte Therapeutika
(z.B. verschiedene GLP-1 Rezeptor-Agonisten [Liraglutid oder Semaglutid] oder SGLT2-Hemmer
[z.B. Empagliflozin, Dapagliflozin]) nicht nur einen positiven Einfluss auf die
Diabetes-Einstellung und kardiorenale Komplikationen, sondern auch auf die
Gewichtsentwicklung, Gehalt des Leberfetts und/oder Fettleberhepatitis [45 ]
[46 ]. Aufgrund der günstigen Effekte auf die NASH ist es naheliegend, diese Medikamente
bei
nicht zirrhotischen NAFLD-Patienten mit Typ-2-Diabetes einzusetzen. Die Steigerung
der
Awareness bei Diabetologen und Hepatologen, dass durch die Auswahl der Therapiesubstanzen
Einfluss auf die Fettlebererkrankung und vielleicht sogar auf die Fibrose genommen
werden
kann, muss geschaffen werden.
Fachärztliche kardiologische Versorgung
Fachärztliche kardiologische Versorgung
Eine fachärztliche, kardiologische Vorstellung ist nicht bei jedem Patienten notwendig.
Bestimmte Faktoren wie Alter, Zeitraum der bestehenden Erkrankungen wie Fettleber
und Diabetes
müssen in die Entscheidung einfließen. Ergänzend dazu sind auch weitere Risikofaktoren
wie
Bluthochdruck, Nikotinabusus zu bedenken. Das kardiovaskuläre Risiko kann anhand gängiger
kardiovaskulärer Risikoscores berechnet werden [18 ].
Wichtig ist jedoch insbesondere die Awareness bei allen beteiligten Behandlungspartnern,
Hausärzten, Fachärzten und nicht zuletzt den Patienten selbst, dass eine NAFLD und
ein
erhöhter FIB-4 mit kardiovaskulären Major-Ereignissen verbunden sind [47 ]
[48 ].