ergopraxis 2023; 16(03): 41-43
DOI: 10.1055/a-1968-2106
Perspektiven

Gute Reise von Anfang an – Onboarding

Jessica Liers
,
Swantje Kampe
 

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne – oder eben auch nicht! Jahr für Jahr stehen dem Arbeitsmarkt neue Heilmittelerbringende zur Verfügung. Warum ist ein gutes Onboarding neuer Teammitglieder entscheidend? Wie erreichen Sie schon in der Zeit vor der eigentlichen Einarbeitung die Bindung von Mitarbeitenden? Und welche Chance bieten Boarding-Prozesse den Führungskräften?


#
Zoom Image
Wie Passagiere bei einer Flugreise möchten sich Ihre neuen Teammitglieder von Anfang an in Ihrer Praxis wohlfühlen. Quelle: © S. Schaaf/Thieme

Mitarbeiterbindung beginnt lange bevor ein neues Teammitglied seinen ersten Arbeitstag in Ihrer Praxis antritt. Das Zauberwort heißt Onboarding, und hier erfahren Sie, welche Chancen sich dadurch eröffnen – wie Praxisinhaber*innen genauso wie für neue Teammitglieder.

Gemeinsam Arbeiten = gemeinsame Reise

Zunächst zum englischen Wort Onboarding: Es kommt von „an Bord nehmen“ und zeigt damit bereits, dass es über „Einarbeitung“ hinausgeht. Denn es bezieht sich nicht nur auf die zu verrichtende „Arbeit“, sondern wir wollen den Menschen mit „an Bord nehmen“, das heißt kennenlernen, in das Team integrieren, Vertrauen aufbauen und die Basis für gute Zusammenarbeit schaffen. Beim Onboarding-Prozess stehen die Menschen im Mittelpunkt.

Bei Boarding denkt vermutlich jede*r an einen Flughafen. Und dieser Vergleich ist auch passend! Ich steige nicht in irgendein Flugzeug, sondern ich habe mich bereits (mit Vertragsunterzeichnung) entschieden, wohin die Reise geht. Beim Einsteigen werde ich freundlich von den Flugbegleitenden begrüßt, ich fühle mich willkommen. Mein Sitzplatz ist reserviert und wird mir gezeigt. Ich kann mein Gepäck verstauen und mich in Ruhe einrichten. Ich werde über Sicherheitsmaßnahmen aufgeklärt und es gibt auch Kaffee und im Notfall eine Decke oder ein Kissen, um es mir möglichst bequem zu machen. Zwischendurch einen Snack gegen den Hunger. Neben mir Sitznachbarn, die den gleichen Reiseweg haben. Ich fühle mich wohl und freue mich auf die gemeinsame Reise.

Und genau dieses Gefühl entsteht durch einen erfolgreichen Onboarding-Prozess! „Sich wohlfühlen“ bildet die Basis für eine erfolgreiche Integration in das Team.

Gerade im therapeutischen Bereich sind die Teams häufig fast familiär, daher ist ein Zugehörigkeitsgefühl entscheidend für eine langfristige Bindung und gute Zusammenarbeit.


#

Kein Onboarding ohne Preboarding

Genau wie am Flughafen haben wir Wartezeit von der Vertragsunterzeichnung bis zum ersten Arbeitstag zu überbrücken, die sinnvoll genutzt werden sollte. Denn der erste Eindruck zählt. Diese Zeit wird als Preboarding bezeichnet. In dieser Zeit sind drei Dinge von Bedeutung:

  • Kontakt halten zum neuen Teammitglied, um psychologische Sicherheit und Wertschätzung zu vermitteln, sodass keine Zweifel aufkommen, sondern sich Vorfreude entwickeln kann.

  • Vorbereitung des bestehenden Teams auf das neue Teammitglied. Denn durch das neue Teammitglied verändert sich die Struktur des bisherigen Teams. Hier entsteht Sicherheit durch Transparenz.

  • Planung des Onboarding-Prozesses, um Chaos zu vermeiden.


#

Preboarding – Sie und Ihr neues Teammitglied

Um schon Kontakt zu Ihrem neuen Teammitglied zu halten, lassen Sie ihm in der Zeit bis zum ersten Arbeitstag verschiedene Informationen schriftlich oder per Video zukommen. Unsere Empfehlung: Nutzen Sie Videos. Dadurch entsteht gleich ein persönlicherer Kontakt. Emotionen und Stimme begleiten die Informationen, die vermittelt werden. Eine Roomtour des neuen Arbeitsortes oder kurze Vorstellungsvideos der neuen Kolleg*innen sind eine gute Vorbereitung auf die ersten Arbeitstage für Ihren Newcomer. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, was und wer einen erwartet.

Falls Ihr Newcomer für den Job umzieht, können Sie hier mit Tipps für die Wohnungssuche zur Seite stehen oder Empfehlungen geben, um die Umgebung kennenzulernen. Damit zeigen Sie Interesse am Wohlergehen Ihrer Mitarbeitenden.


#

Preboarding – Sie und Ihr Team

Eine Vergrößerung des Teams bringt auch Veränderungen der bisherigen Strukturen mit sich. Deshalb ist es notwendig, Ihr Team auf das neue Teammitglied vorzubereiten. Geben Sie Ihren Kolleg*innen bereits vor der Einarbeitung relevante Informationen: Wer kommt ins Team? Hat das neue Teammitglied Berufserfahrung? Welche Aufgaben wird es übernehmen? In welchem Fachbereich wird es arbeiten? Mit wie vielen Stunden und an welchen Tagen?

Schon vor dem ersten Arbeitstag sollten Sie sich gut um Ihr neues Teammitglied kümmern.

Vielleicht ist es auch schon möglich, dass Ihr Newcomer vor dem ersten Arbeitstag zu einer Teamsitzung kommt und ein erstes persönliches Kennenlernen stattfindet.


#

Be prepared

Außerdem planen Sie in dieser Phase das Onboarding. Sie legen mit Ihrem Team klare Ansprechpartner*innen für das Onboarding fest. Wer kümmert sich um die inhaltliche Einarbeitung? Wer um das Organisatorische? Welche Informationen gehören in die verschiedenen Bereiche? Mithilfe von Checklisten behalten alle den Überblick und sind gut vorbereitet.


#

Die Magie des ersten Tages

Los geht’s. Alles ist vorbereitet. Das Flugzeug hebt ab. Die gemeinsame Reise beginnt. Nutzen Sie den kritischen Moment des ersten Arbeitstages richtig. An diesem Tag werden die Weichen für die gemeinsame Zukunft gestellt. Denken Sie daran: Ihr neues Teammitglied freut sich, hat gegebenenfalls einen alten Job gekündigt, ist aufgeregt und motiviert. Nutzen Sie diese Magie des ersten Tages!

Also, was sollte nicht passieren am ersten Tag? Es sollte nicht das Gefühl entstehen, dass man zu früh auf einer Party erscheint, sondern es sollte alles bereit sein und ausdrücken: „Willkommen! Schön, dass Sie da sind!“

Der Einarbeitungsplan sollte zumindest für die erste Woche ausgearbeitet sein und zum Beispiel in einer Willkommensmappe schriftlich zur Verfügung stehen. Wenn es zur Unternehmensphilosophie und zum Führungsstil passt, kann der Einarbeitungsplan natürlich auch gemeinsam mit dem neuen Teammitglied entwickelt werden.


#

Erwartungsmanagement und Transparenz durch Chef-Wiki und Wochen-Stand-ups

Der Einarbeitungsplan ist sehr individuell und angepasst an die Persönlichkeit, Berufserfahrung und Unternehmensstrukturen. Er sollte aber unbedingt regelmäßige Feedbackgespräche, eventuell auch Etappenziele enthalten. Aus eigener Erfahrung können wir sagen, dass diese „Wochen-Stand-ups“ unbedingt fest eingeplant sein sollten, da dies sonst im Arbeitsalltag in Vergessenheit gerät. Durch Fragen wie „Wie war diese Woche für Sie? Was brauchen Sie für die nächste Woche?“ sind Sicherheit und Orientierung bei Ihrem Newcomer programmiert. Die Wochen-Stand-ups können gut von einem Teammitglied als eine Art „Buddy“ übernommen werden und sind nicht zwangsläufig Chefsache.

TAB. Für jede Boarding-Phase das passende Tool

Phase

Tool

Mehrwert für Sie und Ihr Team

Mehrwert für Ihr neues Teammitglied

Preboarding

  • Welcome! – Erstellen Sie ein Willkommensvideo

  • Vorbereitung auf das neue Teammitglied

  • Sicherheit, Transparenz, Erwartungsmanagement, Vorfreude wecken, Vertrauensaufbau

  • Wer kommt?

  • Sicherheit, Transparenz, Orientierung, Vorfreude wecken, Vertrauensaufbau

  • Be prepared

  • Klare Verantwortlichkeiten, Ruhe, Struktur, Effektivität, Fokus

  • Sicherheit, Orientierung

Onboarding

  • Wochen-Stand-ups

  • Kontaktpflege, Erwartungsmanagement, Vertrauen, Effektivität

  • Sicherheit, Kontaktpflege, Transparenz, Vertrauen, Unterstützung

  • Chef-Wiki

  • Erwartungsmanagement, Transparenz

  • Erwartungsmanagement, Orientierung

Reboarding

  • „Over the Shoulder“-Treffen

  • Kontaktpflege im Team, Stärkung des Teams

  • Sicherheit, Orientierung, Unterstützung, Entwicklung

Neben der Übersicht für die erste Woche füllt ein „Chef-Wiki“ die Einarbeitungsmappe. Händigen Sie Ihrem neuen Teammitglied ein kleines Wiki oder FAQs aus, wo die wichtigsten Eigenschaften und Eigenheiten von Ihnen als Führungskraft zusammengefasst nachzulesen sind. Hierdurch gibt es direkt ein gesundes Erwartungsmanagement. Facts wie „Ich arbeite auch am Wochenende. Es kann sein, dass ich Ihnen eine Nachricht schicke. Ich erwarte dann nicht, dass Sie antworten!“ oder „In meinem Terminplan finden Sie gelb markierte Zeitfenster. In diese können Sie sich eintragen, wann immer Sie Redebedarf mit mir haben“ geben Transparenz. Und stehen in der Mappe auch noch zum Nachlesen zur Verfügung.

Sich wohlzufühlen ist die Basis für eine erfolgreiche Integration ins Team.


#

Onboarding – eine Chance für Sie, mich … uns!

Der gesamte Onboarding-Prozess dient dem Check: Passen wir zueinander? Im Idealfall lautet das Ergebnis: „Ja! Wir können toll zusammenarbeiten und uns gemeinsam weiterentwickeln.“ Daher darf der Boarding-Prozess als gegenseitiges Kennenlernen gesehen werden, und im besten Fall kann man sich füreinander begeistern.

Nach dem Boarding (man kann es ungefähr in den zeitlichen Rahmen der Probezeit setzen) sollte Ihr neues Teammitglied Antworten auf folgende Fragen haben:

  • Was macht das Team aus?

  • Wo oder wofür steht das Unternehmen?

  • Was sind Werte des Unternehmens?

  • Was kann ich hier lernen?

  • Was sind meine Perspektiven?

Und Sie und Ihr Team sollten ein Bild davon haben, was die Stärken und Potenziale der Person sind, welche Werte sie vertritt und welche Ziele sie hat.

Mit diesem intensiven Kennenlernen schaffen wir eine hohe Motivation, und zwar durch Emotionen. Und Emotionen schaffen wiederum Bindung. An dieser Stelle entfaltet der Boarding-Prozess dann sein Potenzial. Wer verlässt schon einen Ort, an dem sie oder er sich wohlfühlt?

Durch den regelmäßigen Austausch mit Ihrem Newcomer bekommen auch Sie Rückmeldung zu Ihrem Unternehmen. Eine Chance für Sie, Prozesse, Inhalte, Werte und vieles mehr zu reflektieren. Das Onboarding ist also auch für Sie und Ihr Unternehmen eine Chance zur Weiterentwicklung.


#

Welcome back!

Willkommen zurück! Jemand aus Ihrem Team hat eine längere Pause gemacht, zum Beispiel wegen Elternzeit oder Krankheit. Damit Ihr Teammitglied einen guten Wiedereinstieg hat, gestalten Sie ein sogenanntes Reboarding. Denn auch in wenigen Monaten kann viel passieren: neue Heilmittelrichtlinien, neue Kolleg*innen sind im Team, das Therapieangebot hat sich verändert und noch vieles mehr. Überlegen Sie mal, was sich bei Ihnen in den vergangenen zwölf Monaten organisatorisch und inhaltlich verändert hat. Auch die Rolle Ihrer Mitarbeitenden im Team gehört dazu. Also: Bringen Sie Ihr Teammitglied auf den aktuellen Stand und schaffen Sie dadurch Sicherheit. Am besten begleitet Ihr*e Wiederkommer*in im Rahmen von „Over the shoulder“-Treffen den Alltag der Kolleg*innen und schaut ihnen wortwörtlich über die Schulter. So werden Informationen sicher weitergegeben. Wiederkommende haben so die Möglichkeit, in Ruhe anzukommen und sich mit diesem neuen, alten Alltag vertraut zu machen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, die Qualität des Einarbeitungsprozesses macht einen riesengroßen Unterschied. Nicht umsonst ist inzwischen die Frage nach der Einarbeitungszeit bei Bewerber*innen, besonders bei Berufsanfänger*innen, eine Standardfrage im Vorstellungsgespräch.

Gelingt der Boarding-Prozess gut, freuen sich neue Teammitglieder auf den ersten Tag und die Jahre danach. Alle starten gemeinsam mit hoher Motivation und Produktivität. Durch die Sicherheit einer guten Vertrauensbasis und einen strukturierten Prozess erhöht sich die Effizienz und es passieren weniger Fehler. Im Endeffekt kommt das auch den Klient*innen zugute. Außerdem ist ein guter Boarding-Prozess ein Aushängeschild für weitere Bewerber*innen und eine Chance, das eigene Unternehmen weiterzubringen.

Mastertipp, den Sie auch in unserem Onlinekurs finden: Holen Sie sich Feedback zum Boarding-Prozess in Ihrem Team. Erstellen Sie daraus gemeinsam eine Sammlung, so wird der Prozess nach und nach optimiert.

Jessica Liers, Swantje Kampe


#

Veranstaltungen – Mehr Input zum Thema Boarding

Onlinekurs mit 26 Tools für Ihren Boarding-Prozess: https://boardingtools.myelopage.com/s/boardingtools/boardingtools

Onlineseminar: Einarbeitung leicht gemacht! 1. Juni 2023, www.innovative-ergotherapie.de


#
#

Autorinnen

Zoom Image
Jessica Liers ist Ergotherapeutin und Inhaberin einer Ergotherapiepraxis in Paderborn.
Zoom Image
Swantje Kampe ist Ergotherapeutin und in einer interdisziplinären Praxis verantwortlich für die Organisation des Onboardings.Beide Autorinnen sind New Work Coaches mit dem Schwerpunkt Teamentwicklung und Implementierung von passenden New-Work-Aspekten in therapeutischen Praxen.

Publication History

Article published online:
17 March 2023

© 2023. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

Zoom Image
Jessica Liers ist Ergotherapeutin und Inhaberin einer Ergotherapiepraxis in Paderborn.
Zoom Image
Swantje Kampe ist Ergotherapeutin und in einer interdisziplinären Praxis verantwortlich für die Organisation des Onboardings.Beide Autorinnen sind New Work Coaches mit dem Schwerpunkt Teamentwicklung und Implementierung von passenden New-Work-Aspekten in therapeutischen Praxen.
Zoom Image
Wie Passagiere bei einer Flugreise möchten sich Ihre neuen Teammitglieder von Anfang an in Ihrer Praxis wohlfühlen. Quelle: © S. Schaaf/Thieme