CC BY-NC-ND 4.0 · Dtsch Med Wochenschr 2023; 148(09): 55-64
DOI: 10.1055/a-2009-5077
Originalarbeit

Behandlung und LDL-Cholesterin-Einstellung von Patienten mit hohem und sehr hohem kardiovaskulärem Risiko in Deutschland und im europäischen Vergleich – Daten des SANTORINI-Registers

Treatment and LDL cholesterol adjustment in patients with high and very high cardiovascular risk in Germany compared with Europe – data from the SANTORINI registry
Paulina Elena Stürzebecher
1   Klinik und Poliklinik für Kardiologie, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig, Deutschland
,
Adrienn Tünnemann-Tarr
1   Klinik und Poliklinik für Kardiologie, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig, Deutschland
,
Katja Tuppatsch
2   Daiichi Sankyo Deutschland, München, Deutschland
,
Ulrich Laufs
1   Klinik und Poliklinik für Kardiologie, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig, Deutschland
› Institutsangaben
Diese Studie wurde finanziert von der Daiichi Sankyo Europe GmbH, München, Deutschland, die das Studiendesign, die Sammlung der Daten und die Datenanalyse definierte. Sechs Auftragsforschungsunternehmen führten die Studie in 14 europäischen Ländern im Auftrag von Daiichi Sankyo Europe durch.
Gefördert durch: ClinicalTrials.gov unter der Identifizierungsnummer NCT04271280
 

Zusammenfassung

Einleitung Die ESC/EAS-Leitlinien von 2019 zum Dyslipidämie-Management empfehlen LDL-Cholesterin (LDL-C) Zielwerte gemäß dem kardiovaskulären (CV) Risiko des Patienten. SANTORINI untersucht als erste große europäische Beobachtungsstudie seit Einführung der Leitlinien 2019, ob sich das Lipidmanagement von Patienten mit hohem und sehr hohem CV Risiko verbessert hat.

Methoden SANTORINI ist eine multinationale Registerstudie an 9602 Patienten ≥ 18 Jahre mit hohem und sehr hohem CV Risiko, die eine lipidsenkende Therapie benötigen. Primäres Ziel der Studie ist die Dokumentation der Effektivität aktueller Behandlungsstrategien zum LDL-C-Management in der täglichen Praxis.

Ergebnisse Für diese Analyse lagen vollständige Baselinedaten für 2086 Patienten in Deutschland und 6958 Patienten in Europa vor. Die CV Risikoklassifizierung durch die Behandler erfolgte bei > 50 % der Patienten auf Basis der ESC/EAS-Leitlinien von 2019 und ergab ein hohes CV Risiko für 15,6 % (173/1112) bzw. ein sehr hohes CV Risiko für 84,4 % (939/1112) der Patienten in Deutschland (Europa: 20,7 % [743/3594] hohes, 79,3 % [2851/3594] sehr hohes CV Risiko). Eine unabhängige Nachberechnung, basierend auf diesen Guidelines, ergab dagegen ein hohes bzw. sehr hohes CV Risiko für 4,1 % (46/1112) bzw. 94,5 % (1051/1112) der Patienten in Deutschland. Auch im europäischen Vergleich wurde das CV Risiko in ca. 10 % der Fälle unterschätzt.

Zu Studienbeginn erhielten 59,5 % (1241/2086) der Patienten in Deutschland und 52,6 % (3661/6958) der Patienten in Europa eine lipidsenkende Monotherapie und 19,9 % (416/2086, Deutschland) bzw. 25,2 % (1753/6958, Europa) eine Kombinationstherapie. 78,6 % (1640/2086) der Patienten in Deutschland verfehlten die in den ESC/EAS-Leitlinien empfohlenen LDL-C-Zielwerte (Europa: 71,7 % [4989/6958]).

Fazit Die ESC/EAS Leitlinien-Empfehlungen von 2019 werden nur bei einer Minderheit der Patienten umgesetzt. Die Studie identifiziert Chancen zur Verbesserung der Prävention von CV Erkrankungen in Deutschland.


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Abstract

Introduction Current 2019 ESC/EAS guidelines for the management of dyslipidemia recommend LDL cholesterol (LDL-C) goals according to the patients’ cardiovascular (CV) risk. SANTORINI is the first large European observational study since the 2019 guidelines to assess whether lipid management in patients at high and very high CV risk has improved.

Methods SANTORINI is a multinational, prospective, non-interventional, observational study in 9602 patients ≥ 18 years at high and very high CV risk requiring lipid-lowering therapy. Individual CV risk was assessed by the investigator. The primary study objective is to document, in a real-world setting, the effectiveness of current lipid management regarding LDL-C levels.

Results For this analysis, complete recruitment data was available for 2086 patients in Germany and 6958 patients Europe. Investigators used the 2019 ESC/EAS guidelines as a basis for CV risk classification in > 50 % of the patients and classified 15.6 % (173/1112) of patients in Germany as high and 84.4 % (939/1112) as very high-risk (Europe: 20.7 % [743/3594] high, 79.3 % [2851/3594] very high CV risk). An independent re-calculation of the CV risk based on these guidelines classified 4.1 % (46/1112) of patients in Germany as high and 94.5 % (1051/1112) as very high-risk. Also in Europe, CV risk was underestimated in around 10 % of patients.

At baseline, 59.5 % (1241/2086) patients in Germany and 52.6 % (3661/6958) patients in Europe received lipid-lowering monotherapy; 19.9 % (416/2086) and 25.2 % (1753/6958) of patients in Germany and Europe received combination therapy. 78.6 % (1640/2086) of patients in Germany missed the 2019 ESC/EAS guideline recommended LDL-C treatment goals (Europe: 71.1 % [4989/6958]).

Discussion The 2019 ESC/EAS guideline recommendations are only implemented in a minority of patients. The study identifies opportunities for improvements in the prevention of CV diseases in Germany.


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Einleitung

Im Jahr 2020 waren 34,3 % aller Todesfälle in Deutschland durch Krankheiten des Kreislaufsystems bedingt [1], in Europa verursachen kardiovaskuläre (CV) Erkrankungen jedes Jahr mehr als 4 Millionen Todesfälle [2]. Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin (LDL-C) ist ein kausaler Risikofaktor für atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen (ASCVD) [3] [4]. Um das ASCVD-Risiko zu reduzieren, empfehlen internationale Leitlinien eine Senkung des LDL-Cholesterins auf Zielwerte in Abhängigkeit vom individuellen CV Risiko eines Patienten. Maßnahmen zur Senkung des LDL-Cholesterins und zur Verbesserung des Lipidprofils beinhalten eine Veränderung des Lebensstils und eine medikamentöse Behandlung von Fettstoffwechselstörungen mit lipidmodifizierenden Therapien (LMT) [5]. Doch obwohl eine Reihe von LMTs wie beispielsweise Statine, Cholesterinresorptionshemmer, Gallsäurebinder, Fibrate oder Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin-Typ-9--Inhibitoren (PCSK9) für die Behandlung von Fettstoffwechselstörungen und die Senkung des LDL-Cs zur Verfügung stehen, werden die von den internationalen Leitlinien empfohlenen LDL-C-Behandlungsziele häufig nicht erreicht. Registerstudien, wie die in 27 europäischen Ländern in der Sekundärprävention durchgeführte EUROASPIRE-V-Studie [6] oder die in 18 europäischen Ländern durchgeführte DA-VINCI-Studie zur Anwendungsbeobachtung von LMTs in der Primär- und Sekundärprävention von ASCVD [7], zeigen, dass in der täglichen Praxis die LDL-C-Zielwerterreichung – bereits gemessen an den europäischen Leitlinien für Lipidmanagement von 2016 – suboptimal war. Die Empfehlungen der European Society of Cardiology (ESC) und der European Atherosclerosis Society (EAS) von 2019 liegen für Patienten mit sehr hohem CV Risiko bei < 55 mg/dl (< 1,4 mmol/l) und damit niedriger als in den ESC/EAS-Leitlinien von 2016 [5]. Eine große Kohortenstudie untersuchte 2018 die Zielwerterreichung bei ASCVD-Patienten mit sehr hohem CV Risiko in Deutschland. Dabei hatten ca. 80 % der Patienten unter Statintherapie mit moderater oder hoher Intensität LDL-C-Werte ≥ 70 mg/dl [8]. In der DA-VINCI-Studie lag trotz der Empfehlung von lipidmodifizierenden Kombinationstherapien zur LDL-C-Zielwerterreichung aus den vorangegangenen Leitlinien [9] [10] der Einsatz von Kombinationen aus Statin und Ezetimib oder Statin und PCSK9-Hemmer in Europa nur bei 9 % bzw. 1 % der Patienten [7].

SANTORINI ist die erste große europaweite Beobachtungsstudie seit der Einführung der ESC/EAS-Leitlinie 2019, die das aktuelle Lipidmanagement von Patienten mit hohem und sehr hohem CV Risiko und dessen Wirksamkeit hinsichtlich der Erreichung der LDL-C-Zielwerte gemäß der europäischen Leitlinien untersucht [11]. Die vorliegende Analyse fokussiert auf die Patientencharakteristika und Behandlungsmuster zum LDL-C-Management deutscher Patienten in der SANTORINI-Studie im Vergleich zur gesamteuropäischen Population.


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Methodik

Studiendesign

Die SANTORINI-Studie (NCT04 271 280) ist eine multinationale, nichtinterventionelle, prospektive Beobachtungsstudie [12], die zwischen März 2020 und Februar 2021 insgesamt 9602 Patienten mit Dyslipidämie in der Primär- und Sekundärprävention in 14 europäischen Ländern einschloss. Für jeden Patienten folgte im Anschluss ein Follow-up-Zeitraum von 12 Monaten. Die Dokumentation der Patientendaten fand als Baseline bei Einschluss in die Studie statt und wird nach 12 Monaten Follow-up erneut erfolgen. Das Design der Studie wurde publiziert [11].

Bei Studieneinschluss wurden die Patientencharakteristika erhoben. Dazu gehören der LDL-C-Wert sowie weitere Lipidparameter, das CV Risiko, Begleiterkrankungen, die relevante medizinische Vorgeschichte des Patienten, detaillierte Informationen zur lipidsenkenden Therapie der letzten 12 Monate sowie gesundheitsökonomische Parameter. Außerdem wurde das CV Risiko eines jeden Studienteilnehmers zunächst durch den behandelnden Arzt bestimmt und später auf Basis der dokumentierten Patientencharakteristika nach den Kriterien der Risikobewertungssysteme „Secondary Manifestations of ARTerial disease“ (SMART) [13], Framingham [3] und „Systematic COronary Risk Estimation“ (SCORE) [14] berechnet. Da es sich um eine nichtinterventionelle Studie handelt, wurden nur Daten im Rahmen der täglichen Praxisroutine dokumentiert.


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Rekrutierung und Patienten

Die Studie schloss 9602 Patienten mit hohem und sehr hohem CV Risiko ein, welche eine lipidsenkende Therapie zur Primär- oder Sekundärprophylaxe benötigen. Um in die Studie aufgenommen zu werden, mussten die Patienten ≥ 18 Jahre alt sein und ihre informierte Einwilligung geben. Weitere Einschlusskriterien waren die Verordnung einer LMT (Statine, Ezetimib, Fibrate, PCSK9-Inhibitoren, Gallensäurebinder, Nikotinsäure oder andere) bei Studieneinschluss oder in den letzten 12 Monaten davor; LDL-C-Messungen innerhalb der letzten 14 Monate vor Studieneinschluss; und eine Lebenserwartung von mindestens einem Jahr. Patienten wurden aus der Studie ausgeschlossen, wenn bei ihnen eine familiäre Hypercholesterinämie mit CV Ereignissen in der Anamnese vorlag; wenn sie aktuell eine Krebstherapie erhielten (ausgenommen Therapie von Plattenepithelzell-Karzinomen); wenn sie positiv für das humane Immundefizienz-Virus (HIV) waren; wenn sie schwanger waren oder stillten; und wenn sie in den letzten 6 Monaten vor Studieneinschluss an einer interventionellen Studie teilgenommen hatten [11]. Darüber hinaus wurden keine expliziten Ausschlusskriterien definiert.

Die Patienten wurden nach ihrem CV Risiko (hoch/sehr hoch, nach Einschätzung des Arztes) stratifiziert sowie danach, ob sie im Vorfeld bereits eine LMT erhalten hatten oder neu diagnostiziert waren.


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Ethik

Die Ethikkommissionen der jeweils zuständigen Institutionen haben das Studienprotokoll der SANTORINI-Studie genehmigt.

Von allen Teilnehmern liegt eine schriftliche Patienteneinwilligung in die Studienteilnahme vor. Die Studie wurde im Einvernehmen mit der Deklaration von Helsinki und den Leitlinien der International Conference on Harmonization für Gute Klinische Praxis ausgeführt.


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Ziel der Studie und Datenerhebung

Das primäre Ziel der SANTORINI-Studie ist die Dokumentation der Wirksamkeit aktueller Strategien der Lipidtherapie zum Management der LDL-C-Spiegel von Patienten mit hohem und sehr hohem CV Risiko in Europa in einem Real-World-Szenario [11]. Sekundäre Studienziele sind unter anderem die Beschreibung der Zusammenhänge zwischen den eingesetzten lipidsenkenden Therapien und den Plasmaspiegeln weiterer Lipidparameter (Non-High-Density-Lipoprotein-Cholesterin [Non-HDL-C], Gesamtcholesterin, Apolipoprotein B, Triglyceride, Lipoprotein (a) und HDL-C) sowie des Entzündungsmarkers hsCRP. Dieser Bericht aus der SANTORINI-Studie beschreibt die Patientencharakteristika und Behandlungsstrategien in der täglichen Praxis der Lipidtherapie in Deutschland zum Management des LDL-C-Wertes im Vergleich zur gesamteuropäischen Patientenpopulation bei Studieneinschluss.


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Statistische Analyse

Die SANTORINI-Studie wurde als nichtinterventionelle Anwendungsbeobachtung rein deskriptiv ausgewertet. Für die statistische Auswertung wurden, wie zuvor beschrieben [11], 3 Populationen definiert: die Population aller dokumentierten Patienten (APS), die alle Patienten mit jeglicher Dokumentation im elektronischen Prüfbogen (eCRF) beinhaltet, die Baseline-Analyse-Population (BAS), die alle Patienten mit adäquat vervollständigten Baseline-Informationen beinhaltet, und die Population aller Patienten, die das einjährige Follow-up abgeschlossen haben (full analysis set, FAS) [11]. Dieser Analyse liegt die BAS-Population zugrunde.

Baseline-Charakteristika werden als Mittelwert (Standardabweichung [SD]) oder Median (Interquartilsabstand [IQR]) für kontinuierliche Variablen und als Prozentsatz für kategorische Variablen angegeben. Die Nachberechnung des CV Risikos erfolgte basierend auf den Patientendaten und unter Anwendung der CV Risikoklassifizierung nach den ESC/EAS-Leitlinien von 2019. Für fehlende Werte wurde keine Imputation vorgenommen und zur Berechnung relativer Häufigkeiten wurden fehlende Werte nicht berücksichtigt.


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Ergebnisse

Patientencharakteristika zu Studienbeginn

Die SANTORINI-Studie schloss insgesamt 9602 Patienten in Europa ein, 2296 davon in Deutschland. Für diesen Bericht lagen vollständige Einschlussdaten für 9044 Patienten vor, 6958 in Europa (ohne Deutschland) und 2086 Patienten in Deutschland (Baseline-Analyse-Population; [Abb. 1]).

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Abb. 1 Flussdiagramm zum Einschluss der Patienten in SANTORINI.
*Die Klassifizierung des CV Risikos erfolgte durch den behandelnden Studienarzt.
CV: kardiovaskulär.

Das Durchschnittsalter der Patienten in Deutschland betrug 65,7 Jahre (Standardabweichung [SD] 10,9), 28,0 % der Patienten waren weiblich. Bei 1509 Patienten (72,3 %) wurde das kardiovaskuläre Risiko vom behandelnden Studienarzt als „sehr hoch“ eingestuft, bei 577 Patienten (27,7 %) als „hoch“. Mehr als 80 % der Patienten in beiden Risikogruppen hatten eine Hypertonie als Begleiterkrankung, bei mehr als 30 % der Patienten war ein Diabetes mellitus diagnostiziert worden. [Tab. 1] zeigt eine Übersicht über die Patientencharakteristika zu Studienbeginn für die Patienten in Deutschland und für die gesamteuropäische Studienpopulation ohne Deutschland zum Vergleich.

Tab. 1

Patientencharakteristika in der SANTORINI-Studie: Deutschland vs. Europa ohne Deutschland.

Deutschland

Europa ohne Deutschland

Gesamt

Hohes CV Risiko[*]

Sehr hohes CV Risiko[*]

Gesamt

Hohes CV Risiko[*]

Sehr hohes CV Risiko[*]

N = 2086

N = 577

N = 1509

N = 6958

N = 2060

N = 4892

Weiblich, n (%)

585 (28,0)

210 (36,4)

375 (24,9)

1896 (27,3)

788 (38,3)

1106 (22,6)

Alter, Jahre (±SD)

65,7 (10,9)

64,3 (12,0)

66,2 (10,4)

65,2 (10,9)

63,2 (11,6)

66,0 (10,5)

BMI [kg/m2], Mittelwert (±SD)

28,5 (4,8)

28,5 (4,8)

28,5 (4,8)

28,3 (5,0)

28,4 (5,3)

28,2 (4,8)

ASCVD, n (%)

1803 (86,4)

363 (62,9)

1440 (95,4)

5151 (74,0)

731 (35,5)

4416 (90,3)

Familiäre Hypercholesterinämie, n (%)

215 (10,3)

94 (16,3)

121 (8,0)

678 (9,7)

319 (15,5)

359 (7,3)

Hypertonie, n (%)

1743 (83,6)

467 (80,9)

1276 (84,6)

4629 (66,5)

1273 (61,8)

3353 (68,5)

Diabetes mellitus, n (%)

691 (33,1)

174 (30,2)

517 (34,3)

2347 (33,7)

708 (34,4)

1637 (33,5)

Diabetes mellitus mit Endorganschaden, n (%)

138 (6,6)

27 (4,7)

111 (7,4)

472 (6,8)

98 (4,8)

374 (7,7)

Arrhythmie

373 (17,9)

80 (13,9)

293 (19,4)

1043 (15,0)

248 (12,0)

795 (16,3)

Raucher, n (%)

  • Aktuell

344 (16,5)

101 (17,5)

243 (16,1)

1149 (16,5)

299 (14,5)

849 (17,4)

  • In der Vergangenheit

822 (39,4)

196 (34,0)

626 (41,5)

3034 (43,6)

753 (36,6)

2278 (46,6)

  • Nie

853 (40,9)

268 (46,5)

585 (38,8)

2691 (38,7)

988 (48,0)

1702 (34,8)

  • Unbekannt

67 (3,2)

12 (2,1)

55 (3,6)

84 (1,2)

20 (1,0)

63 (1,3)

Blutdruck systolisch, Mittelwert (± SD)

134,6 (17,8)

135,1 (17,6)

134,4 (17,9)

133,7 (18,2)

134,6 (17,9)

133,3 (18,3)

Blutdruck diastolisch, Mittelwert (± SD)

79,2 (10,2)

79,1 (9,5)

79,3 (10,4)

77,5 (10,6)

78,6 (10,5)

77,0 (10,6)

Laborparameter

n = 1925

n = 523

n = 1402

n = 6531

n = 1906

n = 4619

LDL-C [mmol/l], Mittelwert (± SD)[#]

2,58 (1,21)

2,93 (1,29)

2,45 (1,16)

2,36 (1,21)

2,62 (1,28)

2,25 (1,16)

n = 1789

n = 486

n = 1303

n = 6602

n = 1948

n = 4648

HDL-C [mmol/l], Mittelwert (± SD)[#]

1,30 (0,43)

1,33 (0,39)

1,28 (0,45)

1,26 (0,39)

1,36 (0,42)

1,22 (0,37)

n = 1735

n = 467

n = 1268

n = 6590

n = 1945

n = 4639

Non-HDL-C [mmol/l], Mittelwert (± SD)[#]

3,16 (1,38)

3,60 (1,47)

2,99 (1,30)

3,00 (1,34)

3.29 (1.41)

2,87 (1,29)

n = 1799

n = 481

n = 1318

n = 6629

n = 1957

n = 4666

TC [mmol/l], Mittelwert (± SD)[#]

4,44 (1,41)

4,95 (1,45)

4,26 (1,35)

4,28 (1,40)

4,67 (1,45)

4,12 (1,34)

n = 1580

n = 431

n = 1149

n = 6182

n = 1802

n = 4374

Triglyzeride [g/l], Median (IQR)[§]

1,48 (1,04; 2,19)

1,58 (1,07; 2,32)

1,45 (1,02; 2,15)

1,39 (1,00; 1,99)

1,47 (1,00; 2,10)

1,36 (0,99; 1,92)

ASCVD: atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankung; BMI: Body-Mass-Index; CV: kardiovaskulär; HDL-C: High-Density-Lipoprotein-Cholesterin; IQR: Interquartilsabstand (1. und 3. Quartile); LDL-C: Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin; SD: Standardabweichung; TC: Gesamtcholesterin.
In der Europa-Population (n = 6958) lagen zum Zeitpunkt der Snapshot-Analyse für 6 Patienten keine Daten zur Risikoeinschätzung durch den Studienarzt vor.

* Risikoklassifizierung nach Einschätzung des behandelnden Arztes.


# Zur Umrechnung in mg/dl mit dem Faktor 38,67 multiplizieren.


§ Zur Umrechnung in mg/dl mit dem Faktor 88,5 multiplizieren.


Während die Patientencharakteristika der deutschen und der gesamteuropäischen Studienteilnehmer generell ähnlich waren, zeigen sich Unterschiede im Anteil an Patienten mit Hypertonus (83,6 % in Deutschland versus 66,5 % in Europa ohne Deutschland) und in den Laborparametern für Lipide zu Baseline. Hier liegen die Plasmaspiegel für LDL-C, non-HDL-C, Gesamtcholesterin und Triglyzeride bei den Patienten aus Deutschland höher als im gesamteuropäischen Vergleich ([Tab. 1]).


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Einschätzung des kardiovaskulären Risikos

Die Klassifikation des CV Risikos erfolgte zunächst durch den behandelnden Arzt. An der Studie teilnehmende, behandelnde Ärzte in Deutschland waren in der Mehrheit (71,5 %) Fachärzte für Kardiologie; 13,4 % und 12,9 % der Behandler waren Spezialisten für Diabetologie und/oder Lipidologie. In mehr als 50 % der Fälle erfolgte die Risikobewertung der Patienten auf Basis der ESC/EAS-Leitlinien von 2019 [5]; 39,3 % der Behandler klassifizierten das CV Risiko der Patienten basierend auf ihrer klinischen Erfahrung (siehe [Abb. 2]). Im Vergleich mit den europäischen Ergebnissen (ohne Deutschland) wurden hier weniger Entscheidungen basierend auf klinischer Erfahrung getroffen (32,6 %) – nationale Leitlinien wurden im gesamteuropäischen Vergleich häufiger zur Risikoklassifikation herangezogen (10,8 %) als in Deutschland (4,5 %). Für 1112 Patienten in Deutschland wurde die Risikoklassifizierung nach Angaben des behandelnden Arztes auf Basis der aktuellen ESC/EAS-Leitlinien vorgenommen, dabei wurde in 84,4 % der Fälle (939/1112 Patienten) das CV Risiko als „sehr hoch“ (Höchstrisikopatienten) eingestuft, in 15,6 % der Fälle (173/1112 Patienten) als „hoch“ („Hochrisikopatienten“). Wurde die Risikoklassifikation für diese Patienten auf Basis der ESC/EAS-Leitlinien und der erhobenen Patientendaten (dokumentierter ASCVD-Status, Risikofaktoren wie aktueller/früherer Raucher, familiäre Hypercholesterinämie, Diabetes mellitus oder Hypertonie als Begleiterkrankung) nachberechnet, so ergab sich in 94,5 % der Fälle (1051/1112 Patienten) ein sehr hohes Risiko und in 4,1 % der Fälle (46/1112 Patienten) ein hohes Risiko. Bei 15 Patienten konnte das Risiko mit den verfügbaren Angaben nicht nachberechnet werden. Das Risiko wurde damit in etwa 10 % der Fälle unterschätzt ([Abb. 3]). Auch im gesamteuropäischen Vergleich fand eine Unterschätzung des auf Basis der ESC/EAS-Leitlinien bestimmten kardiovaskulären Risikos in etwa 10 % der Fälle statt ([Abb. 3]).

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Abb. 2 Basis für die Einschätzung des CV Risikos in der SANTORINI-Studie durch den Behandler.
CV: kardiovaskulär; EAS: European Atherosclerosis Society; ESC: European Society of Cardiology.
Angaben zur Basis der CV Risikoklassifizierung wurden vom Studienarzt zu Studienbeginn dokumentiert. Die CV Risikoklassifizierung erfolgte für n = 2086 Patienten aus Deutschland und n = 6958 Patienten aus Europa.
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Abb. 3 Risikoklassifikation durch den Behandler und durch Nachberechnung auf Basis der ESC/EAS-Leitlinien (2019).
ASCVD: atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankung; EAS: European Atherosclerosis Society; ESC: European Society of Cardiology.
Die Analyse erfasst n = 1112 Patienten in Deutschland und n = 3594 Patienten in Europa, für die die Risikoklassifizierung durch den Behandler auf Basis der ESC/EAS-Leitlinien von 2019 erfolgte. Die Nachberechnung erfolgte anhand des ASCVD-Status und der dokumentierten Risikofaktoren der Patienten auf Basis der EAS/ESC-Leitlinien von 2019.

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Lipidsenkende Therapien bei Studieneinschluss

Zu Studienbeginn erhielten 20,6 % (429/2086) der Patienten in Deutschland keine LMT, 11 % der Patienten (229/2086) waren dabei in den 4 Wochen vor Studieneinschluss neu diagnostiziert worden. 59,5 % (1241/2086) der Patienten erhielten eine Monotherapie, die meisten (94,5 %) von ihnen mit einem Statin. Eine Kombinationstherapie erhielten 19,9 % (416/2086) der Patienten in Deutschland, die überwiegende Mehrheit (82,9 %) von ihnen erhielt eine Kombination aus einem Statin und Ezetimib ([Abb. 4]). Bei den Höchstrisikopatienten lag der Anteil derer, die eine Kombinationstherapie erhielten, höher als bei den Patienten mit hohem Risiko (22,9 % bei Patienten mit sehr hohem versus 12,1 % bei Patienten mit hohem Risiko). Im gesamteuropäischen Vergleich erhielten 25,2 % (1753/6958) der Patienten eine Kombinationstherapie; auch hier lag der Anteil bei Patienten mit sehr hohem Risiko höher als bei Patienten mit hohem Risiko (27,5 % bei sehr hohem versus 19,8 % bei hohem CV Risiko). Auch in Europa ohne Deutschland wurde am häufigsten eine Kombinationstherapie aus einem Statin und Ezetimib eingesetzt (15,8 %). 5,2 % (365/6958) der Patienten erhielten eine Kombination aus einem PCSK9-Inhibitor und einem oralen Lipidsenker ([Abb. 4]). Sowohl in der Mono- als auch in der Kombinationstherapie wurde das Statin vorrangig in moderater oder hoher Intensität eingesetzt ([Tab. 2]).

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Abb. 4 Lipidmodifizierende Therapien in SANTORINI zu Studienbeginn.
LMT: lipidmodifizierende Therapie; PCSK9: Proproteinkonvertase-Subtilisin/Kexin-Typ-9.
Die Angaben zum CV Risiko basieren auf den Angaben der Studienärzte. Die Dokumentation der lipidmodifizierenden Therapie erfolgte zu Baseline. In der Europa-Population (n = 6958) lagen zum Zeitpunkt der Snapshot-Analyse für 6 Patienten keine Daten zur Risikoeinschätzung durch den Studienarzt vor.
Tab. 2

Statin-Intensitäten in lipidmodifizierender Mono- und Kombinationstherapie mit Ezetimib in der SANTORINI-Studie zu Baseline.

Deutschland

Europa ohne Deutschland

Gesamt

Hohes CV Risiko[*]

Sehr hohes CV Risiko[*]

Gesamt

Hohes CV Risiko[*]

Sehr hohes CV Risiko[*]

N = 2086

N = 577

N = 1509

N = 6958

N = 2060

N = 4892

Statin-Monotherapie, % (n)

56,2 (1173)

54,4 (314)

56,9 (859)

48,4 (3364)

54,5 (1122)

45,8 (2240)

Intensität unbekannt

1,2 (24)

1,9 (11)

0,9 (13)

1,3 (92)

1,5 (31)

1,3 (61)

Geringe Intensität

1,5 (32)

1,7 (10)

1,5 (22)

1,6 (110)

2,0 (41)

1,4 (69)

Moderate Intensität

30,4 (633)

33,1 (191)

29,3 (442)

23,6 (1644)

33,7 (695)

19,4 (948)

Hohe Intensität

23,2 (484)

17,7 (102)

25,3 (382)

21,8 (1518)

17,2 (355)

23,8 (1162)

Statin + Ezetimib, % (n)

16,5 (345)

10,4 (60)

18,9 (285)

15,8 (1101)

11,9 (246)

17,5 (855)

Intensität unbekannt

0,4 (9)

0,2 (1)

0,5 (8)

0,5 (37)

0,4 (8)

0,6 (29)

Geringe Intensität

0,3 (7)

0,2 (1)

0,4 (6)

0,4 (26)

0,3 (6)

0,4 (20)

Moderate Intensität

5,4 (113)

4,9 (28)

5,6 (85)

5,4 (378)

4,5 (93)

5,8 (285)

Hohe Intensität

10,4 (216)

5,2 (30)

12,3 (186)

9,5 (660)

6,8 (139)

10,7 (521)

CV: kardiovaskulär; PCSK9i: Proproteinkonvertase-Subtilisin/Kexin-Typ-9-Inhibitor.
In der Europa-Population (n = 6958) lagen zum Zeitpunkt der Snapshot-Analyse für 6 Patienten keine Daten zur Risikoeinschätzung durch den Studienarzt vor.

* Risikoklassifizierung nach Einschätzung des behandelnden Arztes.



#

LDL-C-Zielwerterreichung zu Studienbeginn

Zu Studienbeginn hatten Patienten in Deutschland mit hohem CV Risiko im Mittel (±SD) einen LDL-C-Wert von 113,3 ± 49,9 mg/dl (2,93 ± 1,29 mmol/l); Patienten mit sehr hohem CV Risiko hatten einen mittleren LDL-C-Wert von 94,7 ± 44,9 mg/dl (2,45 ± 1,16 mmol/l). Die in der ESC/EAS-Leitlinie definierten LDL-C-Zielwerte von < 55 mg/dl (< 1,4 mmol/l) für Patienten mit sehr hohem CV Risiko [5], basierend auf der Risikoeinschätzung durch den behandelnden Arzt, wurden in der deutschen Kohorte von 80,9 % der Patienten nicht erreicht; bei Patienten mit hohem CV Risiko wurden die LDL-C-Zielwerte von < 70 mg/dl (< 1,8 mmol/l) [5] von 72,8 % der Patienten nicht erreicht ([Abb. 5]). Im europäischen Vergleich lag der LDL-C-Mittelwert (± SD) für Patienten mit hohem CV Risiko bei Studieneinschluss bei 101,3 ± 49,5 mg/dl (2,62 ± 1,28 mmol/l); für Patienten mit sehr hohem CV Risiko bei 87,0 ± 44,7 mg/dl (2,25 ± 1,16 mmol/l). 66,8 % der Hoch- und 73,8 % der Höchstrisikopatienten erreichten damit die LDL-C-Zielwerte der ESC/EAS-Leitlinie nicht ([Abb. 5]).

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Abb. 5 LDL-C-Zielwerterreichung gemäß den ESC/EAS-Leitlinien von 2019 in SANTORINI zu Baseline.
CV: kardiovaskulär; EAS: European Atherosclerosis Society; ESC: European Society of Cardiology; LDL-C: low-density-Lipoprotein-Cholesterol.
Die Analyse erfasst n = 2086 Patienten in Deutschland und n = 6958 Patienten in Europa. Die Angaben zum CV Risiko basieren auf den Angaben der Studienärzte. Die Risikoklassifizierung durch den Behandler konnte auf Basis der ESC/EAS-Leitlinien zum Management der Dyslipidämie, auf klinischer Expertise, auf nationalen, regionalen, lokalen oder institutionellen Leitlinien oder sonstigen Grundlagen erfolgen. Angaben zur LDL-C-Zielwerterreichung beziehen sich auf die Zielwerte, die in den ESC/EAS-Leitlinien 2019 zum Management der Dyslipidämie angegeben sind (Patienten mit sehr hohem CV Risiko: LDL-C-Zielwert < 55 mg/dl [< 1,4 mmol/l]; Patienten mit hohem CV Risiko: LDL-C-Zielwert < 70 mg/dl [< 1,8 mmol/l]). In der Europa-Population (n = 6958) lagen zum Zeitpunkt der Analyse für 6 Patienten keine Daten zur Risikoeinschätzung durch den Studienarzt vor.

Betrachtet man die Zielwerterreichung in Abhängigkeit von der eingesetzten LMT, so erreichten in Deutschland insgesamt 26,9 % der Patienten mit Kombinationstherapien ihre LDL-C-Zielwerte, mit einer Monotherapie waren es nur 12,7 %. Für Europa lag die Zielwerterreichung mit einer Kombinationstherapie bei 33,5 %, mit einer Monotherapie bei 23,6 %.


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Diskussion

Diese Analyse aus der SANTORINI-Studie zeigt, dass das CV Risiko von Dyslipidämie-Patienten in der Praxis in Deutschland häufig unterschätzt wird, selbst wenn die Risikoeinschätzung auf Basis der ESC/EAS-Leitlinien geschieht. Auch im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern in der SANTORINI-Studie bestätigt sich dieses Ergebnis. Obwohl nur 12,1 % der Patienten mit sehr hohem Risiko in Deutschland den LDL-C-Zielwert von < 55 mg/dl (< 1,4 mmol/l) erreichen, wurde bei nur 22,9 % dieser Patienten eine lipidmodifizierende Kombinationstherapie eingesetzt. Im gesamteuropäischen Vergleich sind Zielwerterreichung (20,6 % der Patienten) und der Einsatz von Kombinationstherapie (bei 27,5 % der Patienten) bei Patienten mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko zwar etwas besser, der Großteil der Patienten bleibt aber auch hier untertherapiert. In der Gruppe der Patienten mit hohem CV Risiko ist die Zielwerterreichung zwar höher (Deutschland 17,9 %, Europa 25,7 %), der Einsatz von Kombinationstherapien dagegen geringer. Auffallend ist, dass Deutschland sowohl in der Zielwerterreichung als auch beim Einsatz von Kombinationstherapien unter dem europäischen Durchschnitt liegt. Dabei zeigt diese Analyse, dass mehr als doppelt so viele Patienten in Deutschland mit einer Kombinationstherapie ihr Therapieziel erreichen als mit einer Monotherapie. Auf europäischer Ebene erreichten immerhin 40 % mehr Patienten ihr Therapieziel mit einer Kombinationstherapie im Vergleich zu einer Monotherapie. In der deutschen Kohorte der SANTORINI-Studie wurde zu Baseline bevorzugt eine Statin-Monotherapie eingesetzt, auch hier war das Statin aber nur bei 41,3 % dieser Patienten in hoher Intensität verordnet.

Entsprechend der ESC/EAS-Leitlinienempfehlung von 2019 soll zunächst ein Statin bis zur höchsten vom Patienten tolerierten Dosis verordnet werden, um den LDL-C-Zielwert gemäß CV Risikograd des Patienten zu erreichen. Wird dieser nicht erreicht, so empfehlen die Leitlinien eine Kombinationstherapie aus einem Statin in der höchsten tolerierten Dosierung und einer oder mehrerer weiterer LMT [5]. In der DA-VINCI-Studie von 2019 lag der Einsatz von Kombinationstherapien noch bei 9,0 % für Statin + Ezetimib und bei 1,2 % für Kombinationen mit PCSK9-Hemmern [7]. Seit dem Ende der DA-VINCI-Studie haben sich die Therapieoptionen für LMTs verändert, beispielsweise ist Ezetimib als Monotherapie und in Kombination mit Statinen nun als Generikum erhältlich, und neue LMTs wie Bempedoinsäure und die Fixkombination aus Bempedoinsäure mit Ezetimib sind verfügbar. In SANTORINI wurde in der deutschen Kohorte zu Baseline bei 16,5 % der Patienten Statin + Ezetimib und bei 2,2 % der Patienten eine Kombination mit einem PCSK9-Hemmer angewendet, auch für die europäische Kohorte ist ein Anstieg beim Einsatz von Kombinationstherapien im Vergleich zur DA-VINCI-Studie zu beobachten. Dennoch bleiben die LDL-C-Zielwerterreichung und der Einsatz optimierter lipidmodifizierender Therapien bei einem Großteil der Patienten suboptimal.

Zu den Limitationen der Studie gehört die Möglichkeit eines Selektions-Bias im Rahmen der Beobachtungsstudie. Die Daten beruhen auf den Angaben der behandelnden Ärzte. Die Studie untersucht zwar das Lipidmanagement in einem Real-World-Szenario, die Studie repräsentiert aber vor allem Patienten, die an Lipidexperten überwiesen worden waren – mehr als 70 % der SANTORINI-Studienärzte in Deutschland sind Fachärzte der Kardiologie. Die Behandlung der CV Risikofaktoren durch die Fachärzte war in früheren Erhebungen besser als durch Allgemeinmediziner [15], daher ist die tatsächliche LDL-C-Zielwerterreichung in Deutschland möglicherweise schlechter als die in der SANTORINI-Population beobachtete. Die Erstattung von lipidmodifizierenden Therapien und deren Kombinationen variiert zwischen den europäischen Ländern – Vergleiche zwischen Deutschland und den übrigen europäischen Ländern in der SANTORINI-Studie sind daher als rein deskriptiv zu betrachten.

Zusammengefasst zeigt die Studie, dass die ESC/EAS Leitlinien von 2019 in Deutschland nur bei einer Minderheit der Patienten umgesetzt werden. Die Studie identifiziert wichtige Möglichkeiten, durch Verbesserung der LDL-C senkenden Behandlung die Prävention von CV Erkrankungen in Deutschland zu verbessern.

Kernaussagen
  • Die ESC/EAS-Leitlinien von 2019 zum LDL-C-Management werden in Deutschland nur bei einer Minderheit der Patienten umgesetzt.

  • Das kardiovaskuläre Risiko von Hypercholesterinämie-Patienten wird in der Praxis häufig unterschätzt.

  • Obwohl die LDL-C-Zielwerte gemäß den Leitlinien in der Mehrheit der Patienten nicht erreicht wurden, erhielten zu Studienbeginn weniger als 20 % der Patienten eine lipidsenkende Kombinationstherapie.

  • Die SANTORINI-Studie identifiziert Möglichkeiten zur Optimierung des LDL-C-Managements und zur Verbesserung der kardiovaskulären Prävention.

Finanzierung

Diese Studie wurde finanziert von der Daiichi Sankyo Europe GmbH, München, Deutschland, die das Studiendesign, die Sammlung der Daten und die Datenanalyse definierte. Sechs Auftragsforschungsunternehmen führten die Studie in 14 europäischen Ländern im Auftrag von Daiichi Sankyo Europe durch.


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Studienregistrierung

ClinicalTrials.gov unter der Identifizierungsnummer NCT04271280


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Interessenkonflikt

K. T. ist Mitarbeiterin von Daiichi Sankyo. U. L. hat persönliche Honorare von Amgen, Daiichi Sankyo, Novartis und Sanofi erhalten.

Danksagung

Die Autorinnen und Autoren danken dem Steering Committee und allen Studienteilnehmern.

  • Literatur

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Korrespondenzadresse

Dr. med. Paulina E. Stürzebecher
Klinik und Poliklinik für Kardiologie
Universitätsklinikum Leipzig
Liebigstr. 20
04103 Leipzig
Deutschland   

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
01. März 2023

© 2023. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commecial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/)

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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Abb. 1 Flussdiagramm zum Einschluss der Patienten in SANTORINI.
*Die Klassifizierung des CV Risikos erfolgte durch den behandelnden Studienarzt.
CV: kardiovaskulär.
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Abb. 2 Basis für die Einschätzung des CV Risikos in der SANTORINI-Studie durch den Behandler.
CV: kardiovaskulär; EAS: European Atherosclerosis Society; ESC: European Society of Cardiology.
Angaben zur Basis der CV Risikoklassifizierung wurden vom Studienarzt zu Studienbeginn dokumentiert. Die CV Risikoklassifizierung erfolgte für n = 2086 Patienten aus Deutschland und n = 6958 Patienten aus Europa.
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Abb. 3 Risikoklassifikation durch den Behandler und durch Nachberechnung auf Basis der ESC/EAS-Leitlinien (2019).
ASCVD: atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankung; EAS: European Atherosclerosis Society; ESC: European Society of Cardiology.
Die Analyse erfasst n = 1112 Patienten in Deutschland und n = 3594 Patienten in Europa, für die die Risikoklassifizierung durch den Behandler auf Basis der ESC/EAS-Leitlinien von 2019 erfolgte. Die Nachberechnung erfolgte anhand des ASCVD-Status und der dokumentierten Risikofaktoren der Patienten auf Basis der EAS/ESC-Leitlinien von 2019.
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Abb. 4 Lipidmodifizierende Therapien in SANTORINI zu Studienbeginn.
LMT: lipidmodifizierende Therapie; PCSK9: Proproteinkonvertase-Subtilisin/Kexin-Typ-9.
Die Angaben zum CV Risiko basieren auf den Angaben der Studienärzte. Die Dokumentation der lipidmodifizierenden Therapie erfolgte zu Baseline. In der Europa-Population (n = 6958) lagen zum Zeitpunkt der Snapshot-Analyse für 6 Patienten keine Daten zur Risikoeinschätzung durch den Studienarzt vor.
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Abb. 5 LDL-C-Zielwerterreichung gemäß den ESC/EAS-Leitlinien von 2019 in SANTORINI zu Baseline.
CV: kardiovaskulär; EAS: European Atherosclerosis Society; ESC: European Society of Cardiology; LDL-C: low-density-Lipoprotein-Cholesterol.
Die Analyse erfasst n = 2086 Patienten in Deutschland und n = 6958 Patienten in Europa. Die Angaben zum CV Risiko basieren auf den Angaben der Studienärzte. Die Risikoklassifizierung durch den Behandler konnte auf Basis der ESC/EAS-Leitlinien zum Management der Dyslipidämie, auf klinischer Expertise, auf nationalen, regionalen, lokalen oder institutionellen Leitlinien oder sonstigen Grundlagen erfolgen. Angaben zur LDL-C-Zielwerterreichung beziehen sich auf die Zielwerte, die in den ESC/EAS-Leitlinien 2019 zum Management der Dyslipidämie angegeben sind (Patienten mit sehr hohem CV Risiko: LDL-C-Zielwert < 55 mg/dl [< 1,4 mmol/l]; Patienten mit hohem CV Risiko: LDL-C-Zielwert < 70 mg/dl [< 1,8 mmol/l]). In der Europa-Population (n = 6958) lagen zum Zeitpunkt der Analyse für 6 Patienten keine Daten zur Risikoeinschätzung durch den Studienarzt vor.