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DOI: 10.1055/a-2015-0475
Ermittlung der Strahlenexposition von Einzelpersonen in der Bevölkerung durch Patienten nach einer Radiojodtherapie – Vergleich von 2 Messsystemen
Artikel in mehreren Sprachen: English | deutschZusammenfassung
Nach den Forderungen der Strahlenschutzgesetzgebung darf eine Entlassung von der nuklearmedizinischen Therapiestation erst erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass die kumulative Strahlenexposition der Bevölkerung unter 1 mSv pro Jahr beträgt. In der vorliegenden Untersuchung soll anhand von Dosismessungen von Patienten nach Radiojodtherapie (RIT) und deren Angehörigen nachgewiesen werden, dass die von der medizinischen Anwendung ausgehende Strahlenexposition niedrig ist und die gesetzlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden. Weiterhin lassen die Ergebnisse Rückschlüsse auf die Messgenauigkeit der verwendeten Dosimeter zu.
Methodik: Bei 147 Patienten nach RIT und deren Angehörigen erfolgte über 14 Tage die Dosismessung mit verschiedenen Messsystemen. Es wurden ganztägig Fingerringdosimeter (FRD) getragen, weiterhin erfolgte die Dosisermittlung durch nichtamtliche OSL- und TLD-Dosimeter während der Schlafphase.
Ergebnisse: 88 Datensets wurden zur finalen Auswertung herangezogen. Mit den FRD wurden bei den Patienten Dosiswerte zwischen 0,1–50 mSv ermittelt. Die Fingerringdosis der Angehörigen war erwartungsgemäß deutlich niedriger und lag im Mittel bei 0,75 mSv gegenüber 10 mSv beim Patienten. Bei den in der Schlafphase eingesetzten TLD und OSL lagen die Messwerte im gleichen Bereich. Die Reproduzierbarkeit der Messergebnisse war für die OSL deutlich besser als für die TLD.
Schlussfolgerung: Trotz methodenbedingter Messunsicherheiten kann abgeleitet werden, dass die Expositionsdosis der Angehörigen von Patienten nach Radiojodtherapie gering ist und die gesetzlichen Forderungen eingehalten werden. Die jetzt amtlichen OSL-Dosimeter stellen zudem ein genaueres und für die gewählte Messaufgabe besser geeignetes Messsystem als die TLD dar.
Kernaussagen:
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Die Expositionsdosis der Angehörigen von Patienten nach Radiojodtherapie ist gering.
-
Die Forderungen der Strahlenschutzgesetzgebung nach Entlassung von der nuklearmedizinischen Therapiestation werden eingehalten.
-
OSL-Dosimeter sind ein genaues und für die Messaufgabe geeignetes Messsystem
Zitierweise
-
Hartmann H, Andreeff M, Claußnitzer J et al. Determination of Radiation Exposure of Individuals in the Population by Patients after Radioiodine Therapy – Comparison of two Measurement Systems. Fortschr Röntgenstr 2023; 195: 605 – 612
Key words
radioiodine therapy - radiation protection - OSL dosimeter - TLD dosimeter - radiation exposureEinleitung
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Radiojodtherapie als effektives, kostengünstiges und nebenwirkungsarmes Verfahren zur Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen etabliert. Die Radiojodtherapie wird weltweit neben der operativen Therapie am häufigsten durchgeführt [1] [2] [3] [4]. In Deutschland ist eine stationäre Behandlung gesetzlich vorgeschrieben. Dabei kommt es nach der Entlassung der Patienten von der nuklearmedizinischen Therapiestation infolge der verbliebenen inkorporierten I-131 Restaktivitäten für die Angehörigen, die im gemeinsamen Haushalt leben, zu einer geringen Strahlenexposition.
Nach den Forderungen der Strahlenschutzgesetzgebung darf eine Entlassung von der Therapiestation erst erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass die kumulative Strahlenexposition der Bevölkerung unter 1 mSv pro Jahr beträgt. Dies wird mit abgeleiteten Grenzwerten und deren Messung realisiert. Eine Entlassung wird erst möglich, wenn die Dosisleistung des Patienten in 2 m Abstand unter 3,5 µSv/h gemessen wird, und ist zudem frühestens nach einem Aufenthalt von 48 Stunden auf einer Therapiestation erlaubt. Vor Entlassung wurden die Patienten anhand der Patienteninformation über ihr Verhalten zum Schutz von anderen Personen aufgeklärt. Ausnahmen von dieser Vorgehensweise, zum Beispiel bei sozialer Indikation, bedürfen der zwingenden Indikation eines Facharztes sowie einer unverzüglichen Angabe des Entlassungsgrunds an die zuständige Behörde. Die Bedingungen für diese Vorgehensweise regelt der Absatz 9.1 der Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin [5] [6] [7] [8]. Für die Überwachung der Strahlenexposition des Personals stehen amtliche Dosimeter zur Verfügung, u. a. Thermolumineszenzdosimeter (TLD) und optisch stimulierte Lumineszenzdosimeter (OSL), wobei die jeweilige Nutzung national differiert [9]. Die Charakteristik dieser Messsysteme ist hinlänglich untersucht und bekannt [10] [11] [12] einschließlich der Kalibrierung für Betastrahlung und der Nutzung zur Teilkörper-Dosimetrie [13] [14].
In der vorliegenden Arbeit wurden Messdaten von Patienten und deren im Haushalt lebender Angehörigen mit verschiedenen Detektorsystemen (amtliche TLD-Fingerringdosimeter, TLD-Dosimeter und OSL-Dosimeter) erhoben. Auf das Detektorsystem Filmdosimeter wurde bewusst verzichtet, da aufgrund der Größe des Detektorsystems keine unauffällige ganztägige Trageweise am Körper möglich ist. Die Untersuchung diente dem Nachweis, dass die von der medizinischen Anwendung offener radioaktiver Stoffe, in diesem Fall der Radiojodtherapie, ausgehende Strahlenexposition niedrig ist und die gesetzlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden. Seit 2018 werden OSL-Dosimeter zur personendosimetrischen Überwachung angewendet. Die vorliegenden Daten lassen somit auch Rückschlüsse auf die Messgenauigkeit der ehemaligen und der jetzt amtlichen Dosimeter zu.
Methode
Es wurden 147 Patienten nach Radiojodtherapie und deren Angehörige für die Untersuchung rekrutiert. Das Alter der Patienten lag zwischen 22 und 86 Jahren, im Mittel 60,9 Jahre. Die Entlassdosisleistung wurde auf der Therapiestation in einem Abstand von 1 m zum Patienten gemessen. Hierzu wird ein kalibrierter Sondenmessplatz ISOMED 2101 (MED Nuklear-Medizintechnik Dresden GmbH/jetzt NUVIA Instruments GmbH) mit Szintillationsdetektor eingesetzt.
Die Patienten und ihre im Haushalt lebenden Angehörigen trugen während einer definierten Zeitspanne von 14 Tagen ganztägig amtliche Fingerringdosimeter (FRD), zusätzlich erfolgte die Ermittlung der Dosis durch nichtamtliche OSL- und TLD-Dosimeter für die Dauer der Schlafphase. Für die OSL-Dosimeter wurden Dosimeter, die aus Berylliumoxid (BeO) bestehen und von der Firma Brush Wellmann Inc. (USA) als Thermalox Beo 99,5 vertrieben werden, eingesetzt. Die TLD-Dosimeter, die zur Messung benutzt wurden, waren TLD-100, die von der Firma Harshaw-Bicron (Wermelskirchen, Deutschland) vertrieben werden. Diese Dosimeter bestehen aus LiF, welches mit Magnesium und Titan dotiert ist (LiF: Mg, Ti). Die nichtamtlichen Dosimeter wurden in einer Kassette zur Verfügung gestellt, die unter dem Kopfkissen des Angehörigen platziert werden sollte und mit je 4 OSL- und 2 TLD-Dosimetern bestückt war. Die Expositionszeit wurde auf 14 Tage begrenzt und die Dosimeter dann zur Auswertung zurückgesandt. Es wurden keine Handlungsanweisungen bzgl. Abstand oder Expositionszeit gegeben, um eine realistische Expositionssituation zu messen.
Es wurden primär Patienten mit gutartigen Schilddrüsenerkrankungen berücksichtigt. Die Krankheitsstruktur der Patienten setzt sich wie folgt zusammen: Autonomie 67 %, Morbus Basedow 18 %, Schilddrüsenkarzinome 9 %, Hyperthyreose 6 %.
Waren die Daten unvollständig (z. B. Verlust eines FRD) oder unplausibel (Dosis des FRD des Angehörigen höher als die des Patienten), wurde der komplette Datensatz von der Auswertung ausgeschlossen (Details in [Abb. 1]).


Es wurde verschiedene Verfahren zur Kalibrierung angewendet. Jedem OSL-Dosimeter wurde ein individueller Kalibrierfaktor zugeordnet, der aus einer Kalibrierung durch Bestrahlung an einer Röntgenbestrahlungsanlage vom Typ Xylon gewonnen wurde (Röhrenspannung: 200 kV, Strahlstrom: 2 mA, Fokus der Röhre: 5,5 sowie eine Bestrahlungsdauer von 46 s, Dosis: 100 mGy). Ergänzend wurde das Ansprechvermögen der OSL-Dosimeter mit einer I-131 Strahlenquelle (I-131 Kapsel frei Luft) ermittelt. Im Ergebnis zeigte sich, dass die OSL-Dosimeter ein um 25–30 % höheres Ansprechvermögen für I-131 gegenüber der Kalibrierung mit Röntgenstrahlung aufweisen.
Bei den TLD-Dosimetern wurde eine sogenannte „dosimetrische Klasseneinteilung“ einer Vielzahl von Dosimetern durchgeführt. Die Kalibrierung der eingesetzten nichtamtlichen TLD-Dosimeter erfolgte im Verein für Kernverfahrenstechnik und Analytik e. V. Rossendorf (VKTA) analog wie bei den OSL-Dosimetern mit einer als Punktquelle fungierenden I-131 Kapsel frei in Luft. Für die Fingerringdosimeter kam das Ringdosimeter vom Typ HARSHAW TKD 2000 mit der amtlichen Bezeichnung LPS-TLD-TD 05 zum Einsatz. Für diese Fingerringdosimeter liegt eine PTB-Bauartzulassung (Zulassungszeichen: 23.02/98.01) mit einem Messbereich von 0,3 mSv bis 10 000 mSv und einem Ansprechvermögen von 95 % bei I-131 frei Luft bezogen auf die Kalibrierung mit der Röntgenröhre vor.
Für die Auswertung der Dosimeter wurde folgendes Vorgehen gewählt: Das amtliche FRD von Patient und Angehörigem wurde durch die amtlich anerkannte Messstelle Berlin (LPS) ausgewertet. Die stationären TLD und OSL (in der Box unter dem Kopfkissen des Angehörigen) wurden durch eine externe Messstelle (TLD) bzw. im Hause (OSL) ausgewertet.
Ergebnisse
Von den 147 Studienteilnehmern konnten die Messergebnisse von 88 Sets final evaluiert werden. [Abb. 1] gibt detailliert wieder, welche Gründe zum Ausschluss von Messwerten geführt haben.
In [Abb. 2] ist der Zusammenhang zwischen applizierter Aktivität und Entlassdosisleistung dargestellt. Die [Abb. 2] zeigt die Werte der Entlassdosisleistung in einem Abstand von 1 m zum Patienten, ein Wert von 14 µSv/h entspricht daher dem Wert von 3,5 µSv/h im 2 m Abstand. Geringere verordnete Aktivitätsmengen waren in der Regel mit einer niedrigeren Entlassdosisleistung verbunden. Ausnahmen hiervon sind 2 Patienten mit Schilddrüsenkarzinom, deren Entlassdosisleistung bei hoher eingesetzter Aktivität vergleichsweise im niedrigen Bereich gemessen wurde. Bei 10 Patienten wurde aus sozialer Indikation von der Ausnahme der limitierenden Entlassdosisleistung von 3,5 µSv/h in 2 m Abstand Gebrauch gemacht. Diese Vorgehensweise regelt der Absatz 9.1 der Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin. Die vorzeitige Entlassung wurde der Behörde angezeigt. In [Tab. 1] sind die mittleren effektiven Halbwertszeiten der jeweiligen Erkrankung für die in der Studie erfassten Patienten zum Zeitpunkt der Entlassung aufgeführt. Aus der Auflistung ist zu ersehen, dass die mittlere effektive Halbwertszeit bei Schilddrüsenkarzinomen im untersuchten Patientenkollektiv am niedrigsten ist, sie beträgt 1,5 ± 0,40 Tage. Die mittlere Entlassdosisleistung betrug 7,69 ± 4,7 µSv/h. Die Krankheitsstruktur der Patienten wurde bereits im Abschnitt Methoden erläutert.


Die FRD-Exposition der Patienten wurde zwischen 0,1 und 50 mSv ermittelt und korreliert mit der Entlassdosisleistung ([Abb. 3]). In Abhängigkeit von der biologischen Halbwertszeit war eine höhere bzw. geringere FRD-Exposition zu erwarten, die effektive Halbwertszeit wurde jedoch nicht separat bestimmt. Wichtig war in diesem Zusammenhang, dass Messwerte von Patienten über einen weiten Dosisbereich existieren, um die Exposition der Angehörigen bestimmen zu können. In [Abb. 4A] ist hierzu die Exposition der FRD des Angehörigen mit der des Patienten korreliert. Wie erwartet ist die Dosis der Angehörigen deutlich niedriger als die der Patienten. Im Mittel stehen 0,75 mSv beim Angehörigen 10 mSv beim Patienten gegenüber, das entspricht einem Faktor 13.




Die Auswertung der Einzelwerte von je 2 Dosissensoren TLD und OSL, die stationär unter dem Kopfkissen der Angehörigen positioniert waren, sind in [Abb. 4 D, C] dargestellt. Dabei zeigen die TLD-Paare eine sehr viel höhere Abweichung voneinander als die OSL-Paare. Der Messbereich der TLD und OSL ist vergleichbar. Der Vergleich der Mittelwerte der OSL und TDL ([Abb. 4B]) zeigt eine deutliche Streuung, wobei eine Abweichung in beide Richtungen vorkommt. Da hier Einzelmesswerte vorliegen, kann kein Messfehler angegeben werden.
In [Abb. 5A–D] sind die FRD-Werte des Patienten als auch die FRD-Werte der Angehörigen im Vergleich zu den stationären Messsystemen dargestellt. Beide stationären Messsysteme zeigen deutliche Abweichungen zu den FRD und lassen keine Korrelation zu.


Diskussion
Der Wert der vorliegenden Arbeit besteht darin, dass ein ehemaliges amtliches und das aktuell verbindliche Messsystem bei Patienten und ihren Angehörigen nach Radiojodtherapie zum Einsatz kamen und die Dosismesswerte direkt verglichen wurden.
Für die Interpretation der Daten müssen die besonderen Aspekte der Messsysteme, der Expositionsdauer und der Geometrie berücksichtigt werden. Mittels Plausibilitätskontrolle wurden vor der Auswertung Ausreißer identifiziert und zahlreiche Datensätze eliminiert (siehe [Abb. 1]).
In Phantommessungen fanden Al-Senan et al. für unterschiedliche Geometrien eine sehr gute Übereinstimmung von OSL-Dosimetern und TLD über einen weiten Dosisbereich [11]. Demgegenüber fand sich in der vorliegenden Arbeit an Patienten und Angehörigen, dass die OSL-Dosimeter die höchste Übereinstimmung aufweisen, während die TLDs einer deutlichen Schwankung unterliegen.
Aus den gewonnenen Ergebnissen wird geschlussfolgert, dass die Schwankung der Messwerte der in der VKTA ausgelesenen TLDs in ähnlicher Weise auch für die amtlichen Dosimeter (FRD) gilt, weil sie nicht über eine individuelle Historie verfügen, sondern als Gruppe kalibriert werden. Da es keine Doppelbestimmungen bei den FRD gab, lässt sich diese Vermutung weder bestätigen noch dementieren. Die Baumusterprüfung gibt einen Messbereich von 1 mSv bis 10 000 mSv an und eine Schwankungsbreite von 30 % [15]. Aufgrund der Tatsache, dass Einzelmesswerte erhoben wurden, kann kein Messfehler angegeben werden.
Im Gegensatz dazu wird die Genauigkeit bzw. Reproduzierbarkeit der OSL-Dosimeter mit < 5 % angegeben, die vorliegende Untersuchung stützt diese Angabe. Es konnte gezeigt werden, dass die OSL-Dosimeter auch dann eine höhere Präzision aufweisen als die TLDs, wenn beide Messsysteme auf I-131 kalibriert sind. Gemäß Baumusterprüfung ist die Empfindlichkeit der OSL höher als die der TLD. Bei den OSL-Dosimetern wird ein Messbereich von 0,05 mSv – 10 Sv angegeben, während bei den TLD eine untere Schwelle von 0,3 mSv ausgewiesen wird. Literaturangaben stützen diese Aussage für die OSL-Dosimeter auch im sogenannten „Diagnostischen Energiebereich“ (29 keV bis 120 kev Röntgenstrahlung): OSL-Dosimeter zeigen homogene und lineare Messwerte sowie eine hohe Stabilität und Messwertreproduzierbarkeit auch im niedrigen Dosisbereich [11].
Dass die Fingerringdosis der Patienten mit der Fingerringdosis der Angehörigen nur mäßig gut korreliert, mag (wie oben ausgeführt) seine Ursache im Messsystem, in der variablen Expositionsdauer und der Bestrahlungsgeometrie haben. Es wurde nicht dokumentiert, ob z. B. der Patient oder der Angehörige noch berufstätig waren oder ob separate Schlafzimmer vorlagen.
Bezüglich der Expositionsdauer der TLD und OSL kann eine 8-stündige Nachtruhe angenommen werden, sodass eine Exposition der stationären Messsysteme immer niedriger sein sollte als die des FRD des Angehörigen, der sein FRD ganztägig tragen sollte. Es könnte somit bis zu Faktor 3 mehr Exposition im FRD dokumentiert sein als im stationären Messsystem. Das ist jedoch nicht immer der Fall gewesen. Ob dieser Unterschied real oder durch die Schwankungsbreite des Messsystems verursacht ist, kann nicht abschließend beurteilt werden. Abschätzungen zur nächtlichen Geometrie lassen erkennen, dass hier erhebliche Unterschiede bzw. Unsicherheiten existieren. [Abb. 6] zeigt ergänzend die Abstände der Strahlenquelle zum jeweiligen Detektor. Bettbreite, Abstand zueinander, Position der stationären Detektoren und Trageort der FRD für Patient und Angehörigen sowie die nicht berücksichtigte Körpergröße führen bereits zu Unsicherheiten um den Faktor 3–5.


Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Trageort des FRD des Patienten nicht ortsfest gegenüber der Schilddrüse ist und sich sowohl bei Bewegung tagsüber als auch abhängig von der Schlafposition ändert: Bei Nachtruhe in stabiler Seitenlage beträgt der Abstand des FRD nur wenige Zentimeter von der Strahlungsquelle. Eine rechnerische Abschätzung aus den Werten aus [Tab. 2] liefert einen geometrisch bedingten Unterschied der Dosis von maximal 200 (Hand mit FRD unter Kopf versus ausgestrecktem Arm). Da eine bestimmte Schlafposition nicht sicher eingehalten oder nachträglich erinnert werden kann, sollten die Dosimeter an einem anderen Trageort am Körper ortsfest angebracht werden.
Abstand zur SD |
DL (Entlassdosis) |
Verhältnis |
In cm[*] |
µSv/h in 100 cm |
100 cm/Abstand SD |
15 |
0,00 |
|
10[*] |
1500 |
0,01 |
70 |
30,61 |
0,49 |
75 |
26,67 |
0,56 |
85 |
20,76 |
0,72 |
100 |
15,00 |
1,00 |
105 |
13,61 |
1,10 |
120 |
10,42 |
1,44 |
125 |
9,60 |
1,56 |
145 |
7,13 |
2,10 |
* Abstand charakterisiert die besondere Position der Hand beim Schlafen „Hand unter Kinn“.
Auch die ortsfesten Sonden in der Box unter dem Kopfkissen des Angehörigen weisen aufgrund von nächtlichen Bewegungen des Patienten keinen konstanten Abstand zur Strahlenquelle auf. Analoge Betrachtungen gelten für den Angehörigen. Somit sind sowohl das FRD des Patienten als auch die ortsfeste Box nur unsichere Bezugspunkte bzgl. der tatsächlichen Exposition des Angehörigen.
Trotz der vorgenannten Unsicherheiten und Schwankungen zeigt die vorliegende Untersuchung mit 3 unterschiedlichen Messsystemen, dass für die Angehörigen von Patienten nach Radiojodtherapie eine Expositionsdosis von 3 mSv nicht überschritten wurde. Dies erfolgt unter der Annahme, dass nach Abschluss der 14-tägigen Messkampagne kein wesentlicher Dosisbeitrag in der Exposition des Angehörigen mehr auftritt. Dies limitiert die Aussage der Studie. Dieses Ergebnis steht in guter Übereinstimmung zur Literatur. Es wurden Angaben zur Auswirkung verschiedener Radionuklidtherapien auf die Exposition von Angehörigen gemacht [16], welche von 0,1–3,08 mSv reichen. In einer weiteren Studie von Matheoud et al. [17] werden ähnliche effektive Dosen für Angehörige und weitere Personengruppen (Mitarbeiter, Mitreisende) aufgeführt, der Bereich wird mit 0,3 mSv bis 3 mSv angegeben. Kadhim et al. [18] zeigen in Übereinstimmung mit der vorliegenden Arbeit, dass eine rechnerische Abschätzung der Expositionsdosis aufgrund der vielfältigen Faktoren wie applizierte Aktivität des Patienten, Abstand, Alter der Angehörigen sowie weiteren persönlichen Faktoren sehr schwierig ist und keine signifikante Korrelation gefunden wurde. Aber auch bei diesen Angaben liegen unterschiedliche Messfühler als auch nicht definierte Trageorte und fehlende Angaben bzgl. der täglichen Expositionsdauer vor. Aus allen Literaturangaben jedoch lässt sich schließen, dass eine relevante Strahlenbelastung der Angehörigen durch Kontamination und Ingestion bei Einhaltung minimaler Hygieneregeln keine Rolle spielt [11] [17] [19] [20]. Seit einiger Zeit sind elektronische Detektorsysteme (COTI-System) verfügbar, mit denen es möglich ist, ein Echtzeit-Monitoring durch Tragen einer Halsmanschette, die direkt über der Schilddrüse positioniert ist, vorzunehmen. Damit ist es möglich, die Messungen zeitaufgelöst durchzuführen. Für eine zuverlässige Einschätzung der erzielbaren Messgenauigkeiten sind aber noch umfangreichere Studien erforderlich [21].
Ausblick
Die großen Unsicherheiten im Messsystem, der Expositionszeit und der Bestrahlungsgeometrie lassen die bisherigen Mitteilungen in der Literatur in einem anderen Licht und sehr viel unsicherer erscheinen. Es sollten die Messungen zur Exposition von Angehörigen nach Radionuklidtherapie mit OSL wiederholt und dabei auf Doppelbestimmungen geachtet werden. Zusätzlich sind die Expositionszeiten genauer zu dokumentieren und die Geometrie der nächtlichen Exposition zu berücksichtigen. Hierzu sind Verhaltensmaßnahmen zu kommunizieren und Abweichungen davon zu dokumentieren.
Schlussfolgerung
Zusammenfassend konnte gezeigt werden, dass die jetzt amtlichen OSL-Dosimeter ein genaueres und für die gewählte Messaufgabe besser geeignetes Messsystem als die TLD darstellen. Der ermittelte Messwert ist dabei an eine exakte Erfassung der Expositionszeit (Tragezeit) der Dosimeter gebunden. Weitere Unsicherheiten ergeben sich aus dem Trageort am Körper. Trotz methodenbedingter Messunsicherheiten zeigt sich, dass die Expositionsdosis der Angehörigen von Patienten nach Radiojodtherapie gering ist. Dennoch erscheint es sinnvoll, die Untersuchungen unter Berücksichtigung der Limitationen zu wiederholen.
Conflict of Interest
The authors declare that they have no conflict of interest.
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Correspondence
Publikationsverlauf
Eingereicht: 06. Februar 2022
Angenommen: 05. Januar 2023
Artikel online veröffentlicht:
09. Mai 2023
© 2023. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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