Rofo 2023; 195(04): 343-347
DOI: 10.1055/a-2030-1003
DRG-Mitteilungen

Die Erteilung einer Abrechnungsgenehmigung für Leistungen der interventionellen Radiologie für einen Facharzt für Gefäßchirurgie

 

I. Einführung

Das Fachgebiet der Radiologie sieht sich immer wieder Bestrebungen von Ärzten anderer Gebiete ausgesetzt, Leistungen erbringen und abrechnen zu können, obwohl diese Leistungen dem Gebiet der Radiologie zuzurechnen sind. Dies gilt für die Bestrebungen von Fachärzten für Orthopädie und Unfallchirurgie MRT-Untersuchungsleistungen nach Maßgabe der GOÄ abzurechnen[1] oder von Fachärzten für Innere Medizin und Kardiologie Leistungen der Computertomographie erbringen zu können. Aber auch bei anderen radiologischen Kernleistungen sind derartige Angriffe von Ärzten anderer Gebiete wiederkehrend zu verzeichnen.


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Besondere Anforderungen an die Erbringung radiologischer Leistungen gelten in der vertragsärztlichen Versorgung. Hierzu können Abrechnungsgenehmigungen für zahlreiche radiologische Leistungen gemäß § 135 Abs. 2 SGB V i. V. m. der jeweils einschlägigen Qualitätssicherungsvereinbarung ausschließlich Fachärzten für Radiologie erteilt werden. Dieser Vorbehalt gilt gemäß § 135 Abs. 2 S. 4 SGB V insbesondere für medizinisch-technische Leistungen, die den Fachärzten vorbehalten sind, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Für den Bereich der Magnetresonanztomographie hatte das Bundessozialgericht (BSG) im Jahre 2006 entschieden[2], dass ein Kardiologe, der kernspintomographische Untersuchungen der Herzregion durchführen wolle, einer Genehmigung nach der Kernspintomographie-Vereinbarung[3] bedürfe. Diese könne nicht erteilt werden, wenn der Kardiologe keine Weiterbildung in radiologischer Diagnostik absolviert habe. Darüber hinaus könnten die Vorgaben der Kernspintomographie-Vereinbarung hinsichtlich der Qualifikation des Antragstellers nicht durch ein Kolloquium ersetzt werden (Vorrang des Qualifikationsnachweises).[4] Zudem hatte bereits im Jahr 2005 das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) darüber zu entscheiden[5], ob einem Internisten mit dem Schwerpunkt Kardiologie und Angiologie eine Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung der Leistung im Rahmen des ambulanten Operierens „perkutane, transluminale Dilatation und Rekanalisation der Arterien mit Ausnahme der Coronararterien, einschließlich der Kontrastmitteleinbringung und Durchleuchtung während des Eingriffs (PTA)“ zu erteilen sei und dies abgelehnt. Denn die Leistung war nach der maßgeblichen Weiterbildungsordnung (WBO) für den Internisten fachfremd.[6] Maßgeblich für die Fachgebietsbeschränkung ist nach Ansicht des BSG die aktuelle Weiterbildungsordnung der für den Vertragsarztsitz örtlich zuständigen Landesärztekammer, nicht hingegen die Weiterbildungsordnung, aufgrund der der Arzt seine Facharztanerkennung absolviert hat.[7]

In diese Entscheidungen reiht sich das aktuelle Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (LSG) vom 28.09.2022 (Az.: L 3 KA 1/21) ein, wobei sich das Urteil weniger mit der Fachfremdheit der Leistungen, sondern vielmehr mit der Auslegung sowie Wirksamkeit der Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen Radiologie[8] (im Folgenden: QS-Vereinbarung) als einschlägige Rechtsgrundlage auseinandersetzt.

II. Sachverhalt

In dem der Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen zugrunde liegenden Fall bestand zwischen der Klägerin, einer Trägergesellschaft eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ), und der Beklagten, einer Kassenärztlichen Vereinigung (KV), Streit darüber, ob der Klägerin mittels eines angestellten Arztes, der – auf der Grundlage der früheren WBO der Ärztekammer – die Bezeichnung Arzt für Chirurgie mit der Schwerpunktbezeichnung Gefäßchirurgie und der Zusatzbezeichnung Phlebologie führt, berechtigt ist, Leistungen der diagnostischen Katheterangiographie und therapeutische Eingriffe nach den Gebührenordnungspositionen (GOPen) 34283 bis 34287 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM) zu erbringen und abzurechnen.

Am 05.04.2018 beantragte die Klägerin die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung der o. g. Leistungen. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27.04.2018 ab, weil die fachlichen Voraussetzungen für eine Genehmigung nicht vorlägen. Denn nach der QS-Vereinbarung sei die Berechtigung zum Führen der Gebietsbezeichnung Radiologie nachzuweisen.

Den daraufhin eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin insbesondere damit, dass es eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung darstelle, soweit die QS-Vereinbarung die fachliche Befähigung zur Erbringung und Abrechnung der beantragten Leistungen allein an das Führen der Gebietsbezeichnung „Radiologie“ anknüpfe. Diese sei auch nicht durch die Ermächtigungsnorm des § 135 Abs. 2 SGB V gedeckt. Der Widerspruch blieb erfolglos.

Die gegen den Widerspruchsbescheid erhobene Klage beim Sozialgericht (SG) Hannover begründete die Klägerin – neben der o. g. Begründung – insbesondere damit, dass die QS-Vereinbarung wegen Verstoßes gegen Art. 12 und 3 Grundgesetz (GG) rechtswidrig sei und die Gefäßinterventionen faktisch in der Hauptsache von Fachärzten für Gefäßchirurgie erbracht würden. Die Klägerin hatte in der Klage beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihr für den angestellten Arzt die Genehmigung zur Abrechnung von Leistungen der interventionellen Radiologie zu erteilen, hilfsweise über ihren Antrag unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Das SG Hannover hob den Widerspruchsbescheid mit Urteil vom 09.12.2020[9] auf und verpflichtete die Beklagte, über den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Die Klägerin habe einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung aus § 9 Abs. 5 der QS-Vereinbarung. Nach dieser Vorschrift könne die KV die Genehmigung von der erfolgreichen Teilnahme an einem Kolloquium abhängig machen, wenn der antragstellende Arzt im Vergleich zu dieser Vereinbarung eine abweichende, aber gleichwertige Befähigung nachweise. Im Übrigen wies das SG Hannover die Klage ab.

Die gegen das Urteil des SG Hannover seitens der Beklagten eingelegte Berufung war schlussendlich erfolgreich.


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III. Entscheidungsgründe

Das LSG Niedersachsen-Bremen hält die Klage für vollumfänglich unbegründet. Zum einen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung zur Durchführung von Leistungen der interventionellen Radiologie (1.). Zum anderen besteht kein Anspruch auf Neubescheidung in Zusammenhang mit der Durchführung eines Kolloquiums (2.).

1. Anspruch auf Erteilung der Genehmigung zur Durchführung von Leistungen der interventionellen Radiologie

Als gesetzliche Grundlage für die erstrebte Genehmigung zog das LSG § 135 Abs. 2 S. 1 SGB V heran, welcher gem. § 72 Abs. 1 S. 2 SGB V auch auf MVZ Anwendung findet. Von der hierin enthaltenen Ermächtigung haben die Partner der Bundesmantelverträge durch die QS-Vereinbarung Gebrauch gemacht.

a. Rechtsgrundlage und Systematik der QS-Vereinbarung

Gegenstand der QS-Vereinbarung sind die Leistungen nach den GOPen 34283 bis 34287, die im EBM als Serienangiographie mit verschiedenen Zuschlägen definiert und in der Qualitätssicherungsvereinbarung als diagnostische Katheterangiographie und therapeutische Eingriffe am arteriellen Gefäßsystem bezeichnet sind. Nach § 2 Abs. 1 der QS-Vereinbarung ist die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen erst nach Erteilung der Genehmigung durch die KV zulässig. Dabei unterscheidet die Qualitätssicherungsvereinbarung zwischen Leistungen der diagnostischen Katheterangiographien und solchen der diagnostischen Katheterangiographien einschließlich der therapeutischen Eingriffe. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn der Antragsteller die fachlichen, apparativen, räumlichen und organisatorischen Voraussetzungen im Einzelnen erfüllt, wobei ausreichend ist, dass nur der angestellte Arzt die Voraussetzungen erfüllt (§ 11 Abs. 1 S. 3 BMV-Ä).[10]

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 der QS-Vereinbarung muss der Arzt sowohl für die diagnostischen Katheterangiographien als auch für die hiermit verbundenen therapeutischen Eingriffe nachweisen, dass er zum Führen der Gebietsbezeichnung „Radiologie“ berechtigt ist. Diese Voraussetzung erfüllt der angestellte Arzt aber nicht, weil er Chirurg mit der Schwerpunktbezeichnung Gefäßchirurgie und der Zusatzbezeichnung Phlebologie ist.[11]


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b. Voraussetzungen der Rechtsgrundlage und Verfassungsmäßigkeit

Nach Auffassung des LSG verletzt die Beschränkung auf die Gebietsbezeichnung „Radiologie“ kein höherrangiges Recht.

Sie findet vielmehr in der Vorschrift des § 135 Abs. 2 S. 4 SGB V eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage. Danach können die Vertragspartner der Bundesmantelverträge – abweichend von § 135 Abs. 2 S. 2 SGB V, wonach für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen an die landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung angeknüpft werden kann – zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören.[12] Zweck dieser Vorschrift ist es, die Durchführung technischer Leistungen auf bestimmte Fachärzte zu konzentrieren, um dadurch die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Erbringung dieser Leistungen zu verbessern. Den Vertragspartnern soll eine Leistungssteuerung ermöglicht werden, die eine Trennung zwischen der Diagnosestellung und Befundbewertung durch den therapeutisch tätigen Arzt einerseits und der Durchführung der diagnostischen Maßnahmen durch medizinisch-technische Leistungen durch den lediglich diagnostisch tätigen Facharzt andererseits bewirkt. Damit soll u. a. eine Arbeitsteilung i. S. d. sogenannten Mehraugenprinzips ermöglicht werden, bei der die Diagnostik unabhängig von einem eventuellen Interesse an der Therapie erfolgt, was der optimalen Patientenversorgung und außerdem dem sparsamen Einsatz der Leistungsressourcen zugutekommt.[13]

Nach dem LSG liegen im konkreten Fall auch die Voraussetzungen des § 135 Abs. 2 S. 4 SGB V vor. Bei den Serienangiographien handelt es sich um medizinisch-technische Leistungen, weil sie mit Hilfe spezieller Großgeräte (Angiographiegeräte) durchgeführt werden. Weiterhin stellte das LSG fest, dass diese Leistungen unstreitig zum Kern des Fachgebiets der Radiologie gehören. Die Radiologie umfasst schon nach ihrer Definition die Erkennung von Krankheiten mit Hilfe ionisierender Strahlen, kernphysikalischer und sonographischer Verfahren sowie die Anwendung interventioneller, minimal-invasiver radiologischer Verfahren in der Erwachsenen-, Kinder- und Neuroradiologie sowie die Belange des Strahlenschutzes (vgl. die Gebietsdefinition in Abschn. B Nr. 30 der WBO der Ärztekammer Niedersachsen vom 2. April 2020, zuletzt geändert am 28. November 2020).[14]

Unerheblich ist nach den Ausführungen des LSG in diesem Zusammenhang, dass mit der GOP 34286 auch therapeutische Leistungen betroffen sind, nämlich interventionelle Maßnahmen in Gestalt einer PTA, Embolisation, Atherektomie, Rotationsablatio, Lyse oder der Einbringung eines Stents. Denn auch diese Maßnahmen sind im EBM den diagnostischen radiologischen Leistungen zugeordnet. Das ergibt sich schon aus der Ausgestaltung der GOP 34286 als reine Zuschlagsziffer, deren Abrechenbarkeit notwendigerweise eine gleichzeitig erbrachte diagnostische Serienangiographie nach der GOP 34283 voraussetzt. Dementsprechend ist die GOP 34286 im EBM auch der Diagnostischen Radiologie zugeordnet. Eine von der Diagnostik gelöste Abrechnungsmöglichkeit für PTA etc. ist im EBM dagegen nicht ersichtlich und deshalb im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht möglich.[15]

Daneben ist § 135 Abs. 2 S. 4 SGB V und die hierauf gestützten Regelungen der QS-Vereinbarung, die die Beschränkung auf die Gebietsbezeichnung Radiologie enthalten (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 QS-Vereinbarung) nach den Ausführungen des LSG auch verfassungskonform.

Ein Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit ist nach der stetigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht gegeben, weil Regelungen wie die des § 135 Abs. 2 S. 4 SGB V nur Einschränkungen der Berufsausübung enthalten, die verfassungsrechtlich durch Gemeinwohlinteressen gerechtfertigt und insgesamt noch verhältnismäßig sind, wobei das BVerfG die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung als maßgeblichen verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsgrund ansah.[16]

Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Versagung der Genehmigung für den betroffenen Facharzt zur Folge hätte, dass er im Kernbereich seines Fachgebiets eingeschränkt wird, weil dies seinen beruflichen Status betreffen würde und damit eine Einschränkung seiner Berufswahlfreiheit vorläge.[17] In den Kernbereich eines Fachgebiets fallen Leistungen, die für dieses wesentlich und prägend sind[18] oder ohne die die Tätigkeit im jeweiligen Fachgebiet nicht mehr sinnvoll ausgeübt werden könnte[19]. Nach dem LSG kann dies für die diagnostischen Leistungen nach den GOPen 34283 bis 34285 und 34287 angesichts der aktuellen niedersächsischen WBO in Hinblick auf die Gefäßchirurgie (Abschn. B Nr. 7.2, Punkt C Nr. 3 WBO) aber nicht bejaht werden. Der Erwerb der Facharztkompetenz Gefäßchirurgie setzt danach in Hinblick auf diagnostische Verfahren in erster Linie Erfahrungen und Fertigkeiten bei Sonographien voraus. Zwar werden dort auch Angiographien einschließlich interventioneller Verfahren angeführt, allerdings ohne eine Richtzahl hierfür festzulegen. Die diagnostische Planung von endovaskulären Eingriffen einschließlich Beurteilung und Ausmessung von Schnittbilddiagnostik wird lediglich mit einer Richtzahl von 25 Maßnahmen erwähnt.[20]

Nach Auffassung des LSG kommt es auf die Frage, ob die endovaskulären therapeutischen Maßnahmen i. S. d. GOP 34286 zum Kernbereich des Fachgebiets Gefäßchirurgie gehören, daneben nicht entscheidend an. Denn die Erbringung dieser Maßnahmen ist im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung bereits aufgrund der Ausgestaltung des EBM nicht für sich, sondern nur bei gleichzeitiger Erbringung der diagnostischen Serienangiographie nach der GOP 34283 möglich. Wenn endovaskulär-therapeutischen Verfahren nach der WBO erhebliche Bedeutung für den Erwerb fachspezifischer Fähigkeiten der Gefäßchirurgie zukommt, kann dies demzufolge nicht den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung, sondern allein die Krankenhausbehandlung betreffen. Die von der Klägerin hervorgehobene große Bedeutung der Gefäßchirurgen bei der Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und der arteriellen Thrombose/Embolie beruht dementsprechend auch auf Angaben aus dem Krankenhausbereich.[21]

Ebenso ist nach dem LSG eine in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG gleichheitswidrige Benachteiligung der Gefäßchirurgen gegenüber den Radiologen nicht gegeben. Die Beschränkung der Abrechenbarkeit auf speziell qualifizierte Ärzte ist aus den gleichen Gründen sachlich gerechtfertigt, die gegen einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG sprechen.[22]


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2. Anspruch auf Neubescheidung in Zusammenhang mit der Durchführung eines Kolloquiums

Nach Auffassung des LSG hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf eine Ermessensentscheidung der Beklagten darüber, ob diese den Gefäßchirurgen zumindest an einem Kolloquium teilnehmen lässt.

Einschlägige Rechtsgrundlage eines solchen Anspruches wäre § 9 Abs. 5 der QS-Vereinbarung. Danach kann die KV die Genehmigung von der erfolgreichen Teilnahme an einem Kolloquium abhängig machen, wenn trotz der vorgelegten Zeugnisse und Bescheinigungen begründete Zweifel an der fachlichen Befähigung von Ärzten nach § 3 der QS-Vereinbarung bestehen (S. 1). Das Gleiche gilt, wenn der antragstellende Arzt im Vergleich zu dieser Vereinbarung eine abweichende, aber gleichwertige Befähigung nachweist (S. 2). Die nachzuweisenden Zahlen von diagnostischen Gefäßdarstellungen, diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffen können durch ein Kolloquium nicht ersetzt werden (S. 3).[23]

Dem Wortlaut der QS-Vereinbarung nach gehört zwar auch die Berechtigung zum Führen der Gebietsbezeichnung Radiologie zur fachlichen „Befähigung“ i. S. d. § 3 Abs. 1 und 2 der QS-Vereinbarung, sodass die Prüfung einer gleichwertigen Befähigung nach § 9 Abs. 5 S. 2 der QS-Vereinbarung auch insoweit in Betracht kommen könnte.

In Hinblick auf den systematischen Zusammenhang von § 9 Abs. 5 S. 2 mit § 3 Abs. 1 und 2 der QS-Vereinbarung und dem Zweck der dort jeweils unter Nr. 1 getroffenen Regelung ist die Vorschrift nach den Ausführungen des LSG aber einschränkend auszulegen. Denn sie betrifft nicht die „Befähigung“ im Sinne einer ausreichenden fachlichen Qualifikation zur Erbringung der streitigen Leistungen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Beschränkung der Genehmigung auf Radiologen Folge des § 135 Abs. 2 S. 4 SGB V ist. Mit diesem wird im Interesse einer größeren Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung bezweckt, dass technisch-diagnostische Leistungen bei den Fachärzten der sogenannten Methodenfächer konzentriert werden. Dem würde es aber widersprechen, wenn es im Ermessen der KV läge, auch therapeutisch tätigen Facharztgruppen wie den Gefäßchirurgen bereits nach erfolgreicher Absolvierung eines Kolloquiums zu einer Genehmigung nach § 135 Abs. 2 SGB V zu verhelfen. Die von § 135 Abs. 2 S. 4 SGB V bezweckte Konzentration medizinisch-technischer Leistungen auf Methodenfächer wäre hierdurch gefährdet.[24]

Das BSG hatte in seiner zur Kernspintomographie-Vereinbarung ergangenen Grundsatzentscheidung[25] darauf hingewiesen, dass in dieser Vereinbarung im Einklang mit der Ermächtigung des § 135 Abs. 2 S. 4 SGB V der Wille der vertragschließenden Partner zum Ausdruck kommt, grundsätzlich die kernspintomographische Diagnostik bei entsprechend qualifizierten Ärzten für Radiologie zu konzentrieren, und dass dies der Zulassung zu einem Kolloquium entgegenstehe. Für die gegenständliche QS-Vereinbarung kann nichts anderes gelten. Unter „Befähigung“ i. S.v. § 9 Abs. 5 der QS-Vereinbarung können nach der Auffassung des LSG deshalb von vornherein nur Kriterien der Nr. 2 und 3 in § 3 Abs 1 und 2 der QS-Vereinbarung fallen. Die Frage, wie § 9 Abs. 5 S. 2 in Hinblick auf S. 3 der QS-Vereinbarung auszulegen ist, lies das LSG dann schlussendlich offen.


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IV. Fazit

Die Entscheidung des LSG stärkt einmal mehr die zulässige Konzentration von medizinisch-technischen Leistungen auf das Fachgebiet der Radiologie im Besonderen und den Methodenfächern im Allgemeinen nach § 135 Abs. 2 S. 4 SGB V. Nicht unbedeutend für die Entscheidung war die Feststellung, dass eine von der Diagnostik gelöste Abrechnungsmöglichkeit für PTA im EBM nicht ersichtlich und deshalb im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht möglich sei. Ob der mit der Einordnung als Zuschlag verbundene Abrechnungsausschluss (vgl. I.4.4.2 EBM) der GOP 34286 für PTA etc. rechtmäßig ist, hat das LSG nicht geprüft bzw. diese Frage nicht aufgeworfen.[26]

Ausgehend hiervon konnte das LSG im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung prüfen, ob die diagnostische Katheterangiographie zum Kern des Fachgebiets der Gefäßchirurgie und die Frage danach, ob die endovaskulären therapeutischen Maßnahmen i. S. d. GOP 34 286 zum Kernbereich des Fachgebiets Gefäßchirurgie gehören, offenlassen.[27]

Zwar könnte man die Frage aufwerfen, ob das durch das LSG erzielte Ergebnis dem Zweck des § 135 Abs. 2 S. 4 SGB V, nämlich Diagnostik und Therapie zu trennen (u. a. damit die Diagnostik unabhängig von einem eventuellen Interesse an der Therapie erfolgt), punktuell bei der PTA etc. verfehlt wird. Dies würde aber die Frage aufwerfen, ob eine interventionelle Maßnahme bzw. therapeutischer Eingriff von der Durchführung einer diagnostischen Katheterangiographie medizinisch überhaupt trennbar ist, was regelmäßig nicht der Fall sein wird. Insoweit folgt die Vornahme der interventionellen Maßnahmen allein durch Ärzte, die zum Führen der Gebietsbezeichnung Radiologie berechtigt sind, als Annex der Konzentration der diagnostischen Katheterangiographie bei dem Gebiet der Radiologie.

Ob den Ausführungen des LSG, wonach § 9 Abs. 5 S. 2 der QS-Vereinbarung im systematischen Zusammenhang mit § 3 Abs. 1 und 2 der QS-Vereinbarung und dem Zweck der dort jeweils unter Nr. 1 getroffenen Regelung im Hinblick auf die Prüfung einer gleichwertigen Befähigung einschränkend auszulegen sei, ohne Ausnahme zuzustimmen ist, darf bezweifelt werden. Nach dem LSG betrifft die Regelung des § 9 Abs. 5 S. 2 der QS-Vereinbarung nicht die „Befähigung“ im Sinne einer ausreichenden fachlichen Qualifikation zur Erbringung der streitigen Leistungen.

Das LSG hat vorschnell eine einschränkende Auslegung – im Ergebnis eine teleologische Reduktion – nach dem Zweck der Norm vorgenommen, ohne den Tatbestand der Regelung, nämlich eine gleichwertige Befähigung“ eingedenk der Konzentration der Leistungen auf das Gebiet der Radiologie auszulegen und zu subsumieren.

Nämlich erst dann, wenn der Antragsteller eine im Sinne der QS-Vereinbarung gleichwertige Befähigung aufweist und diese zusätzlich nachweist (Wortlaut), besteht ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung gegenüber der KV. Die QS-Vereinbarung selbst ist aber erkennbar auf das Gebiet der Radiologie zugeschnitten, was neben den § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 QS-Vereinbarung insbesondere auch durch § 3 Abs. 3 QS-Vereinbarung[28] (Systematik) und dem Regelungsziel der Rechtsgrundlage des § 135 Abs. 2 S. 4 SGB V (Telos) ersichtlich wird. Dass ein Facharzt für Gefäßchirurgie im Hinblick auf das Gebiet Radiologie keine fachärztliche Weiterbildung abgeschlossen hat, die im Sinne der QS-Vereinbarung verglichen mit dem Gebiet der Radiologie gleichwertig ist, ist denklogische Folge. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 9 Abs. 5 S. 2 QS-Vereinbarung für den Fall, dass der ausführende Arzt Facharzt für Innere Medizin und Angiologie ist[29], scheidet vor diesem Hintergrund nach allgemeinen Grundsätzen ebenso aus. Denn Grenze einer jeden Auslegung ist der Wortlaut der Norm.[30]

Die jeweils erlernten ärztlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten unterscheiden sich nämlich fundamental voneinander. Vor diesem Hintergrund liegt es – was das LSG ausdrücklich verhindern wollte – nicht im Ermessen der KV, auch therapeutisch tätigen Facharztgruppen wie den Gefäßchirurgen bereits nach erfolgreicher Absolvierung eines Kolloquiums zu einer Genehmigung nach § 135 Abs. 2 SGB V zu verhelfen. Denn diese erfüllen nicht den Tatbestand des § 9 Abs. 5 S. 2 der QS-Vereinbarung. Auf das Ermessen im Rahmen der Rechtsfolge kommt es dann schon nicht mehr an.

Zumindest theoretisch (insbesondere im Rahmen von Ermächtigungen) denkbar sind zudem Fälle, in denen ein Antragsteller im EU-Ausland eine fachärztliche Weiterbildung absolviert, aber einen Antrag auf Anerkennung entsprechend § 18 Abs. 1 S. 1 M-WBO nicht gestellt hat. Solche Antragsteller sind z. B. nach § 3 Abs. 2 lit. b Var. 3 Ärzte-ZV i. V. m. § 95a Abs. 5 S. 2 Var. 2 SGB V auch in das Arztregister einzutragen.[31] § 9 Abs. 5 S. 2 der QS-Vereinbarung fordert eine abweichende, aber gleichwertige Befähigung des Antragstellers. Hat ein Antragsteller eine der deutschen Weiterbildung im Gebiet der Radiologie – vor dem Hintergrund des europarechtlichen Prinzips der gegenseitigen Anerkennung gem. Art. 53 Abs. 1 AEUV und der darauf basierenden Harmonisierungsvorschriften – gleichwertige Befähigung auf Grund ausländischer Qualifikation, aber (noch) nicht die Befugnis zum Führen der Facharztbezeichnung für Radiologie, so liegt die Teilnahme an einem Kolloquium zumindest nahe. Daher wird diese Bestimmung, die annähernd wortlautgleich in § 3 Abs. 2 S. 2 der Rahmenvereinbarung für Qualitätssicherungsvereinbarungen gemäß § 135 Abs. 2 SGB V enthalten ist, auch als Europaklausel bezeichnet.[32] Im Übrigen werden die in § 9 Abs. 5 S. 2 QS-Vereinbarung enthaltenen Begrifflichkeiten „vergleichbar“ und „gleichwertig“ – im Sinne einer rechtsvergleichenden Betrachtung – in der deutschen Jurisdiktion insbesondere bei der Anerkennung von ausländischen Qualifikationen gebraucht. Das gilt im Allgemeinen für die Nutzung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen im Rahmen des BQFG[33] und im Besonderen im Rahmen der Anerkennung von ärztlichen Weiterbildungen in einem Mitgliedsstaat, EWR-Staat oder Vertragsstaat gem. § 18 M-WBO. Auf Grund dessen liegt der Anwendungsbereich des § 9 Abs. 5 S. 2 QS-Vereinbarung bezogen auf § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 QS-Vereinbarung allein bei solchen Sachverhalten, in denen eine abweichende im Ausland erworbene Qualifikation besteht, aber mit der Gebietsbezeichnung Radiologie nach Maßgabe der jeweiligen WBO vergleichbar ist.

Der Entscheidung ist aber schlussendlich vor dem Hintergrund der Patientenversorgung und der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zu begrüßen und im Ergebnis vollends zuzustimmen. Zudem trägt sie im Ergebnis dazu bei, die Berufsgruppe der Radiologen als diagnostisch tätige Ärzte zu erhalten, was verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist[34].

Prof. Dr. Peter Wigge
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht

Hendrik Hörnlein, LL.M.
Rechtsanwalt

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1 Vgl. Wigge, Röfo 2023, 71; Wigge, MedR 2021, 151.


2 BSG, Urteil vom 11.10.2006, Az.: B 6 KA 1/05 R.


3 Vereinbarung von Qualifikationsvoraussetzungen gemäß § 135 Abs. 2 SGB V zur Durchführung von Untersuchungen in der Kernspintomographie (Kernspintomographie-Vereinbarung).


4 BSG, Urteil vom 11.10.2006, Az.: B 6 KA 1/05 R, Rn. 34.


5 LSG NRW, Urteil vom 11.05.2005, Az.: L 11 KA 130/03.


6 LSG NRW, Urteil vom 11.05.2005, Az.: L 11 KA 130/03, Rn. 23 ff.


7 BSG, Urteil vom 15.07.2020, Az.: B 6 KA 19/19 R, Rn. 20.


8 Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen nach § 135 Abs. 2 SGB V zur interventionellen Radiologie (Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen Radiologie) in der Fassung vom 31. August 2010.


9 SG Hannover, Urteil vom 09.12.2020, Az.: S 24 KA 164/18.


10 LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.09.2022, Az.: L 3 KA 1/21, Rn. 23 f.


11 LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.09.2022, Az.: L 3 KA 1/21, Rn. 25


12 LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.09.2022, Az.: L 3 KA 1/21, Rn. 26.


13 BT-Drs. 15/1525, S. 124.


14 LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.09.2022, Az.: L 3 KA 1/21, Rn. 27.


15 LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.09.2022, Az.: L 3 KA 1/21, Rn. 28.


16 BVerfG, Beschluss vom 16.07.2004, Az.: 1 BvR 1127/01; Beschluss vom 08.07.2010, Az.: 2 BvR 520/07; Beschluss vom 02.05.2018, Az.: 1 BvR 3042/14; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.09.2022, Az.: L 3 KA 1/21, Rn. 30.


17 BVerfG, Beschluss vom 16.07.2004, Az.: 1 BvR 1127/01, Rn. 21; BVerfG, Beschluss vom 08.07.2010, Az.: 2 BvR 520/07, Rn. 13.


18 BSG, Urteil vom 24.10.2018, Az.: B 6 KA 45/17 R; Urteil vom 12.02.2020, Az.: B 6 KA 25/18 R.


19 BSG, Urteil vom 14.12.2011, Az.: B 6 KA 31/10 R; Urteil vom 19.02.2014, Az.: B 6 KA 38/12 R.


20 LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.09.2022, Az.: L 3 KA 1/21, Rn. 31.


21 LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.09.2022, Az.: L 3 KA 1/21, Rn. 32.


22 BVerfG, Beschluss vom 16.07.2004, Az.: 1 BvR 1127/01; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.09.2022, Az.: L 3 KA 1/21, Rn. 32.


23 LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.09.2022, Az.: L 3 KA 1/21, Rn. 35.


24 LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.09.2022, Az.: L 3 KA 1/21, Rn. 36.


25 BSG, Urteil vom 11.10.2006, Az.: B 6 KA 1/05 R, Rn 34.


26 Vgl. hierzu BSG, Urteil vom 08.08.2018, Az.: B 6 KA 47/17 R, Rn. 21.


27 Vgl. zur Fachfremdheit der PTA für einen Internisten mit dem Schwerpunkt Kardiologie und Angiologie sowie der Gebietszugehörigkeit zur Diagnostischen Radiologie: LSG NRW, Urteil vom 11.05.2005, Az.: L 11 KA 130/03, Rn. 26; vgl. auch Wigge, Kaiser, Fischer, Loose, MedR 2010, 700, 703.


28 Anleitung durch einen nach der WBO für die Weiterbildung zum Facharzt für Radiologie befugten Arzt.


29 SG München, Urteil vom 25.10.2021, Az.: S 28 KA 84/19, Rn. 45 ff.


30 StRspr. BVerfG, Urteil vom 19.03.2013, Az.: 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11 m.w.N.


31 Vgl. Ladurner, Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV, 1. Auflage 2017, § 3 Rn. 26.


32 Hochgesang in: Schiller, Kommentar zum gemeinsamen BMV-Ä, 2. Aufl. 2021, IV. Kolloquium, Rn. 72.


33 Gesetz über die Feststellung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen (Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz – BQFG).


34 BVerfG, Beschluss vom 16.07.2004, Az.: 1 BvR 1127/01, Rn. 27.



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Article published online:
30 March 2023

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