NOTARZT 2023; 39(05): 252
DOI: 10.1055/a-2060-8951
Leserbrief

Antwort auf den Leserbrief zum Beitrag: „Evidenzbasierte Arzneimittelinformation für den pädiatrischen Notfall“

Antje Neubert
1   Kinder- und Jugendklinik, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Deutschland
,
Ursula Gramlich
1   Kinder- und Jugendklinik, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Deutschland
,
Wolfgang Rascher
1   Kinder- und Jugendklinik, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Deutschland
,
Karl-Peter Ittner
2   Lehr- und Forschungseinheit Pharmakologie, Fakultät der Medizin, Universität Regensburg, Regensburg, Deutschland
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Wir danken Herrn Dr. med. Metzger für seine Stellungnahme und die Darlegungen seiner Off-Label-Use-Praxis mit Midazolam-nasal.

Dr. Metzger kritisiert an unserem Beitrag [1] „… Ein unzulässiges Anwendungsbeispiel für eine Off-Label-Therapie ist für Sie die nasale Anwendung von Midazolam zur Durchbrechung des Status epilepticus anstelle der bukkalen Anwendung von Buccolam…“.

Tatsächlich wurde von uns geschrieben „…Allein die Anwendung eines für diese Therapie nicht zugelassenen Mucosal Atomization Device (MAD) bei gleichzeitiger Verfügbarkeit zugelassener Midazolamanwendungen (p. o. und i. m.) kann zu haftungsrechtlichen Konsequenzen führen …“, was nicht bedeutet, dass es sich um ein unzulässiges Anwendungsbeispiel handelt.

Wir haben dieses in der Praxis häufig praktizierte Beispiel gewählt, um die Leser*innen für die Problematik zu sensibilisieren, ihnen bewusst zu machen, dass sie sich auch bei einem so gängigen Off-Label-Gebrauch gegebenenfalls haftungsrechtlich verantworten müssen und noch einmal mehr über Alternativen nachdenken sollten, bzw. die Sorgeberechtigten entsprechend aufzuklären und die Aufklärung zu dokumentieren.

Der Wortlaut der Arzneimittelverschreibungsrichtlinie lautet: „Die Verschreibung eines in Deutschland zugelassenen Arzneimittels außerhalb der zugelassenen Indikationen ist arzneimittelrechtlich möglich, liegt dann aber ggf. in der alleinigen (haftungsrechtlichen) Verantwortung der Vertragsärztin oder des Vertragsarztes. Eine Gefährdungshaftung durch das pharmazeutische Unternehmen ist grundsätzlich nur beim zulassungs- bzw. bestimmungsgemäßen Einsatz eines Arzneimittels gegeben.“ [2]

Wenn man also das intravenös zugelassene Arzneimittel Midazolam in das Medizinprodukt MAD-nasal füllt (zertifiziert zur Zerstäubung von nasal zugelassenen Arzneimitteln) und dann anwendet, übertritt man zum einem das Arzneimittelgesetz (Off-Label-Use, da Midazolam nicht nasal zugelassen) und zum anderen das Medizinproduktegesetz (MPG) (hier handelt es sich sogar um eine „Neuherstellung“, da es im MPG den Begriff Off-Label-Use nicht gibt). Detailliertere Ausführungen zu diesem Thema finden sich im Artikel von Frau Professor Dr. jur. U. Walter und Co-Autoren [3].

Grundsätzlich ist Ärztinnen und Ärzten eine zulassungsüberschreitende Anwendung von Arzneimitteln erlaubt, unter Umständen sind sie sogar dazu verpflichtet, Off-Label zu therapieren, nämlich dann, wenn die Therapie dem Stand der Wissenschaft entspricht [4].

In der Pädiatrie ist die Entwicklung von für Kinder zugelassenen Arzneimitteln sehr aufwendig und mit hohen Kosten verbunden. Umso mehr sollte auf zugelassene Präparate zurückgegriffen bzw. deren Anwendung ernsthaft in Betracht gezogen werden. Auch die verfügbare Evidenz muss eine Rolle bei der Therapieentscheidung spielen.

Für die praktische Notfallpharmakologie bedeutet das: Niemand verbietet uns die zulassungsüberschreitende Arzneimittelanwendung im Notarztdienst. Die Gefährdungshaftung liegt aber dann zu 100% bei uns. Darüber muss sich jede und jeder im Klaren sein und Nutzen-Risiko sorgfältig abwägen.

Die Autoren

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Article published online:
05 October 2023

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