CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2023; 83(07): 835-842
DOI: 10.1055/a-2061-6845
GebFra Science
Original Article/Originalarbeit

QS ENDO Pilot – eine Studie der Stiftung Endometrioseforschung (SEF) zur Versorgungsqualität von Patientinnen mit Endometriose in den zertifizierten Endometriosezentren der DACH-Region

Article in several languages: English | deutsch
Ivo Meinhold-Heerlein
1   Zentrum für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Justus Liebig-Universität Gießen, Gießen, Germany
,
Magdalena Zeppernick
1   Zentrum für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Justus Liebig-Universität Gießen, Gießen, Germany
,
Monika Martina Wölfler
2   Frauenklinik der medizinischen Universität Graz, Graz, Austria
,
Elisabeth Janschek
3   LKH Villach, Villach, Austria
,
Sebastian Bornemann
4   MMF Research GmbH, Münster, Germany
,
Laura Holtmann
4   MMF Research GmbH, Münster, Germany
,
Frank Oehmke
1   Zentrum für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Justus Liebig-Universität Gießen, Gießen, Germany
,
Darius Salehin
6   Johanniter GmbH; Evangelisches Krankenhaus Bethesda, Mönchengladbach, Germany
,
Chi Mi Scheible
6   Johanniter GmbH; Evangelisches Krankenhaus Bethesda, Mönchengladbach, Germany
,
Iris Brandes
5   Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Germany
,
Sigrid Vingerhagen-Pethick
7   Drammen Hospital, Drammen, Norway
,
Claus-Peter Cornelius
17   Rehaklinik für Gynäkologie, Eisenmoorbad AG, Bad Schmiedeberg, Germany
,
Alexander Boosz
8   Städtisches Klinikum Karlsruhe, Karlsruhe, Germany
,
Bernhard Krämer
9   Universitätsfrauenklinik Tübingen, Tübingen, Germany
,
Martin Sillem
10   Stiftung Endometriose-Forschung, Westerstede, Germany
11   Praxisklinik am Rosengarten, Mannheim, Germany
,
Klaus Bühler †
10   Stiftung Endometriose-Forschung, Westerstede, Germany
12   Klinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin, Universitätskliniken des Saarlandes, Homburg/Saar, Germany
13   Frauenärzte am Staden, Saarbrücken, Germany
14   Klinik für Frauenheilkunde und Fortpflanzungsmedizin Universitätsklinikum Jena, Jena, Germany
,
Jörg Keckstein
10   Stiftung Endometriose-Forschung, Westerstede, Germany
15   Endometriosezentrum Keckstein, Villach, Austria
16   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Germany
,
Karl-Werner Schweppe
10   Stiftung Endometriose-Forschung, Westerstede, Germany
,
Felix Zeppernick
1   Zentrum für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Justus Liebig-Universität Gießen, Gießen, Germany
,
for the AG QS Endo of the Stiftung Endometrioseforschung (SEF) › Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Einleitung Endometriose schränkt die Lebensqualität der Patientinnen bisweilen erheblich ein und belastet darüber hinaus die Gesundheits- und Sozialsysteme. Bisher fehlen Qualitätsindikatoren für die Behandlung. Die Versorgung von Patientinnen mit Endometriose wird als unzureichend angesehen. QS ENDO soll die Versorgungsqualität in der DACH-Region erfassen und im Sinne der Qualitätssicherung Qualitätsindikatoren für die Diagnostik und Therapie der Endometriose einführen. In der 1. Stufe QS ENDO Real wurde anhand eines Fragebogens die Versorgungsrealität erfasst. In der 2. Phase QS ENDO Pilot wurde die Behandlung von 435 Patientinnen, die innerhalb eines definierten 1-monatigen Zeitraums an den zertifizierten Endometriosezentren operiert wurden, untersucht.

Material und Methoden Mithilfe eines Online-Tools wurden 9 Punkte zur Anamnese und klinischen Untersuchung abgefragt. Anhand des OP-Berichts wurden u. a. der Zugangsweg, die Beschreibung des OP-Situs, eine etwaige histologische Sicherung und Anwendung einer Klassifikation sowie die Angabe des Resektionsstatus dokumentiert.

Ergebnisse Bei 85,3% der Patientinnen wurden alle 4 Anamnesefragen gestellt. Bei 34,5% wurden alle 5 Diagnostikschritte durchgeführt. Bei 67,1% wurden die 3 geforderten Areale des Situs beschrieben. Bei 84,1% erfolgte eine Probenentnahme zum histologischen Nachweis. Bei 94,7% der Operationen wurde das Stadium klassifiziert. Eine für komplexe Fälle notwendige Kombination der rASRM- und der ENZIAN-Klassifikation wurde bei 46,1% angewendet. Bei 81,6% der Operationen wurde eine Komplettresektion erzielt.

Schlussfolgerung Mit QS ENDO Pilot ist es erstmalig gelungen, die Versorgungsqualität in den zertifizierten Endometriosezentren zu erfassen. Trotz des hohen Zertifizierungsstandards werden die geforderten Indikatoren zu einem wesentlichen Anteil nicht berücksichtigt.


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Einleitung

Endometriose gehört noch immer zu den weithin unterschätzten Leiden bei Frauen während der Geschlechtsreife [1]. Die in der Literatur angegebene Häufigkeit von ca. 10 – 15% aller prämenopausalen Frauen [2], [3] dürfte aufgrund der Tabuisierung der Krankheit deutlich höher liegen [4].

Vieles deutet darauf hin, dass unter dem Begriff Endometriose klinisch, histologisch und molekular unterschiedliche Erkrankungen subsumiert werden [5]. Definitionsgemäß lässt sich bei allen Formen ein dem Endometrium ähnliches Gewebe außerhalb des Cavum uteri nachweisen. Das Risiko, an einem Ovarialkarzinom zu erkranken, ist erhöht [6], [7], [8]. Weiterhin besteht eine Assoziation der tief infiltrierenden Endometriose mit dem Zervixkarzinom [9].

Häufig werden Fehldiagnosen gestellt, da die Symptome vielfältig sind. Das Kardinalsymptom ist die Dysmenorrhö. Darüber hinaus leiden viele Patientinnen unter Dysurie, etliche unter Dyspareunie und Dyschezie. Bei länger unbehandelter Erkrankung kann es zu regelunabhängigen Schmerzen kommen. Bei nervalem Befall können sensible oder motorische Affektionen vor allem der Beine auftreten. Häufig besteht chronische Analgetikapflicht. Störungen der Blasen- und Darmfunktion, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder unerfüllter Kinderwunsch beeinträchtigen die Lebensqualität der Patientinnen erheblich [10], [11]. Ultima Ratio bei therapieresistenten Schmerzen oder Funktionsstörungen der Blase oder des Darmes ist eine lumbosakrale Neuromodulation [12]. Die Patientinnen bedürfen auch bei optimaler Primärbehandlung einer kontinuierlichen und ganzheitlichen Betreuung, da die Erkrankung die zentralen Lebensbereiche und Bedürfnisse junger Frauen beeinträchtigt. Der Verlust einer Partnerschaft und die Kündigung eines Arbeitsplatzes sind keine Seltenheit [10]. Endometriose bedeutet zudem eine wesentliche gesellschaftliche Belastung für das Gesundheits- und Sozialsystem [13].

Eine Diagnose kann ausschließlich mittels histologischer Sicherung eindeutig gestellt werden. Entsprechend der überarbeiteten Leitlinie der ESHRE ist aber eine Laparoskopie zur Sicherung der Diagnose nur im Falle von negativer Bildgebung noch erforderlich, da durch die Bildgebung mittels dynamischer transvaginaler Sonografie und/oder Magnetresonanztomografie die Diagnose sehr zuverlässig gestellt werden kann [14] und die Laparoskopie immer einen therapeutischen Charakter haben sollte. Künftig könnte die Erkrankung über eine Biomarker-Analyse nachgewiesen und somit eine ausschließlich diagnostische Operation vermieden werden [15], [16].

Ein großes Problem liegt in der langen Latenz von 7 – 10 Jahren zwischen erstmaligen Symptomen und der Diagnosestellung. Diese dramatische Verzögerung zeigt, dass die Erkrankung nicht nur bei medizinischen Laien, sondern auch bei den betreuenden Haus-, Kinder- und Frauenärzten unterschätzt wird [17], [18], [19].

Neben einer fehlenden oder verzögerten Diagnosestellung stellt sich die Frage, ob die Erkrankung trotz der flächendeckenden Implementierung von Endometriosezentren nach dem bestmöglichen Standard behandelt wird [20].

Die positiven Ergebnisse der Versorgungsstrukturanalysen und Qualitätssicherung beim Ovarialkarzinom (QS OVAR) durch die Organkommission Ovar der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) waren Anlass, eine entsprechende Analyse auch für Endometriose durchzuführen [21], [22]. Für das Ovarialkarzinom konnte gezeigt werden, dass eine strukturierte Fortbildung der Behandelnden die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Patientinnen die empfohlene Therapie erhalten [23].

Qualitätsindikatoren für die Behandlung der Endometriose wurden bisher nicht implementiert. Dementsprechend ist eine Erhebung der Versorgungsqualität bisher nicht möglich [24]. Durch QS ENDO sollen nun Indikatoren identifiziert werden, an denen die Qualität der Behandlung gemessen werden kann.

Mit der 1. Phase QS ENDO Real wurde anhand eines Fragebogens, der von der ärztlichen Leitung der jeweiligen Einrichtung ausgefüllt wurde, die Versorgungsrealität für Endometriose in der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) erfasst [20], [25].

In der nun durchgeführten 2. Phase QS ENDO Pilot wurden anhand definierter Akten von Patientinnen die tatsächlichen Behandlungen an den Endometriosezentren der Stufe II und III innerhalb eines 1-monatigen Zeitraums abgefragt.

Ziel der Studie war es, die Anwendung der im Rahmen der Zertifizierung vorausgesetzten Standards sowie die Adhärenz leitliniengerechter Behandlung zu überprüfen. Weiterhin sollte QS ENDO Pilot die im Rahmen der Expertenkommission erarbeiteten Indikatoren überprüfen und die Machbarkeit einer online basierten Indikatoren-Abfrage eruieren. Dazu schien das umschriebene und klar definierte Kollektiv der zertifizierten Endometriosezentren geeignet. QS ENDO Pilot dient als Vorstudie für die 3. Studienphase QS ENDO Study. Letztere wird wiederum die Versorgung der Endometriosepatientinnen in allen Institutionen der DACH-Region untersuchen.


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Material und Methoden

Die Pflicht zur Teilnahme an QS ENDO Pilot war für die klinischen und klinisch-wissenschaftlichen Endometriosezentren vom Vorstand der Stiftung Endometrioseforschung verbindlich festgelegt worden.

Patientinnenkollektiv, Beobachtungszeitraum

Im Oktober 2017 wurden die Leiter der zertifizierten Endometriosezentren in Deutschland, Österreich und der Schweiz (n = 44) kontaktiert. Jedes Zentrum war angehalten, klinische Angaben von jeweils 10 Patientinnen anhand der Akten zu dokumentieren. Es sollten die letzten 10 Patientinnen erfasst werden, die im jeweiligen Zentrum im Oktober 2016 operiert wurden. Für die Erfassung der Daten wurde ein eigens entwickeltes Online-Dokumentationssystem verwendet, in dem 439 Patientinnen erfasst wurden. Vier Fälle ohne Bestätigung einer Endometriose wurden ausgeschlossen. Ein Zentrum hatte nur 9 Fälle dokumentiert. Entsprechend wurden Daten von 435 Patientinnen ausgewertet (n = 435).

Die Inhalte des Fragenkatalogs wurden durch ein Expertengremium der Stiftung Endometrioseforschung (SEF) erarbeitet und im Stiftungsbeirat konsentiert. Es wurden Kriterien festgelegt, die in der damaligen S2k-Leitlinie „Endometriose“ [26] festgelegt waren oder die nach Ansicht des Gremiums künftig als Qualitätsindikatoren dienen sollen.

Für jede Patientin wurden Alter, Größe, Gewicht, Voroperationen und Angaben zu bereits erfolgten Maßnahmen zur assistierten Reproduktion abgefragt. Die Eingabe der Fälle erfolgte anonym. Ein Rückbezug auf das jeweilige Zentrum ist unmöglich.


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Anamnese- und Diagnostikschritte, OP-Dokumentation

Unter den Fragen zur Anamnese wurden insbesondere die Indikatoren „Dysmenorrhö“, „Miktionsbeschwerden“, „Defäkationsbeschwerden“ und „Dyspareunie“ abgefragt. Zu den Indikatoren der klinischen Untersuchung gehörten „Spekulumeinstellung“, „bimanuelle Palpation“, „transvaginaler Ultraschall“, „rektale Untersuchung“ und „Nierensonografie“. Anhand des OP-Berichts wurden der Zugangsweg, die OP-Schritte, die Dokumentation des OP-Situs, eine etwaige histologische Sicherung, die Anwendung einer Klassifikation und etwaige Komplikationen dokumentiert [27], [28].

Eine nicht erfolgte Komplettresektion war zu begründen. Eine Empfehlung für die weitere Behandlung war anzugeben.


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Statistische Analyse

Die Datenanalyse erfolgte nach vollständiger Dokumentation gemäß dem Intention-to-treat-Prinzip. Die statistische Datenanalyse wurde mit dem Programm SPSS 21 (IBM Corp. Released 2016) durchgeführt. Da es sich um eine explorative Studie handelt, erfolgte die Auswertung aller Variablen primär deskriptiv. Weitere Details zu Material und Methoden im eSupplement.


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Ergebnisse

Kennzeichen der beteiligten Zentren

An der Erhebung nahmen 44 Endometriosezentren teil, die insgesamt 435 operative Fälle dokumentierten ([Abb. 1]). Jeweils 3 Zentren stammten aus Österreich und der Schweiz, 38 Zentren aus Deutschland. Es beteiligten sich 10 Kliniken der „Grund- und Regelversorgung“ sowie eine Belegarztklinik (25,6%) und 33 Kliniken der „Schwerpunkt- oder Maximalversorgung“ (76,7%). 93,2% der Zentren führen pro Jahr mehr als 100 Operationen durch. Da nur Einrichtungen teilnahmen, die als Endometriosezentren zertifiziert waren, werden die Ergebnisse der Gesamtheit aller Zentren dargestellt.

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Abb. 1 Consort Chart. * Dokumentierte Fälle pro Zentrum: ein Zentrum mit 9 dokumentierten Fällen.

Innerhalb der beteiligten Zentren gaben die Einrichtungen an, zu 100% mit einer chirurgischen Abteilung, zu 90,9% mit einer pathologischen, zu 97,7% mit einer radiologischen und zu 90,9% mit einer urologischen Abteilung zu kooperieren.

An allen Zentren existiert eine spezielle Endometriosesprechstunde.


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Grunddaten der Patientinnen

Die Basisdaten der Patientinnen sind in [Tab. 1] dargestellt. Das mediane Alter der Patientinnen bei der Operation betrug 34 (16 – 57) Jahre. Mindestens eine Gravidität wurde bei 35,9% angegeben, mindestens eine Parität bei 27,6%. 42,5% der Gebärenden (n = 120) waren per Sectio entbunden worden. Für 8,0% aller Patientinnen wurde eine reproduktionsmedizinische Vorbehandlung angegeben und für 48,7% mindestens eine abdominale Voroperation. Der häufigste Grund zur Vorstellung war die Dysmenorrhö (60,5%), gefolgt von einer Facharzt-Überweisung (57,7%), Unterbauchschmerzen (57,5%), Kinderwunsch (34,3%), Eigeninitiative der Patientin (6,2%), Einholung einer Zweitmeinung (3,7%) oder der Vorstellung als Notfall (2,3%).

Tab. 1 Basisdaten der Patientinnen (Alter, Gewicht, Größe, Body-Mass-Index [BMI]).

Mittelwert

Median

Minimum

Maximum

Anzahl (n)

Alter in Jahren

34,7

34

16

57

435

Gewicht in kg

68,5

66

42

130

424

Größe in cm

167,4

168

150

185

424

BMI in kg/m2

24,5

23,2

15,6

46,4

424


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Anamnese und Diagnostik

Dysmenorrhö als Kardinalsymptom der Endometriose wurde bei 96,1% der Patientinnen abgefragt. Von diesen wurde bei 44,7% die Dysmenorrhö mittels Analogskala quantifiziert. Der Median der Schmerzintensität lag bei 7 (1 – 10) bei einem Mittelwert von 6,3 auf der numerischen Analogskala. Nach Algurie wurden 93,8% der Patientinnen gefragt. Nach Dyschezie wurden 94% der Patientinnen gefragt, nach Dyspareunie 87,8%. Eine Spekulumeinstellung wurde bei 99,8% und eine Vaginalsonografie bei 99,5% dokumentiert. Eine bimanuelle Untersuchung wurde bei 98,4%, eine rektale Untersuchung bei 54,3% und eine Nierensonografie bei 55,4% der Patientinnen dokumentiert ([Abb. 2]).

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Abb. 2 QS ENDO Pilot – durchgeführte Anamnese und Diagnostikschritte nach Patientenakte (n = 435).

Bei 85,3% der Patientinnen wurden alle 4 Anamnesefragen gestellt, bei 7,6% 3 Fragen und bei den verbleibenden 7,1% weniger als 3 Fragen. Bei 34,5% der Patientinnen wurden alle 5 Diagnostikschritte durchgeführt, bei 39,3% 4, bei 25,3% 3. Wenn die rektale Untersuchung unberücksichtigt blieb, ergab sich folgendes Bild: Bei 54,3% der Patientinnen wurden 4 Schritte durchgeführt, bei 44,6% 3.

Wenn die Anamnesefragen und Diagnostikschritte als 9 Qualitätsindikatoren zusammengefasst wurden, ergab sich folgendes Bild: Bei 32,4% der Patientinnen wurden alle 9 Indikatoren dokumentiert, bei 36,8% 8, bei 18,4% 7, bei 6,7% 6 und bei den restlichen 5,8% 5 und weniger. Wenn die rektale Untersuchung unberücksichtigt blieb, ergab sich folgendes Bild: Bei 48,7% der Patientinnen wurden alle 8 Indikatoren dokumentiert, bei 38,2% 7, bei 6,9% 6 und bei den restlichen 6,2% 5 und weniger Indikatoren.


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Operation

Der Anteil der laparoskopischen Operationen lag bei 96,1% und der der offenen Operationen bei 1,8%. In 1,4% wurde zu einer Laparotomie konvertiert. Bei 0,7% wurde „anderer Zugang“ angegeben. Der Anteil der Primäroperationen lag bei 74,0% und der Rezidivoperationen bei 26,0%, wobei die Anzahl der Voroperationen zwischen 1 und 7 variierte und 14,2% der Patientinnen 3 und mehr Voroperationen aufwiesen. In 84,1% aller Operationen wurde eine Gewebeprobe zur histologischen Sicherung entnommen, die in 97,3% eine Endometriose auch histopathologisch bestätigte.

Dokumentation des Situs

Bei 95,4% der Patientinnen wurde der Situs dokumentiert. Folgende Bereiche wurden konkret abgefragt: Kleines Becken, Diaphragmakuppeln, Ileozökalpol. Bei 67,1% der Patientinnen erfolgte eine vollständige intraoperative Dokumentation aller 3 genannten Bereiche. Bei 26,9% wurden weniger als 3 Bereiche im OP-Bericht erwähnt und bei 6,0% wurden keine Angaben zum Situs dokumentiert.


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Klassifikation

Eine Klassifizierung der Endometriose wurde bei 94,7% der Patientinnen vorgenommen. Dabei wurden in erster Linie die revidierte Klassifikation der American Society of Reproductive Medicine (rASRM) für peritoneale und ovarielle Endometriose sowie die ENZIAN-Klassifikation für tief infiltrierende Endometriose angewendet. Da die tief infiltrierende Endometriose kaum isoliert auftritt, ist für eine umfassende Klassifizierung meist die gleichzeitige Anwendung von rASRM- und ENZIAN-Klassifikation notwendig. Dies wurde in 46,1% gewährleistet.


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Postoperative Endometriosefreiheit

Bei 81,6% der Patientinnen wurde am Ende der Operation eine makroskopische Komplettresektion beschrieben. Die für die mangelnde postoperative Freiheit von Endometriose angegebenen Gründe sind in [Abb. 3] dargestellt.

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Abb. 3 QS ENDO PILOT – Gründe für fehlende Komplettresektion. Angaben in Prozent.

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Komplikationen

Nur bei einigen Patientinnen der Großversorger wurden Komplikationen angegeben. Die Häufigkeit perioperativer Komplikationen war dort mit 2,8% (12/328) gering.


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Behandlungempfehlung

Bei 91,3% der Patientinnen wurde im OP-Bericht oder im Arztbrief eine Empfehlung zur weiteren Behandlung ausgesprochen.


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Abgleich mit QS ENDO Real: Anamnese und Diagnostik

28 Zentren nahmen sowohl an QS ENDO Real als auch an QS ENDO Pilot teil. 269 Patientinnen aus diesen Zentren wurden im Rahmen von QS ENDO Pilot dokumentiert. Von den Einrichtungen, bei denen die ärztliche Leitung der Einrichtung alle 4 Anamnesefragen als „sehr wichtig“ bezeichnete, wurden diese 4 Fragen bei 86,8% der in QS ENDO Pilot dokumentierten Patientinnen tatsächlich auch gestellt.

Von den Einrichtungen, bei denen die ärztliche Leitung alle 5 Diagnoseschritte als „unbedingt erforderlich“ ansah, wurden die 5 Diagnoseschritte bei 45,0% tatsächlich durchgeführt. Wenn die rektale Untersuchung als Parameter unberücksichtigt blieb, stieg die Quote auf 73,4%.


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Diskussion

QS ENDO hat zum Ziel, die Versorgungsrealität von Patientinnen mit Endometriose im deutschsprachigen Raum zu erfassen, überprüfbare Qualitätsindikatoren zu benennen und entsprechende Mängel bei der Versorgung aufzuzeigen. Unbestritten muss das Intervall zwischen dem ersten Symptom und der Diagnose der Erkrankung verkürzt werden. Weiterhin sollten alle Patientinnen leitlinienkonform behandelt werden.

QS ENDO beinhaltet 4 Phasen: QS ENDO Real, QS ENDO Pilot, QS ENDO Study und QS ENDO Follow-up. Mit QS ENDO Real wurde die Versorgungsrealität für Endometriose anhand eines Fragebogens erfasst, der von der ärztlichen Leitung der Einrichtung ausgefüllt wurde [25]. In den 3 weiteren Phasen soll die Versorgungsqualität anhand der Behandlung individueller Patientinnen überprüft werden.

In der hier publizierten 2. Phase (QS ENDO Pilot) wurden die Behandlungen von je 10 Patientinnen an Endometriosezentren der Stufe II und III innerhalb eines 1-monatigen Zeitraums abgefragt. In Phase 3 (QS ENDO Study) soll diese Abfrage künftig auf alle behandelnden Kliniken in der DACH-Region ausgeweitet werden. In der 4. Phase (QS ENDO Follow-up) sollen Daten zur Langzeitprognose einschließlich der Schwangerschaftsrate generiert werden [20], [25].

Eine Erkenntnis aus QS ENDO Real war, dass offensichtlich nur etwa ein Drittel aller Endometriosepatientinnen in zertifizierten Zentren behandelt wird. Dies bedeutet, dass sich die Maßnahmen zur Qualitätssicherung nicht auf die Zertifizierungsmaßnahmen beschränken dürfen, da man so die Mehrheit der Endometriosepatientinnen nicht erreicht. Neben den Frauenärzten müssen auch Kinderärzte, Internisten, Chirurgen, Urologen und Allgemeinmediziner dringend einbezogen werden, um die Erkrankung frühzeitig und in all ihren Facetten zu erkennen und zu behandeln [25].

Mit QS ENDO Pilot sollte evaluiert werden, ob die Qualitätsindikatoren, die auf den nationalen Leitlinien beruhen und dem Expertengremium der Stiftung Endometrioseforschung valide erschienen, in den zertifizierten Endometriosezentren auch angewendet werden [29].

Eine zentrale Frage der Analyse war die Klärung, ob die 4 Schlüsselfragen der Anamnese tatsächlich gestellt wurden. Bei über 96,1% der Patientinnen wurde das Kardinalsymptom „Dysmenorrhö“ abgefragt; es wurde aber bei nur 44,7% mittels numerischer Analogskala (NAS) quantifiziert. Im Bemühen um Vergleichbarkeit wird es notwendig sein, die Angabe eines Schmerzscores einzufordern [30].

Der Median der Schmerzintensität lag bei bei 7 auf der numerischen Analogskala. Die Hälfte der Patientinnen waren mindestens einmal voroperiert, 14,2% hatten sogar 3 und mehr Voroperationen. Dies zeigt, dass in den Endometriosezentren komplexe Krankheitsfälle vorgestellt werden, die bereits eine längere Krankengeschichte und einen hohen Schmerzlevel mitbringen.

Eine weitere zentrale Frage war, ob die 5 wesentlichen diagnostischen Schritte durchgeführt wurden. Bimanuelle Palpation, Spiegeleinstellung und transvaginaler Ultraschall wurden zu nahezu 100% durchgeführt. Bei der Spiegeleinstellung wurde die Inspektion des Fornix posterior vaginae nicht explizit abgefragt, dies sollte künftig präzisiert werden. Allerdings wurde eine rektale Untersuchung nur bei 56% der Patientinnen und eine Nierensonografie nur bei 57,8% dokumentiert. Beide Untersuchungen waren nicht in der zum Untersuchungszeitpunkt gültigen S2k-Leitlinie verankert. Eine tief infiltrierende Endometriose lässt sich aber bisweilen nur mittels rektaler Untersuchung erfassen. Diese wird nach wie vor kontrovers diskutiert und wurde auch in die aktuelle Leitlinie nicht verpflichtend aufgenommen [31]. Mehrere Autoren beschreiben eine hohe Sensitivität der klinischen Untersuchung für rektovaginale Endometriose von 95,2% [32], [33]. Eine Ureter-Endometriose verläuft bisweilen inapparent. In ca. 25 – 50% droht aber eine Hydronephrose mit Nierenversagen. Konventionell wird daher laut aktueller Leitlinie bei V. a. auf eine tief infiltrierende Endometriose oder eine ovarielle Endometriose eine beidseitige Nierensonografie durchgeführt [31], [34], [35], [36].

Um einen Überblick zu gewinnen, wie viele Patientinnen in den zertifizierten Zentren eine in Augen des Expertengremiums optimale Anamnese und Diagnostik erhalten, wurde untersucht, wie viele Patientinnen anhand aller 9 Schlüsselparameter (4 Fragen und 5 Diagnostikschritte) evaluiert wurden. Dies war lediglich bei 32,44% der Fall. Wenn die strittige rektale Untersuchung unberücksichtigt blieb, stieg der Wert auf 48,7%. Grund genug, die grundsätzlichen Schlüsselaspekte beim Zertifizierungsverfahren in den Blick zu nehmen und im Rahmen der Leitlinien einzufordern!

28 Zentren nahmen sowohl an QS ENDO Real als auch an QS ENDO Pilot teil. Die Dokumentation von 269 Patientinnen aus diesen Zentren zeigte, dass die 4 Anamnesefragen nur bei 86,8% und die Diagnoseschritte bei lediglich 45,0% dokumentiert wurden – auch wenn die Zentrumsleitung die Parameter als „unbedingt erforderlich“ ansah. Wenn in zertifizierten Zentren, von denen die ärztliche Leitung die Versorgungsqualität in Form von Anamnese und Diagnostik für sehr wichtig erachtet, derart niedrige tatsächliche Quoten erreicht werden, lässt dies auf eine unzureichende Versorgungsqualität der Endometriosepatientinnen insgesamt schließen.

Bei Dokumentation des Situs wurden die „Diaphragmakuppeln“ und der „Ileozökalpol“ in ca. einem Drittel nicht beschrieben. Diese Lokalisationen sollten nicht übersehen werden, da das Zwerchfell in 1 – 1,5% und der Blinddarm in 0,5% aller Fälle von Endometriose betroffen ist [37], [38].

Zur Klassifizierung der Endometriose wurden in erster Linie die revidierte Klassifikation der American Society of Reproductive Medicine (rASRM) für peritoneale und ovarielle Endometriose sowie die ENZIAN-Klassifikation für tief infiltrierende Endometriose angewendet. Da die tief infiltrierende Endometriose kaum isoliert auftritt, ist für eine umfassende Klassifizierung die gleichzeitige Anwendung von rASRM- und ENZIAN-Klassifikation notwendig. Dies wurde in 46,1% gewährleistet. Künftig wird die erweiterte #ENZIAN-Klassifikation alle klinisch bedeutsamen Läsionen inklusive der peritonealen, ovariellen und tief-infiltrierenden Läsionen in einer einzigen Klassifikation abbilden. Dies dürfte zu einer erhöhten Anwendungsquote führen [27], [28], [39].

Bei 18,4% der Patientinnen wurde am Ende der Operation keine Komplettresektion erzielt. Neben nachvollziehbaren Gründen (z. B. Fertilitätserhalt) ist es kaum akzeptabel, dass in 22% eine geeignete OP-Aufklärung fehlte und bei 11% die Interdisziplinarität nicht gegeben war.

Künftig wird es entscheidend sein, im Rahmen von QS ENDO Study nicht nur die Versorgungsqualität in den zertifizierten Endometriosezentren zu evaluieren, sondern in allen Einrichtungen der DACH-Region, in denen Endometriosepatientinnen behandelt werden. Da die Mehrheit aller Patientinnen außerhalb zertifizierter Zentren behandelt werden, werden diese Daten der Ausgangspunkt dafür sein, etwaige Defizite bei der Behandlung aufzuzeigen und Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungsqualität einzuleiten. Jegliche Maßnahme muss neben einem strengeren Audit, das nicht nur die Struktur- und Prozessqualität, sondern eben auch die Behandlungsqualität überprüft, Fort- und Weiterbildungen für alle Ärztinnen und Ärzte enthalten, die junge Frauen betreuen. Das Tabu der Endometriose muss fallen, und die Zeitspanne einer ganzen Dekade vom ersten Symptom bis zur Diagnose muss drastisch verkürzt werden. Für eine Erkrankung, die eine derart hohe Anzahl junger Frauen betrifft, ist es dafür dringend an der Zeit [25], [40]!


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Schlussfolgerung

Selbst in den zertifizierten Endometriosezentren gibt es Defizite in der leitliniengerechten Behandlung. QS ENDO Study wird als künftige 3. Studienphase die Versorgungsqualität der Endometriosepatientinnen in der DACH-Region evaluieren. Da die Mehrheit aller Patientinnen außerhalb zertifizierter Zentren behandelt wird, werden diese Daten wichtige Grundlage für Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung sein.


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Conflict of Interest/Interessenkonflikt

The authors declare that they have no conflict of interest./Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

Wir danken Prof. J. Pfisterer und Prof. A. du Bois für die Unterstützung bei der strukturellen und wissenschaftlichen Entwicklung von QS ENDO. Dem Team der Firma MMF danken wir für die Durchführung der Befragung sowie die Auswertung. Allen beteiligten Zentren gilt unser Dank für das hohe Engagement und die kurzfristige und detaillierte Online-Dokumentation ihrer Patientinnen anhand individueller Akten. Wir danken den Firmen Karl Storz, Gedeon Richter, Jenapharm, Bayer und Takeda sowie Roche Diagnostics für Zuwendungen an die Stiftung Endometrioseforschung. Das Projekt wurde inhaltlich unabhängig durchgeführt und verfolgt keine kommerziellen Ziele.

* Mitglieder der AG QS Endo bei den Weißenseetagungen der SEF 2016, 2017 und 2018: Dubravko Barisic, Alexander Boosz, Claus-Peter Cornelius, Iris Brandes, Klaus Bühler, Gerald Fischerlehner, Nannette Grübling, Elisabeth Janschek, Bernhard Krämer, Anna Kubus, Ivo Meinhold-Heerlein, Frank Oehmke, Peter Oppelt, Ralf Rothmund, Darius Salehin, Chi Mi Scheible, Miriam Schempershofe, Vanadin Seifert-Klauss, Omar Shebl, Kathrin Steinberger, Daniela Söffge, Sigrid Vingerhagen-Pethick, Peter Widschwendter, Pauline Wimberger, Monika Wölfler, Felix Zeppernick, Magdalena Zeppernick.


Supporting Information


Correspondence/Korrespondenzadresse

Prof. Ivo Meinhold-Heerlein, MD
Zentrum für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Justus Liebig-Universität Gießen
Klinikstraße 33
35392 Gießen
Germany   

Publication History

Received: 13 January 2023

Accepted after revision: 19 March 2023

Article published online:
23 May 2023

© 2023. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commecial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/)

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Fig. 1 Consort Chart. * Documented cases per center: one center only documented nine cases.
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Fig. 2 QS ENDO Pilot – Taking patientsʼ medical history and diagnostic steps based on patient files (n = 435).
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Fig. 3 QS ENDO PILOT – reasons for incomplete resection. Data in percent.
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Abb. 1 Consort Chart. * Dokumentierte Fälle pro Zentrum: ein Zentrum mit 9 dokumentierten Fällen.
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Abb. 2 QS ENDO Pilot – durchgeführte Anamnese und Diagnostikschritte nach Patientenakte (n = 435).
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Abb. 3 QS ENDO PILOT – Gründe für fehlende Komplettresektion. Angaben in Prozent.