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DOI: 10.1055/a-2077-2748
Homeoffice für Ärztinnen und Ärzte – Möglichkeiten und Grenzen im Vertragsarztrecht
- 1. Einführung
- 2. Die vertragsarztrechtlichen Rahmenbedingungen
- 3. Bestehen eines gesetzlichen Verbots?
- 4. Möglicher Ablauf einer Befundung von Bildgebungsdateien im Homeoffice
- 5. Beachtung des Datenschutzes
- 6. Auffassung der Kassenärztlichen Vereinigungen
- 7. Arbeitsvertragliche Aspekte
- 8. Fazit
1. Einführung
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen schreitet zügig voran und wurde durch die Covid-19-Pandemie nochmals beschleunigt. Die Corona-Pandemie hat zu einer Weiterentwicklung und einem Ausbau der technischen Möglichkeiten in der Arbeitswelt und insbesondere im Zusammenhang mit dem Homeoffice geführt. Auch die Telemedizin ist auf dem Vormarsch. Diese bezeichnet nach einer Definition der Bundesärztekammer „verschiedene ärztliche Versorgungskonzepte, die medizinische Leistungen der Diagnostik, Therapie und Rehabilitation beinhalten sowie bei der ärztlichen Entscheidungsberatung über räumliche Entfernungen (oder zeitlichen Versatz) hinweg erbracht werden. Hierbei werden Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt“.[1] Diese Entwicklungen sind angesichts der weiterhin bestehenden Covid-19-Erkrankungsfälle, aber auch Influenza- und RSV-Erkrankungen in der Medizin weiterhin hoch aktuell.
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Der Wunsch vieler (Vertrags-) Ärztinnen/Ärzte, einzelne Leistungen aus dem Homeoffice heraus erbringen zu können, wächst und nimmt insbesondere in der jüngeren Generation stetig zu. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es werden weniger Praxisräume beziehungsweise weniger Flächen in vorhandenen Praxisräumen benötigt, Arbeitswege mit dem damit verbundenen Kosten- und Zeitfaktor entfallen und den (Vertrags-) Ärztinnen/Ärzten ermöglicht die Homeoffice Arbeit eine erhöhte Flexibilität und Effizienz in Bezug auf das Zeitmanagement und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht. Eine (teilweise) Verlagerung von Tätigkeiten in das Homeoffice führt häufig zu einer Motivationssteigerung und erhöhter Mitarbeiterzufriedenheit, was in Zeiten des Fachkräftemangels einen nicht zu vernachlässigenden Faktor darstellt.
Gerade das Berufsbild der Radiologen bildet eine hervorragende Grundlage, um einzelne Leistungen – namentlich insbesondere Befundungen – praxisortunabhängig erbringen zu können. Die Chancen liegen in einer Verbesserung der Versorgung durch schnellere Befunderstellung, der Vermeidung räumlicher Engpässe bzgl. Befundarbeitsplätzen, einer möglichen Einbindung ortsfremder Spezialisten in die Befundung (z. B. Onkologie, Neuroradiologie, Muskuloskelettale Diagnostik) und der Ermöglichung eines attraktiven Arbeitszeitkonzeptes für zunehmend in Teilzeit tätige Ärztinnen/Ärzte.
Dabei unterliegt die ärztliche Tätigkeit unabhängig von dem Ort ihrer Ausübung weiterhin insbesondere den engen Regelungen des ärztlichen Berufsrechts, des Vertragsarztrechts und der Abrechnungsbestimmungen.
2. Die vertragsarztrechtlichen Rahmenbedingungen
Aus § 24 Abs. 2 Ärzte-ZV i. V. m. § 17 Abs. 1 MBO-Ä ergibt sich, dass der Vertragsarzt grundsätzlich nur an seinem Vertragsarztsitz (Ort der Niederlassung) tätig werden darf. Der „Ort der Niederlassung“ ist eng zu verstehen und meint die tatsächliche Praxisanschrift. In der Ärzte-ZV sind als Ausnahmen von diesem Grundsatz insbesondere die genehmigungsbedürftige Zweigpraxis (§ 24 Abs. 4 Ärzte-ZV) und die anzeigepflichtige ausgelagerte Praxisstätte (§ 24 Abs. 5 Ärzte-ZV) vorgesehen.
Zum Homeoffice gibt es keine gesetzliche Regelung, es könnte hinsichtlich telemedizinischer Leistungen jedoch als „Verlängerung“ des bestehenden Vertragsarztsitzes eingeordnet werden. Hierfür spricht, dass bei Durchführung einer Videosprechstunde oder bei einer Befundung von Röntgenaufnahmen o. ä. aus dem Homeoffice der mit der gesetzlichen Regelung verbundene Schutzzweck nicht beeinträchtigt wird.
Der Schutzweck der Norm steht einer Genehmigungsfähigkeit einer teilweisen Homeoffice-Tätigkeit nicht entgegen, da die Bindung an den Vertragsarztsitz lediglich sicherstellen soll, dass der Arzt seine Tätigkeit nicht ohne feste Niederlassung ausübt. Neben der Versorgungsplanung und einer verlässlichen Versorgungsstruktur soll der Patient damit eine feste Anlaufstelle haben. Darüber hinaus soll die Nutzung von Praxisräumlichkeiten für die erforderlichen Rahmenbedingungen, insbesondere Hygiene, Privatsphäre und technisch-medizinische Ausstattung sorgen. Dieser Zweck bleibt bei Durchführung einer Videosprechstunde oder Befundung unter Berücksichtigung der Vorgaben der insoweit maßgeblichen Anlage 31b BMV-Ä auch im Homeoffice gewahrt.
Die radiologischen und/oder nuklearmedizinischen bildgebenden Befunde werden logischerweise ohnehin am Praxissitz erhoben, dort wo sich die radiologischen und nuklearmedizinischen Geräte befinden. Lediglich die Auswertung und Befundung der Aufnahmen soll anschießend im jeweiligen Homeoffice an einem speziellen Befundarbeitsplatz erfolgen.
Jedoch stünde einer Homeoffice-Regelung auch bei einer Subsumtion des Homeoffice unter den Begriff der ausgelagerten Praxisräume rechtlich nach diesseitiger Auffassung nichts entgegen. § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV ermöglicht es, spezielle Untersuchungs- oder Behandlungsleistungen, die aus technischen, baulichen oder organisatorischen Gründen in der Praxis am Vertragsarztsitz nicht erbracht werden, an einem anderen Ort außerhalb der Vertragsarztpraxis durchzuführen.
Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) muss der Vertragsarzt seine persönliche Anwesenheit regelmäßig spätestens innerhalb von 30 Minuten am Vertragsarztsitz sicherstellen können, wenn er andernorts in ausgelagerten Praxisräumen tätig ist.[2] Abgesehen davon, dass ein Abstellen auf eine zeitliche Entfernung nach diesseitiger Auffassung ungeeignet ist, da je nach Vertragsarztsitz die räumliche und die zeitliche Distanz ganz erheblich auseinanderfallen können (städtisches Ballungsgebiet vs. ländliches Gebiet), bestätigt das BSG eine Zulässigkeit des vertragsärztlichen Arbeitens außerhalb des Vertragsarztsitzes bei Vorliegen einer „räumlichen Nähe“. Dabei geht das BSG davon aus, dass im Interesse einer vorhersehbaren und möglichst gleichmäßigen Rechtsanwendung die Eingrenzung der räumlichen Nähe durch die zeitliche Erreichbarkeit am Vertragsarztsitz nicht zuletzt die vereinfachte Überprüfung dieser Anforderung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen sowohl in dicht besiedelten städtischen Wohngebieten als auch in ländlich strukturierten Gebieten sicherstelle. Der Begriff der „räumlichen Nähe“ i. S. d. § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV war zuvor nicht höchstrichterlich geklärt und ist nunmehr zumindest in zeitlicher Hinsicht greifbar.
Entscheidend ist jedoch auch die vom BSG vorgenommene Ausdifferenzierung des Begriffs der speziellen Untersuchungs- und Behandlungsleistungen, die sich von den am Vertragsarztsitz erbrachten Leistungen unterscheiden müssen. In ausgelagerten Praxisräumen dürfen nur spezielle, d. h. keine allgemeinen Untersuchungs- und Behandlungsleistungen erbracht werden. Das bedeutet aber nicht mehr, dass in ausgelagerten Praxisstätten keine Leistungen erbracht werden dürfen, die auch in der Hauptpraxis erbracht werden.[3] Wird in den ausgelagerten Praxisräumen das gesamte Behandlungs- und Leistungsspektrum in nahezu gleicher Qualität angeboten, handelt es sich ggf. um den Betrieb einer Zweigpraxis, die die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV erfüllen muss. In dem vom BSG zu entscheidenden Sachverhalt wurden an den ausgelagerten Praxisräumen jedoch lediglich zytologische Laborleistungen ohne jeglichen Patientenkontakt erbracht. Für den dort relevanten Bereich der Auslagerung von ausschließlich zytologischen labortechnischen Untersuchungsleistungen nach einer gynäkologischen Untersuchung war es für das äußere Erscheinungsbild eines MVZ mit einer gynäkologischen Vertragsarztpraxis für Versicherte von keiner weiteren Relevanz, wo sich der Ort der Untersuchung des entnommenen Materials befindet.
Ebenso verhält es sich bei einer ausschließlichen Begutachtung und Befundung von radiologischen/nuklearmedizinischen Bildgebungsdateien im Homeoffice. Die einzelnen Vertragsärztinnen/Vertragsärzten beabsichtigen, im Homeoffice ausschließlich digitale Bildgebungsdateien herunterzuladen bzw. online zu begutachten und zu befunden. Es findet eine strikte Leistungsteilung zwischen der persönlichen Aufklärung und Untersuchung des jeweiligen Patienten vor Ort in der Praxis des Vertragsarztsitzes und der reinen Befundung der Bilddateien im Homeoffice statt. Ein Patientenkontakt findet ausdrücklich und ausschließlich im Homeoffice nicht statt.
Für die Patienten ist es dabei unerheblich, ob ihre Bildgebungsdateien in den Praxisräumen des Vertragsarztsitzes oder – unter Einhaltung eines strengen Datenschutzes – im Homeoffice der jeweiligen Vertragsärztin oder des Vertragsarztes befundet werden.
Unschädlich ist dabei nach der BSG-Rechtsprechung, dass die Befundung der Bilddateien ebenso in der Hauptpraxis des Vertragsarztsitzes erbracht wird bzw. erbracht werden kann. Es ist somit rechtlich möglich, dass die Befundung sowohl an Befundungsarbeitsplätzen in den Praxisräumen, als auch gleichzeitig oder zeitlich versetzt bei einzelnen Vertragsärztinnen und Vertragsärzten zuhause im Homeoffice erfolgt.
Das BSG führt in seinem Urteil vom 06.04.2022 hierzu zutreffend folgendes aus:
„In den vergangenen Jahrzehnten haben sich neue Organisationsstrukturen durch den Einsatz digitaler Techniken auch in Arztpraxen vollzogen, die eine engere organisatorische Nähe trotz räumlicher Entfernung ermöglichen.“[4]
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3. Bestehen eines gesetzlichen Verbots?
Einen gesetzlichen Ausschluss für das ärztliche Homeoffice gibt es somit nicht, jedoch ist dieses auch nicht explizit geregelt. Legt man jedoch die Regelungen zur Durchführung einer Videosprechstunde oder die Regelungen zu ausgelagerten Praxisräumen zugrunde, dürfte eine Befundung im Homeoffice als Maßnahme ohne direkten Patientenkontakt vertragsarztrechtlich zulässig sein.
a. Fernbehandlungsvorgaben
Bis Juni 2018 galt das sog. Fernbehandlungsverbot gem. § 7 Abs. 4 (Muster-) Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä). Dieses hatte folgenden Wortlaut:
„Ärztinnen und Ärzte dürfen individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen. Auch bei telemedizinischen Verfahren ist zu gewährleisten, dass eine Ärztin oder ein Arzt die Patientin oder den Patienten unmittelbar behandelt.“
Abgesehen davon, dass eine Behandlung von Patienten bei Befundungen im Homeoffice nicht stattfindet, hat es auch hinsichtlich des Fernbehandlungsverbotes deutliche Lockerungen gegeben. Die aktuelle gesetzgeberische Entwicklung tendiert zu einer eindeutigen Erleichterung der Telemedizin.
§ 7 Abs. 4 MBO-Ä wurde daher wie folgt neu gefasst:
„Ärztinnen und Ärzte beraten und behandeln Patientinnen und Patienten im persönlichen Kontakt. Sie können dabei Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen. Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird.“
Damit stellt sich selbst eine Behandlung und Beratung von Patientinnen/Patienten über Telekommunikationsmedien als rechtlich zulässig dar. Der „Goldstandard“ ärztlichen Handelns bleibt der persönliche Arzt-Patienten-Kontakt, jedoch ist die ausschließliche Fernbehandlung nunmehr auch berufsrechtlich unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Nach den Ausführungen der Bundesärztekammer sollen digitale Techniken „die ärztliche Tätigkeit unterstützen, sie sollen aber die notwendige persönliche Zuwendung von Ärztinnen und Ärzten nicht ersetzen“.[5]
Ärzte und Psychotherapeuten dürfen seit dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 19.01.2023 auch in der Videosprechstunde Heilmittel, häusliche Krankenpflege oder eine medizinische Rehabilitation verordnen.[6] Voraussetzung für die Verordnung ist, dass der Patient der Praxis bekannt sein muss. Bei Heilmitteln und häuslicher Krankenpflege darf es sich zudem nicht um eine erstmalige Verordnung handeln. Reha-Verordnungen können nur nach persönlicher Untersuchung in der Praxis oder im Hausbesuch erfolgen. Auch vor einer Reha-Verordnung müssen die konkreten Funktionseinschränkungen bereits bekannt und die gegebenenfalls erforderlichen Funktionstests durchgeführt worden sein (z. B. bei einer geriatrischen Reha). Wurden alle verordnungsrelevanten Informationen erhoben, kann die Veranlassung einer medizinischen Rehabilitation auch in der Videosprechstunde erfolgen.[7]
Die erstmalige Verordnung von Heilmitteln darf somit weiterhin nur nach persönlicher Untersuchung in der Praxis oder im Hausbesuch erfolgen. Heilmittel sind persönlich zu erbringende, ärztlich verordnete medizinische Leistungen. Folgeverordnungen für Heilmittel, häusliche Krankenpflege oder eine medizinische Reha können in Videosprechstunden und in Ausnahmefällen auch nach telefonischem Kontakt ausgestellt werden.
Als „Mehr“ gegenüber der Befundung von Bildgebungsdateien im Homeoffice kann somit die Videosprechstunde gesehen werden, in der eine tatsächliche Beratung und Behandlung von Patienten im direkten Kontakt mit Patienten erfolgt. Gem. § 3 S. 2 der Anlage 31b BMV-Ä hat die Videosprechstunde zur Gewährleistung der Datensicherheit und des störungsfreien Verlaufs in geschlossenen Räumen zu erfolgen, die eine angemessene Privatsphäre sicherstellen. Dem Wortlaut nach sind private Räume der ärztlichen Wohnung dabei nicht ausgeschlossen. Ein Verweis auf die Praxisräumlichkeiten bzw. den Vertragsarztsitz erfolgt nicht. Die Tatsache, dass dies nicht erfolgt ist, deutet darauf hin, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband die Durchführung der Videosprechstunden nicht auf den Vertragsarztsitz bzw. die Praxisräume begrenzen wollten. Nichts anderes kann dann für eine Befundung ohne Patientenkontakt gelten, selbstverständlich unter Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben.
Ein unmittelbarer Kontakt eines Patienten mit der jeweiligen Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt erfolgt in dem jeweiligen Homeoffice des Vertragsarztes nicht. In dem jeweiligen Homeoffice erfolgt ausschließlich die Auswertung, also die Befundung, der in der Praxis (Betriebsstätte, Nebenbetriebsstätte) angefertigten radiologischen Aufnahmen. Somit stellt die reine Befundung im Homeoffice ein „Weniger“ gegenüber der rechtlich eindeutig zulässigen Videosprechstunde dar.
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b. Teilbarkeit von Leistungen nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab
Für die Zulässigkeit der radiologischen Befundung im Homeoffice spricht zudem die Teilbarkeit vertragsärztlicher Leistungen nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM).[8]
Der Regelfall ist nach der Vorstellung der KBV eine vollständige vertragsärztliche Leistung, die mit einer GOP nach dem EBM abrechenbar ist, also die Erbringung einer Leistung durch einen Arzt an einem Standort. Danach besteht die Möglichkeit der kooperativen Zusammenarbeit in BAG, MVZ und Filialen unter Mitwirkung mehrerer Ärzte.
Nach Ziffer 2.1 Satz 3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM besteht die Möglichkeit, dass einzelne vertragsärztliche radiologische Leistungen, die im Rahmen einer GOP abrechenbar sind, zwischen verschiedenen Ärzten, Standorten oder sogar Arztpraxen aufgeteilt werden.
Dabei lassen sich radiologische Leistungen meist in drei Teile teilen, nämlich
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rechtfertigende Indikation,
-
technische Durchführung und
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Befundung,
wobei insbesondere die Befundung durch einen anderen Arzt, zu einem anderen Zeitpunkt und an einem anderen Standort, ggf. sogar in einer anderen Arztpraxis, als die anderen beiden Leistungsanteile erbracht wird. Diese Praxis steht auf den ersten Blick in Widerspruch zu dem Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung im Vertragsarztrecht (§ 32 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV), wonach eine vertragsärztliche Leistung grundsätzlich nicht beliebig unter verschiedenen Ärzten aufgeteilt werden darf. Allgemeine Bestimmungen Ziffer 2.1 des EBM sieht vor, dass eine GOP nur berechnungsfähig ist, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden ist und gem. Ziffer 2.2 EBM wenn der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt die für die Abrechnung relevanten Inhalte gemäß §§ 14a, 15 und 25 BMV-Ä persönlich erbringt.[9]
Dieser Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung wird in der BAG und im MVZ jedoch durchbrochen und modifiziert. Die Genehmigung der gemeinsamen Berufsausübung bzw. die Zulassung als MVZ bewirkt, dass die BAG bzw. das MVZ gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung wie ein Einzelarzt als einheitliche Rechtspersönlichkeit auftritt.[10]
Für die Abrechnung einer vertragsärztlichen Leistung, die durch mehrere Ärzte innerhalb einer Praxis, einer BAG oder eines MVZ erbracht worden ist, bestimmt I. Allgemeine Bestimmungen Ziffer 2.1 Satz 3 EBM Folgendes:
„Wirken an der Behandlung mehrere Ärzte zusammen, erfolgt die Berechnung durch denjenigen Vertragsarzt (Arztnummer), von dem die Vollständigkeit des Leistungsinhalts erreicht worden ist.“
Der EBM geht also – für praxisinterne Leistungsteilungen – davon aus, dass die Aufteilung einer vertragsärztlichen Leistung, die mit einer GOP abrechenbar ist, zwischen verschiedenen Vertragsärzten zulässig ist. Entsprechendes wird für die Aufteilung einer vertragsärztlichen radiologischen Leistung zwischen verschiedenen Standorten einer Praxis, einer BAG oder eines MVZ gelten.
Es wird bspw. als zulässig anzusehen sein, wenn eine vertragsärztliche radiologische Leistung in der Weise aufgeteilt wird, dass rechtfertigende Indikation und technische Durchführung an Standort A erbracht werden, die Befundung jedoch an Standort B erfolgt. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung bestätigt die Zulässigkeit der Aufteilung einer radiologischen Leistung zwischen verschiedenen Standorten und auch Casser geht im Kölner Kommentar zum EBM von der Zulässigkeit der Leistungsaufteilung zwischen verschiedenen Standorten aus.[11] Für diese Auffassung spricht zudem, dass die Allgemeinen Bestimmungen des EBM von der Möglichkeit einer arztpraxisübergreifenden Behandlung, also einer räumlich standortübergreifenden Leistungserbringung ausgehen.[12]
Nichts anderes als eine Befundung an einem – zumindest räumlich – anderen Standort durch einen anderen Vertragsarzt derselben Praxis, BAG oder desselben MVZ stellt die Befundung von Bildgebungsdateien im Homeoffice dar, so dass gegen deren Zulässigkeit ebenfalls keine rechtlichen Bedenken bestehen dürften.
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c. Vorgaben der Teleradiologie nach StrlSchG und StrlSchV
Zu beachten sind bei einem Auseinanderfallen von dem Ort der technischen Durchführung der Leistung und der Befundung in der Radiologie jedoch die Vorgaben zur Teleradiologie nach §§ 5 Abs. 38, 14 Abs. 2 Strahlenschutzgesetz (StrlSchG), da diese Tätigkeit unter einem Erlaubnisvorbehalt steht. Nach StrlSchG und StrlSchV werden an die Erbringung von radiologischen Leistungen hohe Anforderungen gestellt. Nach § 83 Abs. 3 S. 1 StrlSchG darf ionisierende Strahlung unmittelbar am Menschen in Ausübung der Heilkunde nur angewendet werden, wenn eine Person nach § 145 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 StrlSchV hierfür die rechtfertigende Indikation, also die Feststellung, ob der gesundheitliche Nutzen der Anwendung am Menschen gegenüber dem Strahlenrisiko überwiegt, gestellt hat, welche die Voraussetzungen nach § 145 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 StrlSchV erfüllt, d. h.
„(1) Der Strahlenschutzverantwortliche hat dafür zu sorgen, dass ionisierende Strahlung und radioaktive Stoffe am Menschen nur angewendet werden von Personen, die als Ärzte oder Zahnärzte approbiert sind oder denen die vorübergehende Ausübung des ärztlichen oder zahnärztlichen Berufs erlaubt ist und die
1. entweder die für die Anwendung erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz besitzen oder
2. auf ihrem speziellen Arbeitsgebiet über die für die Anwendung radioaktiver Stoffe und ionisierender Strahlung erforderlichen Kenntnisse im Strahlenschutz verfügen und unter ständiger Aufsicht und Verantwortung einer der unter Nummer 1 genannten Personen tätig sind. […]“.
Die Durchführung von radiologischen Leistungen ist daher nach der StrlSchV davon abhängig, dass der betreffende Arzt eine jeweils erforderliche Fachkunde besitzt, die entweder für das gesamte Gebiet (Facharzt für Radiologie) oder für ein Teilgebiet besteht.
Der Teleradiologe ist derjenige Arzt, der sich zwar nicht am Ort der technischen Durchführung der Untersuchung befindet, aber dennoch gesamtverantwortlich für die Röntgenuntersuchung ist und die Indikationsstellung sowie die Befundung vornimmt. Nach § 5 Abs. 38 StrlSchG können auch Ärzte, die die Fachkunde lediglich für ein einzelnes Anwendungsgebiet besitzen (z. B. CT), in diesem Gebiet als Teleradiologen eingesetzt werden, sofern sie hierfür die „erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz“ besitzen.
Teleradiologische Leistungen bilden daher die Ausnahme, da nach Ansicht des Gesetzgebers die von einem Radiologen oder einem anderen Arzt mit der Fachkunde im Strahlenschutz zu stellende rechtfertigende Indikation grundsätzlich auf einer persönlichen Untersuchung des Patienten vor Ort beruhen muss (§ 83 Abs. 3 S. 4 StrlSchG, § 119 StrSchV). Die teleradiologische Diagnostik soll der Ausnahmefall bleiben. Daher ist der Betrieb von Röntgengeräten und Computertomographen zur Teleradiologie regelmäßig nur nachts, an Wochenenden sowie an Feiertagen genehmigungsfähig.
Diese Regelungen des StrlSchG und der StrSchV stehen zumindest einer regelmäßigen teleradiologischen Homeoffice-Befundung entgegen, zumal diese auch außerhalb des Bereitschaftsdienstes erfolgen wird. Das bedeutet, dass die Befundung in erster Linie den Radiologen mit Fachkunde vor Ort im Krankenhaus oder in der Praxis obliegt und eine ausschließlich teleradiologische Befundung im Homeoffice ohne eine Genehmigung nach § 14 Abs. 2 StrlSchG unzulässig ist.
Eine rein teleradiologische Befundung kann daher nur im Rahmen einer „Zweitbefundung“ in Betracht kommen. Die strahlenschutz- und haftungsrechtliche Verantwortung liegt in diesem Fall aber weiterhin bei der Radiologin und dem Radiologen vor Ort.
Anders dürfte dies jedoch sein, wenn die Indikationsstellung und Durchführung der radiologischen Aufnahmen in der Praxis von einer radiologischen Fachärztin und einem Facharzt mit der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz erfolgt sind und lediglich die Befundung im Homeoffice durch die oder den ebenfalls geeignete Fachärztin oder den Facharzt erfolgt. In diesem Fall liegt keine teleradiologische Befundung nach § 5 Abs. 38 StrlSchG vor.
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4. Möglicher Ablauf einer Befundung von Bildgebungsdateien im Homeoffice
Folgender Ablauf einer Befundung von Bildgebungsdateien im Homeoffice wäre demnach denkbar:
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Ein Patient vereinbart für eine Betriebsstätte oder Nebenbetriebsstätte telefonisch oder persönlich einen Termin. Die Verarbeitung der Daten erfolgt in der Verwaltung der Praxis.
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Der Patient sucht zur Untersuchung eine Betriebsstätte oder Nebenbetriebsstätte der Praxis auf.
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Die zur Durchführung der Untersuchung erforderlichen (weiteren) Informationen des Patienten werden in der Betriebsstätte oder Nebenbetriebsstätte erhoben.
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Der Patient erhält die gebotenen Informationen zu der Untersuchung in der Betriebsstätte oder Nebenbetriebsstätte.
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Gegebenenfalls erfolgt eine Aufklärung über Kontrastmittel und/oder Beruhigungsmittel sowie die Applikation von Kontrastmittel und/oder Beruhigungsmittel in der Betriebsstätte oder Nebenbetriebsstätte.
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Soweit erforderlich interveniert ein/e Radiologin/Radiologe vor Ort in der Betriebsstätte oder Nebenbetriebsstätte, passt den Untersuchungslauf den konkreten Umständen an und ordnet gegebenenfalls die Erstellung weiterer Sequenzen an oder erweitert den Untersuchungsbereich.
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Speicherung der erhobenen Bildgebungsdateien im Radiologieinformationssystem (RIS) und im Picture Archiving and Communication System (PACS) der Praxis. Der Patient erhält in der Regel einen Datenträger mit den angefertigten Aufnahmen, wenn er die Praxis verlässt.
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Die Ärztin/der Arzt, die/der in dem Homeoffice tätig wird, kann über eine sichere Datenleitung (bspw. Verschlüsselte VPN-Leitung) auf das RIS/PACS der Praxis zugreifen. Aus dem Pool der unbefundeten Aufnahmen wählt die/der Ärztin/Arzt möglichst nach dem wissenschaftlichen Schwerpunkt eine Untersuchung zur Befundung aus. An einer Workstation (geprüfter Befundmonitor) im Homeoffice wertet die/der Ärztin/Arzt die Aufnahmen aus und diktiert den Befund in das RIS. Auf die Workstation in dem jeweiligen Homeoffice können nur berechtigte Personen, d. h. die/der jeweils dort lebende Ärztin/Arzt, zugreifen.
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In der Betriebsstätte oder Nebenbetriebsstätte erfolgt die Korrektur des diktierten Befundes, gegebenenfalls erfolgt eine Rücksprache mit der/dem Ärztin/Arzt in deren/dessen Homeoffice oder vor Ort in der Betriebsstätte oder Nebenbetriebsstätte, sofern die/der entsprechende Ärztin/Arzt zum Zeitpunkt der Befundkorrektur wieder vor Ort ist.
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Die Ausfertigung des fertigen Befundes erfolgt in der Betriebsstätte oder Nebenbetriebsstätte. Von dort aus wird auch der Versand des Befundes an die Patienten vorgenommen.
Mit dem beschriebenen Ablauf werden die vertragsarztrechtlichen und datenschutzrechtlichen Vorgaben nach diesseitiger Auffassung vollumfänglich gewahrt.
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5. Beachtung des Datenschutzes
Der Umgang mit hochsensiblen Daten gehört zum Arbeitsalltag eines jeden Arztes. Für Radiologen kommt eine erhebliche Datenmenge in Form von digitalen Bildgebungsdateien hinzu. Der Schutz von Patientendaten vor dem Zugriff unbefugter Dritter hat oberste Priorität und ist selbstverständlich auch im Homeoffice zwingend zu gewährleisten.
Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten ist grundsätzlich zunächst unzulässig, sodass i. d. R. eine Legitimation zur Datenverarbeitung nach Art. 6 DSGVO (i. d. R. eine ausdrückliche Einwilligung) erforderlich ist. Zusätzlich zur DSGVO sind die Vorgaben der Bundes- und Landesdatenschutzgesetze sowie die ärztliche Schweigepflicht (§ 203 Abs. 1 StGB) zu beachten.
Insoweit trifft nicht nur die/den im Homeoffice arbeitende/n Ärztin/Arzt eine Verpflichtung zur Wahrung des Datenschutzes, sondern auch den jeweiligen Arbeitgeber. § 9 des deutschen Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) regelt eine Sorgfaltspflicht für Arbeitgeber dahingehend, dass der Arbeitsplatz den technischen und organisatorischen Anforderungen des Datenschutzes entspricht. Bei etwaigen Datenschutzverstößen kann der Arbeitgeber in die Haftung genommen werden. Denn der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Arbeitnehmer die Grundsätze der Informationssicherheit, insbesondere den Schutz der Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit der jeweiligen Daten einhalten. Technisch sollten daher eine sichere, d. h. verschlüsselte VPN-Verbindung eingerichtet und verbindliche Regelungen zu erlaubten Arbeitsmitteln und Passwörtern getroffen werden. Zur Erfüllung der Kontroll- und Überwachungspflichten sollten Mitarbeiter ausreichend geschult werden, um den datenschutzgerechten Gebrauch der technischen Arbeitsmittel sicherzustellen
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6. Auffassung der Kassenärztlichen Vereinigungen
Letztlich ist mit der jeweils zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung abzustimmen, wie ein Homeoffice Arbeitsplatz für eine/n Vertragsärztin/Vertragsarzt technisch und organisatorisch ausgestaltet sein muss, um den rechtlichen Anforderungen zu entsprechen.
Bedauerlicherweise unterstützen die Kassenärztlichen Vereinigungen entsprechende Anträge von Vertragsärztinnen/Vertragsärzten bisher eher nicht. Die Kassenärztliche Vereinigung in Hamburg (KVH) geht z. B. davon aus, dass es sich bei der Homeoffice Befundung um einen ausgelagerten Praxisteil handelt. Die Anzeige eines solchen wurde seitens der KVH nicht bestätigt und auch nach der Vorlage eines detaillierten Konzeptes verweigert. Die Ablehnung rechtfertigte die KVH damit, dass dem Konzept nicht zu entnehmen sei, wie die Versorgung der Versicherten an dem weiteren Ort verbessert werde. Wörtlich heißt es in dem ablehnenden Bescheid:
„Den anvisierten ausgelagerten Praxisteil sowie die konzeptionelle Ausführung für „Homeoffice“ Arbeitsplätze können wir Ihnen nach wie vor nicht bestätigen. Entsprechend der bereits genannten Grundsätze der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg ist die Auslagerung eines Praxisteils nur bei speziellen Untersuchungs- und Behandlungsleistungen vorgesehen. Die reine Befundung von Röntgenaufnahmen stellt jedoch nur einen Teil einer ärztlichen Leistung dar, nicht eine gesamte Untersuchungs- oder Behandlungsleistung. Zum Thema persönliche Leistungserbringung/ delegierbare Leistungen muss der Arzt, der die radiologische Aufnahme angeordnet hat, diese auch selbst befunden. Die COVID-19-Pandemie ist als Argument auch nicht greifend, sodass über diesen Weg einer Auslagerung der Teilleistung ebenfalls nicht zugestimmt werden kann.“
Diese Argumentation ist rechtlich bedenklich, da durch die Befundung im Homeoffice – wie die KVH selbst ausführt – nicht spezielle Behandlungsleistungen an einem weiteren Ort erbracht werden, sondern die Befundung als Teil der radiologischen Untersuchung lediglich in Verlängerung des Vertragsarztsitzes ortsunabhängig im Homeoffice erbracht wird. Es bedarf daher nicht der Voraussetzung der Versorgungsverbesserung von Patienten am Wohnsitz der/des im Homeoffice arbeitenden Vertragsärztin/Vertragsarztes. Das Homeoffice ist bildlich gesehen lediglich eine Verlängerung des Schreibtisches, welcher sich in den Praxisräumen an dem zugelassenen Vertragsarztsitz befindet. Für die Patienten ist es irrelevant, wo die Befundung letztlich erfolgt, solange die datenschutzrechtlichen und medizinischen Standards dabei eingehalten werden. Der Schutz der Patienten kann somit als Argument nicht herangezogen werden. Ebenso wenig kann sich die KVH auf ein gesetzliches Verbot stützen. Offen bleibt auch, warum es nicht möglich sein sollte, dass dieselbe/derselbe Ärztin/Arzt die Befundung im Homeoffice vornimmt, welche/r zuvor die radiologische Aufnahme angeordnet hat. Die Befundung erfolgt bekanntermaßen nicht immer unmittelbar nach Anfertigung der Bildgebung. Letztlich ist auch eine Delegation der Befundung rechtlich möglich.
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7. Arbeitsvertragliche Aspekte
Sofern Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern das Arbeiten aus dem Homeoffice heraus ermöglichen wollen, sollte, sofern nicht bereits der Arbeitsvertrag entsprechende Regelungen zum Homeoffice enthält, eine schriftliche Homeoffice-Vereinbarung fixiert werden. Grundsätzlich reicht aus rechtlicher Sicht auch eine mündliche Vereinbarung, mit einer schriftlichen Fixierung besteht jedoch für beide Seiten Klarheit und Missverständnissen wird vorgebeugt. Dabei sollte unter anderem geregelt werden, welche konkrete Ausstattung im Homeoffice zur Verfügung steht, wer für die Beschaffung der Ausstattung zuständig ist und wer die Kosten für deren Anschaffung sowie Wartung, Reparatur und/oder Ersatz trägt.
Nicht zu vergessen ist, dass auch im Homeoffice die gesetzlichen Vorgaben zur Höchstarbeitszeit, zu Ruhepausen und -zeiten sowie ein Verbot von Sonn- und Feiertagsarbeit gelten. Arbeitgeber sind gesetzlich dazu verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter systematisch zu erfassen. Technische Voraussetzungen zur Arbeitszeiterfassung sind somit vorzuhalten und bedürfen ebenfalls einer klaren Regelung.
Darüber hinaus ergeben sich aus der Arbeitsstättenverordnung konkrete Vorgaben und Richtlinien zum Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer. Auch bei dem Homeoffice Arbeitsplatz müssen Arbeitsmittel wie Computer, Laptop sowie Bürostühle und -tische den geltenden Arbeitsschutzvorschriften entsprechen.
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8. Fazit
Auch wenn einzelne Kassenärztliche Vereinigungen weiterhin die rechtlichen Möglichkeiten für die Genehmigung von Homeoffice-Arbeitsplätzen restriktiv auslegen und diese daher ablehnen, wird die Entwicklung nicht aufzuhalten sein. Zudem haben einzelne KVen eine grundsätzliche Zulässigkeit des Homeoffice bereits bestätigt. Entscheidend dürfte eine direkte Kontaktaufnahme mit der zuständigen KV sein, um eine konkrete Regelung zu finden, welche für beide Seiten durchführbar und sinnvoll ist. Welche Anträge auszufüllen und Unterlagen einzureichen sind, ist in den einzelnen KV-Bezirken unterschiedlich und sollte in direktem Austausch vorab geklärt werden.
Betrachtet man die rasante Entwicklung hinsichtlich der Telemedizin mit der Lockerung des Fernbehandlungsverbotes ab 07/2018, der Einführung von Abrechnungsziffern für telemedizinische Leistungen ab 04/2019, der Aufhebung des Verbotes der Abgabe von Arzneimitteln nach Fernverschreibung und Förderung der Einführung des e-Rezeptes ab 8/2019, der Lockerung des Werbeverbotes für Fernbehandlungen sowie der Ermöglichung der Verschreibung von Gesundheits-Apps ab 12/2019, erschließt sich nicht, wieso eine ortsunabhängige Erweiterung und Vereinfachung der Befundung von Bildgebungsdateien demgegenüber zurückgestellt werden sollte.
Ist eine einvernehmliche Regelung mit der jeweiligen KV nicht möglich, bleibt betroffenen Ärztinnen/Ärzten nur der Rechtsweg zur Geltendmachung ihrer Ansprüche offen. Da es bislang an einer konkreten gesetzlichen Regelung zum ärztlichen Homeoffice fehlt, kann eine Klage nicht auf eine konkrete und eindeutige Anspruchsgrundlage gestützt werden. Allerdings fehlt es ebenso an einem gesetzlichen Verbot eines ärztlichen Homeoffice für einzelne vertragsärztliche (Teil-)Leistungen und es sprechen stichhaltige Argumente für die rechtliche Zulässigkeit desselben.
Prof. Dr. Peter Wigge
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht
Christina Feldmeier-Budelmann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht
Rechtsanwälte Wigge
Großer Burstah 42
20 457 Hamburg
Telefon: (040) 3398 705-90
Telefax: (040) 3398 705-99
E-Mail: hamburg@ra-wigge.de
www.ra-wigge.de
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1 Vgl. Telemedizin/Fernbehandlung – Bundesärztekammer, https://www.bundesaerztekammer.de/themen/aerzte/digitalisierung/telemedizin-fernbehandlung.
2 Vgl. BSG, Urteil vom 06.04.2022, Az.: B 6 KA 12/21 R.
3 Vgl BSG, Urteil vom 13.05.2015 – B 6 KA 23/14 R – SozR 4-5520 § 32 Nr. 5 LS 2, RdNr. 22 f.; anders noch die aufgegebene Rspr. in BSG, Urteil vom 12.09.2001 – B 6 KA 64/00 R – SozR 3-2500 § 135 Nr. 20.
4 Vgl. BSG, Urteil vom 06.04.2022,Az.: B 6 KA 12/21 R.
5 Vgl. Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2019.mbo.fernbehandlung.
6 Vgl. KBV – Heilmittel- und Reha-Verordnung jetzt auch in Videosprechstunden möglich, https://www.kbv.de/html/1150_63196.php.
7 Vgl. KBV – Heilmittel- und Reha-Verordnung jetzt auch in Videosprechstunden möglich, https://www.kbv.de/html/1150_63196.php.
8 Vgl. Wigge, Kaufhold, Fortschr Röntgenstr 2019; 191: S. 580–584 und S. 672–676.
9 Vgl. Wigge, Kaufhold, Fortschr Röntgenstr 2019; 191: S. 672–676.
10 Vgl. Wigge, Kaufhold, Fortschr Röntgenstr 2019; 191: S. 672–676.
11 Vgl. Casser (Hrsg.), Kölner Kommentar zum EBM, 2018, B1, I, Nr. 2.1.; weitere Ausführungen bei Wigge, Kaufhold, Fortschr Röntgenstr 2019; 191: S. 672–676.
12 Unter anderem ist dort von „arztpraxisübergreifender Behandlung“ und davon, dass „mehrere Arztpraxen“ an der Leistungserbringung mitgewirkt haben, die Rede.
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06 July 2023
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