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DOI: 10.1055/a-2078-8118
Schwangerschaftsabbruch im 1. Trimenon. Leitlinie der DGGG (S2k-Level, AWMF-Registernummer 015-094, Dezember 2022) – Teil 1 mit Empfehlungen zu Versorgungsstrukturen, Information und Beratung zur Entscheidungsfindung, Maßnahmen vor dem Schwangerschaftsabbruch und zum medikamentösen Schwangerschaftsabbruch
Article in several languages: English | deutschZusammenfassung
Ziele Ausarbeitung möglichst evidenzbasierter Empfehlungen. Darstellung der medizinischen Grundlagen und der wissenschaftlichen Evidenz zu Indikationen, Beratung der Betroffenen, zur Durchführung, Methodenwahl, Versorgung und Überwachung beim Schwangerschaftsabbruch bis zur 12 + 0 Schwangerschaftswoche p. c.
Methoden Entsprechend den Vorgaben für eine S2k-Leitlinie wurden die Inhalte basierend auf einer systematischen Literaturrecherche in einer interdisziplinären, für das Leitlinienthema repräsentativen Gruppe aus Expertinnen und Experten formal in mehreren Treffen unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) konsentiert.
Empfehlungen Es werden 61 Empfehlungen zu Versorgungsstrukturen, Information und Beratung zur Entscheidungsfindung, Maßnahmen vor dem Schwangerschaftsabbruch und zum medikamentösen Schwangerschaftsabbruch gegeben.
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I Leitlinieninformationen
Leitlinienprogramm der DGGG, OEGGG und SGGG
Informationen hierzu finden Sie am Ende der Leitlinie.
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Zitierweise
Abortion in the First Trimester. Guideline of the DGGG (S2k-Level, AWMF Registry No. 015-094, December 2022) – Part 1 with Recommendations on Care Structures, Information and Advice on Decision-Making, Measures Before Abortion and Medical Abortion. Geburtsh Frauenheilk 2023; 83: 1205–1220
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Leitliniendokumente
Die vollständige deutsche Langfassung dieser Leitlinien sowie eine Aufstellung der Interessenkonflikte aller Autorinnen und Autoren befinden sich auf der Homepage der AWMF: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-094.html
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Leitliniengruppe
Autor/-in |
AWMF-Fachgesellschaft |
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Prof. Dr. Matthias David |
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) |
Prof. Dr. Stephanie Wallwiener |
Deutsche Gesellschaft für Psychosomatik in Frauenheilkunde und Geburtshilfe (DGPFG) |
Autor/-in Mandatsträger/-in |
DGGG-Arbeitsgemeinschaft (AG)/ |
---|---|
Anne Achtenhagen |
Bundesverband donum vitae zur Förderung des Schutzes des menschlichen Lebens |
Prof. Dr. Christian Bamberg |
Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin |
Dr. Cornelia Bormann |
Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Endoskopie |
Prof. Dr. Matthias David |
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe |
Prof. Dr. Ursula Felderhoff-Müser |
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin |
Sylvia Groth |
Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft |
Kristina Hänel |
Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin |
Dr. Klaus König |
Berufsverband der Frauenärzte |
Prof. Dr. Matthias Korell |
Deutsche Gesellschaft für gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin |
Prof. Dr. Susanne Michl |
Akademie für Ethik in der Medizin |
Prof. Dr. Silke Redler |
Deutsche Gesellschaft für Humangenetik |
Prof. Dr. Ekkehard Schleußner |
Deutsche Gesellschaft für Perinatalmedizin |
Helga Seyler |
Bundesverband pro familia – Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung |
Prof. Markus Wallwiener |
Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie |
Prof. Stephanie Wallwiener |
Deutsche Gesellschaft für Psychosomatik in Frauenheilkunde und Geburtshilfe |
Die folgenden Fachgesellschaften/Arbeitsgemeinschaften/Organisationen/Vereine haben Interesse an der Mitwirkung bei der Erstellung des Leitlinientextes und der Teilnahme an der Konsensuskonferenz bekundet und Vertreterinnen und Vertreter dafür benannt ([Tab. 2]).
Die Moderation der Leitlinie wurde dankenswerterweise von Dr. Monika Nothacker (AWMF-zertifizierte Leitlinienberaterin/-moderatorin) übernommen.
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Verwendete Abkürzungen
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II Leitlinienverwendung
Fragestellung und Ziele
Darstellung der medizinischen Grundlagen und der wissenschaftlichen Evidenz zu Methoden und Indikationen sowie zur Beratung der Betroffenen, zur Durchführung, Methodenwahl, Versorgung und Überwachung beim Schwangerschaftsabbruch bis zur 12 + 0 SSW p. c.
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Versorgungsbereich
-
stationärer Versorgungssektor und
-
ambulanter Versorgungssektor
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Anwenderzielgruppe/Adressatinnen und Adressaten
Diese Leitlinie richtet sich an folgende Personenkreise:
-
Gynäkologinnen/Gynäkologen in der Niederlassung
-
Gynäkologinnen/Gynäkologen mit Klinikanstellung
-
weitere Ärztinnen und Ärzte, die mit der Beratung zu und Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen befasst sind
-
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Beratungsstellen gemäß § 218/219 StGB
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Verabschiedung und Gültigkeitsdauer
Die Gültigkeit dieser Leitlinie wurde durch die Vorstände/Verantwortlichen der beteiligten Fachgesellschaften/Arbeitsgemeinschaften/Organisationen/Vereine sowie durch den Vorstand der DGGG und die DGGG-Leitlinienkommission im November 2022 bestätigt und so mit ihrem gesamten Inhalt genehmigt.
Diese Leitlinie ist gültig vom 26.01.2023 bis 25.01.2026. Diese Dauer ist aufgrund der inhaltlichen Zusammenhänge geschätzt. Eine frühere Aktualisierung kann sich aus neuen Publikationen oder Änderungen in Versorgungsnotwendigkeiten ergeben (siehe nächster Abschnitt).
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III Methodik
Grundlagen
Die Methodik zur Erstellung dieser Leitlinie wird durch die Vergabe der Stufenklassifikation vorgegeben. Das AWMF-Regelwerk (Version 1.0) gibt entsprechende Regelungen vor. Es wird zwischen der niedrigsten Stufe (S1), der mittleren Stufe (S2) und der höchsten Stufe (S3) unterschieden. Die niedrigste Klasse definiert sich durch eine Zusammenstellung von Handlungsempfehlungen, erstellt durch eine nicht repräsentative Expertengruppe. Im Jahr 2004 wurde die Stufe S2 in die systematische evidenzrecherchebasierte (S2e) oder strukturelle konsensbasierte Unterstufe (S2k) gegliedert. In der höchsten Stufe S3 vereinigen sich beide Verfahren.
Diese Leitlinie entspricht der Stufe: S2k.
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Empfehlungsgraduierung
Die Evidenzgraduierung nach systematischer Recherche, Selektion, Bewertung und Synthese der Evidenzgrundlage und eine daraus resultierende Empfehlungsgraduierung einer Leitlinie auf S2k-Niveau ist nicht vorgesehen. Es werden die einzelnen Statements und Empfehlungen nur sprachlich – nicht symbolisch – unterschieden ([Tab. 3]).
Beschreibung der Verbindlichkeit |
Ausdruck |
---|---|
starke Empfehlung mit hoher Verbindlichkeit |
soll/soll nicht |
einfache Empfehlung mit mittlerer Verbindlichkeit |
sollte/sollte nicht |
offene Empfehlung mit geringer Verbindlichkeit |
kann/kann nicht |
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Statements
Sollten fachliche Aussagen nicht als Handlungsempfehlungen, sondern als einfache Darlegung Bestandteil dieser Leitlinie sein, werden diese als „Statements“ bezeichnet. Bei diesen Statements ist die Angabe von Evidenzgraden nicht möglich.
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Konsensusfindung und -stärke
Im Rahmen einer strukturierten Konsenskonferenz nach dem NIH-Typ (S2k/S3-Niveau) stimmen die berechtigten Teilnehmer der Sitzung die ausformulierten Statements und Empfehlungen ab. Der Ablauf ist im Wesentlichen wie folgt: Vorstellung der Empfehlung, inhaltliche Nachfragen, Vorbringen von Änderungsvorschlägen, Abstimmung aller Änderungsvorschläge. Bei Nichterreichen eines Konsensus (> 75% der Stimmen) Diskussion und erneute Abstimmung. Abschließend wird abhängig von der Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Stärke des Konsensus ermittelt ([Tab. 4]).
Symbolik |
Konsensusstärke |
prozentuale Übereinstimmung |
---|---|---|
+++ |
starker Konsens |
Zustimmung von > 95% der Teilnehmer/-innen |
++ |
Konsens |
Zustimmung von > 75 – 95% der Teilnehmer/-innen |
+ |
mehrheitliche Zustimmung |
Zustimmung von > 50 – 75% der Teilnehmer/-innen |
– |
kein Konsens |
Zustimmung von < 51% der Teilnehmer/-innen |
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Expertenkonsens
Hierbei handelt es sich um Konsensusentscheidungen speziell für Empfehlungen/Statements ohne vorige systematische Literaturrecherche (S2k) oder aufgrund von fehlender Evidenz (S2e/S3). Der Expertenkonsens (EK) ist gleichbedeutend mit den Begrifflichkeiten aus anderen Leitlinien wie „Good Clinical Practice“ (GCP) oder „klinischer Konsensuspunkt“ (KKP).
Die Empfehlungsstärke graduiert sich gleichermaßen, wie bereits im Kapitel Empfehlungsgraduierung beschrieben, ohne die Benutzung der aufgezeigten Symbolik und rein semantisch („soll“/„soll nicht“ bzw. „sollte“/„sollte nicht“ oder „kann“/„kann nicht“).
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IV Leitlinie
Einführung
Eine Schwangerschaft kann prinzipiell medikamentös oder operativ abgebrochen werden. Welche Methode im Einzelfall am besten geeignet ist, sollte in einem ergebnisoffenen Gespräch gemeinsam mit der schwangeren Frau entschieden werden.
Die vorliegende Leitlinie wurde nach den Regularien der AWMF (Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich-Medizinischer Fachgesellschaften) erstellt. Entsprechend den Vorgaben für eine S2k-Leitlinie wurden die Inhalte basierend auf einer systematischen Literaturrecherche in einer interdisziplinären, für das Leitlinienthema repräsentativen Gruppe aus Expertinnen und Experten formal konsentiert.
Details zum methodischen Vorgehen können dem Leitlinienreport entnommen werden.
Diese Leitlinie richtet sich vor allem an Ärztinnen und Ärzte, die selbst Schwangerschaftsabbrüche durchführen, und an jene Professionen, die in die Betreuung und Beratung von Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen wollen, einbezogen sind.
Ebenso soll sie ratsuchenden Frauen, in Beratungsstellen nach § 218/219 StGB Tätigen sowie Patientinnen und ihren Angehörigen Hilfestellung leisten.
Die nachfolgenden Empfehlungen befassen sich mit Versorgungsstrukturen, Informationen und Beratung zur Entscheidungsfindung, Maßnahmen vor dem Schwangerschaftsabbruch und mit dem medikamentösen Schwangerschaftsabbruch.
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Versorgungsstrukturen
Konsensbasierte Empfehlung 2.E1 |
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---|---|
Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Ein Schwangerschaftsabbruch sollte, wenn die Frau entschieden ist, so früh wie möglich erfolgen, da dieser in frühen Schwangerschaftswochen mit geringen Komplikationsraten verbunden ist. |
Konsensbasierte Empfehlung 2.E2 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Ärztinnen und Ärzte wie auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Beratungsstellen sollten alle Methoden und Verfahren kennen (operativ, medikamentös, telemedizinisch, Home Use, verschiedene Narkosemöglichkeiten), und die Wahlfreiheit der schwangeren Frau unterstützen, die gewünschte Methode zeit- und wohnortnah in Anspruch nehmen zu können. |
Konsensbasierte Empfehlung 2.E3 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Administrative Abläufe sollten transparent sein, sodass die Orientierung für Frauen einfach ist und sie sich leicht zurechtfinden. |
Konsensbasierte Empfehlung 2.E4 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Schwangeren Frauen sollen zielgruppengerecht verständliche, evidenzbasierte und nondirektive Informationen und Entscheidungshilfen in unterschiedlichen Medienformaten zur Verfügung gestellt werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 2.E5 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Alle Verfahren und Methoden einschließlich der dazu notwendigen Medikamente sollten zur Verfügung stehen, um einen gleichen Zugang zu gewährleisten. |
Konsensbasierte Empfehlung 2.E6 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Um die Annehmbarkeit zu erleichtern, sollten Ärztinnen und Ärzte wie auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Beratungsstellen die autonome Entscheidung der Frau und ihre Würde respektieren, die Privatsphäre wahren, Vertraulichkeit sichern und Stigmata reduzieren, persönliche Überzeugungen zurückstellen und den Zugang nicht verzögern. |
Konsensbasierte Empfehlung 2.E7 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Die Vermittlung von Handlungs- und Begründungswissen zum Schwangerschaftsabbruch (medizinisch, methodisch, ethisch, juristisch, historisch, kommunikativ und gesellschaftlich-kulturell) sollte im Kerncurriculum in der ärztlichen Ausbildung verankert und umgesetzt werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 2.E8 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Um eine transparente Qualität in der Versorgung zu gewährleisten, sollten vorhandene Instrumente zur Qualitätssicherung genutzt werden. |
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Information und Beratung zur Entscheidungsfindung
Konsensbasierte Empfehlung 3.E9 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch erwägen, sollen frühzeitig evidenzbasierte Informationen und Unterstützung angeboten bekommen, die sie befähigen, eine informierte, selbstbestimmte Entscheidung zu treffen. |
Konsensbasierte Empfehlung 3.E10 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Schwangere sollen alle sie betreffenden rechtlichen Informationen erhalten. |
Konsensbasierte Empfehlung 3.E11 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Eine Verzögerung des Ablaufs durch das in § 12 SchKG festgehaltene Recht auf Weigerung, an einem Abbruch teilzunehmen, sollte vermieden werden. Die schwangere Frau sollte in diesem Fall ohne Verzögerung weitervermittelt werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 3.E12 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Ein respektvoller Umgang mit den Bedürfnissen und Ressourcen der schwangeren Frau, die Sicherstellung von Vertraulichkeit, ausreichend Zeit sowie eine wertneutrale, nicht bewertende Haltung der Professionellen gegenüber der Entscheidung der Betroffenen sollen die Kommunikation mit der schwangeren Frau kennzeichnen. |
Konsensbasierte Empfehlung 3.E13 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Informationen über den zeitlichen Ablauf und die beteiligten Stellen – die unterschiedlichen Anbieterinnen und Anbieter, Beratungsstellen und Unterstützungsangebote – sollen baldmöglichst und auf eine Weise erfolgen, die es der Frau ermöglicht, sich im Gesundheitswesen zurechtzufinden, ihre weitere gesundheitliche Versorgung in Anspruch zu nehmen und die weiteren Schritte zu einem Schwangerschaftsabbruch oder dem Fortführen der Schwangerschaft zu unternehmen. |
Konsensbasierte Empfehlung 3.E14 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Fachkräfte sollten die vorhandenen multimodalen Informationsquellen kennen und bedürfnisgerecht anbieten können. |
Konsensbasierte Empfehlung 3.E15 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Verständliche, evidenzbasierte Informationen in unterschiedlichen Formaten wie auch Beratung sollen das Wissen und die Gesundheitskompetenz einer schwangeren Frau stärken, sodass sie sich gut informiert für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden kann. |
Konsensbasierte Empfehlung 3.E16 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Frauen sollten ermutigt werden, sich bei Bedarf Unterstützung zu suchen, privat wie auch professionell. |
Konsensbasierte Empfehlung 3.E17 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Informationen zu Methoden, Prozedere, Schmerzen und Blutungen, Verhalten nach Abbruch, Sexualität und Verhütung, Verhalten bei Notfällen und Komplikationen sollen bereitgestellt werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 3.E18 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Patientinnen mit speziellen Bedarfen und Bedürfnissen sollen mit Sensibilität und Professionalität, und ggf. in Kooperation mit anderen spezialisierten medizinischen Fachdisziplinen, versorgt werden. |
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Maßnahmen vor dem Schwangerschaftsabbruch
Konsensbasierte Empfehlung 4.E19 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Bevor ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt wird, soll die Schwangerschaft ärztlich festgestellt werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 4.E20 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Insbesondere soll dann eine Ultraschalluntersuchung zur Datierung der Schwangerschaftswoche durchgeführt werden, wenn der Menstruationszyklus der Patientin unregelmäßig, der erste Tag der letzten Regel nicht sicher bekannt oder die palpatorische Uterusgröße nicht mit der errechneten Schwangerschaftswoche übereinstimmend ist. |
Konsensbasierte Empfehlung 4.E21 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Auffälligkeiten in sonografischen und/oder genetischen Screeninguntersuchungen können Schwangere stark verunsichern. Betroffene Schwangere sollen bei der Befundmitteilung über die Möglichkeit falsch positiver Screeningbefunde aufgeklärt und ihnen soll eine qualifizierte diagnostische Abklärung bei pränataldiagnostischen Spezialisten/Spezialistinnen angeboten werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 4.E22 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Die Schwangerschaft soll mindestens mit einem positiven Urin-β-hCG-Test nachgewiesen sein. Quantitative β-hCG-Wert-Bestimmungen eignen sich nicht zur Festlegung des Schwangerschaftsalters und sollten daher mit diesem Ziel nicht erfolgen. |
Konsensbasierte Empfehlung 4.E23 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Rhesus-negative Frauen, die mit > 9 + 0 Schwangerschaftswoche einen Schwangerschaftsabbruch haben, sollten eine Anti-D-Prophylaxe erhalten. |
Konsensbasierte Empfehlung 4.E24 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Bei Rhesus-D-negativen Frauen mit Anti-D-Antikörpern oder wenn der nicht invasive Pränataltest zur Bestimmung des fetalen Rhesusfaktors (NIPT-RhD) aus maternalem Blut ab der 11 + 0 Schwangerschaftswochen einen negativen Rhesusfaktor ergab, soll nach dem Schwangerschaftsabbruch einer Einlingsschwangerschaft keine Anti-D-Immunglobuline injiziert werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 4.E25 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Die Bestimmung von Laborwerten wie Hämoglobin sollte sich an der Anamnese orientieren. |
Konsensbasierte Empfehlung 4.E26 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Vor einem medikamentösen Schwangerschaftsabbruch kann bei Frauen ein Screening auf eine Infektion mit Chlamydien durchgeführt werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 4.E27 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Vorerkrankungen und besondere psychosoziale Rahmenbedingungen sollten bei der individuellen Risikoaufklärung und Darstellung der Methoden berücksichtigt werden, um der Schwangeren eine informierte Entscheidung zu ermöglichen. |
Konsensbasierte Empfehlung 4.E28 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Frauen sollen darüber aufgeklärt werden, dass ein Schwangerschaftsabbruch eine sichere medizinische Behandlung ist und ernste Komplikationen selten sind. |
Konsensbasierte Empfehlung 4.E29 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Frauen sollen darüber aufgeklärt werden, dass bei ernsten Komplikationen wie z. B. starkem Blutverlust, Uterus- oder Zervixverletzung eine stationäre Aufnahme erforderlich werden kann, ggf. mit Bluttransfusion, Laparoskopie oder Laparotomie. |
Konsensbasierte Empfehlung 4.E30 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Frauen sollen darüber aufgeklärt werden, dass in seltenen Fällen die Schwangerschaft fortbesteht oder Reste von Schwangerschaftsgewebe verbleiben und ein weiterer Eingriff erforderlich ist. |
Konsensbasierte Empfehlung 4.E31 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Frauen sollen darüber aufgeklärt werden, dass bei Auftreten von Fieber oder Krankheitssymptomen eine ärztliche Untersuchung und ggf. weitere medizinische Behandlung erforderlich ist. |
Konsensbasierte Empfehlung 4.E32 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Frauen sollen darüber aufgeklärt werden, dass das Risiko von Fertilitätsstörungen, Früh- und Fehlgeburten, ektopen Graviditäten und einer Placenta praevia nach Abbrüchen im 1. Trimenon wahrscheinlich nicht erhöht ist. |
Konsensbasierte Empfehlung 4.E33 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Patientinnen sollten ermutigt werden, ihre informierte Entscheidung zu finden, indem sie ihre Werte, Präferenzen und persönlichen Lebensumstände einbringen und bedenken, was für sie wichtig ist. |
Konsensbasierte Empfehlung 4.E34 |
|
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Ärztinnen und Ärzte sollten der Frau den möglichen Nutzen, mögliche Risiken und Konsequenzen jeder Methode (Risikokommunikation) des Schwangerschaftsabbruchs bezogen auf die persönliche Lebenssituation der betroffenen Frau verständlich und evidenzbasiert darstellen. |
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Medikamentöser Schwangerschaftsabbruch
Konsensbasierte Empfehlung 5.E35 |
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---|---|
Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Anders als bei Mifepriston sollen die Patientinnen die Wahlmöglichkeit erhalten, ob sie die Einnahme des Prostaglandins in Einrichtungen wie Kliniken oder Praxen oder zu Hause vornehmen wollen. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E36 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Ein medikamentöser Abbruch kann ergänzend telemedizinisch begleitet werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E37 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Patientinnen sollen nach ausführlicher Aufklärung über die unterschiedlichen Vorgehensweisen eine informierte Entscheidung treffen können. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E38 |
|
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Die Patientin soll eine schriftliche Befund- und Behandlungsdokumentation sowie eine Notfall-Telefonnummer erhalten. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E39 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Auch bei Minderjährigen kann ein medikamentöser Schwangerschaftsabbruch durchgeführt werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E40 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Beim medikamentösen Schwangerschaftsabbruch sollten Anwendungsbeschränkungen sowie besondere gesundheitliche Risiken bei der Anwendung beachtet werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E41 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Eine Antibiotikaprophylaxe sollte bei einem medikamentösen Schwangerschaftsabbruch nicht routinemäßig erfolgen. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E42 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Prinzipiell für eine Antibiotikaprophylaxe geeignet sind Doxycyclin, Metronidazol und β-Lactam-Antibiotika wie Cephalosporine, um das Infektionsrisiko nach einem medikamentösen Schwangerschaftsabbruch zu verringern; diese Wirkstoffe sollten daher bei erhöhtem Infektionsrisiko verwendet werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E43 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Bei Frauen mit einem entsprechenden Risiko für oder dem Verdacht auf eine sexuell übertragbare Infektion sollte vor der Durchführung des medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs ein Zervixabstrich für die anschließende weitere Untersuchung entnommen werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E44 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Für einen medikamentösen Schwangerschaftsabbruch sollte die Kombination aus 200 mg Mifepriston und 24 bis 48 Stunden später 800 µg Misoprostol bukkal, sublingual oder vaginal bis zur Schwangerschaftswoche 9 + 0 verabreicht werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E45 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Alternativ können 600 mg Mifepriston und 24 bis 48 Stunden später 400 µg Misoprostol bukkal, sublingual oder vaginal bis Schwangerschaftswoche 7 + 0 bzw. 800 µg Misoprostol in Schwangerschaftswoche 7 + 1 bis 9 + 0 vaginal gegeben werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E46 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Frauen sollen vor einem medikamentösen Schwangerschaftsabbruch darüber aufgeklärt werden, dass ab 7 + 1 Schwangerschaftswochen die Anwendung von Misoprostol in Kombination mit Mifepriston „off label use“ ist. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E47 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Ab 3 Stunden nach Misoprostol-Einnahme kann bei ausbleibender Blutung eine zweite Dosis 400 µg Misoprostol verabreicht werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E48 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Zur Verbesserung der Symptomkontrolle sollte die Einnahme von NSAR wie Ibuprofen und eines Antiemetikums unmittelbar nach der Misoprostol-Einnahme empfohlen werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E49 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Ein adäquates Schmerzmanagement soll erfolgen. Geeignet sind nicht steroidale Antiphlogistika. Metamizol oral kann gegeben werden. Paracetamol sollte wegen geringer Wirksamkeit nicht angewendet werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E50 |
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Nach dem WHO-Stufenschema der Schmerztherapie kann der betroffenen Frau ein schwaches Opioid wie Tramadol zur Verfügung gestellt werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E51 |
|
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Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Aufgrund des häufigen Auftretens von Übelkeit und Erbrechen bei der Anwendung von Misoprostol sollte ein Antiemetikum, z. B. Dimenhydrinat, Metoclopramid oder Ondansetron, angeboten werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E52 |
|
---|---|
Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Treten im Verlauf eines medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs starke vaginale bzw. uterine Blutungen auf, soll umgehend eine Vakuumaspiration durchgeführt werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E53 |
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---|---|
Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Bei Anzeichen einer Infektion soll unmittelbar eine Antibiotikatherapie begonnen werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E54 |
|
---|---|
Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Intrauterine Gewebereste können mit abwartendem Vorgehen, einer Prostaglandingabe oder einer Vakuumaspiration behandelt werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E55 |
|
---|---|
Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Bei weiterbestehender Gravidität soll die Patientin über die Therapieoptionen Prostaglandingabe und Vakuumaspiration aufgeklärt und ihr dies zur Schwangerschaftsbeendigung angeboten werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E56 |
|
---|---|
Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Der Verdacht auf eine ektope Gravidität soll durch weitere diagnostische Maßnahmen abgeklärt werden. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E57 |
|
---|---|
Expertenkonsens |
Konsensusstärke +++ |
Nach einem medikamentösen Abbruch soll in geeigneter Weise kontrolliert werden, ob die Schwangerschaft beendet ist. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E58 |
|
---|---|
Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Frauen sollen sich nach einer Aufklärung über Vor- und Nachteile zwischen den unterschiedlichen Möglichkeiten der Nachkontrolle entscheiden können. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E59 |
|
---|---|
Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Eine sonografische Kontrolle kann der Frau etwa 2 Wochen nach der Blutungsinduktion angeboten werden. Hierbei sollte die Dicke des Endometriums bei Symptomfreiheit der Frau allein kein Kriterium für die Notwendigkeit einer weiteren Intervention sein. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E60 |
|
---|---|
Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Bei einer telemedizinischen ärztlichen Nachkontrolle soll die Beendigung der Schwangerschaft mittels eines etwa 2 Wochen nach der Blutungsinduktion durch die betroffene Frau durchgeführten Schwangerschaftstests mit einer Sensitivität von 1000 IU/l festgestellt werden. Bei persistierenden subjektiven Schwangerschaftssymptomen oder positiv ausfallendem 1000-IU/l-Test sollte eine Abklärung mittels Ultraschalluntersuchung oder seriellen β-hCG-Bestimmungen erfolgen. |
Konsensbasierte Empfehlung 5.E61 |
|
---|---|
Expertenkonsens |
Konsensusstärke ++ |
Zum sicheren Ausschluss einer weiterbestehenden intrauterinen oder ektopen Schwangerschaft kann auch eine serielle Messung des Serum-hCG zum Zeitpunkt der Mifepriston-Einnahme und eine Woche danach durchgeführt werden. |
Das ausführliche Literaturverzeichnis findet sich in der Langfassung der Leitlinie.


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Conflict of Interest/Interessenkonflikt
The conflicts of interest of all the authors are listed in the long German-language version of the guideline./Die Interessenkonflikte der Autorinnen und Autoren sind in der Langfassung der Leitlinie aufgelistet.
Correspondence/Korrespondenzadresse
Publication History
Received: 11 April 2023
Accepted: 14 April 2023
Article published online:
05 October 2023
© 2023. Thieme. All rights reserved.
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Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany



