Schlüsselwörter Leitlinie - Schwangerschaftsabbruch - medikamentös - operativ - 1. Trimenon
I Leitlinieninformationen
I Leitlinieninformationen
Leitlinienprogramm der DGGG, OEGGG und SGGG
Informationen hierzu finden Sie am Ende der Leitlinie.
Zitierweise
Abortion in the First Trimester. Guideline of the DGGG (S2k-Level, AWMF Registry No. 015-094,
December 2022) – Part 2 with Recommendations for Surgical Termination of Pregnancy
and
Follow-up Care After Termination of Pregnancy. Geburtsh Frauenheilk 2023; 83: 1221–1234
Leitliniendokumente
Die vollständige deutsche Langfassung dieser Leitlinien sowie eine Aufstellung der
Interessenkonflikte aller Autoreninnen und Autoren befinden sich auf der Homepage
der AWMF: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-094.html
Leitliniengruppe
Siehe [Tab. 1 ] und [2 ].
Tab. 1 Federführender und/oder koordinierender Leitlinienautor.
Autor/-in
AWMF-Fachgesellschaft
Prof. Dr. Matthias David
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG)
Prof. Dr. Stephanie Wallwiener
Deutsche Gesellschaft für Psychosomatik in Frauenheilkunde und Geburtshilfe (DGPFG)
Tab. 2 Beteiligte Leitlinienautoren/-innen.
Autor/-in
Mandatsträger/-in
DGGG-Arbeitsgemeinschaft (AG)/ AWMF/Nicht-AWMF-Fachgesellschaft/ Organisation/Verein
Anne Achtenhagen
Bundesverband donum vitae zur Förderung des Schutzes des menschlichen Lebens
Prof. Dr. Christian Bamberg
Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin
Dr. Cornelia Bormann
Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Endoskopie
Prof. Dr. Matthias David
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
Prof. Dr. Ursula Felderhoff-Müser
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin
Sylvia Groth
Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft
Kristina Hänel
Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin
Dr. Klaus König
Berufsverband der Frauenärzte
Prof. Dr. Matthias Korell
Deutsche Gesellschaft für gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin
Prof. Dr. Susanne Michl
Akademie für Ethik in der Medizin
Prof. Dr. Silke Redler
Deutsche Gesellschaft für Humangenetik
Prof. Dr. Ekkehard Schleußner
Deutsche Gesellschaft für Perinatalmedizin
Helga Seyler
Bundesverband pro familia – Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik
und Sexualberatung
Prof. Dr. Markus Wallwiener
Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie
Prof. Dr. Stephanie Wallwiener
Deutsche Gesellschaft für Psychosomatik in Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Die folgenden Fachgesellschaften/Arbeitsgemeinschaften/Organisationen/Vereine haben
Interesse an der Mitwirkung bei der Erstellung des Leitlinientextes und der Teilnahme
an der
Konsensuskonferenz bekundet und Vertreterinnen und Vertreter dafür benannt ([Tab. 2 ]).
Die Moderation der Leitlinie wurde dankenswerterweise von Dr. Monika Nothacker (AWMF-zertifizierte
Leitlinienberaterin/-moderatorin) übernommen.
Verwendete Abkürzungen
AWMF:
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
BfArM:
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
BVF:
Berufsverband der Frauenärzte
β-hCG:
humanes Choriongonadotropin
IUD:
intrauterine Kontrazeptiva oder auch Pessare
LNG:
Levonorgestrel
p. c.:
post conceptionem
NIH:
National Institutes of Health
p. m.:
post menstruationem
SOP:
Standard Operating Procedure
SSW:
Schwangerschaftswochen
StGB:
Strafgesetzbuch
WHO:
World Health Organization
II Leitlinienverwendung
Fragestellung und Ziele
Darstellung der medizinischen Grundlagen und der wissenschaftlichen Evidenz zu Methoden
und Indikationen sowie zur Beratung der Betroffenen, zur Durchführung, Methodenwahl,
Versorgung und
Überwachung beim Schwangerschaftsabbruch bis zur 12 + 0 SSW p. c.
Versorgungsbereich
Anwenderzielgruppe/Adressatinnen und Adressaten
Diese Leitlinie richtet sich an folgende Personenkreise:
Gynäkologinnen/Gynäkologen in der Niederlassung
Gynäkologinnen/Gynäkologen mit Klinikanstellung
weitere Ärztinnen und Ärzte, die mit der Beratung zu und Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen
befasst sind
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Beratungsstellen gemäß § 218/219 StGB
Verabschiedung und Gültigkeitsdauer
Die Gültigkeit dieser Leitlinie wurde durch die Vorstände/Verantwortlichen der beteiligten
Fachgesellschaften/Arbeitsgemeinschaften/Organisationen/Vereine sowie durch den Vorstand
der DGGG
und die DGGG-Leitlinienkommission im November 2022 bestätigt und damit in ihrem gesamten
Inhalt genehmigt.
Diese Leitlinie ist gültig vom 26.01.2023 bis 25.01.2026. Diese Dauer ist aufgrund
der inhaltlichen Zusammenhänge geschätzt. Eine frühere Aktualisierung kann sich aus
neuen Publikationen
oder Änderungen in Versorgungsnotwendigkeiten ergeben (siehe nächster Abschnitt).
III Methodik
Grundlagen
Die Methodik zur Erstellung dieser Leitlinie wird durch die Vergabe der Stufenklassifikation
vorgegeben. Das AWMF-Regelwerk (Version 1.0) gibt entsprechende Regelungen vor. Es
wird zwischen
der niedrigsten Stufe (S1), der mittleren Stufe (S2) und der höchsten Stufe (S3) unterschieden.
Die niedrigste Klasse definiert sich durch eine Zusammenstellung von Handlungsempfehlungen,
erstellt durch eine nicht repräsentative Expertengruppe. Im Jahr 2004 wurde die Stufe
S2 in die systematische evidenzrecherchebasierte (S2e) oder strukturelle konsensbasierte
Unterstufe
(S2k) gegliedert. In der höchsten Stufe S3 vereinigen sich beide Verfahren.
Diese Leitlinie entspricht der Stufe: S2k .
Empfehlungsgraduierung
Die Evidenzgraduierung nach systematischer Recherche, Selektion, Bewertung und Synthese
der Evidenzgrundlage und eine daraus resultierende Empfehlungsgraduierung einer Leitlinie
auf
S2k-Niveau ist nicht vorgesehen. Es werden die einzelnen Statements und Empfehlungen
nur sprachlich – nicht symbolisch – unterschieden ([Tab. 3 ]).
Tab. 3 Graduierung von Empfehlungen (deutschsprachig).
Beschreibung der Verbindlichkeit
Ausdruck
starke Empfehlung mit hoher Verbindlichkeit
soll/soll nicht
einfache Empfehlung mit mittlerer Verbindlichkeit
sollte/sollte nicht
offene Empfehlung mit geringer Verbindlichkeit
kann/kann nicht
Statements
Sollten fachliche Aussagen nicht als Handlungsempfehlungen, sondern als einfache Darlegung
Bestandteil dieser Leitlinie sein, werden diese als „Statements“ bezeichnet. Bei diesen
Statements
ist die Angabe von Evidenzgraden nicht möglich.
Konsensusfindung und -stärke
Im Rahmen einer strukturierten Konsenskonferenz nach dem NIH-Typ (S2k/S3-Niveau) stimmen
die berechtigten Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Sitzung die ausformulierten Statements
und
Empfehlungen ab. Der Ablauf ist im Wesentlichen wie folgt: Vorstellung der Empfehlung,
inhaltliche Nachfragen, Vorbringen von Änderungsvorschlägen, Abstimmung aller Änderungsvorschläge.
Bei
Nichterreichen eines Konsensus (> 75% der Stimmen) Diskussion und erneute Abstimmung.
Abschließend wird abhängig von der Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Stärke
des Konsensus
ermittelt ([Tab. 4 ]).
Tab. 4 Einteilung zur Zustimmung der Konsensusbildung.
Symbolik
Konsensusstärke
prozentuale Übereinstimmung
+++
starker Konsens
Zustimmung von > 95% der Teilnehmer/-innen
++
Konsens
Zustimmung von > 75 – 95% der Teilnehmer/-innen
+
mehrheitliche Zustimmung
Zustimmung von > 50 – 75% der Teilnehmer/-innen
–
kein Konsens
Zustimmung von < 51% der Teilnehmer/-innen
Expertenkonsens
Hierbei handelt es sich um Konsensusentscheidungen speziell für Empfehlungen/Statements
ohne vorige systematische Literaturrecherche (S2k) oder aufgrund von fehlender Evidenz
(S2e/S3). Der
Expertenkonsens (EK) ist gleichbedeutend mit den Begrifflichkeiten aus anderen Leitlinien
wie „Good Clinical Practice“ (GCP) oder „klinischer Konsensuspunkt“ (KKP).
Die Empfehlungsstärke graduiert sich gleichermaßen, wie bereits im Kapitel Empfehlungsgraduierung
beschrieben, ohne die Benutzung der aufgezeigten Symbolik und rein semantisch („soll“/„soll
nicht“ bzw. „sollte“/„sollte nicht“ oder „kann“/„kann nicht“).
IV Leitlinie
Einführung
Eine Schwangerschaft kann prinzipiell medikamentös oder operativ abgebrochen werden.
Welche Methode im Einzelfall am besten geeignet ist, sollte in einem ergebnisoffenen
Gespräch gemeinsam
mit der schwangeren Frau entschieden werden.
Die vorliegende Leitlinie wurde nach den Regularien der AWMF (Arbeitsgemeinschaft
der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) erstellt. Entsprechend den
Vorgaben für eine
S2k-Leitlinie wurden die Inhalte basierend auf einer systematischen Literaturrecherche
in einer interdisziplinären, für das Leitlinienthema repräsentativen Gruppe aus Expertinnen
und
Experten formal konsentiert.
Details zum methodischen Vorgehen können dem Leitlinienreport entnommen werden.
Diese Leitlinie richtet sich vor allem an Ärztinnen und Ärzte, die selbst Schwangerschaftsabbrüche
durchführen, und an jene Professionen, die in die Betreuung und Beratung von Frauen,
die
einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen wollen, einbezogen sind.
Ebenso soll sie ratsuchenden Frauen, in Beratungsstellen nach § 218/219 StGB Tätigen
sowie Patientinnen und ihren Angehörigen Hilfestellung leisten.
Die nachfolgenden Empfehlungen und 2 Statements befassen sich mit dem operativen Schwangerschaftsabbruch
und mit der Nachbetreuung der Frauen nach einem Schwangerschaftsabbruch.
Operativer Schwangerschaftsabbruch
Konsensbasierte Empfehlung 6.E62
Expertenkonsens
Konsensusstärke ++
Rechtzeitig vor einem operativen Schwangerschaftsabbruch sollte in geeigneter Weise
eine Abklärung erfolgen, um somatische und psychische Erkrankungen zu erkennen, die
mit einem
erhöhten Komplikationsrisiko verbunden sein können. Im Einzelfall kann eine weitere
ambulante oder stationäre Abklärung notwendig sein.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E63
Expertenkonsens
Konsensusstärke ++
Frauen, die sich einem operativen Schwangerschaftsabbruch unterziehen, kann eine perioperative
Antibiotikaprophylaxe als Einmaldosis verabreicht werden.
Konsensbasiertes Statement 6.S1
Expertenkonsens
Konsensusstärke ++
Doxycyclin, Metronidazol und β-Lactam-Antibiotika wie Cephalosporine sind geeignet,
das Infektionsrisiko nach einem Schwangerschaftsabbruch zu verringern.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E64
Expertenkonsens
Konsensusstärke ++
Frauen mit einem entsprechenden Risiko für oder dem Verdacht auf eine sexuell übertragbare
Infektion sollten rechtzeitig vor Durchführung des operativen Schwangerschaftsabbruchs
eine Untersuchung auf sexuell übertragbare Krankheiten bzw. eine zervikale Infektion
erhalten. Bei Bestätigung der Infektion sollte die betroffene Frau zusätzlich zur
perioperativen Antibiotikagabe eine evidenzbasierte medikamentöse Therapie erhalten.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E65
Expertenkonsens
Konsensusstärke ++
Vor einem operativen Schwangerschaftsabbruch sollte ein Zervixpriming mit 400 µg Misoprostol
durchgeführt werden, insbesondere bei Nulliparität oder nach Voroperationen an der
Zervix.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E66
Expertenkonsens
Konsensusstärke ++
Als Alternativen zu Misoprostol können angewendet werden: 3 – 4 Stunden vor dem Abbruch
intrazervikal platzierte osmotische Dilatatoren oder Mifepriston 200 – 400 mg oral
24 – 48
Stunden vor dem operativen Schwangerschaftsabbruch.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E67
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Ein früher operativer Schwangerschaftsabbruch (< 7 + 0 SSW) sollte mit einer routinemäßigen,
prä- und postoperativen Ultraschall- und einer postoperativen Untersuchung des
abgesaugten Gewebes verbunden werden.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E68
Expertenkonsens
Konsensusstärke ++
Wenn kein Schwangerschaftsmaterial festgestellt werden kann, soll eine β-hCG-Verlaufskontrolle
erfolgen.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E69
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Wenn postoperativ der Verdacht auf eine Schwangerschaft unklarer Lokalisation besteht,
sollten bei der Patientin seriell die β-hCG-Werte im Serum bestimmt werden.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E70
Expertenkonsens
Konsensusstärke ++
Beim operativen Schwangerschaftsabbruch im 1. Trimenon (< 14 + 0 SSW p. m.) soll die
Durchführung einer Vakuumaspiration die Methode der Wahl sein.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E71
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Es sollte eine an die Schwangerschaftswoche angepasste, nicht zu große Absaugkanüle
(Syn. Saugröhrchen) verwendet werden.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E72
Expertenkonsens
Konsensusstärke ++
Ein Schwangerschaftsabbruch sollte nicht mit einer Metallkürette durchgeführt werden.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E73
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine sog. instrumentelle Nachtastung mit einer Metallkürette soll nicht erfolgen.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E74
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei Schwangerschaftsabbrüchen im späten 1. Trimenon (12 + 0 bis < 14 + 0 SSW) kann
zur Entfernung fetaler Teile und Plazentagewebe eine speziell geformte, stumpfe
Abortfasszange verwendet werden.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E75
Expertenkonsens
Konsensusstärke ++
Frauen sollen sich nach Aufklärung über die Vor- und Nachteile der einzelnen Anästhesietechniken
für die von ihnen präferierte Methode entscheiden können.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E76
Expertenkonsens
Konsensusstärke ++
Vakuumaspirationen in Lokalanästhesie sollten von Ärztinnen und Ärzten durchgeführt
werden, die ausreichend Erfahrung und Routine mit dieser Technik haben.
Konsensbasiertes Statement 6.S2
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Orale nicht steroidale Antiphlogistika können zur Schmerzreduktion vor dem Eingriff
gegeben werden.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E77
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine Analgosedierung soll den Frauen, die einen operativen Schwangerschaftsabbruch
durchführen lassen wollen, nicht als Methode der Wahl angeboten werden.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E78
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Wahl des Anästhesieverfahrens sollte in einer gemeinsamen Entscheidung von informierter
Patientin und Anästhesist/Anästhesistin erfolgen.
Konsensbasiertes Statement 6.S3
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Als mögliche Anästhesieform für den ambulanten operativen Schwangerschaftsabbruch
kommt vor allem die Allgemeinanästhesie im Sinne einer total intravenösen Anästhesie
(TIVA) in
Betracht. Im klinisch stationären/ambulanten Betrieb können neben der TIVA auch eine
balancierte Anästhesie oder auch regionalanästhesiologische Verfahren im Sinne z. B.
einer
Spinalanästhesie zum Einsatz kommen.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E79
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Nicht pharmakologische Unterstützungs- und Interventionsmaßnahmen während des Schwangerschaftsabbruchs
werden von vielen betroffenen Frauen als hilfreich angesehen und können
daher angeboten werden.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E80
Expertenkonsens
Konsensusstärke ++
Auf eine routinemäßige histopathologische Untersuchung des beim operativen Schwangerschaftsabbruch
gewonnenen Gewebes kann verzichtet werden.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E81
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei einem Schwangerschaftsabbruch aufgrund von embryonalen bzw. fetalen Auffälligkeiten
in der Pränataldiagnostik sollen die Indikation für weiterführende genetische
Untersuchungen und ggf. deren Ziel und Inhalt mit der Patientin besprochen werden.
Die Vorgaben des Gendiagnostikgesetzes sind zu berücksichtigen.
(Es wird ergänzend auf die AWMF-S2e-Leitlinie „Ersttrimester Diagnostik und Therapie
@ 11 – 13 + 6 Schwangerschaftswochen“, Registernummer 085-002 verwiesen).
Konsensbasierte Empfehlung 6.E82
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Um das Risiko insbesondere für eine Uterusperforation zu reduzieren, sollte eine vorherige
vaginale Ultraschalluntersuchung zur Feststellung der Lage des Uterus, von
Uterusfehlbildungen, der Feststellung möglicher Plazentationsstörungen und der Bestimmung
des tatsächlichen Schwangerschaftsalters erfolgen.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E83
Expertenkonsens
Konsensusstärke ++
Bei vorbekanntem erhöhtem Risiko für operative Komplikationen sollte der Schwangerschaftsabbruch
nur in Einrichtungen erfolgen, die strukturell und personell in der Lage sind,
diese bei deren Eintritt unverzüglich adäquat behandeln zu können.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E84
Expertenkonsens
Konsensusstärke ++
Jede Einrichtung, in der operative Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, sollte
über schriftliche Notfallprotokolle (SOP) verfügen, die das Vorgehen bei den häufigsten
perioperativen Komplikationen bei einem operativen Schwangerschaftsabbruch beschreiben.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E85
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Wenn nach einem operativen Schwangerschaftsabbruch der Verdacht auf das Fortbestehen
einer intrauterinen Schwangerschaft besteht, soll eine Kontrolle kurzfristig mittels
Ultraschalluntersuchung oder serieller Serum-β-hCG-Bestimmung erfolgen.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E86
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine Infektion der Genitalorgane nach einem operativen Schwangerschaftsabbruch soll
antibiotisch behandelt werden.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E87
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Frauen sollen nach einem operativen Schwangerschaftsabbruch über den variablen Verlauf
von Blutungen und Schmerzen, über die Anwendung von nicht steroidalen Antiphlogistika
zur
Schmerzlinderung sowie über den zeitlichen Verlauf der Rückbildung von Schwangerschaftssymptomen
informiert werden.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E88
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Frauen sollen darüber aufgeklärt werden, dass sie wenige Tage nach dem Eingriff wieder
schwanger werden können und, wenn eine Schwangerschaft nicht gewünscht ist, Verhütungsmittel
anwenden sollen.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E89
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Empfehlungen zum Verzicht auf Tampons, Menstruationstassen u. a. sowie auf Geschlechtsverkehr
für einen bestimmten Zeitraum nach einem operativen Schwangerschaftsabbruch sollen
mangels Evidenz unterlassen werden.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E90
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Frauen sollen nach einem operativen Schwangerschaftsabbruch über Anzeichen für Komplikationen
(residuales Schwangerschaftsgewebe, Infektionen im kleinen Becken) aufgeklärt werden
und wissen, wohin sie sich in diesem Fall wenden können.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E91
Expertenkonsens
Konsensusstärke ++
Eine routinemäßige Nachuntersuchung nach einem operativen Schwangerschaftsabbruch
sollte allen Frauen nach dem Eingriff angeboten werden.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E92
Expertenkonsens
Konsensusstärke ++
Die Entscheidung über einen Zweiteingriff soll primär auf der Basis von klinischen
Symptomen und nach Aufklärung über Nutzen und Risiken gemeinsam mit der Frau getroffen
werden.
Nachbetreuung nach einem Schwangerschaftsabbruch
Konsensbasierte Empfehlung 7.E93
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen, sowie ggf. deren Partner
oder Partnerinnen sollen darüber informiert werden, dass sie, wie bei anderen
schwerwiegenden Lebensentscheidungen, eine große Bandbreite unterschiedlicher Emotionen
erleben können, die kein Anzeichen einer psychischen Störung sind.
Konsensbasierte Empfehlung 7.E94
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Das in den Schwangerschaftsabbruch involvierte medizinische Personal soll akzeptierend
und unterstützend auf emotionale Reaktionen von Frauen eingehen, die einen
Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen. Stigmatisierendes Verhalten soll vermieden
werden.
Konsensbasierte Empfehlung 7.E95
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Frauen und ggf. deren Partner oder Partnerinnen sollen ermutigt werden, sich nach
einem Schwangerschaftsabbruch Unterstützung durch geeignete Personen im privaten Umfeld
und in
besonderen Situationen ggf. professionelle Unterstützung zu holen.
Konsensbasierte Empfehlung 7.E96
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Frauen mit entsprechenden Risikofaktoren bzw. erkennbaren psychischen Belastungen
sollen nach dem Schwangerschaftsabbruch über Angebote der
Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen zur Nachbetreuung und psychologischen Beratung
informiert werden. Die Partner/Partnerinnen sollen bei Bedarf darüber informiert werden,
dass diese Angebote sich auch an sie richten.
Konsensbasierte Empfehlung 7.E97
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Frauen mit bekannten psychischen Problemen sollten gefragt werden, ob sie eine psychotherapeutische
oder psychiatrische Unterstützung haben und ob sie dort mögliche Probleme im
Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch ansprechen können. Sie sollen ggf. über
(ergänzende) spezifische Beratungsangebote informiert werden.
Konsensbasierte Empfehlung 7.E98
Expertenkonsens
Konsensusstärke ++
Ergänzendes Sondervotum BVF zu 7.E98: Fachärztlicherseits sind die Kontraindikationen
entsprechend Risikokatalog des BfArM zu berücksichtigen.
Frauen soll beim Vorgespräch sowie unmittelbar vor oder nach dem Schwangerschaftsabbruch
eine Verhütungsberatung angeboten werden.
Konsensbasierte Empfehlung 7.E99
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Frauen soll die Initiierung von Verhütung unmittelbar nach einem operativen Schwangerschaftsabbruch
oder beim medikamentösen Abbruch am Tag der Gabe von Mifepriston (bei
hormonellen Methoden) bzw. nach der Feststellung eines vollständigen Abbruchs (bei
intrauterinen Methoden) angeboten werden.
Konsensbasierte Empfehlung 7.E100
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Verhütungsberatung soll die Basis einer informierten Entscheidung für die Auswahl
der von der Frau präferierten Methode sein.
Konsensbasierte Empfehlung 7.E101
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Mögliche Gründe für das Scheitern der Verhütung bzw. für die Nichtverhütung vor dem
Abbruch sollten erfragt werden, ohne sie zu bewerten.
Konsensbasierte Empfehlung 7.E102
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei jeder Verhütungsberatung soll sichergestellt werden, dass kein Druck auf die Frau
ausgeübt wird. Die Entscheidung, keine Verhütungsmethode anzuwenden, soll respektiert
werden.
Konsensbasierte Empfehlung 7.E103
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Hormonelle Kontrazeptiva können – unter Beachtung von Kontraindikationen und Risiken
(BfArM-Risikokatalog) – zeitgleich mit einem Schwangerschaftsabbruch begonnen werden,
unabhängig von der verwendeten Methode des Abbruchs, ohne das Risikoprofil oder den
Erfolg des Abbruchs zu beeinflussen.
Konsensbasierte Empfehlung 7.E104
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei einer zeitgleichen Applikation von Depotmedroxyprogesteronacetat (DMPA) und Mifepriston
bei einem medikamentösen Schwangerschaftsabbruch sollte die Patientin über eine leicht
erhöhte Rate an weiterbestehenden Schwangerschaften informiert werden, auch wenn das
Risiko insgesamt als niedrig einzustufen ist.
Konsensbasierte Empfehlung 7.E105
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei Frauen, die ein IUD als Verhütungsmethode wählen, sollte die Einlage entweder
direkt nach einem operativen Schwangerschaftsabbruch erfolgen oder, im Falle eines
medikamentösen
Abbruchs, sobald wie möglich nach Feststellung des vollständigen Schwangerschaftsabbruchs.
Konsensbasierte Empfehlung 7.E106
Expertenkonsens
Konsensusstärke ++
Eine Tubensterilisation sollte nicht direkt nach einem Schwangerschaftsabbruch als
Verhütungsmethode angeboten werden.
Das ausführliche Literaturverzeichnis findet sich in der Langfassung der Leitlinie.